1. Arbeitsrecht
1.1 Lohn
Fragen rund um den Bonus beschäftigen die Justiz weiterhin. In BGE 142 III 381 findet sich zunächst eine Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung: Ein Bonus stellt demnach rechtlich eine Gratifikation dar, wenn seine Ausrichtung – ganz oder teilweise – ins Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird, ohne dass bestimmte Kriterien für die Auszahlung festgesetzt sind. Neben der Freiwilligkeit der Leistung sei jedoch stets auch die Akzessorietät zu prüfen. Deshalb könne es sein, dass es sich auch bei einem Bonus, dessen Ausrichtung nach der Vereinbarung der Parteien ins Ermessen der Arbeitgeberin gestellt ist, um einen – variablen – Lohnbestandteil handle. Dem Arbeitgeber soll es nämlich verwehrt sein, die eigentliche Vergütung für die geleistete Arbeit in Form einer freiwilligen Gratifikation auszurichten. Bei sehr hohen Gesamteinkommen sei jedoch gemäss der neueren Rechtsprechung die Höhe der Gratifikation im Verhältnis zum Lohn kein entscheidendes Kriterium mehr. Hier entfalle die Akzessorietätsprüfung.
Als sehr hohe Entschädigung wird ein Einkommen angesehen, das den fünffachen Medianlohn übersteigt. Dabei sei nicht entscheidend, unter welchem Titel oder Bezeichnung der Bonus bezahlt werde. Es komme auch nicht darauf an, für welche Zeitperiode bzw. für welches Geschäftsjahr die Zahlung erfolge. Allein massgeblich sei der Zeitpunkt der Zahlung. Das Bundesgericht hob ein Urteil des Zürcher Obergerichts auf, welches die Klage des Arbeitnehmers teilweise gutgeheissen hatte, weil dieses nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung abgestellt, sondern eine Zuordnung zu einzelnen Geschäftsjahren vorgenommen hatte. Mit der gleichen Frage der massgeblichen Zeitperiode befasst sich auch BGE 142 III 456. In diesem Entscheid bezeichnete das Bundesgericht das während eines Jahres erzielte Einkommen als massgeblich, ausnahmsweise das während der streitigen Zeitperiode von – in casu – 17 Monaten bezogene Einkommen.
1.2 Lohnfortzahlung
Eine Arbeitnehmerin hatte den Beginn der Mutterschaftsentschädigung nach Art. 16c Abs. 2 EOG aufgeschoben, als sie nach der Geburt ihres Kindes in Spitalpflege verbleiben musste. Der Kanton Thurgau verweigerte seiner Angestellten die Lohnfortzahlung für die Zeit zwischen Niederkunft und Beginn der Mutterschaftsentschädigung. Das ist gemäss BGE 142 II 425 nicht zulässig. Das Bundesgericht befand, es gebe keinen sachlichen Grund, einer Angestellten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist zu arbeiten, den Lohnersatz zu verwehren. Dies bloss deshalb, weil der Grund der gesundheitlich bedingten Arbeitsunfähigkeit im Nachgang zu einer Geburt und nicht als Folge einer Krankheit oder eines Unfalls eintrat.
Zum Thema «Arbeitnehmer mit Familienpflichten» findet sich ein Beitrag von Angela Hensch in der AJP 12/2016.1 Er behandelt Fragen der Arbeitsbefreiungspflicht und der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.
1.3 Ordentliche Kündigung
Einem vom Bundesgericht mit Urteil vom 20. Juni 2016 2 entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kündigung der Leiterin Konzernrevision eines Unternehmens war durch zwei Mitglieder des operativen Managements erfolgt. Die Arbeitnehmerin machte eine Verletzung von Art. 718a OR geltend. Den beiden Mitgliedern des Managements habe die Befugnis zum Aussprechen der Kündigung gefehlt – die Kündigung hätte durch den Gesamtverwaltungsrat erfolgen müssen. Das Bundesgericht stützte die Argumentation der Vorinstanz und wies die Beschwerde ab. Die Geschäftsleitung sei in casu zur Vertretung der Gesellschaft gegen aussen befugt gewesen. Die Kündigung habe dem Willen des Verwaltungsrats und den internen Vorgaben entsprochen. Offen bleiben konnte, ob sich Dritte auf die Nichteinhaltung der gesellschaftsinternen Kompetenz- und Handlungsrichtlinien berufen können. Dieses Urteil war auch noch in prozessualer Hinsicht interessant. Das Bundesgericht stellte nämlich fest, dass im Falle eines Haupt- und eines Eventualbegehrens der höhere Betrag den Streitwert bestimmt, also nicht notwendigerweise der Streitwert des Hauptbegehrens massgebend ist.
In einem Urteil vom 26. Januar 20173 legte das Bundesgericht den Zeitpunkt fest, in welchem der Kündigungsschutz für Schwangere beginnt. Es ist dies der Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle. Der Arbeitgeber hatte zu Unrecht unter Verweis auf eine Regelung im Strafgesetzbuch geltend gemacht, die Schwangerschaft beginne mit der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter. Die gegen die schwangere Arbeitnehmerin ausgesprochene Kündigung war deshalb nichtig.
Gemäss einem Entscheid des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 8. September 2016 4 handelte es sich bei der Entlassung einer Muslimin, die mit Kopftuch zur Arbeit erschienen war, um eine missbräuchliche Kündigung. Die Arbeitgeberin hatte die Kündigung vorgeblich aus Gründen der Sicherheit und Hygiene ausgesprochen. Religiöse Kleidervorschriften und damit das Tragen eines Kopftuchs aus religiöser Überzeugung würden unter den Schutzbereich von Art. 15 BV und Art. 9 Abs. 1 EMRK fallen. Die Massgeblichkeit der verfassungsmässig garantierten Rechte ergebe sich direkt aus Art. 336 Abs. 1 lit. b OR. Eine die Missbräuchlichkeit der Kündigung ausschliessende Vertragsverletzung könne dann vorliegen, wenn die Arbeitnehmerin gegen den Willen des Arbeitgebers handelt und dessen berechtigte Interessen und Weisungen missachtet. Nicht sachbezogene Verbote seien indessen wegen des hohen Stellenwerts der Religionsfreiheit unbeachtlich. Hygienische Gründe oder die Sicherheit von Kunden könnten dem Interesse der Arbeitnehmerin am Tragen des Kopftuches vorgehen, seien aber im vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar dargetan. Das Interesse an einem bestimmten und einheitlichen Erscheinungsbild der Unternehmung sei nachrangig. Das Tragen eines Kopftuchs könne zwar vereinzelt den Betriebsfrieden stören, wenn sich zum Beispiel andere Mitarbeiter dadurch gestört fühlten. Eine Kündigung könne aber nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht alle milderen zumutbaren Massnahmen ergriffen hat, um die Lage zu entspannen. Der missbräuchlich entlassenen Mitarbeiterin sprach das Gericht eine Entschädigung von drei Monatslöhnen zu.
