Die beiden Kommentare berücksichtigen die neue eidgenössische Gesetzgebung per 1. Januar 2011 im Strafprozessrecht, soweit sie im September 2010 bereits bekannt war. Im Basler Kommentar wird nebst der Strafprozessordnung auch die neue eidgenössische Jugendstrafprozessordnung auf rund 135 Seiten kommentiert.
Der emeritierte Strafrechtsprofessor Franz Riklin verzichtet in seinem Werk auf Letzteres, druckt jedoch den Wortlaut der Jugendstrafprozessordnung und des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes vollständig ab. Ebenso sind Bundesverfassung, EMRK und Bundesgerichtsgesetz auszugsweise - soweit relevant - aufgeführt. Dank dieser Zusammenstellung kann Riklin die Strafprozessordnung im Normenzusammenhang aufzeigen, um so dem Anwender einen Gesamtüberblick wörtlich in einer Hand zu verschaffen. Das Werk richtet sich an Praktiker, Verwaltungs- und Justizbehörden, Anwälte und Studierende, die täglich mit dem Gesetz arbeiten. In der handlichen Kommentierung (Format A 5) werden die einzelnen Artikel einheitlich absatzweise behandelt, was ein schnelles Nachschlagen erlaubt.
Der viermal umfangreichere Basler Kommentar eignet sich demgegenüber mehr, um spezifischen Fragestellungen bis ins Detail nachzugehen. Nahezu hundert Autoren tragen zur ausführlichen Kommentierung bei, die mit einem umfassenden Stichwortverzeichnis versehen ist. Es versteht sich dabei von selbst, dass zu bestimmten Fragestellungen Widersprüche auftreten. Diese zu vereinheitlichen, war jedoch nicht das Ziel des Herausgebers - im Unterschied zum Werk von Franz Riklin, das vollständig aus seiner Feder stammt.
Der Kommentar von Franz Rik-lin ist somit insgesamt einheitlicher und zudem mit diversen Querverweisen versehen. Er kann als preiswerte Anschaffung für den Berufsalltag empfohlen werden. Für detaillierte Nachforschungen wird jedoch oft ein Zurückgreifen auf den umfassenden Basler Kommentar unumgänglich sein.
Diana und Kurt Berger-Aschwanden
Besprochene Bücher
Franz Riklin
Schweizerische Strafprozessordnung,
Kommentar
Orell Füssli Verlag, Zürich 2010,
773 Seiten, Fr. 98.-
Marcel Alexander Niggli / Marianne Heer / Hans Wiprächtiger (Hrsg.)
Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung,
Basler Kommentar
Helbling Lichtenhahn Verlag, Basel 2011,
3258 Seiten, Fr. 478.-
Neue Bücher
Wettbewerbsrecht
Peter Jung / Philippe Spitz
Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Handkommentar
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
1419 Seiten, Fr. 348.-
Das praxisorientierte Werk besticht in formaler Hinsicht durch die englische Übersetzung der einzelnen Gesetzesartikel. Darüber hinaus liefert der Handkommentar wichtige rechtsvergleichende Hinweise auf Rechtsquellen und Literatur im Gebiet der «unfair competition» von nicht weniger als 28 europäischen Ländern sowie einschlägige Bestimmungen aus verwandten Schweizer Erlassen und die Grundsätze der Schweizerischen Lauterkeitskommission. Aufgrund des eher schlanken Erlasses ist das Gebiet des UWG in besonderem Mass von Präjudizien geprägt. Eine umfassende und übersichtliche Tabelle zur Rechtsprechung des Bundesgerichts seit 1997 ermöglicht es, die zu den besprochenen Gesetzesartikeln relevanten Entscheide und deren Fundstellen mühelos zu finden und zu konsultieren.
