Verfassungsrecht
Grundrechte
Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Baubereich und im öffentlichen Verkehr (Markus Schefer / Caroline Hess-Klein), ZSR 2011 / I, S. 387 ff.
Der Beitrag erläutert den Inhalt und die Schranken des grundrechtlichen Anspruchs der Behinderten vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Bundeskompetenzen beschränkt sind und ein Spannungsverhältnis besteht zwischen dem Gleichstellungsgebot und der Erfordernis, dass der Anspruch der Behinderten nicht zu unverhältnismässigen Belastungen der Anpassungspflichtigen führen darf. Thematisiert werden ferner auch Fragen der praktischen Durchsetzung des Rechts.
Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung bei Dienstleistungen, in der Bildung und in Arbeitsverhältnissen (Markus Schefer / Caroline Hess-Klein), jusletter vom 19. September 2011
Quasi die Ergänzung des vorgenannten Beitrags für den Dienstleistungsbereich, das Bildungswesen und die Arbeitsverhältnisse. Da der Bundesgesetzgeber in diesen Bereichen nur über beschränkte Kompetenzen verfügt, bestehende Zuständigkeiten nicht ausübt oder lediglich milde Sanktionen an Gesetzesverletzungen knüpft, bleibt die Verwirklichung des Gleichstellungsgedankens vielfach hinter dem ausländischen und dem internationalen Recht zurück.
Übriges Verfassungsrecht
Die Übernahme von EU-Recht, ein Vorschlag zur Verbesserung der institutionellen Mechanismen (Roger Zäch), SJZ 2011, S. 405 ff.
Eine Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt der Europäischen Union verlangt eine weitgehende Abstimmung des schweizerischen Wirtschaftsrechts mit demjenigen der EU. Der Autor schlägt eine verstärkte Mitwirkung der Schweiz bei der Weiterentwicklung von Folgerecht vor. Verbunden mit einem vereinfachten Übernahmeverfahren sollen damit bessere Voraussetzungen für die Übernahme von Folgerecht der Union geschaffen werden. In einem solchen vereinfachten Verfahren würde ausschliesslich von einem vereinbarten Grundkonzept umfasstes Recht übernommen, das aufgrund der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder technischen Entwicklungen in der Europäischen Union angepasst worden ist.
Überdenken der polizeilichen Generalklausel bei Vorliegen staatlicher Schutzpflichten (Helen Keller / Nicole Bürli), AJP 2011, S. 1143 ff.
Anhand der jüngst präzisierten Bundesgerichtspraxis diskutieren die Autorinnen das Erfordernis der fehlenden Vorhersehbarkeit der Gefährdung. Sie postulieren, bei Bestehen staatlicher Schutzpflichten auf dieses Erfordernis zu verzichten und ausserhalb von staatlichen Pflichten danach zu differenzieren, ob eine konkrete oder eine abstrakte Gefährdung vorliegt. Die Generalklausel soll nur bei abstrakten Gefährdungen anwendbar sein.
Verwaltungsrecht
Allgemeines Verwaltungsrecht
Zur Abgrenzung von Rechtsakt und Realakt im öffentlichen Recht (Susanne Genner), AJP 2011, S. 1153
Ein guter Kurzbeitrag zu einer in der Praxis immer wieder diskutierten Frage. Dabei wäre die Lösung, so die Argumentation der Autorin, relativ einfach.
Verwaltungsverordnungen als Rechtsquellen des Verwaltungsrechts? (Patricia Egli) AJP 2011, S. 1159 ff.
Verwaltungsverordnungen stellen gemäss Bundesgericht im Aussenbereich keine Rechtsquellen dar, was hinsichtlich des Rechtsschutzes zu Kritik führt. Nach Auffassung der Autorin könnten Verwaltungsverordnungen jedoch oft als Gewohnheitsrecht und damit als Rechtsquellen qualifiziert werden, wodurch sie sowohl im Aussenverhältnis als auch namentlich gegenüber Gerichten rechtsverbindlich würden.
