Verfassungsrecht
Grundrechte
Verwaltungsrecht und Grundrechte als «Türen» zum öffentlichen Raum. Patrik Louis und Benjamin Schindler, AJP 2013, S. 796 ff.
Die Autoren analysieren zwei Begründungsansätze des Bundesgerichts zu den Voraussetzungen der Inanspruchnahme des öffentlichen Raums zur Grundrechtsausübung. Anhand konkreter Beispiele suchen sie nach den Gründen für die unterschiedlichen Ansätze und deren jeweiligen Stärken und Schwächen.
Politische Rechte
So besser nicht: Kritische Anmerkungen zum materiellen Vorprüfungsverfahren für Volksinitiativen im Bund. Andreas Auer, Nicolas Aubert und Evren Somer, AJP 2013, S. 659 ff.
Nach Ansicht der Autoren löst der Vorschlag die Probleme nicht, sondern wirft neue Fragen auf.
Die Kassation von mangelhaften Volksabstimmungen auf Bundesebene – «vorläufige Massnahmen» als Alternative zu BGE 138 I 61. Goran Seferovic, AJP 2013, S. 675 ff.
Der Autor kritisiert den Bundesgerichtsentscheid zur Verletzung der Abstimmungsfreiheit nach Artikel 34 BV bei der Abstimmung über das Unternehmenssteuerreformgesetz. Gleichzeitig zeigt er auf, wie das Bundesgericht die direktdemokratischen Rechte besser hätte schützen können.
Übriges Verfassungsrecht
Bundesgerichtlicher Positionsbezug zum Verhältnis von Bundesverfassung und Völkerrecht. Yvo Hangartner, AJP 2013, S. 698 ff.
In seinem letzten Beitrag analysiert der am 15. März 2013 verstorbene Verfassungsrechtler die Bundesgerichtsurteile zum Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht. Er plädiert überdies bei der sogenannten Durchsetzungsinitiative zur Ausschaffungsinitiative für eine Teilungültigerklärung durch das Parlament. Andernfalls müsse das Bundesgericht dem menschenrechtswidrigen Teil der Initiative die Anwendung versagen.
Verwaltungsrecht
Ausländer- und Asylrecht
Schnell, aber fair? Kritische Analyse des Entwurfs der «Testphasenverordnung». Nula Frei und Teresia Gordzielik, ASYL 2013/2, S. 21–33.
Mit den dringlichen Änderungen des Asylgesetzes hat der Bundesrat die Kompetenz erhalten, abweichend vom Gesetz Bestimmungen für eine Testphase zur Neustrukturierung des Asylverfahrens zu erlassen. Die nun im Entwurf vorliegende «Testphasenverordnung» wirft aus verfassungsrechtlicher und rechtspolitischer Sicht verschiedene Fragen auf. Wer sich über das «Asylverfahren von morgen» und dessen vorhersehbare Schwächen orientieren will, findet hier umfassende Informationen.
Sozialversicherungsrecht
Die sozialrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum FZA und zu Anhang K des Efta-Übereinkommens. Silvia Bucher, SZS 57/2013, S. 215 ff.
Neuste Auflage der regelmässigen Berichterstattung über die Bundesgerichtsentscheide, die sich mit der Anwendbarkeit des FZA beschäftigt. Hilfreich an der vollständigen Zusammenstellung ist, dass die Autorin die Entscheide auch kommentiert und auf mögliche Auswirkungen hinweist.
BVG
Auswirkungen der IV-Revision 6a auf die berufliche Vorsorge – eine Bestandesaufnahme. Marc M. Hürzeler und Raffaella Biaggi, SZS 57/2013, S. 105 ff.
Die Änderungen der IV-Revision 6a wie die eingliederungsorientierte Rentenrevision mit der dreijährigen Schutzfrist und die Behandlung der Päusbong wirken sich auch im BVG-Bereich aus. Der Aufsatz zeigt auf, welche Regelungen im BVG-Bereich gelten, und weist auf besondere Probleme bei Teilinvalidität hin. Lesenswert.
KVG und UVG
Aktuelle datenschutzrechtliche Fragen im UVG. Markus Fuchs, SZS 56/2012, S. 414 ff.
Welche Auswirkungen haben die Änderungen des Datenschutzgesetzes zur Verbesserung der Erkennbarkeit und der Informationspflicht beim Datenbeschaffen auf den Vollzug der Unfallversicherung? Hilfreich für Praktiker.
