Entschädigung für Teilnahme an Einvernahmen
Es gehört zu den Obliegenheiten eines amtlichen Verteidigers, das rechtliche Gehör seines Mandanten vollumfänglich zu wahren. Er ist zu diesem Zwecke grundsätzlich berechtigt, an allen Einvernahmen teilzunehmen. Deshalb ist es unzulässig, dem amtlichen Verteidiger die Entschädigung für die Teilnahme mit der Begründung zu verweigern, es sei nicht nötig gewesen, an allen Einvernahmen teilzunehmen, da der Beschuldigte die Aussage verweigert habe.
Bundesgericht 6B_498/2016 vom 14.12.2016
Abstrakte Gefährdung durch Überladen eines Lastwagens
Bei der Beurteilung, ob ein Lastwagen überladen ist, ist das gesetzlich erlaubte Höchstgewicht von 40 Tonnen massgebend und nicht das vom Hersteller garantierte technisch zulässige Höchstgewicht von 70 Tonnen. Es war dementsprechend zulässig, von einer erhöht abstrakten Gefährdung auszugehen, weil das gesetzliche Höchstgewicht um 4,5 Tonnen oder 11,25 Prozent überschritten war.
Bundesgericht 1C_273/2016 vom 5.12.2016
Gemeinsame Sorge auch bei Schwierigkeiten
Eine gemeinsame elterliche Sorge über ein Kind ist auch dann möglich, wenn sich die Eltern konsequent aus dem Weg gehen und nicht direkt miteinander kommunizieren. Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt nicht zwingend voraus, dass sich die Eltern persönlich sehen. Die Kommunikation kann über schriftliche Kanäle oder – wie im konkret beurteilten Fall – über einen Grosselternteil laufen. Vom Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge ist nur abzuweichen, wenn sich der Konflikt negativ auf das Kindeswohl auswirkt.
Bundesgericht 5A_345/2016 vom 17.11.2016
Lawinenniedergang war voraussehbar
Der Sicherheitsbeauftragte für die Stanserhornbahn hätte den Lawinentod eines Baggerführers verhindern können. Er ist deshalb zu Recht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Der Lawinenniedergang war aufgrund der dem Sicherheitsverantwortlichen bekannten Informationen vorhersehbar. Er hatte die Gefahr auch erkannt, wie aus einem E-Mail vom Vorabend des Unfalles ersichtlich ist, in welchem der Sicherheitsverantwortliche die sofortige Sperrung der Strasse angeordnet hatte. Die Schneeräumungsequipe war darüber aber nicht informiert, und auch die Strasse war nicht als gesperrt signalisiert. Bekannt war auch, dass am Tag vor dem Unfall am Buochser- und am Stanserhorn schon Lawinen niedergegangen waren.
Bundesgericht 6B_601/2016 vom 7.12.2016
Hochspannungsleitung darf erstellt werden
Die Hochspannungsleitung zwischen den Walliser Gemeinden Chamoson und Chippis darf wie geplant erstellt werden. 17 Privatpersonen sowie die Stiftung «Ermitage de Longeborgne» sind mit einer Beschwerde gegen den Bau der 380-kV-Leitung abgeblitzt. Sie hatten eine Planänderung gegenüber dem bereits im Jahre 2010 genehmigten Projekt angefochten. Da diese Planänderung keine Umweltauswirkungen zur Folge hat, stand es dem Bundesamt für Energie frei, auf eine öffentliche Auflage des abgeänderten Projekts zu verzichten.
Bundesverwaltungsgericht A-973/2015 vom 14.12.2016
Beweise gegen Professorin nicht verwertbar
Von der Zürcher Staatsanwaltschaft erhobene Beweise im Verfahren gegen die ehemalige Titularprofessorin Iris Ritzmann dürfen nicht verwendet werden. Die im Streit stehenden Fernmeldekontaktdaten wurden ohne Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts sowie in unverhältnismässiger Art und Weise und somit in Verletzung von Art. 197 StPO erhoben. Sie sind – da sie nicht der Aufklärung von besonders schweren Straftaten dienen – grundsätzlich nicht verwertbar (Art. 141 StPO).
Bundesgericht 1B_26/2016 vom 29.11.2016
Kein islamischer Kindergarten
Das Verbot der Zürcher Behörden, in Volketswil einen islamischen Kindergarten zu betreiben, verletzt weder die Glaubens- und Gewissensfreiheit noch das Gebot der Gleichbehandlung. Das Konzept des Vereins «al Huda» bietet keine Gewähr dafür, dass die gesetzlichen Anforderungen zur Bewilligung einer Privatschule mit religiöser Ausrichtung erfüllt werden. Ein Anteil von 25 Prozent des Stellenetats für Arabisch- und Koranunterricht gefährdet die Erreichung der Bildungsziele der Volksschule und des Lehrplans. Es mangelt zudem an einem Bekenntnis zu den humanistischen und demokratischen Wertvorstellungen der Volksschule.