Umwelt-, Bau- und Planungsrecht
Aktuelle Rechts- und Vollzugsfragen bei der Anwendung
der VASA (Sibylle Dillon / Siegfried Lagger), URP 6/2011, S. 633 ff.
Die beiden im Bundesamt für Umwelt (Bafu) tätigen Autoren erläutern, unter welchen Voraussetzungen der Bund eine Abgeltung gemäss der Verordnung über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten (VASA) gewährt. Sodann präzisieren sie, für welche Projekte VASA-Abgeltungen in Frage kommen und wie die Kantone die Abgeltungen weiterverwenden können. Dieser Aufsatz entstand im Zusammenhang mit einer Tagung zu aktuellen Praxisthemen zum Altlastenrecht, deren gesamte Beiträge im URP-Heft 6/2011 zu finden sind.
Steuerrecht
Die Rückerstattung von übersetzten Boni und anderen Lohnzahlungen (Markus Reich), ASA 80, S. 109 ff.
Der Autor ist der Auffassung, dass ein zurückbezahlter Bonus steuerlich abzugsfähig ist. Lesenswert sind vor allem seine grundsätzlichen Ausführungen zum Einkommensbegriff.
Schweizer Steuerstrafrecht im Wandel? Reflexionen im Hinblick auf die neuesten internationalen Entwicklungen (Daniel Holenstein), ASA 80, S. 3 ff.
Der Autor findet richtigerweise, dass das Steuerstrafrecht nach der Entwicklung bei den Doppelbesteuerungsabkommen, die durch Druck von aussen möglich wurde, endlich grundsätzlich überarbeitet werden sollte. Es kann nicht sein, dass ausländische Steuerbehörden Einblick in Bankdaten erhalten, schweizerische jedoch nicht.
Übriges Verwaltungsrecht
Der erstinstanzliche Rechtsschutz gegen universitäre Prüfungsentscheidungen
(Benjamin Schindler / Patrik Louis), ZBl 2011, S. 509 ff.
Nach einer Darlegung der bundesrechtlichen Minimalanforderungen vergleichen die beiden Autoren den erstinstanzlichen Rechtsschutz an den Eidgenössischen Technischen Hochschulen und den kantonalen Universitäten und würdigen die verschiedenen Systeme unter den Aspekten Effektivität, Effizienz, Fairness und Hochschulautonomie.
Gerichtlicher Rechtsschutz bei Prüfungsfällen: Aktuelle Entwicklungen (Patricia Egli), ZBl 2011, S. 538 ff.
Die Autorin zeigt, wie sich der gerichtliche Rechtsschutz in das neu- gestaltete Rechtsschutzsystem des Bundes einordnen lässt, und diskutiert kritisch neuere Urteile des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu zentralen Aspekten.
Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit - erste Erfahrungen in der Praxis (Andreas Vögeli), AJP 2011, S. 1183 ff.
Der Autor analysiert verschiedene in der Praxis bedeutsame Problembereiche der fehlenden Begriffsdefinition: die lückenhaften Kontrollbefugnisse der kantonalen Organe und der interbehördlichen Kooperation und Kommunikation. Zudem unterbreitet er Vorschläge de lege ferenda.
Sozialversicherungsrecht
Die Maschen werden weiter - Sozialversicherungen auf dem Rückzug (diverse Autoren), HAVE 2011, S. 286 ff.
Das HAVE-Forum ist der jüngeren Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung gewidmet, die naturgemäss unterschiedlich beurteilt wird. Eingegangen wird insbesondere auch auf die Wirkungen der 6. IV-Revision.
Strafrecht
Allgemeiner Teil
Evaluation AT-StGB: Konzeption und Herausforderungen (Barbara Haering / Ladina Rageth), SZK/RSC 2/2011, S. 31 ff.
Eingebettet in ein hochinteressantes Heft zum übergeordneten Thema der Evaluation, äussert sich dieser Beitrag auch zu den konkreten Schwierigkeiten einer Untersuchung der Wirksamkeit des revidierten Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs. Ein im Rahmen der politischen Diskussion einer erneuten Revision wichtiger Aufsatz.