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg liess in zwei Urteilen vom 14. März 2017 ein Kopftuchverbot unter gewissen Bedingungen zu. Zwei Frauen aus Belgien und Frankreich waren entlassen worden, weil sie auch im Kundenkontakt das Kopftuch tragen wollen. Der EuGH befand, es sei zulässig, den Arbeitnehmenden das sichtbare Tragen von Zeichen ihrer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugungen zu verbieten. Der Arbeitgeber sei jedoch verpflichtet, solche Verbote diskriminierungsfrei anzuwenden. Das EU-Recht verbiete zwar auch mittelbare Diskriminierungen, welche dann vorliegen könnten, wenn bestimmte Gruppen besonders stark durch ein Verbot betroffen werden. Auch dann sei aber ein generelles Verbot für Mitarbeiter im Kundenkontakt zulässig. Der Wunsch des Arbeitgebers, den Kunden gegenüber weltanschaulich neutral aufzutreten, gehöre zur unternehmerischen Freiheit; der Wunsch eines Kunden allein nach einer Mitarbeiterin ohne Kopftuch reiche jedoch nicht aus. Auch Gründe der Hygiene oder Sicherheit könnten ein Kopftuchverbot rechtfertigen.
1.4 Fristlose Kündigung
In BGE 142 III 579 befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, inwieweit Kündigungsgründe bei einer fristlosen Kündigung nachgeschoben werden können. Eine Arbeitgeberin hatte die von ihr ausgesprochene fristlose Entlassung zunächst mit dem Vorwurf des geschäftsschädigenden Verhaltens gegenüber einer wichtigen Geschäftspartnerin begründet. Im Gerichtsverfahren gab sie dann als weiteren Grund für die fristlose Kündigung das unerlaubte Kopieren einer Festplatte an. Das Bundesgericht verwies zunächst auf seine Rechtsprechung, wonach als wichtiger Grund nur ein Ereignis in Frage komme, das sich vor der fristlosen Kündigung abgespielt hat. Nachträglich könne sich der Kündigende nur darauf berufen, wenn ihm dieser Umstand im Zeitpunkt der Kündigung weder bekannt war noch bekannt sein konnte. Das Bundesgericht verwarf die in einem Teil der Lehre geäusserte Meinung, dass die nachgeschobenen Gründe ähnlich oder «von gleicher Art» wie der in der Kündigung genannte Grund sein müssten. Entscheidend sei allein, ob aufgrund des bei der Kündigung genannten und des – allenfalls auch andersartigen – nicht bekannten, nachgeschobenen Grundes davon auszugehen ist, dass diese insgesamt einen hinreichenden Vertrauensverlust hätten bewirken können.
Zwei Urteile des Bundesgerichts vom 19. April und 4. Mai 2016 hatten Verdachtskündigungen zum Thema. Im ersten Fall ging es um eine ausserordentliche Kündigung, im zweiten Fall um eine ordentliche. Dem Urteil vom 19. April 2016 5 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Den Angestellten der A. AG war es verboten, Fotos der Zone Z. des Unternehmens, wo gefährliche Güter gelagert waren, zu machen. Eine Angestellte wurde verdächtigt, einen Arbeitskollegen aufgefordert zu haben, in der Zone Z. zu fotografieren. Sie wurde fristlos entlassen. Das Bundesgericht schützte das vorinstanzliche Urteil, welches die Kündigung als unrechtmässig erklärt hatte. Es sei zwar anerkannt, dass in gewissen Fällen der Verdacht auf eine schwere Pflichtverletzung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als zumutbar erscheinen lasse, selbst wenn sich der Verdacht letztendlich nicht erhärten lasse. Ein solcher Fall liege jedoch dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber nicht alles unternommen habe, um den Verdacht abzuklären. Im beurteilten Fall hatte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin nicht einmal angehört und somit nicht alle zumutbaren Abklärungen vorgenommen.
Im Urteil vom 4. Mai 2016 6 ging es um eine Angestellte eines medizinisch-sozialen Zentrums. Ein Heimbewohner hatte sich wegen eines Gelddiebstahls – in der Höhe von 9 Franken – beklagt. Nach einer Befragung wurde die Angestellte mit der Begründung, es bestehe kein Vertrauensverhältnis mehr, ordentlich gekündigt. Eine gegen die Angestellte eingeleitete Strafuntersuchung wurde eingestellt, weil mehrere Personen für den Diebstahl in Frage kamen. Im Gegensatz zur kantonalen Instanz schützte das Bundesgericht die Klage wegen missbräuchlicher Kündigung. Es erwog, dass eine ordentliche Kündigung nicht schon deshalb missbräuchlich sei, weil sich der Verdacht letztendlich als unbegründet oder unbeweisbar herausstellt. Hinzutreten müsse vielmehr, dass der Arbeitgeber die Beschuldigung leichtfertig, ohne vernünftige Rechtfertigung erhoben habe. Wenn hingegen der Verdacht auf ernsthaften Indizien beruhe und der Arbeitgeber alle zumutbaren Abklärungen in gebührender Weise durchgeführt habe, lasse sich eine ordentliche Kündigung im Hinblick auf die Kündigungsfreiheit rechtfertigen. Das Bundesgericht beurteilte die von der Arbeitgeberin vorgenommenen Abklärungen als mangelhaft, was zur Gutheissung der Klage führte.
