Ein neuer Mitinhaber für eine Anwaltskanzlei will gut ausgesucht sein. Plädoyer erkundigte sich bei sechs Grosskanzleien über die Voraussetzungen für eine Partnerschaft. Fazit: Messbare Kriterien gibt es kaum. Bevorzugt werden die eigenen Associates.
Wer eine Stelle als Rechtsanwalt in einer grösseren Wirtschafts kanzlei erhält, beginnt als «Associate». Die Möglichkeit, Partner, also auch Mitinhaber, zu werden, haben die Associates laut Auskünften aus verschiedenen Grosskanzleien nach sechs bis acht Jahren. Bei Vischer zum Beispiel dauert es in der Regel rund acht Jahre. «Während dieser Zeit machen die meisten bei uns einen LL.M.-Abschluss oder ein Praktikum im Ausland, einige absolvieren eine fachliche Zusatzausbildung, wie etwa ein Notariatspatent, ein Doktorat, oder werden Steuerexperte», sagt Urs Haegi, Managing Partner bei Vischer.
Vorentscheid nach fünf Jahren
«Ziel ist, dass der Associate all mählich und kontinuierlich in die Aufgaben und Kompetenzen eines Partners hineinwächst», sagt Joachim Frick von Baker & McKenzie. Während dieser Zeit werden sie von den meisten Kanzleien mit internen Coachings unterstützt. Heinz Schärer erklärt das interne Auswahlverfahren bei Homburger: «Bei uns hat jeder Mitarbeiter einen Mentor. Er ist erste Ansprechperson für alle Probleme ausserhalb der einzelnen Mandate und gleichzeitig Ratgeber bei der Karriereplanung.»
Die Mitarbeiter von Homburger werden jährlich in einem organisierten Prozess schriftlich beurteilt und besprochen. Der ganze Qualifikationsprozess wird vom jeweiligen Mentor betreut. Er vertritt die Beurteilung auch vor der Partnerversammlung. Der Vorentscheid für eine Partnerschaft fällt bei Homburger in der Regel nach fünf Jahren Anwaltstätigkeit in der Kanzlei. «Dazu wird für jeden potenziellen Partner ein eigenes Komitee bestellt», beschreibt Schärer weiter. Das Komitee setzt sich zusammen aus dem Mentor und zwei zusätzlichen Partnern. Es begleitet und unterstützt den Entscheidungsprozess. Der Associate und das Komitee verfassen schliesslich beide einen Bericht zu Handen der Partnerversammlung. In seinem Papier legt der Associate seine Vorstellungen über seine zukünftige Tätigkeit als Partner und seine interne Rolle dar. «Die Partnerversammlung entscheidet dann in einem mehrstufigen, zum Teil schriftlichen Verfahren», sagt Schärer.
In vielen grösseren Kanzleien ist der Partnerschafts-Vorentscheid ein wichtiger Meilenstein im Prozess, ja «das eigentliche Nadelöhr», wie Haegi von Vischer betont. Je nach Kanzlei fällt er nach drei bis sechs Jahren. Nach diesem Vorentscheid arbeitet der Mitarbeiter aber noch zwei bis vier Jahre als Associate weiter, bis das formelle Angebot folgt. Sollte der Vorentscheid negativ ausfallen, gilt oft: «Up or out» - der Associate wird gebeten, sich anderweitig umzusehen
«...und zweitens muss man sich einfach mögen»
«Wir wollen, dass unsere Leute zu Partnern werden», sagt Alex Wittmann von Lenz & Staehelin. Die Kanzlei rekrutiert durchschnittlich von zehn Associates zwei Partner. Die übrigen Anwälte scheiden meist auf eigenen Wunsch aus. «Die einen entscheiden sich für eine selbständige Tätigkeit, die anderen merken selber, dass wir nicht zueinander passen», sagt Wittmann.
Die Partner-Wahl ist nicht nur für die Associates, sondern auch für die Kanzlei entscheidend. Wo sie als reine Unkostengemeinschaft organisiert ist, hat der Entscheid eine weniger grosse Tragweite. Anders bei Kanzleien, die als gemeinsames Unternehmen aufgebaut sind. Dort gehört der Partner-Entscheid zu den wichtigsten Entscheiden überhaupt. «Es ist schon fast wie eine Heirat», sagt Andreas Casutt von Niederer Kraft & Frey.
«Es ist ein sehr personalisierter Entscheid», sagt Urs Haegi von Vischer. Schärer von Homburger streicht das Kriterium der Integrität hervor: «Das bedeutet für uns auch, dass die Person nicht zu sehr geldorientiert ist. Die eigentliche Triebfeder für sie sollte sein, an den interessantesten Mandaten zu arbeiten.» Einen klaren Kriterienkatalog für eine Partnerschaft, wie etwa das Volumen bisher eingebrachter Mandate oder die erreichte Anzahl verrechenbarer Stunden, gibt es laut den angefragten Kanzleien nicht. In einer Gesamtbetrachtung spielen solche Faktoren aber durchaus eine Rolle. «Ob jemand die gewünscht Anzahl ver-rechenbarer Stunden erreicht, gibt uns natürlich indirekt Hinweise auf seine fachlichen Qualifikationen», räumt Casutt ein. «Denn die Partner vergeben die anfallende Arbeit vor allem an Associates, denen sie fachlich vertrauen.» Wittmann von Lenz & Staehelin bringt es auf eine einfache Formel: «Bei uns gibt es genau zwei Kriterien: Erstens muss die Person ein guter Anwalt sein. Und zweitens muss man sich einfach mögen.»