Assurance perte de gain maladie collective selon la LCA et situations transfrontalières. Jacques-André Schneider und Anne Troillet, SZS 57/2013, S. 251 ff.
Viele AVB von Kollektivkrankentaggeldversicherern sehen vor, dass die Krankentaggeldleistungen an den Wohnsitz in der Schweiz geknüpft werden. Dies könnte für EU- und Efta-Bürger im Lichte des Freizügigkeitsabkommens eine unzulässige Diskriminierung darstellen. Interessante Darstellung eines noch ungelösten Problems.
Strafrecht
Allgemeiner Teil
Nulla Minder-poena sine lege. Patric Brand, Karl-Marc Wyss und Pascal Zysset, jusletter vom 27. Mai 2013.
Nach Ansicht der Autoren verstösst die Aufnahme von Strafbestimmungen in die vom Bundesrat zu erlassende «Abzockerverordnung» gegen den Grundsatz «keine Strafe ohne Gesetz». Der im Initiativtext enthaltene Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe bis zu sechs Jahresvergütungen könne nur gestützt auf formell-gesetzliche Normen angedroht werden.
Übriges Strafrecht
Freiheitsrechte im Strafvollzug – Plädoyer für die Abkehr vom Sonderstatus. Helen Keller und Simon Schädler, ZSR 2013, S. 195 ff.
Der Beitrag postuliert eine Abkehr von dem mit dogmatischen Mängeln behafteten Sonderstatuskonzept. Beim Erlass von Anstaltsreglementen oder bei der Beurteilung von konkreten Gesuchen sollen die Leitplanken vielmehr aus dem jeweiligen Strafvollzugszweck hergeleitet werden.
Privatrecht
Familienrecht
Übersicht zur Rechtsprechung im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Philipp Meier und Thomas Häberli, ZKE 2013, S. 102 ff.
Der periodische Bericht deckt die Zeit von November 2012 bis Februar 2013 ab; gute Dienstleistung.
Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Familienrecht. Regina Aebi-Müller, jusletter vom 6. Mai 2013.
Ein weiterer, jedoch auf das Bundesgericht beschränkter Praxisüberblick für die Zeit von August 2012 bis März 2013.
Die Fortführung der Grundstück-Ehegattengesellschaft nach der Ehescheidung. Regula Diehl, FamPra 2/2013, S. 428 ff.
Der Beitrag beschreibt das Zusammenwirken von Güter- und Gesellschaftsrecht sowie die Vorteile und Risiken der Ehegattengesellschaft und thematisiert vorab die Folgen unterschiedlich hoher Einlagen bei einer Scheidung. Er zeigt auf, wie ein Aufschub der güterrechtlichen Auseinandersetzung bezüglich der gemeinsamen Liegenschaft möglich ist und wie mit dem Vorbezug von Wohneigentumsförderungsgeldern aus der Pensionskasse umzugehen ist.
Perpetuierte Selbstbestimmung? Einige vorläufige Gedanken zur Patientenverfügung nach neuem Recht. Regina Aebi-Müller, ZBJV 2/2013, S. 150 ff.
Die Luzerner Ordinaria setzt sich kritisch mit der im neuen Erwachsenenschutzrecht verankerten Möglichkeit der Patientenverfügung auseinander, mit der die Einwilligung zu medizinischen Eingriffen erteilt oder verweigert werden kann. Sie plädiert unter Berufung auf Regelungen im Ausland dafür, die Bedingungen für eine gültige Patientenverfügung deutlich zu verschärfen.
Das neue Namens- und Bürgerrecht. Cora Graf-Gaiser, FamPra 2/2013, S. 251 ff.
Instruktiver und mit Beispielen ergänzter Überblick über die seit 1. Januar 2013 geltenden Regeln zur Namensführung. Behandelt auch internationale Sachverhalte.
Less Lost in Care: die neue Pflegekinderverordnung – Überlegungen zur Teilrevision der Verordnung über die Aufnahme von Kindern zur Pflege und Adoption (PAVO). Sandra Hotz, FamPra 2/2013, S. 286 ff.
Durch die teilweise ab 1. Januar 2013 und in allen Punkten ab 1. Januar 2014 geltende Revision der PAVO hat der Bundesrat die wichtigsten Massnahmen nachvollzogen, damit Pflegekinder in Verfahren beteiligt und somit besser geschützt sind. Das Kindeswohl wurde explizit für den Pflegekinderbereich verankert.