In einem Urteil vom 1. Dezember 20167 schützte das Bundesgericht eine fristlose Kündigung, welche eine Arbeitgeberin gegenüber einem arbeitsunfähig gewordenen Arbeitnehmer ausgesprochen hatte. Der Arbeitnehmer hatte es unterlassen, die Krankheit unverzüglich zu melden. Das die Arbeitsunfähigkeit bescheinigende Arztzeugnis hatte er der Arbeitgeberin erst am dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit zugestellt. Gemäss den Erwägungen des Bundesgerichts handelte es sich nicht um ein unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit. Die Absenz rechtfertigte die fristlose Kündigung nicht, wie schon dem Wortlaut von Art. 337 Abs. 3 OR zu entnehmen ist. Ob die Arbeitgeberin von der Krankheit wusste, sei nicht massgeblich. Die die fristlose Kündigung rechtfertigende schwere Pflichtverletzung liege vielmehr darin, dass der Arbeitnehmer es unterlassen hatte, seine Arbeitsunfähigkeit umgehend zu melden. Eine unverzügliche Meldung sei schon aufgrund der gesetzlichen Treuepflicht des Arbeitnehmers geboten, in casu jedoch zusätzlich auch noch durch eine konkrete Weisung im Mitarbeiterhandbuch. Das harte Urteil des Bundesgerichts muss allerdings im Zusammenhang mit den konkreten Umständen des Falles gesehen werden: Der Arbeitnehmer übte die Funktion eines Sicherheitswärters aus, bei welcher eine umgehende Abmeldung von besonderer Bedeutung ist. Dazu kam, dass der Arbeitnehmer nicht weniger als 13 Anrufe des Arbeitgebers auf sein Geschäftshandy ignoriert hatte.
Die Entschädigung für ungerechtfertigt entlassene Angestellte muss laut Urteil des Bundesgerichts vom 13. Dezember 2016 8 nicht notwendigerweise einen Anteil des 13. Monatslohns enthalten. Das Gesetz schreibe dem Gericht nicht vor, bei der Festlegung der Entschädigung strikt von einer Lohnquote auszugehen.
Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geld abgegolten werden, weil dies dem Erholungszweck der Ferien widersprechen würde. Das Abgeltungsverbot gilt grundsätzlich auch nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist jedoch im Einzelfall in Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse einzuschränken, so etwa, wenn der Bezug der Ferien in der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbleibenden Zeit nicht möglich oder zumutbar ist. Beim ungerechtfertigt fristlos entlassenen Angestellten wird die Kompensation nicht bezogener Ferientage mit der Freizeit nach der Rechtsprechung von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass Angestellten ausreichend Zeit zum Bezug der Ferientage zur Verfügung steht, und zwar in der Regel mehr als zwei bis drei Monate.
In einem mit Entscheid vom 30. Juni 2016 9 beurteilten Fall wurde der Angestellte am 19. November 2013 fristlos entlassen. Die ordentliche Kündigungsfrist hätte bis Ende Dezember 2013 gedauert. Diese verbleibende Zeit wurde vom Bundesgericht als nicht ausreichend beurteilt. Die Ferien konnten deshalb nicht in natura bezogen, sondern mussten in Geld abgegolten werden.
Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu Unrecht fristlos entlässt oder wenn er mit der Annahme der Arbeit in Verzug gerät, ist er zur Lohnzahlung verpflichtet, gegebenenfalls bis zum Ende des Arbeitsvertrags. Er darf jedoch vom Lohn abziehen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Arbeit erworben hat oder absichtlich zu erwerben unterlassen hat.
In einem Urteil vom 1. Dezember 201510 stellte das Bundesgericht fest, dass der Beweis des hypothetisch erzielbaren Lohnes schwierig zu erbringen sei. Der Arbeitgeber müsse beweisen, dass der Arbeitnehmer einen anrechenbaren Lohn erworben hat oder hätte erwerben können. Der Arbeitnehmer sei jedoch nach Treu und Glauben zur Mitwirkung verpflichtet. Dabei sei es grundsätzlich genügend, wenn der Arbeitgeber beweist, dass es im fraglichen Berufsfeld zur massgeblichen Zeit eine Nachfrage nach Arbeitskräften gab. Im beurteilten Fall hatte die Arbeitgeberin es unterlassen, Behauptungen zu den Jobmöglichkeiten der klagenden Arbeitnehmerin aufzustellen und Beweise zu offerieren, weshalb sie mit ihrer Beschwerde scheiterte.
1.5 Öffentliches oder privates Recht?
BGE 142 II 15411 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Direktor einer sozialen Institution war von einer privatrechtlichen Stiftung angestellt. Er beklagte sich, lohnmässig gegenüber dem Direktor einer andern zur gleichen Stiftung gehörenden Institution diskriminiert zu sein, und erhob deswegen Klage bei der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Kantonsgerichts Neuenburg. Diese erklärte den Antrag für unzulässig, da der Rechtsstreit privatrechtlich sei und sie folglich nicht zuständig sei. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde ein, wies sie jedoch ab. Für das Eintreten genüge es, die Zuständigkeitsvoraussetzungen glaubhaft zu machen. In seinen Erwägungen zur Sache selbst gab das Bundesgericht zunächst die Ausführungen des kantonalen Gerichts wieder, wonach es nicht ausgeschlossen sei, dass ein Arbeitsverhältnis mit einer privatrechtlichen juristischen Person unter das öffentliche Recht fallen könne, wenn der Arbeitgeber zum Auftrag hat, Aufgaben von öffentlichem Interesse auszuführen, jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber nur gemeinnützige Aufgaben erfülle. Das Bundesgericht stützte diese Unterscheidung jedoch nicht. Es verwies zwar zunächst darauf, dass die Mehrheitslehre das öffentliche Recht für die Regelung der Arbeitsverhältnisse des Staatspersonals vorziehe.
Das Bundesgericht selbst schliesst die Möglichkeit für Gemeinwesen nicht a priori aus, Arbeitsverhältnisse, die sie mit gewissen Mitarbeitern verbinden, dem Privatrecht zu unterstellen. Vermutet werde, dass das öffentliche Recht anwendbar sei, wenn eine Behörde am Arbeitsverhältnis beteiligt ist. Es sei jedoch anerkannt, dass, wenn eine staatliche Aufgabe einer zu diesem Zweck geschaffenen privatrechtlichen Einheit übertragen wird, diese durch das Privatrecht geregelt bleibt, auch wenn sie öffentliche Aufgaben ausführt. Fazit: Es dürfte kaum je möglich sein, vor Bundesgericht mit dem Argument erfolgreich zu sein, dass Angestellte, die eine von einem Outsourcing betroffene staatliche Aufgabe erfüllen, unter öffentlichem Arbeitsrecht stehen, wenn das Anstellungsverhältnis vom staatlichen oder halbstaatlichen Arbeitgeber privatrechtlich geregelt wird.
