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Plädoyer 3/08

27.05.2008

Gesundheitsrecht - ein neues Rechtsgebiet

THOMAS LETSCH

Rechtliche Aspekte von Work-Life-Balance, Stämpfli Verlag AG, Bern 2008, LII + 254 Seiten, Fr. 79.–

THOMAS GÄCHTER / IRENE VOLLENWEIDER

Gesundheitsrecht, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2008, 281 Seiten, Fr. 49.50

Ein sonniger Samstagnachmittag. Würde die Autorin dieser Rezension das, was sie selbst unter Work-Life-Balan...

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Gesundheitsrecht - ein neues Rechtsgebiet

THOMAS LETSCH
Rechtliche Aspekte von Work-Life-Balance, Stämpfli Verlag AG, Bern 2008, LII + 254 Seiten, Fr. 79.–

THOMAS GÄCHTER / IRENE VOLLENWEIDER
Gesundheitsrecht, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2008, 281 Seiten, Fr. 49.50

Ein sonniger Samstagnachmittag. Würde die Autorin dieser Rezension das, was sie selbst unter Work-Life-Balance (WLB) versteht, in die Tat umsetzen, würde die Rezension nicht geschrieben. Möglicherweise lassen sich aber aus der Dissertation von Thomas Letsch nützliche Erkenntnisse für die Zukunft ziehen, da die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben eine Herausforderung ist, die nicht zuletzt im rechtlichen Bereich für Erwerbstätige immer schwieriger zu bewältigen ist.

Letsch geht davon aus, dass die Koordination verschiedener «Lebensrollen» immer häufiger zu einem Work-Life-Conflict (WLC), etwa zu Stress und anderen gesundheitlichen Belastungen führt. Auf diese Herausforderungen geben die geltenden rechtlichen Bestimmungen jedoch keine Antwort. Sie zielen vielmehr darauf ab, Arbeitnehmer vor den klassischen Gesundheitsgefahren zu schützen. Der Autor schlägt deshalb vor, im Arbeitsgesetz einen WLB-Minimalstandard einzuführen, um so frühzeitig auf drohende Gesundheitsgefahren aufmerksam zu machen. Weiter sollten die Arbeitgeber dazu verpflichtet werden, die Entstehung von WLC zu verhindern. Durchsetzbar wäre eine solche Pflicht über die Haftung des Arbeitgebers wegen Verletzung der Fürsorgepflicht. Als Vorbild dienen Letsch verschiedene Urteile aus dem Ausland zur «Stresshaftung».
Die Dissertation enthält bemerkenswerte Lösungsansätze, die dem Wohl der Individuen dienen und nicht zuletzt zur Entlastung der Sozialversicherungen führen würden, indem die Ursachen angegangen werden und Arbeitgeber in den Lösungsprozess einbezogen sind.
Dass diese Vorschläge noch nicht umgesetzt werden konnten, zeigt das zweite Werk: Das schweizerische Gesundheitswesen verursacht jährliche Kosten von über 50 Milliarden Franken. Es erstaunt deshalb umso mehr, dass sich erst in jüngerer Zeit ein eigener Begriff des Gesundheitsrechts herauszubilden begann, wobei eine Einheit der Begriffs- und Systembildung noch in weiter Ferne ist.

Entgegen etwa dem klassischen Arzt- und Medizinrecht bemüht sich der interdisziplinär ausgerichtete Ansatz des Gesundheitsrechts um die Gewährleistung der optimalen Bedingungen für eine möglichst integrale Entfaltung der Gesundheit.

Das vorliegende Kurzlehrbuch zeigt die Themen und Strukturen sowie Interdepenzenzen dieses neuen Rechtsgebietes – unter anderem zwischen öffentlichem Gesundheitsschutz, klassischem Arztrecht inklusive Haftungsfragen und Krankenversicherungs- und Heilmittelrecht. Dieser integrative Ansatz ermöglicht in vielen Fällen einen Erkenntnisgewinn. Allerdings ist das Gesundheitsrecht kein Rechtsgebiet für«juristische Anfänger», sondern für «Fortgeschrittene», weshalb die entsprechende Vorlesung an der Universität auch auf Masterstufe gehalten wird. Erforderlich sind solide Kenntnisse im Privatrecht, im öffentlichen sowie im Strafrecht.

