Mehr und mehr Staaten tauschen Informationen über die Vermögen ihrer Einwohner aus. Seit Anfang Jahr macht auch die Schweiz mit. Der Bundesrat hat auf diesen Termin das Gesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIAG) in Kraft gesetzt.
Das bedeutet: Die Schweizer Steuerbehörden geben Ämtern im Ausland automatisch, sprich unaufgefordert, finanzielle Daten von Personen weiter, die in der Schweiz ein Konto besitzen, aber im Ausland ihren Wohnsitz haben. Umgekehrt liefern ausländische Steuerämter den Schweizer Behörden Kontoinformationen von Kunden mit Wohnsitz in der Schweiz. Bisher machen neben der Schweiz 38 Staaten und Territorien beim Abkommen über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA) mit (siehe Unten).
Rainer J. Schweizer warnt vor Datenmissbrauch
Mit dem AIA wollen die Staaten verhindern, dass Vermögenswerte vor dem Fiskus versteckt werden. Die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung soll verhindert werden. Die erhaltenen Daten dürfen von den Staaten theoretisch nur zu Steuerzwecken verwendet werden. Ob sie das einhalten, entscheiden sie selbst. Der emeritierte Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer warnt davor, den automatischen Informationsaustausch auf Unrechtsstaaten wie zum Beispiel Russland zu erweitern: «Die gelieferten Daten werden in manchen Staaten zu vielfältigen, auch nicht fiskalischen Zwecken verwendet» (plädoyer 5/17).
Laut Frank Wettstein vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen sammeln die Banken und übrigen Finanzinstitute die Daten für das Jahr 2017 und übermitteln sie bis im Sommer 2018 an die Eidgenössische Steuerverwaltung. Diese liefert sie im Herbst 2018 an die Steuerbehörden des entsprechenden Wohnsitzlands der Betroffenen weiter. Wettstein: «Massgebend sind dabei der Kontostand per 31. Dezember 2017 sowie sämtliche im Jahr 2017 erzielten Einkünfte und in Bezug auf das Konto geleisteten Zahlungen.» Zu den Daten, die geliefert werden, gehören die Personalien des Kontoinhabers, der Name und die Adresse der Bank, die Kontonummer, der Kontostand per Ende Jahr und Informationen zu den Kapitaleinkünften wie Zinsen, Dividenden und Erlöse aus Aktienverkäufen.
Kein Datenaustausch mit Saudi-Arabien
Ab 2018 wird der automatische Informationsaustausch voraussichtlich mit 39 weiteren Staaten praktiziert (siehe Kasten unten). Anlässlich der Herbstsession akzeptierte der Nationalrat den Austausch mit diesen Ländern, nicht jedoch mit Neuseeland und Saudi-Arabien.
Der AIA ist in erster Linie darauf ausgerichtet, dass Daten von natürlichen Personen ausgetauscht werden. Juristische Personen mit Sitz in der Schweiz, die ausschliesslich in der Schweiz steuerpflichtig sind, werden nicht gemeldet – im Gegensatz zu Konten von Gesellschaften mit Sitz im Ausland. Melden Schweizer Gesellschaften ihrer Bank beherrschende Personen mit ausländischem Wohnsitz, werden diese von der Bank an die Steuerbehörden weitergegeben, sofern sich der ausländische Wohnsitz in einem Staat befindet, der am AIA teilnimmt.
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger betrachtet die Tatsache als heikel, dass etliche der potenziellen AIA-Partner über ein unzureichendes Datenschutzniveau verfügen würden. Er fordert: «Es muss gewährleistet sein, dass die Daten nur für die fiskalischen Zwecke des AIA verwendet werden und Angriffe auf die Grundrechte und die persönliche Freiheit der Betroffenen ausgeschlossen werden.»
Auch Lobsigers Vorgänger Hanspeter Thür ortet Datenschutzprobleme beim automatischen Informationsaustausch. Seiner Meinung nach werden die Grundsätze der Datenminimierung und Verhältnismässigkeit verletzt, wenn anlasslos flächendeckend Bankdaten übermittelt werden. Thür betont: «Bei der Übermittlung ins Ausland gilt ferner Artikel 6 des Datenschutzgesetzes. Eine Übermittlung ist nur zulässig, wenn im Zielland ein vergleichbarer Datenschutz gilt.» Dies sei im Einzelfall zu prüfen und dürfte für europäische Länder zu bejahen sein. «Bereits die Übermittlung in die USA ist dagegen problematisch, weil dort ein entsprechender Schutz fehlt.»