1.6 GAV, Entsendegesetz und Gesetzgebung
In BGE 142 III 759 befand das Bundesgericht, dass reine Transportunternehmungen, die Leistungen für das Baugewerbe erbringen, nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des GAV FAR (Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe) fallen. Bei der Definition des Geltungsbereichs des GAV FAR seien Transporte von und zu Baustellen nicht erwähnt. Sowohl bei reinen Transportunternehmungen, die ihre Leistungen eigenständig anbieten, als auch bei Unternehmungen, die Bautransporte als Unterakkordanten durchführen, sei kein unmittelbares Konkurrenzverhältnis zum Auftragnehmer der Grundleistung – in der Baubranche – auszumachen. Es bestehe somit keine Beitragspflicht gegenüber der Stiftung FAR.
Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts vom 12. Dezember 201612 sind Arbeitgeber verpflichtet, den Tripartiten Kommissionen zum Schutz vor Lohn- und Sozialdumping relevante Unterlagen betreffend die Lohn- und Arbeitsbedingungen wie Lohnabrechnungen und Arbeitszeitrapporte herauszugeben. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wollte es den Kontrollorganen nur erlauben, die fraglichen Unterlagen in den Räumlichkeiten des Unternehmens einzusehen.
Am 1. April 2017 trat die Revision des Entsendegesetzes in Kraft. Es bringt Verbesserungen beim Vollzug und schärfere Sanktionen bei Gesetzeswiderhandlungen. Neu kann im Falle der Weitervergabe von Aufträgen an Subunternehmen auch der Erstunternehmer gebüsst werden. Widersetzt sich ein Arbeitgeber den Kontrollen oder gibt er absichtlich falsche Auskünfte, so kann ein Verbot, während ein bis fünf Jahren in der Schweiz Dienste anzubieten, verhängt werden. Das Seco führt neu eine öffentliche Liste von Unternehmen, gegen die in einem rechtskräftigen Entscheid eine Sanktion verhängt wurde.
2. Mietrecht
2.1 Verfahrensfragen
2.1.1 Begriff des Kündigungsschutzes
Das Bundesgericht bestätigte in zwei Leitentscheiden, dass der Begriff des Kündigungsschutzes in der ZPO weit auszulegen ist.
Im ersten Entscheid reichte der Vermieter eine Klage auf Feststellung ein, dass das Mietverhältnis spätestens am 1. Oktober 2013 endete, verbunden mit einem Ausweisungsbegehren. Die Mieterin bestritt die Gültigkeit der Kündigung. Das Mietgericht beurteilte das Ausweisungsbegehren nach den Regeln des vereinfachten Verfahrens. Dagegen legte der Vermieter ein Rechtsmittel ein. Die Rechtsmittelinstanz schützte den Entscheid. Sie erwog, dass der Begriff «Kündigungsschutz» weit ausgelegt werden muss. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil des kantonalen Gerichts. Es befürwortet ebenfalls eine weite Auslegung des Begriffs «Kündigungs-schutz» im Sinne von Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO. Der Begriff «Kündigungsschutz» erfasst nicht nur die Anfechtung einer Kündigung oder die Erstreckung eines Mietverhältnisses, sondern ebenso Streitigkeiten, welche die Gültigkeit einer Kündigung zum Gegenstand haben. Sofern der Richter die Gültigkeit in einem Ausweisungsverfahren prüfen muss, hat dies nach den Regeln des vereinfachten Verfahrens zu erfolgen.13
Im zweiten Urteil musste sich das Bundesgericht mit der Frage befassen, ob die Schlichtungsbehörde den Parteien hinsichtlich der Umqualifizierung eines befristeten in einen unbefristeten Mietvertrag einen Urteilsvorschlag i.S.v. Art. 210 Abs. 1 lit. b ZPO unterbreiten darf. Das Mietgericht bejahte die Kompetenz der Schlichtungsbehörde, die Rechtsmittelinstanz verneinte sie. Die Begründung des Bundesgerichts fiel kurz aus. Das Gericht hatte eben im Leitentscheid 142 III 402 ausführlich dargelegt, dass der Begriff des Kündigungsschutzes bei der Frage des Anwendungsbereichs des vereinfachten Verfahrens weit auszulegen ist. Das ergibt sich aus dem Zweck der Bestimmung von Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO, welche im Kernbereich des Mieterschutzes ein laientaugliches Verfahren vorsehen will. Nach Sinn und Zweck der Rechtsprechung gehört eine Streitigkeit dann zum «Kündigungsschutz», wenn das Gericht über das Ende des Mietverhältnisses entscheiden muss. Angesichts des vom Gesetzgeber klar angestrebten Ziels, nämlich des Mieterschutzes, rechtfertigt es sich nicht, die Frage nach der Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses prozessrechtlich – insb. in Bezug auf die Anwendung der sozialen Untersuchungsmaxime – anders zu behandeln. Ist strittig, ob der Mietvertrag durch Befristung endet oder ob dazu eine Kündigung nötig ist, handelt es sich in diesem Sinn immer noch um eine Streitigkeit, welche den Kündigungsschutz betrifft. Nach Bundesgericht legte die Schlichtungsbehörde den Parteien daher zu Recht einen Urteilsvorschlag vor.14
2.1.2 Zuständigkeit des Handelsgerichts
Das Bundesgericht erliess bereits zwei wegweisende Entscheide über die Zuständigkeit des Handelsgerichts in mietrechtlichen Streitigkeiten. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach der Verfahrensart. Da für ein Kündigungsschutz- oder Erstreckungsverfahren zwingend das vereinfachte Verfahren vorgeschrieben ist, bleiben selbst bei Vorliegen einer handelsrechtlichen Streitigkeit Schlichtungsbehörde und Mietgericht sachlich zuständig.15 Bleibt die Frage, was als Kündigungsschutz- bzw. Erstreckungsverfahren im Sinne der zitierten ZPO-Bestimmung gilt. Die Vermieterin eines Restaurants hatte vor den ordentlichen Gerichten die Ausweisung der Mieterin im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen beantragt. Die Mieterin machte vor Bundesgericht geltend, die ordentlichen Gerichte seien sachlich unzuständig. Es handle sich um eine handelsrechtliche Streitigkeit.