Bundesgericht 2C_807/2015 vom 18.10.2016
Keine Parteistellung der SRG im Mehrwertsteuerfall
Im – vor Bundesverwaltungsgericht hängigen – Streit um die Rückerstattung von Mehrwertsteuerbeträgen, die bis April 2015 auf den Radio- und Fernsehempfangsgebühren widerrechtlich erhoben worden sind, erhält die SRG keine Parteistellung. Denn Gläubiger der Empfangsgebühr ist nicht die SRG, sondern die Eidgenossenschaft beziehungsweise das Bundesamt für Kommunikation. Die SRG ist dementsprechend nicht am Mehrwertsteuerverhältnis beteiligt. Dass auf den Empfangsgebühren nunmehr keine Mehrwertsteuer erhoben wird, hat nicht zur Folge, dass der SRG weniger Mittel zustehen. Der «Gebührentopf» wird durch eine allfällige Rückerstattungspflicht nicht tangiert.
Bundesgericht 2C_373/2016 vom 17.11.2016
Untersuchung gegen den Volkswagen-Konzern
Das Bundesstrafgericht hat die Bundesanwaltschaft angewiesen, im Zusammenhang mit Abgasmanipulationen ein Untersuchungsverfahren gegen die deutsche Volkswagen AG, die Automobil- und Motoren AG Amag und die verantwortlichen Organe beziehungsweise Angestellten der Amag wegen Betrugs und allfälliger weiterer Delikte zu führen. Zwischen Oktober 2015 und Ende März 2016 gingen wegen der manipulierten Abgaswerte bei der Bundesanwaltschaft rund 2000 Strafanzeigen ein. Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft verfügt, dass gegen die Angezeigten keine Strafuntersuchung eröffnet wird.
Bundesstrafgericht BB.2016.192 vom 30.11.2016
Gartenteich: Keine Haftung des Grundeigentümers
Ein Grundeigentümer muss nicht für die Folgen eines Unfalles haften, weil ein Kleinkind auf seinem Grundstück in einen Gartenteich fiel und seither schwer hirngeschädigt ist. Der Gartenteich war für Kinder nicht ohne weiteres zugänglich. Auf einer Seite versperrte ein massives Gartentor den Weg, andernorts war das Grundstück mit einer 80 cm hohen, senkrechten Mauer und mit einer Hecke umfriedet. Ausserdem war der Teich von der Strasse her nicht sichtbar. Der Nachbar musste nicht damit rechnen, dass sich ein Kind von 19 Monaten ganz allein in seinen Garten begibt und zum Teich gelangt. Im Gegenteil durfte er darauf vertrauen, dass Kleinkinder im Freien überwacht werden.
Bundesgericht 4A_377/2016 vom 18.10.2016
Keine Herausgabe von Nutzerdaten
Facebook Schweiz kann nicht dazu verpflichtet werden, die Daten zu einem mutmasslich in der Schweiz eröffneten Facebook-Konto herauszugeben. Die Herausgabeverfügung kann sich aufgrund von Art. 265 StPO und Art. 18 des internationalen Übereinkommens über die Cyberkriminalität nur an denjenigen richten, der Inhaber oder Besitzer der Daten ist oder der eine faktische und rechtliche Kontrolle darüber ausübt. Da Facebook Schweiz nicht Inhaberin der fraglichen Daten ist beziehungsweise sie auch nicht unter ihrer Kontrolle hält, muss die Herausgabe via Rechtshilfe der Daten bei Facebook Irland – Vertragspartner von Facebook-Nutzern ausserhalb der USA und Kanada – erfolgen.
Bundesgericht 1B_185/2016 vom 16.11.2016
Speicherung von Randdaten zulässig
Die Anbieter von Fernmeldediensten sind gestützt auf das Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs verpflichtet, die Randdaten der Telekommunikation ihrer Kunden zu speichern und während sechs Monaten aufzubewahren. Diese vorübergehende Speicherung dient insbesondere der Strafverfolgung und liegt daher im überwiegenden Interesse der Öffentlichkeit. Betroffene Personen sind durch das Datenschutzgesetz in hinreichendem Masse vor einer missbräuchlichen Verwendung der Daten geschützt. Das Urteil kann noch beim Bundesgericht angefochten werden.
Bundesverwaltungsgericht A-4941/2014 vom 9.11.2016