Susanne Friedauer

Wirtschaftsrecht
Daniel Lengauer / Stefan Zwicher / Giordano Rezzonico
Chancen und Risiken rechtlicher Neuerungen 2007/2008, 14. Auflage, Schulthess Juristische Medien AG, Zürich/Basel/Genf 2008, 303 Seiten, Fr. 29.–

Das Wirtschaftsberatungsunternehmen KPMG stellt mit «Chancen und Risiken» regelmässig Neuerungen im Wirtschaftsrecht inklusive aktueller Entwicklungen der Praxis dar. Die ausgewählten Erlasse und Entscheide umfassen die Themen Gesellschafts-, Finanzmarkt-, Kapitalmarkt-, Immaterialgüter-, Wettbewerbs- sowie Arbeits- und Ausländerrecht.
Besonders praktisch ist der Überblick über die neue Handelsregisterverordnung. Zu erfahren ist etwa, dass künftig alle kantonalen Handelsregisterämter die Handelsregistereinträge für Internetabfragen unentgeltlich zur Verfügung stellen müssen.
Informativ auch die Kapitel betreffend Arbeitsrecht und Neuerungen bei der Zulassung von Ausländern. Ebenfalls erwähnenswert ist der Kommentar eines Urteils des Bundesgerichts betreffend Haftung des Arbeitsnehmers.

Bewertung: Eine gute Quelle zum Schmökern und zum Abholen erster Informationen. (ab)

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Aktienrecht
Peter Böckli
Revisionsstelle und Abschlussprüfung nach neuem Recht, Schulthess Juristische Medien AG, Zürich/Basel/Genf 2007, 363 + XXXVI Seiten, Fr. 98.–

Quasi als Seitenarm des neuen GmbH-Rechts entstand in für schweizerische Verhältnisse kürzester Zeit auch ein neues Revisionsrecht. Dieses wirft selbst für Anwälte, die mit der Materie einigermassen vertraut sind, viele Anwendungsfragen auf. So hat sich etwa die herkömmliche Revision durch einen besonders befähigten Revisor zu einem «full audit» gewandelt. Der Revisionsexperte muss sich nun auch mit internen Kontrollsystemen befassen. Völlig neu ist auch die Möglichkeit einer bloss «eingeschränkten Revision» und am unteren Ende der Skala gar ein «opting out».
Der St. Galler Aktienrechtsexperte Peter Böckli zeigt nicht bloss die (seit dem 1. Januar 2008 in Kraft getretenen) Neuerungen auf, sondern versucht bereits auf die recht grosse Zahl von Unklarheiten erste Antworten zu geben.

Bewertung: Aus versierter Hand ein Überblick zu einem hochaktuellen Thema. (kmg)

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Strafrecht
Marcel A. NIGGLI
Rassendiskriminierung. Ein Kommentar zu Art. 261bis StGB und Art. 171c MStG, 2. Auflage, Schulthess Juristische Medien AG, Zürich/Basel/Genf 2007, 1235 Seiten, Fr. 198.–

Der Kommentar ist ein Schwergewicht. Nicht nur seines Umfangs, sondern auch des Inhalts wegen. Der allgemeine Teil beinhaltet rechtspolitische, rechtsvergleichende und statistische Ausführungen. Der systematische Teil widmet sich unter anderem dem Geltungsbereich der Norm sowie den Geschädigten und Opfern.

Ebenfalls viel Platz erhält die Frage des Schutzobjektes, die mit Hinweis auf zahlreiche Urteile im In- und Ausland sowie Lehrmeinungen erarbeitet wird. Schliesslich werden praxisrelevante Fragen wie objektiver und subjektiver Tatbestand, Irrtum sowie Rechtfertigung und Strafe angegangen.
Der Blick über die Grenze und die umfassende Unterlegung mit Urteilen, vor allem der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, machen den Kommentar zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel für Praktizierende. Gleichzeitig deckt der Kommentar rechtspolitische und historische Bedürfnisse ab.

Bewertung: Aktuell und umfassend. (sa)

Migrationsrecht
Martino Mona
Das Recht auf Immigration. Rechtsphilosophische Begründung eines originären Rechts auf Einwanderung im liberalen Staat, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2007, 498 Seiten, Fr. 88.–

In seiner preisgekrönten Dissertation geht der Autor der brisanten Frage nach, ob in einer liberal-demokratischen Rechtsordnung Menschen überhaupt an der freien Einwanderung gehindert werden dürfen. Seine These, wonach ein liberaler Rechtsstaat in konsequenter Achtung seiner eigenen Prinzipien zur Zulassung von Einwanderern geradezu verpflichtet sei, begründet der Autor im Wesentlichen mit der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls.

Mona begnügt sich jedoch nicht mit dem Herausarbeiten eines idealen rechtsphilosophischen Prinzips, sondern setzt «sein» Recht auf Immigration konkreten (politikwissenschaftlichen und rechtsökonomischen) Angriffen aus. Die möglichen Einwände pariert er überzeugend, und es gelingt ihm dank der Anerkennung zulässiger Einschränkungen (zum Schutz der Kultur und der politischen Ordnung), das Prinzip als solches sturmsicher zu machen.

Bewertung: Mehr als eine akademische Utopie. (bp)

Verwaltungsrecht
Stephan C. Brunner / Luzius Mader
Das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vom 17. Dezember 2004, Handkommentar, Stämpfli Verlag AG, Bern 2008, XXV + 391 Seiten, Fr. 112.–

Seit das Öffentlichkeitsgesetz am 1. Juli 2006 in Kraft trat, besteht ein Rechtsanspruch auf Zugang zu Informationen der Verwaltung. Da es sich um ein Querschnittsgesetz handelt, waren und sind Auseinandersetzungen über die Anwendung vorprogrammiert. Kernpunkte sind Auslegungs- und Verfahrensfragen.