«Modernising» family law in England and Wales: a Brave New World? Gillian Douglas, FamPra 2/2013, S. 395 ff.
Hauptforderungen der diskutierten Familienrechtsreformen sind die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe, Änderungen bei den finanziellen und betreuungsspezifischen Trennungsfolgen sowie Massnahmen zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren.
Erbrecht
Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung und Nacherbeneinsetzung auf den Überrest nach Artikel 492a ZGB: Überblick über drei neue Rechtsinstitute. Alexandra Zeiter, SJZ 2013, S. 225 ff.
Die ausgewiesene Praktikerin führt in die neuen Rechtsinstitute Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung ein. Sie veranschaulicht zudem das neue erbrechtliche Institut der Nacherbeneinsetzung auf den Überrest und legt den Finger auf die offenen Fragen.
Obligationenrecht
Die Kinderkrankheiten der Kreditfähigkeitsprüfung. Mario Roncoroni, jusletter vom 27. Mai 2013.
Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Konsumkreditgesetzes mit der Kreditfähigkeitsprüfung stellt der in der Schuldensanierung tätige Autor fest, dass nicht das Gesetz mangelhaft ist, sondern seine Anwendung durch die Kreditgeberinnen. Das eröffnet der Schuldenberatung die Möglichkeit, in einem ersten Schritt den Schuldenberg ihrer Klientinnen und Klienten mit juristischen Argumenten zu reduzieren.
Schadenersatzpflicht als Fremdwährungsschuld? Alfred Koller, jusletter vom 6. Mai 2013.
Interessanter Beitrag, der an zwei Beispielen die bundesgerichtliche Rechtsprechung kritisiert, wonach Schadenersatzpflichten als Fremdwährungsschulden zu qualifizieren sind, wenn der Schaden in einem ausländischen Staat eingetreten ist beziehungsweise der Schadenersatzanspruch an die Stelle einer vertraglich abgemachten Fremdwährungsschuld getreten war.
Religion am Arbeitsplatz. Gabriela Riemer-Kafka und Raima Sherifoska, ARV 4/2012, S. 305–322.
Die Ausübung der Religionsfreiheit kann unter Umständen mit den Pflichten des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz in Konflikt geraten. Wie weit muss ein Arbeitnehmer bereits im Bewerbungsgespräch über Besonderheiten in seiner Religionsausübung informieren? Wo ist die Grenze in Bezug auf Religionsausübung am Arbeitsplatz? Sehr interessante Abhandlung über ein vieldiskutiertes Thema.
Mobbing: cachez-lui cette souffrance qu’il ne saurait voir. Olivier Subilia, ARV 4/2012, S. 323–332.
Kritik am Bundesgerichtsentscheid 2C_462/2011 vom 9. Mai 2012, mit dem die Wegleitung des Seco zur Verordnung 3 und insbesondere auch die Kommentierung von Art. 2 der Verordnung im Anhang der Wegleitung als verbindlich erklärt werden. Der Autor kritisiert, dass auch Kleinstbetriebe gezwungen würden, eine Mobbinganlaufstelle zu schaffen, und sieht darin eine Verletzung des Legalitätsprinzips.
BYOD – Bring Your Own Device, Private Smartphones im geschäftlichen Arbeitsumfeld. Nicolas Birkhäuser und Marcel Hadorn, SJZ 2013, S. 201 ff.
BYOD-Programme können für Arbeitgeber wie Arbeitnehmerinnen vorteilhaft sein. Wichtig sind klare Grundlagen in technischer, organisatorischer und juristischer Hinsicht. Die Autoren beleuchten arbeitsrechtliche Fragen und geben praktische Empfehlungen ab.
Privatversicherungsrecht
Die Bauplatz-Versicherung: Paketlösung für grosse Bauvorhaben. Roland Spicher, Baurecht 2013, S. 49 ff.
Der Autor erläutert aus praktischer Sicht die verschiedenen Aspekte einer solchen Versicherung und gibt Hinweise über die Vor- und Nachteile der Optionen beim Abschluss einer Bauplatzpolice.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Aktionärsausschuss: Strohfeuer in einer Sackgasse. Peter Böckli, SZW 2013, Nr. 1, S.1 ff.