Das Bundesgericht bejahte grundsätzlich die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 ZPO, prüfte jedoch, ob die mietrechtliche Natur der Klage eine Ausnahme von der handelsgerichtlichen Zuständigkeit darstellt. Hierzu ruft es seine Rechtsprechung in Erinnerung, wonach der Begriff «Kündigungsschutz» gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO weit zu verstehen ist; das vereinfachte Verfahren kommt auch zur Anwendung, wenn in einem Ausweisungsverfahren vorfrageweise die Gültigkeit der Kündigung zu beurteilen ist. Das Handelsgericht ist für Streitigkeiten, die im vereinfachten Verfahren zu beurteilen sind, sachlich nicht zuständig. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es gewichtiger, in diesen mietrechtlichen Streitigkeiten die beschränkte Untersuchungsmaxime anzuwenden, weshalb die Regelung der Verfahrensart jener der sachlichen Zuständigkeit vorgeht. Demgegenüber handelt es sich beim Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen um ein summarisches Verfahren, welches auch vor dem Handelsgericht zulässig ist. Der Umstand, dass die Zuständigkeit für die Mieterausweisung zwischen Handelsgericht und ordentlichen Gerichten aufgeteilt sein kann, wenn die Voraussetzungen des Rechtsschutzes in klaren Fällen gegeben sind, erlaubt es nicht, vom geltenden Recht abzuweichen.16
Eine Geschäftsmieterin stritt sich mit ihrer Vermieterin, ob sie ihr Optionsrecht gültig ausgeübt habe. Sie gelangte schliesslich an die Schlichtungsbehörde und später ans Mietgericht und beantragte, es sei festzustellen, dass die Option zur Verlängerung des Mietverhältnisses verbindlich ausgeübt wurde. Eventuell sei das Mietverhältnis zu erstrecken. Das Mietgericht trat auf die Klage nicht ein. Das Obergericht bestätigte diese Auffassung.
Das Bundesgericht prüfte, ob die Klage gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO im vereinfachten Verfahren zu beurteilen ist und somit die Zuständigkeit des Mietgerichts zu bejahen wäre. Es verweist hierzu auf seine Rechtsprechung, wonach die Schlichtungsbehörde im Kündigungsschutzverfahren vorfrageweise die Wirksamkeit der Kündigung prüfen kann oder ob zwischen den Parteien überhaupt ein Vertragsverhältnis zustande gekommen ist. Die Anfechtung der Kündigung kann deshalb im vereinfachten Verfahren auch nur eventualiter erfolgen.
Diese Rechtsprechung überträgt das Bundesgericht auf den vorliegenden Fall: Denn bevor über die Beendigung des Mietverhältnisses Klarheit besteht, kann das Erstreckungsbegehren nicht behandelt werden. Bereits in BGE 139 III 457 ist festgehalten worden, dass sich das vereinfachte Verfahren auf alle aufgeworfenen Fragen bezieht, wenn der Mieter die Gültigkeit der Kündigung bestreitet und eventualiter eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangt. Dies gilt folglich auch, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund einer Befristung umstritten ist. Es ist nicht zumutbar, dass der Mieter bei befristeten Mietverträgen gezwungen ist, einen ordentlichen Prozess über die Frage der vereinbarten Dauer zu führen, und danach allenfalls in einem zweiten Prozess im vereinfachten Verfahren die Erstreckungsklage anzuheben.17
2.2 Herabsetzung des Mietzinses bei Mängeln
Liegt ein Mangel an der Mietsache vor, kann der Mieter gegenüber dem Vermieter gemäss Art. 259d OR erklären, dass er den Mietzins herabsetzt. Das Bundesgericht hatte sich zur Frage zu äussern, zu welchem Zeitpunkt diese Herabsetzungserklärung gültig abgegeben werden darf. Im zu beurteilenden Fall wurde die Erklärung seitens des Mieters erst nach erfolgter fristloser Kündigung ausgesprochen. Das Obergericht war der Auffassung, dass diese Erklärung nach Vertragsbeendigung verspätet war und daher als nicht erfolgt gilt.
Das Bundesgericht setzte sich intensiv mit der Lehre und Rechtsprechung auseinander und gelangte zum Schluss, dass dem Gesetzeswortlaut lediglich die Dauer der Herabsetzung entnommen werden kann. Dem Gesetz ist aber insbesondere nicht zu entnehmen, dass die Erklärungsabgabe in zeitlicher Hinsicht mit der Dauer der Herabsetzung verknüpft ist und entweder vor, während oder nach dieser abgegeben werden muss. Das Bundesgericht schloss daraus, dass demnach keine zeitliche Beschränkung besteht und einzig die Verwirkungs- und Verjährungsnormen Anwendung finden.
Die Herabsetzungserklärung kann daher auch noch abgegeben werden, nachdem der Mangel bereits behoben oder der Vertrag beendet ist. Allerdings muss der Mieter den Mangel zumindest noch während der Mietdauer rügen und dem Vermieter damit zu verstehen geben, dass für ihn das Leistungsverhältnis zwischen Mietzins und mangelhaftem Mietobjekt nicht mehr ausgewogen ist.18
2.3 Mietzinserhöhung wertvermehrende Investitionen
Gegenstand dieses Entscheides bildete die Frage, welche Anforderungen an die Begründungspflicht einer Mietzinserhöhung wegen wertvermehrender Investitionen bestehen. Das Kantonsgericht hatte erwogen, dass die Begründung nur dann genügt, wenn sie sich auf die Baukostenabrechnung bezieht und so den verlangten Betrag zahlenmässig ausweist. Der Vermieter müsse darlegen, welche Parameter er seiner Berechnung zugrunde legt, damit der Mieter die Plausibilität der Erhöhung abschätzen kann. Da diese Anforderungen im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt seien, sei die Mietzinserhöhung nichtig.
Das Bundesgericht teilte die Auffassung der Vorinstanz nicht. Wird die Erhöhung beziffert und der Erhöhungsgrund genannt, sind alle Erfordernisse einer klaren Begründung erfüllt. Der zahlenmässige Beleg für die Überwälzung einer Mehrleistung ist kein Gültigkeitserfordernis. Das ergibt sich bereits aus Art. 20 Abs. 1 VMWG. Diese Bestimmung gibt dem Mieter das Recht, die zahlenmässige Begründung und die Belege dazu zu verlangen. Das besagt auch, dass diese Angaben eine «Holschuld» und nicht eine «Bringschuld» sind. Ganz allgemein ist eine Begründung nach den Worten des Bundesgerichts ausreichend klar, «wenn sich der Mieter als vernünftiger und korrekter Vertragspartner unter Berücksichtigung aller massgebenden Umstände im Zeitpunkt des Zugangs Klarheit darüber verschaffen kann, auf welchen Erhöhungsgrund sich der Vermieter beruft».19
2.4 Anfangsmietzins
2.4.1 Beweislast für die Zustellung des Formulars
Das Bundesgericht hatte in diesem Verfahren zu entscheiden, welcher Partei die Beweislast dafür obliegt, dass das genehmigte Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses gemäss Art. 270 Abs. 2 OR dem Mieter zugestellt worden ist. Zunächst wies das Bundesgericht darauf hin, dass gestützt auf Art. 8 ZGB die Beweislast für die Zustellung des amtlichen Formulars grundsätzlich den Vermieter trifft.