Mit dem Handkommentar wollen die Autoren dem Rechtsanwender möglichst klare Antworten liefern. Dieses Ziel wurde erreicht. Nebst diversen Beispielen bieten sie vor allem auch eine Übersicht der bisher publizierten Literatur. Zusätzlich wagen sie einen rechtsvergleichenden Blick auf die unterschiedlichen Gesetze der Kantone und über die Landesgrenze hinaus. Da die Kantone bei ihren Öffentlichkeitsgesetzen wohl oft die gleichen oder zumindest ähnliche Begriffe verwenden, ist der Handkommentar auch für sie ein wertvolles Arbeitsinstrument.

Bewertung: Der Handkommentar gehört in jede öffentliche Verwaltungsbibliothek.
(Me)

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Staatsrecht
Pierre Tschannen
Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Auflage, Stämpfli Verlag AG, Bern 2007, LX + 704 Seiten, Fr. 98.–

Bereits drei Jahre nach der ersten Auflage liegt nun die überarbeitete zweite Auflage dieser hauptsächlich als Lehrmittel im universitären Unterricht gedachten Übersicht über das Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft vor.

Wie der einleitende Satz vermuten lässt, richtet sich das Werk vorab an Studierende. Mit zahlreichen Fallbeispielen, Originalzitaten, Prüfprogrammen und Übersichten wird der Prüfungsstoff recht detailliert und doch übersichtlich präsentiert. In der juristischen Praxis eignet sich das Werk besonders zur Auffrischung und Aktualisierung des einmal Gelernten und für kurze Recherchen in der täglichen Arbeit.

Bewertung: Empfehlenswert für Studium und Prüfungsvorbereitung – in der Anwaltspraxis zur Auffrischung der Grundlagenkenntnisse.
(sf)

Grundrechte
Diverse Autoren
Weltordnung, Kriege und Sicherheit, Widerspruch 53. Beiträge zur sozialistischen Politik, Zürich 2007, 232 Seiten, Fr. 25.–

Über zwei Dutzend Autoren analysieren und kommentieren die Folgen «neuer Weltordnungskriege». Die Kriminologin Susanne Krasmann untersucht, wie es Demokratien mit der Folter halten. Ihr Fazit: Folter ist allgegenwärtig – auch in Rechtsstaaten. Etwa wenn des Terrorismus Verdächtige in undemokratische Drittstaaten überstellt werden – im Wissen, dass dort Folter gang und gäbe ist. Den Politologen und Journalisten Heiner Busch, überrascht das nicht. Denn alles, was stört, steht nach 9/11 unter Generalverdacht, ein Feind von «Freiheit und Demokratie» zu sein.

Auch in der Schweiz geht laut dem Zürcher Anwalt Viktor Györffy die rechts- und sicherheitspolitische Entwicklung in Richtung «Präventionsstaat». Györffy führt aus, wie Justizbehörden die Terrorgefahr und die organisierte Kriminalität grossreden, gleichzeitig Staatsschutz und Polizei aufrüsten und in der Terrorismusbekämpfung Grundrechte aushebeln.

Bewertung: Nicht nur lesens-, sondern vor allem auch diskussionswert. (rg)

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Anwaltsträume
Erika Hebeisen / Elisabeth Joris / Angela Zimmermann (Hrsg.)
Zürich 68. Kollektive Ausbrüche ins Ungewisse, Hier + Jetzt Verlag, Baden 2008, 240 Seiten, Fr. 48.–

Es war die Zeit, als selbst Anwälte Idealisten waren und sich mit einem Monatslohn von 2500 Franken begnügten. 1975 entstand das Anwaltskollektiv. Im Geiste der 68er gründeten Susanne Naef (heute Bundesrichterin), Bernard Rambert (heute immer noch kämpferischer Rechtsanwalt) und Edmund Schönenberger (heute Patientenvertreter mit Bauerngut in Ex-Jugoslawien) die Gemeinschaftskanzlei. Alle Einnahmen flossen in den gleichen Topf und die Genossinnen und Genossen boten Rechtsberatung an zu einkommensabhängigen Tarifen. Damals eine Provokation für den Zürcher Anwaltsverband: Mit einer Aufsichtsbeschwerde ging er gegen die Anwälte vor. Erst das Bundesgericht machte eine Busse rückgängig. Aber das Anwaltskollektiv wurde national bekannt und besteht – mit Abstrichen beim idealistischen Konzept – noch heute als Verein von Anwälten, die in Zürich eine günstige Rechtsauskunft garantieren.

Bewertung: Ein spannendes Buch zur Zeitgeschichte. (ds)