Das ist zulässig. Es kollidieren bei dieser Frage zwei fundamentale Rechtsinteressen: die Informations- und Medienfreiheit und das Recht auf Wahrung der Privatsphäre.
- Die Informations- und Medienfreiheit erhielt in der 1998 revidierten Bundesverfassung erstmals ausdrücklich einen hohen Stellenwert. Aus diesen beiden Freiheiten ergibt sich, dass die Medien auf einen möglichst ungehinderten Zugang zu Gerichtsinformationen angewiesen sind. Medien sind, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg immer wieder betont, die «Wachhunde der Demokratie».
Aus der neu formulierten Bundesverfassung ergibt sich, dass Einschränkungen der Medienfreiheit zulässig sind, wenn sie auf einem Gesetz beruhen – also nicht bloss auf einer Anordnung eines Gerichtspräsidenten –, wenn sie sich auf ein öffentliches Interesse berufen und wenn sie verhältnismässig sind. Das öffentliche Interesse ist in diesem Fall offensichtlich: Die Berichterstattung über Gerichtsfälle will die Justiz einer gewissen Kontrolle unterziehen.
- Auch die Wahrung der Privatsphäre ist in der Bundesverfassung ausdrücklich garantiert: «Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privatlebens.» Persönliche Daten – Identität, Name, Bild – dürfen nicht ohne Weiteres veröffentlicht werden. Schon gar nicht in einem negativen, rufschädigenden Zusammenhang.
Was heisst das für die Gerichtsberichterstattung? Die beiden Interessen müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Für Strafprozesse gibt es einen Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2011: Ein milieugeschädigtes Paar stand vor dem Zürcher Bezirksgericht; er hatte sie gewürgt, offenbar lebensgefährlich. Es bestand Suizidgefahr. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen, die Presse zugelassen – unter der Bedingung, dass diese das Paar weder identifiziere noch fotografiere.
Vor Verhandlungsbeginn fragte der Vorsitzende den Reporter vom «Blick», dessen Journalisten solche Schranken vor dem Prozess mehrmals verletzt hatten, ob er für die Einhaltung dieser Anordnung garantiere. Der irritierte Reporter erwiderte, er könne «für gar nichts garantieren». Der Chefredaktor entscheide über die Story. Darauf schloss der Vorsitzende den «Blick»-Reporter von der Verhandlung aus.
Das Bundesgericht stützte den Zürcher Entscheid. Zwar greife er in die Medienfreiheit ein, aber gerade in Strafprozessen müsse das Gericht meist auf einer anonymisierten Berichterstattung bestehen – wegen der Unschuldsvermutung und der späteren Resozialisierung der Angeklagten.
Was lässt sich daraus für Zivilprozesse schliessen? Hier ist erst recht Zurückhaltung geboten. Meist handelt es sich bei den Parteien weder um «öffentliche Personen», noch spielt der Name oder das Aussehen für die Gerichtsberichterstattung eine Rolle. Handelt es sich um ein interessantes Rechtsproblem, lässt sich die Rechtsfrage auch ohne Namensangabe beschreiben. Ausnahmen sind allerdings auch in Zivilprozessen möglich: Sind die Parteien sehr bekannt oder wird der Streit öffentlich ausgetragen, dürfen Gerichtsreporter die Streitenden in den Medien identifizieren.
Ähnliches dürfte für Unternehmen gelten: Die Namen bekannter Firmen dürfen genannt werden, sofern dem Persönlichkeitsschutz und dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb Rechnung getragen wird: Die Berichterstattung muss dabei zwei Grundsätze erfüllen. Sie darf nicht unnötig herabsetzend sein – zum Beispiel inhaltlich falsch. Und sie darf nicht unnötig verletzend sein – so beispielsweise, wenn der Sänger Michael von der Heide als Schwuler verspottet wird.