Besonderer Teil (inkl. Betäubungsmittel)
Die revidierten Strafbestimmungen des BetmG - Vier Säulen und einige Überraschungen (Gerhard Fiolka), AJP 2011, S. 1271 ff.
Kritische Analyse der Strafbestimmungen, wobei der Autor vor allem bei der Neuformulierung von Art. 19 Abs. 2 lit. a Raum für eine sinnvollere Auslegung sieht.
Privatrecht
Kauf- und Mietrecht
Mängelentscheide (zusammengestellt von Claude Roy), mp 3/2011, S. 171 ff.
Der Zürcher Rechtsanwalt hat relevante Entscheide in den Kantonen und des Bundesgerichts der vergangenen dreissig Jahre zum Mängelrecht zusammengestellt. Die prägnant zusammengefasste Kasuistik zu grundsätzlichen Fragen bis hin zu ausgewählten Beispielen von Mangeltypen liefert einen raschen Überblick, wenn man in der Praxis einen entsprechenden Fall mit Verweis auf die Praxis zu bearbeiten hat.
Mietzinsgestaltung (Herabsetzung) nach Ablauf eines mehrmals stillschweigend verlängerten indexierten Mietvertrages (Andreas Maag), MRA 3/2011, S. 87 ff.
Nach Ablauf eines Mietvertrages oder auf den Kündigungstermin kann in einem Mietverhältnis mit indexiertem Mietzins die Anpassung des Mietzinses nach relativer oder absoluter Methode verlangt werden. Bei mehrmals verlängerter Indexmiete kann die Indexerhöhung jedoch nicht mehr in Frage gestellt werden. Dies hat das Bundesgericht als Ausfluss aus dem Vertrauensprinzip in den Entscheiden 4A_489/2010 und 4A_531/2010 statuiert.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Kaufvertragsrecht im Jahr 2010 - «unpublizierte» und
«publizierte» Entscheide (Christoph Brunner / Markus Vischer), jusletter vom 3. Oktober 2011
Überblick über die auf dem Internet zur Verfügung stehenden «unpublizierten Entscheide» sowie der in der amtlichen Sammlung publizierten Entscheide des Bundesgerichts zum Kaufvertragsrecht, wobei die wichtigsten davon zu diesem Zweck zusammengefasst und kurz kommentiert werden.
Arbeitsvertragsrecht
Weiterbildung und Arbeitsrecht (Thomas Geiser), Recht 2011, S. 118 ff.
Der Autor fasst die Rechtslage zur Weiterbildung nach Obligationenrecht und Arbeitsgesetz zusammen: Wer trägt die Kosten? Kann sie während der Arbeitszeit stattfinden? Kann man jemanden dazu «zwingen»? Zudem entwickelt der Beitrag Ansätze für eine Neuregelung.
Berufliche Mobilität und sozialversicherungsrechtliche Unterstellungsfragen (Christof Nef, Aurel Ritz), Steuerrevue 2011, S. 663 ff. und 753 ff.
Sehr interessanter Artikel anhand von Beispielen zu Einzelheiten und Fussangeln der grundlegenden Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 mit einem Ausblick auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die in der Schweiz noch nicht Anwendung findet.
Privatversicherungsrecht
Erheblichkeit und Kausalzusammenhang einer Anzeigepflichtverletzung (Nina Fehr), HAVE 2011, S. 235 ff.
Die Autorin beleuchtet aus Sicht der Versicherungsbranche vor allem die bei der Totalrevision des Versicherungsvertragsgesetzes geplante Neuregelung der Anzeigepflichtverletzung sehr kritisch und sieht die Gefahr, dass falsche Anreize gesetzt werden, die zum Versicherungsmissbrauch animieren.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates - Bedeutung und Entwicklung von zivilrechtlichen Verantwortlichkeitsklagen gegen Verwaltungsräte (Susanne Keller), jusletter vom 24. Oktober 2011
In der jüngeren Vergangenheit wurde verschiedentlich von einer Zunahme von Verantwortlichkeitsklagen gesprochen, ohne aber diese Vermutung mit einer Untersuchung oder mit genauen Zahlen belegen zu können. Der Beitrag beantwortet die Frage, ob es wirklich zu einer Zunahme von Fällen gekommen ist.
