Ja. Bis heute gilt der Grundsatz, die Verwaltungsrechtspflege habe schriftlich stattzufinden. Das entspricht der schriftlich-bürokratischen Verwaltungskultur und ermöglicht verbindliche und prozessökonomische Verfahrenserledigungen. Ein teilweise mündliches Verfahren ist jedoch notwendig, damit die Verwaltungsjustiz nicht als stumme, gleichsam anonyme und gesichtslose Gerichtsbarkeit wahrgenommen wird. Sie sollte sich dem traditionellen, von der Zivil- und Strafjustiz geprägten Bild eines Gerichts annähern, in dem Parteien und Zeugen befragt werden, die Anwälte plädieren, die Richter beraten und die Präsidentin das Urteil verkündet und kurz begründet.
Klar ist dies ein Idealbild: eine Justiz, in der Menschen einander zuhören, miteinander sprechen und auf diese Weise den Rechtsfrieden gleichsam gemeinsam wieder herstellen. Die gesellschaftliche Bedeutung eines solchen «Gerechtigkeitstheaters» im positiven Sinne ist jedoch nicht zu unterschätzen. Auch die Verwaltungsjustiz braucht schöne Kulissen. Sie muss gut sichtbar und für alle Beteiligten wahrnehmbar sein, um bei den Parteien, Medien und der Öffentlichkeit jenes Vertrauen zu schaffen, auf das sie zur guten Erfüllung ihrer für die Gesellschaft zentralen Funktionen angewiesen ist.
Durch eine verstärkte Partizipation der Beteiligten am Verfahren liesse sich die Qualität und Akzeptanz der Entscheide erhöhen. So gebietet es die Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht, dass Gerichte eine mündliche Anhörung durchführen, wenn ein Gespräch mit der am Verfahren beteiligten Person der Wahrung eines würdigen Umgangs dienlich und zur sorgfältigen Klärung des Sachverhalts geboten ist.
Ein weitergehender Anspruch auf mündliche Anhörung ist im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren anzuerkennen, jedenfalls dann, wenn in erheblicher Weise in die Rechtsstellung einer Person eingegriffen wird. Wenn der Sachverhalt erstmals abgeklärt wird, kann ein spürbar faires Verfahren seine Wirkung am ehesten entfalten und ist die Chance am grössten, eine gütliche Einigung zu finden oder präventiv Akzeptanz für einen negativen Entscheid zu schaffen. Damit würde Artikel 29 Absatz 2 BV in seinem ursprünglich-wörtlichen Sinne zu einem Anspruch auf rechtliches Gehör.
Der Anspruch auf eine mündliche und öffentliche Verhandlung gemäss Artikel 30 Absatz 3 BV sollte entgegen dem in der Lehre zu Recht kritisierten und allzu ergebnisorientierten BGE 128 I 288 auch für den Verwaltungsprozess anerkannt werden. Eine solche Praxisänderung würde zu mehr öffentlichen Verhandlungen führen, jedoch nicht zu der – vom Bundesgericht wohl befürchteten – Lahmlegung der Verwaltungsjustiz. Indem sodann künftig auch im Verwaltungsprozess Urteile mündlich verkündet und kurz begründet würden, liesse sich dem Postulat einer auf Überzeugung und Akzeptanz bedachten Herrschaftsausübung in idealer Weise Rechnung tragen.
Es würde zudem eine ausgewogene mediale Berichterstattung über die Verwaltungsjustiz fördern, wenn die Gerichte vermehrt die Möglichkeit nutzten, für die Verkündung und Begründung der Gerichtsurteile Bild- und Tonaufnahmen zuzulassen. Namentlich Grundsatzentscheide von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder politischer Bedeutung sollten zudem von einem Gesicht des Gerichts der Öffentlichkeit erläutert werden.
Ein in diesem Sinne teilweise mündliches Verfahren würde dazu beitragen, dass die Verwaltungsjustiz in der Öffentlichkeit als menschliche und damit glaubwürdige Institution wahrgenommen wird.