Bewertung: Für den wettbewerbsrechtlichen Praktiker unentbehrlich. tva
Anwaltsrecht
Walter Fellmann
Anwaltsrecht
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
568 Seiten, Fr. 145.-
Walter Fellmann erörtert die Materie sehr umfassend. Er handelt die einschlägigen kantonal-, privat- und strafrechtlichen Grundlagen sowie das Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA) ab und geht auch auf grund-, verfahrens- sowie verbandsrechtliche Fragen im Anwaltsberuf ein. Auch Ausführungen zur Rechtsform der Anwaltsbüros, zu Haftungsfragen und zur unentgeltlichen Rechtspflege sowie zur anwaltlichen Finanzintermediation finden sich im beinahe 600-seitigen Werk. Der Autor schliesst damit eine zentrale Lücke, gab es doch bisher auf Deutsch kein entsprechendes systematisches Lehrbuch. Es ist gut geeignet zur Vorbereitung der Anwaltsprüfung.
Bewertung: Das Werk gehört als wichtige Ergänzung in jede Kanzleibibliothek. sb
Ausländerrecht
Marc Spescha / Antonia
Kerland / Peter Bolzli
Handbuch zum
Migrationsrecht
Orell Füssli Verlag, Zürich 2010,
270 Seiten, Fr. 64.-
Die übersichtliche und praxisbezogene Darstellung des Migrationsrechts berücksichtigt neben den Einreisevoraussetzungen und der Anwesenheitsregelung auch das Asylrecht, die Integrationspolitik und das Bürgerrecht. Ein kritischer Blick auf die Migrationspolitik ergänzt die Darstellung der Rechtslage samt aktueller Gerichtspraxis. Mit statistischen Fakten, historisch-politischen Zusammenhängen und Bezügen zu den Menschenrechten zeigen die Autoren, dass der politische Diskurs rechtsstaatlich und politisch problematischen Bewertungen und mangelnder Differenzierung unterworfen ist. Im Ausblick des Buches weisen sie darauf hin, dass «verschärfte, auf Migrationsabwehr ausgerichtete Asyl- und Ausländergesetze (...) keine angemessenen Antworten» auf aktuelle und neue Herausforderungen sein können.
Bewertung: Ein Muss für Laien und hilfreich für Fachleute. tn
Grundrechte
Till Müller-Heidelberg /
Ulrich Finckh / Elke Steven
Grundrechte-Report 2010
Fischer Taschenbuch Verlag,
Frankfurt am Main 2010, 288 Seiten, Fr. 16.50
Der deutsche Grundrechte-Report positioniert sich auch in seinem 14. Erscheinungsjahr als alternativer Verfassungsschutzbericht. Aktuelle Verstösse gegen Grundrechte werden umfassend in der Reihenfolge der Garantien des deutschen Grundgesetzes in knapper Form dokumentiert und kritisiert. Anschaulich stellt der Bericht dar, dass die meisten Eingriffe in die Grundrechte weiterhin von der Exekutive ausgehen. Kritisiert werden etwa die stete Ausdehnung der staatlichen Überwachung oder die zunehmende Einschränkung des Asylrechtes. Ein Thema sind auch extraterritoriale Verletzungshandlungen, so durch die Tötung von Zivilisten bei der Bombardierung der Tanklaster in Kunduz (Sommer 2009) oder die Einsätze vor der Küste von Somalia.
Bewertung: Ein wertvoller Einstieg zur gelebten Verfassungswirklichkeit in Deutschland. sa
Sachenrecht
Dieter Zobl / Christoph Thurnherr
Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band IV, 2. Abteilung,
5. Teilband, 1. Unterteilband
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
1030 Seiten, Fr. 415.-
Wer mehr über das Pfandrecht und die Abgrenzungen zu den pfandrechtsähnlichen Sicherungsgeschäften erfahren will, ist mit diesem Buch gut bedient. Die erste Buchhälfte beleuchtet den rechtsgeschichtlichen Hintergrund des Pfandrechts, angefangen bei der Entwicklung in der Schweiz im Vergleich zum Ausland bis hin zur wirtschaftlichen Bedeutung und der Wirkung des Pfandrechts in den verschiedenen Rechtsgebieten (Zwangsvollstreckung, Zivilprozess-, Bilanz- und Steuerrecht etc.). Die sehr umfangreichen Ausführungen im Lehrbuchstil bereichern die Kommentierung der drei Gesetzesartikel. Mit der Neuauflage ist das Werk nach 28 Jahren wieder auf dem neusten Stand.