Der Autor befasst sich mit dem oft diskutierten Aktionärsausschuss, der mehr Aktionärsdemokratie bringen soll. Die Idee stammt aus den USA. In milderen oder eingeschränkteren Formen gibt es ihn in Frankreich und Schweden. Was in der Schweiz nun gefordert wird, geht weiter – zu weit für den Autor. Er identifiziert vier Hauptprobleme: sinnvolle Aufgaben, Wahlmodus und Spielregeln, Zugang zu Informationen, Wege zur Orientierung des Gesamtaktionariats.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Strafprozessrecht
Das Bundesgericht geht in der Fernmeldeüberwachung weiter, als es das Gesetz erlaubt. Andreas Heiniger, jusletter vom 29. April 2013.
Kritische Analyse des Urteils 1B_481/2012 vom 22. Januar 2013, in dem das Bundesgericht eine über zwölf Monate zurückreichende Randdatenerhebung genehmigte, die Sechsmonatsfristen laut Art. 273 Abs. 3 StPO für nicht anwendbar erklärte und sich nur auf Art. 14 Abs. 4 BÜPF stützte.
Zivilprozessrecht
Änderung der Protokollierungsvorschriften in der ZPO. Philipp Weber, jusletter vom 29. April 2013.
Seit 1. Mai 2013 gelten neue zivilprozessuale Protokollierungsvorschriften. Bei technischer Aufzeichnung kann auf das Lesen und die Unterzeichnung des Protokolls durch die einvernommene Person verzichtet werden. Der Autor stellt die neue Regelung vor und nimmt zu einigen Einzelfragen Stellung.
Europarecht
Die neue Brüssel-I-Verordnung und die Schweiz. Dirk Trüten, EUZ 2013, 60 ff.
Die revidierte Brüssel-I-Verordnung, die im Januar 2015 in Kraft tritt, stellt einen Meilenstein auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Zivilrechtsraum dar. Der Autor beschreibt, wie diese Entwicklung die Bedeutung des Lugano-Übereinkommens (LugÜ) schmälern und die Schweiz vor neue europarechtliche Herausforderungen stellen wird.
Völkerrecht
Menschenrechte
Nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung verfassungswidrig. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Karlsruhe. EuGRZ 2013, S. 233 ff.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 2013 illustriert die Mühen der deutschen Justiz, politisch motivierte Verschärfungen des Massnahmenrechts grundrechtskonform umzusetzen. Wer sich in der Schweiz mit der Frage der Grundrechtskonformität von Art. 65 Abs. 1 StGB (nachträgliche Anordnung einer stationären Massnahme) und von Art. 65 Abs. 2 StGB (nachträgliche Anordnung der Verwahrung) befasst, profitiert von der Lektüre des etwas sperrigen Textes.
Übriges Völkerrecht
Umsetzungsstragien im Umweltvölkerrecht. Matthias Mahlmann, AJP 2013, S. 708 ff.
Interessanter Beitrag zur Frage, auf welche Weise die im Nagoya-Protokoll verankerten umweltvölkerrechtlichen Ziele angemessen und praktikabel umgesetzt werden können.
Das Rückschiebungsverbot aus medizinischen Gründen nach Art. 3 EMRK. Fanny de Weck, jusletter vom 18. März 2013.
Die Autorin erläutert kritisch die Entwicklung der EGMR-Rechtsprechung, die sich nach einem Grundsatzurteil von 1997, wonach die Abschiebung einer schwerkranken Person das Rückschiebeverbot aus Artikel 3 EMRK verletzen kann, so sehr verschärft habe, dass das frühere Urteil von eher theoretischer Bedeutung bleibe.
Internetrecht
Online-Crowdfunding. Unterhaltungsindustrie und Start-Up-Unternehmen im Umbruch? Dirk Spacek, sic! 5/2013, S. 277 ff.
Das Online-Crowdfunding wirft Fragen in unterschiedlichen Rechtsgebieten auf: von der vertraglichen Beziehung und ihren Pflichten, Aspekten des geistigen Eigentums über die Lizenzierung bis hin zum Risiko, welches der Umstand in sich birgt, dass Ideen weder im Urheber-, Design- noch im Patentrecht schützenswert sind. Ausserdem gilt es zu bedenken, dass Crowdfunding-Plattformen ähnlich wie Banken agieren, weshalb die einschlägigen Bestimmungen des Kapitalmarktrechts, aber auch des Konsumkreditgesetzes zu beachten sind.