Im vorliegenden Fall erkannte das Bundesgericht jedoch auf eine Umkehr der Beweislast: Sofern der Mietvertrag, dessen Erhalt seitens des Mieters nicht bestritten wird, darauf hinweist, dass diesem das amtliche Formular beiliegt, ist gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Vermieter das Formular tatsächlich zusammen mit dem Mietvertrag versandt hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Vermieter eine Kopie des Formulars vorweisen kann. Die Umkehr der Beweislast hat zur Folge, dass der Mieter beweisen muss, dass das genehmigte Formular nicht im Briefumschlag enthalten war. Da es sich um eine negative Tatsache handelt, deren Beweis naturgemäss schwierig ist, reicht das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit.20
2.4.2 Anfechtung Anfangsmiete bei Wohnungsnot
Gemäss Art. 270 Abs. 1 lit a OR kann der Mieter den Anfangsmietzins insbesondere anfechten, wenn er sich wegen einer persönlichen oder familiären Notlage oder wegen den Verhältnissen auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume zum Vertragsabschluss gezwungen sah. Das Obergericht erachtete diese Voraussetzungen als kumulativ. Es trat auf die materielle Überprüfung des Anfangsmietzinses nicht ein, weil die Mieter nur die Wohnungsnot belegten, nicht dagegen den Beweis führten, dass sie keine Alternative zum Abschluss eines Vertrags für eine aus ihrer Sicht stark überteuerte Wohnung hatten. Das Bundesgericht folgte dieser Auffassung aus mehreren Gründen nicht. Sie verletzt den Wortlaut von Art. 270 Abs. 1 lit. a OR. Zudem zeigt die Entstehungsgeschichte der Bestimmung, dass die Wohnungsnot alternativ zur persönlichen und familiären Notlage zur Anfechtung des Anfangsmietzinses berechtigen sollte. Auch der Zweck der gesetzlichen Bestimmung spricht für diese Auslegung, denn es ist nach den Worten des Bundesgerichts nicht einzusehen, weshalb für die Mietzinsanfechtung wegen einer nicht funktionierenden Marktlage der Nachweis der persönlichen Not- bzw. Zwangslage erforderlich sein sollte. Es sei eine «Binsenwahrheit», dass Konsumenten im Allgemeinen und Mieter im Besonderen keine den Anbietern vergleichbare Stellung einnehmen, die ihnen die Verhandlung eines ausgewogenen Vertrags ermöglichen kann.
Der Gesetzgeber wollte den Missbrauch eines Marktungleichgewichts verhindern. Die mietrechtliche Bestimmung von Art. 270 Abs. 1 OR steht dabei in einer Reihe vergleichbarer Bestimmungen – so zum Beispiel für Haustürgeschäfte – und dient dem gleichen Ziel wie die Preisüberwachung oder die Kartellgesetzgebung. Das Gesetz setzt dabei voraus, dass sich die Marktlage bei Knappheit an Wohnungen oder Geschäftsräumen beim Vertragsabschluss konkret bemerkbar macht. Schliesslich trat das Bundesgericht auch dem Argument entgegen, dass die amtlichen Leerwohnungsstatistiken keinen verlässlichen Aufschluss über die Wohnungsnot geben können. Eine amtliche Statistik genügt als Beweis für die Wohnungsnot, solange sie aktuell ist und auf verlässlichen und hinreichend differenzierten Erhebungen beruht.21
2.5 Mietzinsherabsetzung, Unterlagen zur Nettorendite,
Ein Mieter stellte ein Begehren um Herabsetzung des Mietzinses und verlangte dazu die Offenlegung der Nettorendite. Der Vermieter beteuerte vor Gericht, dass er über keine Unterlagen zur Berechnung der Nettorendite verfüge. Das Mietgericht beurteilte den Mietzins daher ausgehend von den amtlichen Mietzinsstatistiken und im Vergleich mit den Mietzinsen in anderen Gemeinden des Kantons und dem Quadratmeterpreis. Aus diesem Mix von Daten zog es einen Mittelwert und kam zum Schluss, dass sich der Mietzins nicht als missbräuchlich erweise.
Das Obergericht gestand demgegenüber eine Mietzinsreduktion von 25 Prozent zu. Es begründete dies damit, dass die amtliche Mietzinsstatistik in diesem Fall nicht relevant sei, weil es sich um ein bis dahin subventioniertes Mietobjekt handle. Zudem habe der Vermieter nicht glaubhaft darlegen können, weshalb es ihm nicht möglich sei, Unterlagen zur Nettorenditeberechnung vorzulegen. Daher müsse vermutet werden, dass der bisherige Mietzins missbräuchlich sei. Die zugestandene Mietzinsherabsetzung fusste auf einer Plausibilitätsrechnung des Obergerichts. Der Vermieter zog den Fall vors Bundesgericht.
Das Bundesgericht beschäftigte sich ausführlich mit den Konsequenzen, falls keine Unterlagen zur Berechnung der Nettorendite vorliegen. Sofern die fehlenden Dokumente auf einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Vermieters beruhen, gilt die Vermutung, dass der Mietzins missbräuchlich ist und herabgesetzt werden muss. Bei der Herabsetzung kann das Gericht auf die Vorbringen der Gegenpartei abstellen. Es muss jedoch deren Plausibilität aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen abwägen, so aufgrund der Merkmale der Wohnung, des richterlichen Wissens, des Mietzinses des Vormieters und insbesondere aufgrund vorhandener amtlicher Mietzinsstatistiken.