Bewertung: Das allumfassende Standardwerk im Bereich des Faustpfandrechts. dba
Produktesicherheit
Hans-Joachim Hess
Produktesicherheitsgesetz (PrSG), Handkommentar
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
914 Seiten, Fr. 155.-
Das Produktesicherheitsgesetz hat den Konsumentenschutz ausgebaut, aber auch grössere Verunsicherung bei den Anbietern von Produkten aller Art gebracht. Es übernimmt weitgehend die EU-Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit. Den Behörden werden Überwachungs- möglichkeiten eingeräumt, den Anbietern Nachmarktpflichten auferlegt, das heisst, sie müssen beobachten, melden und nachbessern. Das Werk zeichnet die Entstehungsgeschichte auf
40 Seiten nach, 200 Seiten Kommentar zu den 22 Artikeln folgen. Anschliessend wird es praktisch: Qualitätssicherung, technische Dokumentation und Krisenmanagement werden auf 170 Seiten dargestellt. Wie ist zu informieren, wovor zu warnen? Im Anhang sind alle wichtigen Rechtsquellen abgedruckt.
Bewertung: Praxisorientiert, kompetent, reichhaltige Information zu einem günstigen Preis. kpf
Sachenrecht
Christoph Thurnherr
Bauliche Massnahmen bei Mit- und Stockwerkeigentum
Zürcher Studien zum Privatrecht, Band 219
Schulthess Verlag, Zürich 2010,
351 Seiten, Fr. 78.-
Mit- und Stockwerkeigentum bergen immer Potenzial für rechtliche Fragen und Streitereien. Der erste Teil der vorliegenden Abhandlung erörtert die Grundbegriffe und den konkreten Anwendungsbereich der Normen über die baulichen Massnahmen. Im zweiten Teil geht der Autor den Fragen im Innenverhältnis nach wie den Verwaltungshandlungen, der Beschlussfassung sowie den Fragen der Änderung der Wertquoten und der Kostenverteilung. Der dritte Teil stellt das Aussenverhältnis dar mit Fokus auf Vertretung, Haftung, Prozessuales und Zwangsvollstreckung. Im vierten folgt eine überzeugende Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse.
Bewertung: Eine empfehlenswerte handliche Gesamtschau mit Praxisbezug. me
Kunstrecht
Matthias Weller /
Nicolai Kemle u.a.
Kunst im Markt - Kunst im Recht, Tagungsband des Dritten Heidelberger Kunstrechtstags
Nomos Verlag u.a., Baden-Baden 2010, 231 Seiten, Fr. 88.-
Der erste Teil des Buches untersucht am Beispiel der Fotografie das Spannungsverhältnis Kunst und Markt: Wirkt der Markt feindlich auf die Originalität der Kunst? Oder braucht die Kunst den Markt, um überhaupt wahrgenommen zu werden? Anschliessend widmen sich zwei Beiträge dem Urheberrecht und den «verwaisten» Werken. Der zweite Teil geht auf aktuelle und grundsätzliche Fragestellungen im Kunstrechtsstreit ein und zeigt Schwierigkeiten auf, die durch die unterschiedlichen Prozessrechte entstehen. Die zunehmende Anerkennung der Unesco-Konvention betreffend Kulturgüterschutz als «Ordre public» könnte hier eine Vereinheitlichung bringen. Weitere Themen: wertbildende Faktoren bei der Bewertung im Steuer- und Erbrechtsstreit, Ersitzung und Fälschung.
Bewertung: Hilfreich bei Kunststreitigkeiten, interessant für Kunstliebhaber. me