Bei der Ausgestaltung eines Vertrages sollte der Anwalt zuerst prüfen, welche Geschäftsfälle ein Leistungsverhältnis enthalten. Erst wenn eine Leistung vorliegt, stellt sich überhaupt die Frage, ob das Entgelt, das dafür entrichtet wird, der Mehrwertsteuer unterliegt. Abzugrenzen sind diese Leistungen von Subventionen, Spenden, Einlagen in Unternehmen, Verwaltungsratshonoraren und Schadenersatzzahlungen, welche mangels Leistung nicht als Entgelt im Sinne des Mehrwertsteuerrechts zu qualifizieren sind.
Liegt eine Leistung vor, ist abzuklären, ob die offerierte Lieferung oder Dienstleistung in der Schweiz steuerbar ist - oder ob es sich um eine von der Mehrwertsteuer ausgenommene oder steuerbefreite Leistung (etwa einen Export) handelt. Eine Schulung beispielsweise ist von der Mehrwertsteuer ausgenommen, während eine Beratung steuerbar ist - sofern diese nicht fürs Ausland erbracht wird.
Überwälzung der Mehrwertsteuer
Die Erhebung der Mehrwertsteuer erfolgt nach dem Grundsatz der Überwälzbarkeit. Bei Streitigkeiten über die Steuerüberwälzung sind die Zivilgerichte zuständig. Solche Streitigkeiten können in den folgenden Fällen auftreten:
< Aus dem Vertrag wird nicht wirklich klar, ob sich der Preis inklusive oder exklusive Mehrwertsteuer versteht.
< Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) nimmt eine Revision vor und qualifiziert in diesem Rahmen gewisse Umsätze als steuerpflichtig. Die entsprechende Nachbelastung der Mehrwertsteuer soll der frühere Leistungsempfänger tragen.
< Der Gesetzgeber beschliesst eine Steuersatzerhöhung. Weil es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, soll die Erhöhung nachträglich auf den Leistungsempfänger überwälzt werden.
Das Zivilrecht sieht den vereinbarten Preis als einen objektiv wesentlichen Vertragspunkt. Daher hängt es von der jeweiligen Situation ab, ob die Mehrwertsteuer überhaupt auf den Leistungsempfänger überwälzt werden kann. Kann dieser nicht den vollen Vorsteuerabzug geltend machen, wird er sich höchstwahrscheinlich gegen die Überwälzung der zusätzlichen Kosten wehren.
Der Leistungsempfänger wird anführen, dass für ihn der vereinbarte Preis (inklusive oder exklusive Mehrwertsteuer) massgeblich war. Der Anwalt kann dieses Risiko für den Leistungserbringer in den allgemeinen Geschäftsbedingungen mit einer Klausel zur Überwälzung minimieren.
Vertragsklauseln bei Immobilien
< Liegenschaften für Privatnutzung: Bei Verträgen im Immobilienbereich sollte der Anwalt zwei Dinge berücksichtigen: Einerseits gilt als Ort der Dienstleistung der Ort, an dem die Liegenschaft gelegen ist. Andererseits sind die Vermietung und der Handel mit Liegenschaften von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Damit tauchen bei vielen Liegenschaftstransaktionen im Privatbereich kaum Mehrwertsteuer-Fragen auf.
Zu beachten ist, dass die ESTV mit der neuen Praxis bei Grundstückgeschäften mit schlüsselfertigen Bauten vor Fertigstellung eine Ausweitung der steuerbaren Werklieferungen eingeläutet hat (MwSt.-Branchen-Info 04 Baugewerbe Ziffer 8, zu finden auf www.estv.admin.ch).
< Steuerbar genutzte Liegenschaften: Sobald der Steuerpflichtige seine Liegenschaft für steuerbare Zwecke nutzt, zählt sie zum Betriebsvermögen und unterliegt der Mehrwertsteuer. Die Liegenschaft gilt somit als «zwangsoptiert». Die Anschaffung und die Aufwendungen für den Unterhalt werden grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt. Aber: Wird die Liegenschaft später veräussert oder vermietet, erfolgt eine Nutzungsänderung.
Um die damit verbundenen negativen Konsequenzen bei der Mehrwertsteuer zu vermeiden, gibt es die Option der freiwilligen Mehrwertsteuer-Unterstellung. Es wird zwischen der «Option für die Vermietung» und der «Option für den Verkauf» differenziert; beide mit unterschiedlichen Anforderungen an den Miet- oder Grundstückkaufvertrag.
Bei der Vermietung oder Verpachtung von Liegenschaften besteht die Möglichkeit der Option, wenn das Mietobjekt nicht ausschliesslich für den privaten Wohnbedarf genutzt wird. Der Anwalt sollte im Mietvertrag deshalb eine Standardklausel vorsehen, die es dem Vermieter ermöglicht, ohne weitere Zustimmung des Mieters die Option auch zu einem späteren Zeitpunkt zu wählen und die Mehrwertsteuer zu überwälzen.
Übrigens: Seit der Einführung des neuen Mehrwertsteuergesetzes per 1. Januar 2010 kann die Option allein durch den Ausweis der Mehrwertsteuer auf der Rechnung erfolgen. Ein formelles Optionsgesuch bei der ESTV ist nicht mehr nötig.
< Veräusserungen von Liegenschaften: Wird eine Liegenschaft für die eigene steuerbare Tätigkeit genutzt oder für die steuerbare Vermietung optiert, ist es sinnvoll, sie beim Verkauf im steuerbaren Bereich zu belassen. Andernfalls kommt es zu einer Nutzungsänderung. Damit werden die während der steuerbaren Nutzung geltend gemachten Vorsteuern rückgängig gemacht.
Bei der Veräusserung einer Liegenschaft stehen dem Verkäufer grundsätzlich die folgenden drei Varianten offen:
1. Der Verkauf wird von der Mehrwertsteuer ausgenommen abgewickelt.
2. Es wird für den Verkauf optiert und die Lieferungssteuer entrichtet.
3. Die Übertragung erfolgt im Meldeverfahren.
Es ist zentral, dass der Anwalt bei der Ausgestaltung von Kaufverträgen die Konsequenzen der Mehrwertsteuer regelt. Damit seine Kunden keine unerfreulichen mehrwertsteuerlichen Folgen erleben, muss er bei der Option oder beim Meldeverfahren die unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Interessen der Vertragsparteien berücksichtigen.
Bei der Ausarbeitung eines Vertrages sollte sich der Anwalt mit den oben erwähnten Fragen auseinandersetzen. Findet er klare Antworten und griffige Vertragsbestimmungen und achten die Parteien auf die formell korrekte Ausgestaltung der Transaktion, lassen sich unangenehme Überraschungen aus der mehrwertsteuerlichen Qualifikation vermeiden.