Ist das Fehlen der Belege jedoch nicht auf ein Verschulden des Vermieters zurückzuführen, entfällt die Vermutung eines missbräuchlichen Mietzinses. Der Richter kann sich aufgrund der amtlichen Mietzinsstatistiken, der Merkmale der Wohnung und seiner Erfahrung ein Bild darüber machen, ob der Mietzins herabgesetzt werden muss. Kommt er zur Überzeugung, dass diese Angaben gegen eine Missbräuchlichkeit sprechen, kann er die Herabsetzungsklage abweisen. Entscheidend blieb daher die Frage, ob der Vermieter in der Lage gewesen wäre, die Unterlagen zur Renditeberechnung vorzulegen. Da ihm die Liegenschaft geschenkt wurde, gab es keine Anhaltspunkte, dass er Unterlagen zurückbehielt. Der Richter konnte daher frei prüfen, ob der Mietzins Merkmale der Missbräuchlichkeit trägt. Nicht zu beanstanden war nach Bundesgericht, dass die Herabsetzungsklage auf diesem Weg vom Mietgericht abgewiesen worden war.22
2.6 Kündigung
2.6.1 Dringender Eigenbedarf
Ein Geschäftsmietvertrag wurde durch die neue Eigentümerin der Liegenschaft vorzeitig gekündigt. Dafür machte sie dringenden Eigenbedarf geltend. Die Liegenschaft solle einem Neubau mit 17 Wohnungen, einem Hotel und einer Tiefgarage weichen. Das Hotel wollte die neue Eigentümerin auf eigene Rechnung und eigenes Risiko führen. Im Zeitpunkt der Kündigung lag ein Teilgestaltungsplan vor, der dieses Projekt berücksichtigte. Ausserdem hatte der Architekt Gesuche für den Abbruch und die Baubewilligung gestellt. Der Mieter focht die Kündigung an. Er bestritt unter anderem die Dringlichkeit des Eigenbedarfs. Mietgericht und Obergericht erachteten die Kündigung als unwirksam. Die Vermieterin gelangte ans Bundesgericht und erwirkte einen neuen Leitentscheid. Darin nimmt sich das Bundesgericht die Mühe, den Begriff des dringenden Eigenbedarfs zu präzisieren.
Das Gesetz setzt in zwei Fällen die Dringlichkeit des Eigenbedarfs voraus: Beim Eigenbedarf, der die Kündigungssperrfrist durchbrechen kann (Art. 271a Abs. 3 lit. a OR) sowie bei der vorzeitigen Kündigung nach Handänderung (Art. 261 Abs. 2 OR). Im Übrigen sind bei der Erstreckung ganz allgemein die Härtegründe des Mieters gegen die Dringlichkeit eines allfälligen Eigenbedarfs abzuwägen (Art. 272 Abs. 2 lit. d OR). Jedes Mal handelt es sich um den gleichen Begriff, der aber je nach Kontext unterschiedlich angewendet wird. Zunächst ist der Eigenbedarf von Drittinteressen abzugrenzen. Bei einer juristischen Person dürfte ein Eigenbedarf für eine Wohnung in der Regel ausgeschlossen sein. Wenn aber ein Aktionär die AG beherrscht, kann der Eigenbedarf dieses Aktionärs ein Hinweis auf eine gültige Kündigung sein und bei der Erstreckung ins Gewicht fallen. Bezieht sich der Eigenbedarf auf einen Geschäftsraum, muss die juristische Person dieses Lokal für ihre eigene Geschäftstätigkeit beanspruchen. Doch liegt Eigenbedarf auch vor, wenn der Optiker die Räume für sein Geschäft beansprucht und dieses Geschäft als juristische Person in Form einer GmbH organisiert ist.
Bei Abbruch und Neubau kann sich der Eigenbedarf auch nur auf einen Teil des Neubaus beziehen. Dringend ist der Eigenbedarf, wenn er unmittelbar, tatsächlich und aktuell ist. Das bedeutet, dass er sofort realisiert werden kann oder im Vergleich zur Kündigungsfrist zumindest zeitnah. Es darf aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse oder aus andern Gründen nicht erwartet werden, dass der Vermieter den Ablauf der Kündigungsfrist abwartet. Eine Not- oder Zwangslage wird aber nicht vorausgesetzt. Schliesslich genügt ein nur möglicher, allfälliger Eigenbedarf nicht.
Bei einem Um- oder Neubau hängt die Dringlichkeit vom Reifegrad des Projekts ab. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass bereits eine Bewilligung vorliegt. Im vorliegenden Fall erachtete das Bundesgericht den Eigenbedarf und dessen Dringlichkeit als gegeben. Dem Erwerber ist nicht zumutbar, sein Bauvorhaben um fünf Jahre bis zur nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit aufzuschieben. Die ausgereiften Pläne sind im Zeitpunkt der Kündigung vorhanden gewesen. Nicht erforderlich ist, dass bereits die Bewilligungen vorliegen. Bei der Erstreckung sind diese Grundsätze allerdings differenzierter anzuwenden. Bei Umbau oder Neubau kann der dringende Eigenbedarf die Härtegründe des Mieters frühestens ab Baufreigabe überwiegen. Ist es schwierig, diesen Zeitpunkt abzuschätzen, sollte eine Ersterstreckung gewährt werden mit der Möglichkeit, eine zweite Erstreckung zu beantragen. Der Fall ging zur Festsetzung der Erstreckungsdauer an das kantonale Gericht zurück.23
2.6.2 Geltung der absoluten Empfangstheorie
Ein Mieter wohnte bereits seit 1995 in der gleichen Wohnung. Mit Formularanzeige vom 29. November 2013 teilte der Vermieter die Kündigung auf den nächsten vertraglichen Termin mit. Ferienbedingt konnte der Mieter die Kündigung nicht entgegennehmen. Der Postbote legte deshalb am 2. Dezember 2013 eine Abholeinladung in seinen Briefkasten. Der Mieter fand diese Abholeinladung erst am letzten Tag der Abholfrist – 9. Dezember 2013 –, zu einem so späten Zeitpunkt, dass der Gang zur Post nicht mehr möglich war. Die Sendung wurde an den Vermieter retourniert. Am 23. Januar 2014 sandte der Vermieter dem Mieter mit einfachem Schreiben eine Kopie der Kündigung vom 29. November 2013. Der Mieter focht die Kündigung am 7. Februar 2014 an. Dabei stellte er sich auf den Standpunkt, dass in seinem Fall der Fristenlauf für die 30-tägige Anfechtungsfrist erst ab 24. Januar 2014 beginne. Das Mietgericht trat auf die Klage nicht ein.