Einseitiger Zugriff der USA
Die USA fehlen unter den Staaten, die den automatischen Informationsaustausch vereinbarten. Die Schweizer Steuerbehörden erfahren daher nichts von Bankkonten in den USA. Umgekehrt sind Schweizer Banken jedoch zu Offenheit verpflichtet: Wegen des Fatca-Abkommens der Schweiz mit den USA müssen sie den US-Steuerbehörden sämtliche Konten von Personen melden, die in den USA steuerpflichtig sind.
Personen, die in der Schweiz wohnen und Vermögen auf Banken in einem der Teilnehmerstaaten haben, die bereits beim AIA mitmachen, müssen damit rechnen, dass die Schweizer Steuerbehörden nächstes Jahr von diesen Konten erfahren.
Wer diese Vermögen auf der Schweizer Steuererklärung nicht angegeben hat, kann dies noch nachholen. Er bleibt straffrei, wenn die Meldung aus eigenem Antrieb erfolgt und die Behörden noch nicht auf anderem Weg von den Vermögenswerten im Ausland erfahren haben. Sonst drohen Nachsteuern, Verzugszinsen und Bussen.
Zurzeit ist rechtlich unklar, wie lange die Steuerpflichtigen ihre ausländischen Vermögen noch ungestraft nachmelden können. Das letzte Wort hat wohl das Bundesgericht. Bis zu einem höchstrichterlichen Urteil entscheiden die Kantone nach Gutdünken, wie lange Nachmeldungen keine Straffolgen haben.
Die Zeitschrift «Saldo» erkundigte sich bei den Steuerämtern der Kantone nach ihrer Praxis. Ergebnis: In einigen Kantonen läuft die Frist schon am 31. Dezember 2017 ab, in andern am 30. September 2018 (Tabelle links). An diesem Datum werden die Schweizer Informationen ans Ausland geliefert. Gleichzeitig sollen die Informationen aus dem Ausland eintreffen. Der Kanton Zürich hingegen will straflose Selbstanzeigen auch danach noch zulassen. Nämlich so lange, bis ein Steuerbeamter das Vermögen entdeckt. Keine Eile hat der Kanton Neuenburg: Dort fehlt bisher eine Regelung.
Zum Vermögen eines Steuerpflichtigen gehören auch seine Liegenschaften im Ausland. Sie müssen wie das übrige Vermögen in der Schweizer Steuererklärung angegeben werden – selbst wenn die Häuser im Ausland besteuert werden. Immobilien sind vom Informationsaustausch nicht betroffen. Aber die Steuerbehörden könnten trotzdem indirekt von einer nicht deklarierten Liegenschaft erfahren. Denn Hypothekar- und Unterhaltskonten bei den Banken fallen unter die Meldepflicht.
AIA: Die aktuellen und künftigen Mitgliedstaaten
Aktuell machen beim automatischen Informationsaustausch folgende Länder mit: Australien, alle 28 EU-Mitgliedstaaten plus Gibraltar, sowie Guernsey, Isle of Man, Island, Japan, Jersey, Kanada, Norwegen, die Schweiz und Südkorea.
Ab 2018 tauscht die Schweiz mit folgenden weiteren Staaten Informationen aus: Andorra, Antigua und Barbuda, Argentinien, Aruba, Barbados, Belize, Bermuda-Inseln, Brasilien, Britische Jungferninseln, Cayman-Inseln, Chile, China, Cook-Inseln, Costa Rica, Curaçao, Färöer-Inseln, Grenada, Grönland, Indien, Indonesien, Israel, Kolumbien, Liechtenstein, Malaysia, Mauritius, Marshall-Inseln, Mexiko, Monaco, Montserrat, Russland, San Marino, Saint Kitts und Nevis, Saint Lucia, Saint Vincent und die Grenadinen, Seychellen, Südafrika, Turks- und Caicos- Inseln, Uruguay sowie Vereinigte Arabische Emirate.