Ein anderes Standingund mehr Glaubwürdigkeit
Rekrutiert werden die Partner denn auch fast ausschliesslich in den eigenen Reihen. «Der grösste Teil hat zuvor mehrere Jahre bei uns gearbeitet. Wenn jemand von aussen als Partner in die Kanzlei eintreten möchte, dann braucht es längere Verhandlungen und Gespräche», gibt Martin Forster von Bratschi Wiederkehr & Buob zu bedenken. Das kommt vor, wenn eine Kanzlei zusätzliches Know-how integrieren möchte. «Wir haben zum Beispiel unsere Steuerabteilung aufgebaut, indem wir externe Experten als Partner holten», präzisiert Casutt von Niederer Kraft & Frey. «Doch das sind Ausnahmen. Denn für die jungen Kollegen, welche schon seit Jahren für uns arbeiten, kann das frustrierend sein.»
Und wenn man den Aufstieg vom Associate zum Partner endlich geschafft hat? «Die eigentliche Tätigkeit ändert im Kern nicht. Was ändert, sind die Form der Tätigkeit und die Position in den Mandaten», sagt Schärer von Homburger. «Auch muss die neue Partnerin oder der neue Partner damit umgehen, etwa zehn bis fünfzehn Prozent seiner Arbeitszeit für Partner-Aufgaben zu investieren.» Für Casutt ist der Titel vor allem im Umgang mit Klienten wichtig: «Man hat plötzlich ein anders Standing und gewinnt an Glaubwürdigkeit.» Etwas ganz Wesentliches ändert sich auch noch mit der Partnerschaft: das Gehalt. Es gibt verschiedene Vergütungssysteme. Das sogenannte «You-eat-what-you-kill-System» honoriert die Leistung des einzelnen Partners. Das heisst: Die Vergütung erfolgt entsprechend dem Arbeitseinsatz und den Akquisitionen.
In Bezug auf den persönlichen Einsatz lässt dieses System den einzelnen Partnern mehr Freiheiten und individuellen Gestaltungsraum als das sogenannte «Lockstep-System». Bei diesem wird der Gewinn der Kanzlei nach Anciennität verteilt. Wenn zwei Anwältinnen beide seit drei Jahren Partnerinnen sind, dann verdienen sie beim reinen «Lockstep-System» genau gleich viel - unabhängig davon, wer wie viele Stunden gearbeitet oder wer wie viele Fälle akquiriert hat. Lenz & Staehelin folgt beispielsweise weitgehend dem «Lockstep»-System. In der Realität gibt es verschiedene Ausprägungen und Mischformen der erwähnten Vergütungssysteme, zum Beispiel die Verteilung des Gewinns nach Köpfen kombiniert mit einer Leistungskomponente.
Sesshafte Partner, tiefe Scheidungsraten
Von einem Partner werden hohe Einsatzbereitschaft und Verfügbarkeit erwartet. Teilzeitpensen aus familiären Gründen sind daher selten, werden aber von den Kanzleien gegenüber plädoyer nicht als objektiver Hinderungsgrund genannt. «Im Bereich Mergers& Acquisitions und dort, wo kurze Reaktionszeiten gefordert werden, wäre ein Teilzeitpensum wohl schwierig», sagt Joachim Frick von Baker & McKenzie. «In anderen Bereichen, wo planbare Arbeiten anfallen, wie zum Beispiel im Bereich Intellectual Property oder auch bei gewissen Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, kann ich mir aber einen Teilzeit-Partner durchaus vorstellen.» Auch Wittman von Lenz & Staehelin meint: «Ein Teilzeit-Engagement ist Verhandlungssache.» Tatsächlich hat in keiner der beiden Kanzleien ein Partner längerfristig familiär bedingt ein reduziertes Pensum. Anders, wenn jemand nebenbei akademisch tätig ist. «Wer als Professor arbeitet, bringt Renommé in die Kanzlei und hat gleichzeitig direkten Kontakt zu den besten Studenten», sagt Haegi. Ein reduziertes Pensum ist bei diesem Gegenwert zumeist kein Problem.
Einmal Partner, immer Partner. Partnerstellen sind meist Stellen fürs Leben. Und die Scheidungs rate ist im Gegensatz zur Ehe tief: Kanzleiwechsel kommen im Vergleich zu anderen Branchen selten vor. Casutt von Niederer Kraft & Frey stellt fest: «Anwälte in den frühen Dreissigern wechseln noch etwas häufiger. Wer aber Partner ist, der ist insgesamt sehr sesshaft.» Freiwillig geht also keiner. Und den Status wegnehmen kann ihm auch fast keiner. Die meisten Kanzleien haben immerhin eine Ventilklausel, sodass bei Einstimmigkeit der Ausschluss eines Partners möglich ist.
Bei einigen Kanzleien verlieren die Partner zudem im Pensionierungsalter normalerweise ihren Status, haben aber meist die Möglichkeit, als Counsel weiterzuarbeiten. In andere Kanzleien bleibt man Partner bis ans Lebensende. Also doch wie in einer guten Ehe.