Das Obergericht hielt dem Mieter jedoch zugute, dass er nach derart langer Mietzeit nicht mit einer fristauslösenden Mitteilung des Vermieters rechnen und daher auch keine Vorkehren bei Abwesenheit treffen musste. Die Anfechtungsfrist laufe daher erst ab zweiter Zustellung der Kündigung mit Brief vom 23. Januar 2014. Dem widersprach das Bundesgericht. Bei der Kündigung gilt die absolute Empfangstheorie. Zugestellt ist die Kündigung nach dieser Theorie, wenn sie den Machtbereich des Empfängers erreicht. Ab diesem Zeitpunkt läuft die 30-tägige Anfechtungsfrist bzw. die 30-tägige Frist zur Einreichung eines Erstreckungsbegehrens. Ob die zugestellte Sendung tatsächlich zur Kenntnis genommen wird, liegt bei der absoluten Empfangstheorie im Risikobereich des Empfängers, hier also des Mieters.
Daher hätte der Mieter Nachforschungen zur Sendung anstellen müssen. Dazu gehörte, dass er sich unverzüglich am 10. Dezember 2013 bei der Post meldete. Bei einer allenfalls bereits retournierten Sendung muss er sich nach dem Absender und bei dieser Stelle nach dem verpassten Inhalt erkundigen. Der Vermieter war nicht verpflichtet, ihm diese Abklärungen innert der Anfechtungsfrist abzunehmen. Das Bundesgericht wies zudem darauf hin, dass die Frist für die Anfechtung der Kündigung in Art. 273 OR und damit im materiellen Recht verankert ist. Das Obergericht bringt in seinen Erwägungen Grundsätze des Prozessrechts zur Anwendung, die aber nicht auf materiellrechtliche Fristen übertragen werden können. Aus all diesen Gründen stellte das Bundesgericht fest, dass die Kündigung am 3. Dezember 2013 beim Mieter eingegangen ist und daher das Begehren um Anfechtung der Kündigung verspätet eingereicht wurde.24
2.7 Entscheide zu Fragen mit tiefem Streitwert
Im Mietrecht gibt es viele praktische Fragen, die oft nicht ausgestritten werden, weil der Streitwert zu tief liegt. In der folgenden «Fundgrube» wird aus diesem Bereich stichwortartig eine Auswahl der in der Berichtsperiode ergangenen kantonalen Entscheide angeboten:
Kleine Mängel muss der Mieter beheben. Wird das Mietobjekt mit kleinen Mängeln zurückgegeben, kann der Vermieter die Kosten der Behebung dem Mieter belasten. Er hat jedoch eine Schadenminderungspflicht, die ihm verbietet, übersetzte Kosten in Rechnung zu stellen. Der Ersatz einer Neonröhrenhalterung ist kein kleiner Unterhalt.25
Bei einer Beseitigungsklage muss der Mieter beweisen, dass ein Mangel vorliegt. Will der Vermieter dafür den Mieter haftbar machen, muss er seinerseits beweisen, dass der Mangel durch den Mieter verursacht wurde.26
Bei der Bemessung der Inkonvenienzentschädigung für Beeinträchtigungen während einer Sanierung ist eine gewisse Pauschalisierung angebracht. Sind mehrere Gebäude betroffen, müssen Unterschiede hinsichtlich Dauer und Intensität bei den einzelnen Häusern und Wohnungen indessen berücksichtigt werden.27
Für die Streitwertberechnung bei Mängeln ist auf die wahrscheinliche Dauer des Gerichtsverfahren und der anschliessenden Mängelbeseitigung abzustellen.28
Für die Vertretung anlässlich der Schlichtungsverhandlung muss eine vorbehaltlos gültige Vertretungsbefugnis vorliegen, unabhängig davon, ob es sich bei der vertretenen Person um eine natürliche oder eine juristische Person handelt. Ist der Kläger bei der Schlichtungsverhandlung nicht rechtsgenügend vertreten, ist er als säumig zu betrachten und es darf keine Klagebewilligung erteilt werden.29
Dem Mieter ist die Untervermietung auf der Plattform Airbnb grundsätzlich gestattet. Doch muss er dazu vier Voraussetzungen erfüllen: Er hat die Zustimmung des Vermieters einzuholen sowie ihm gegenüber die Bedingungen der Untermiete bekanntzugeben. Diese Bedingungen dürfen nicht missbräuchlich sein, und es dürfen dem Vermieter keine wesentlichen Nachteile aus der Untermiete entstehen.30
Angela Hensch, «Arbeitnehmer mit Familienpflichten»,
in: AJP 2016, S. 1631 ff.
BGer 4A_46/2016
vom 20.6.2016.
BGer 4A_400/2016
vom 26.1.2017.
Entscheid CIV 161317 des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 8.9.2016, publ. in:
plädoyer 6/16, S. 67.
BGer 4A_419/2015
vom 19.2.2016.
BGer 4A_694/2015
vom 4.5.2016.
BGer 4A_521/2016
vom 7.1.2016.
BGer 4A_161/2016
vom 13.12.2016.
BGer 4A_56/2016
vom 30.6.2016.
BGer 4A_362/2015
vom 1.12.2015.
Praxis 2016, Nr. 98.
BGer 2C_625/2016
vom 12.12.2016.
BGE 142 III 402,
übersetzt in: mp 4/16, S. 360.
BGE 142 III 690,
übersetzt in: mp 1/17, S. 60.
BGE 139 III 457,
in: mp 1/14, S. 59.
BGE 142 III 515,
in: mp 4/16, S. 356.
BGE 142 III 278,
in: mp 3/16, S. 269.
BGE 142 III 557,
in: mp 4/16, S. 306.
BGE 142 III 375,
in: mp 3/16, S. 235.
BGE 142 III 253,
übersetzt in: mp 3/16, S. 253.
BGE 142 III 442,
in: mp 3/16, S. 241.
BGE 142 III 568,
übersetzt in: mp 4/16, S. 335.
BGE 142 III 336,
übersetzt in: mp 3/16, S. 259.
BGE 143 III 15, übersetzt
in: mp 1/17, S. 38.
Entscheid XZ.14.017843 des Mietgerichts Waadt vom 19.1.2015, übersetzt in: mp 2/16, S. 137.
Entscheid 102 2015 211 des Kantonsgericht Freiburg
vom 6.1.2016, übersetzt in:
mp 3/16, S. 209.
Entscheid 410 15 142 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 10.11.2015, in: mp 3/16, S. 216.
Entscheid ER 12 168 des Kantonsgerichts Appenzell Ausserrhoden vom 12.5.2015, in: mp 1/17, S. 46.
Entscheid ZK 15 275 des Obergerichts des Kantons Bern
vom 26.8.2015, in: mp 4/16, S. 350.
Entscheid des Mietgerichts
Zürich vom 9.2.2017,
in: ZMP 2017 Nr. 2.