Wirtschaftsverwaltungsrecht
Das neue Bundesgesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (RuVG) - Fluch oder Segen? (Marnie Dannacher) SJZ 2011, S. 481 ff.
Die Autorin beleuchtet den Anwendungsbereich des RuVG kritisch und stellt fest, dass unverständliche Begriffe in die Regelung des Gesetzes Eingang gefunden haben. Als problematisch beurteilt sie namentlich die Formulierung, wonach ein Rechtshilfeersuchen zu keinem «Ergebnis» führen dürfe, und die Regelung, die eine Einziehung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ermöglicht, ohne dass eine Verurteilung der politisch exponierten Person erfolgt ist. Zudem sei eine rückwirkende Anwendung des Gesetzes zu verhindern.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Öffentliches Verfahrens- und Prozessrecht
Der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verwaltungsverfahren (Marc Häusler / Reto Ferrari-Visca), jusletter vom 24. Oktober 2011
Die Autoren diskutieren am Beispiel des Kantons Bern, ob und unter welchen Voraussetzungen im Verwaltungsverfahren ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand besteht. Ebenfalls wird das Verfahren um Erlangung des unentgeltlichen Rechtsbeistands sowie die Verteilung der Verfahrens- und Parteikosten behandelt.
Strafprozessrecht
Art. 305 Abs. 3 StPO: Zwischen Persönlichkeits- und Opferschutz (Daniel Kettiger / Marianne Schwander), jusletter vom 10. Oktober 2011
Der Aufsatz befasst sich mit Entstehungsgeschichte und Regelungsgehalt von Art. 305 Abs. 3 StPO und Art. 8 Abs. 2 OHG. Die Autoren sind der Meinung, dass zwar mit proaktiver Opferberatung grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht werden, eine generelle Mitteilungspflicht der Polizei - allenfalls gegen den Willen des Opfers - aus Beratungssicht aber problematisch ist. Sie würde das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers verletzen. Sie postulieren de lege ferenda eine klare und unmissverständliche Neuregelung.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Mittel und Wege zur Beseitigung der negativen Auswirkungen des Betreibungsregistereintrags grundloser Betreibungen (André Equey / Reto Vonzun), AJP 2011, S. 1337 ff.
Guter Überblick zu möglichen Auswegen aus einer lästigen, in der Praxis immer wieder anzutreffenden Problemstellung.
Europarecht
Wirtschafts- und Sozialrecht
Ein europäisches Kaufvertragsrecht? (Natascha Stanke) jusletter vom 10. Oktober 2011
Der Beitrag befasst sich mit der kürzlich vorgelegten Studie einer Expertengruppe, auf deren Basis ein europäisches Kaufvertragsrecht geschaffen werden soll. Nach einer allgemeinen Einführung in das Thema werden die Inhalte der Studie überblicksartig dargestellt und es folgt eine Würdigung, in der besonders kritische Punkte aufgezeigt werden.
Völkerrecht
Menschenrechte
Der UBS-Staatsvertrag und die EMRK (Martin Schaub), AJP 2011, S. 1294 ff.
Entgegen dem Bundesverwaltungsgericht bejaht der Autor für gewisse Kostellationen der Amtshilfe gemäss Staatsvertrag eine Verletzung von Art. 8 EMRK. Würde die Schweiz ein entsprechendes Gerichtsurteil beachten und keine Amtshilfe leisten, sieht er keine Verletzung des Staatsvertrags, da dieser die Schweiz nur zur Bearbeitung des Amtshilfegesuchs verpflichte. Anspruchsvoller, aber spannender Beitrag.