Übernachten in der Praxis bleibt steuerfrei

Schlafen im aufklappbaren Bett. Die Arbeitstage können auch mal lange werden, die Heimfahrt danach beschwerlich und wegen Übermüdung auch gefährlich. Eine Physiotherapeutin aus dem Kanton Aargau übernachtete darum zwei bis drei Mal pro Woche in den Räumlichkeiten ihrer Praxis. Sie entfaltete zum Schlafen jeweils ein aufklappbares Bett, das sie tagsüber wegräumte. 

Die Steuerbehörden ihres Wohnkantons wollten ihr dafür einen Anteil für private Nutzung von 3600 Franken pro Jahr aufrechnen. Zu Unrecht, hat das Bundesgericht aber am 30. Juli 2015 entschieden (Urteil 2C_374/2014). Solange die Praxisräumlichkeiten während der normalen Öffnungszeiten vollumfänglich für den Geschäftszweck zur Verfügung stünden, sei eine Aufrechnung für die nächtliche Privatnutzung nicht gerechtfertigt, urteilten die Lausanner Richter.

Die selbständigerwerbende Physiotherapeutin darf also die ganzen Mietkosten für ihre Praxis als Aufwand von ihren Einnahmen abziehen – ohne Ausscheidung für Privataufwand. 

Das tiefere Einkommen profitiert

Elterntarif für die Mutter. Immer mehr geschiedene Paare teilen sich das Sorgerecht für ihre Kinder. Diese wohnen abwechselnd zu gleichen Teilen bei Vater und Mutter. Gleiches gilt oft bei getrennt lebenden Eltern ohne Trauschein.

Bisher war in solchen Fällen der Elternteil mit dem höheren Einkommen im Vorteil: Er durfte bei den Steuern den günstigeren Ehepaar- und Familientarif geltend machen. Denn dieser Elternteil – häufig der Mann − muss auch den höheren Beitrag an den Unterhalt der Kinder beisteuern.

Doch das Bundesgericht sieht das nun umgekehrt und hat damit auch das Kreisschreiben Nr. 30 der Eidgenössischen Steuerverwaltung gekippt. Im Fall einer Frau aus Genf hat es entschieden, dass der Elternteil mit dem geringeren Einkommen Anspruch auf den tieferen Ehepaartarif habe. Denn für ihn sei die wirtschaftliche Belastung durch die Kinder grösser (Urteil 2C_534/2014 vom 7. 8. 2015).