Die langjährige Bundesrichterin Susanne Leuzinger ist 2015 zurückgetreten. Heute geniesst sie es, «Zeit für all das zu haben, was in den Jahren der Berufstätigkeit auf die Wochenenden beschränkt war – die Familie, natürlich die Enkel, der Freundeskreis und kulturelle Veranstaltungen». Die ­Spezialistin für Sozialversicherungsrecht stellte nach der Pensionierung aber fest, dass sie rechtliche Fragen ­weiterhin beschäftigen. Sie schreibt deshalb immer noch juristische Beiträge für Fachzeitschriften. Leuzinger: ­«Dabei interessiert mich speziell, wie bestimmte Dinge im Recht, die heute wichtig sind, entstanden sind.» Sie äusserte sich auch zu gesetzgeberischen Problemen,  etwa zur Neuregelung der gemischten Methode in der ­Invalidenversicherung. Leuzinger ist zudem Mitheraus­geberin eines Kommentars zum Unfallversicherungsgesetz.

Vor ihrer Tätigkeit als Richterin war sie von 1974 bis 1994 in Zürich Anwältin. Leuzinger gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Rechtsberatung Anwaltskollektiv. Als Richterin war sie zuerst beim damals neuen Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich tätig, dann fast zwanzig Jahre beim Eidgenössischen Versicherungsgericht und beim Bundesgericht. «Ich war sowohl gerne ­Anwältin als auch Richterin, ich möchte keinen der Berufe missen», sagt die 68-Jährige. Welche ­Weichen konnte sie als ­Bundesrichterin stellen? Da Grundsatz­urteile in Fünferbesetzung gefällt würden, sagt sie, sei es «schwierig, eine bestimmte Recht­sprechung einem Mitglied allein zuzuschreiben». Leuzinger engagiert sich auch rechtspolitisch. Sie ist im ­Beirat von «Schutzfaktor M» – M für Menschenrechte. Diese Organisation will die ­Bevölkerung über die Bedeutung der Europäischen ­Menschenrechtskonvention informieren und dazu bei­tragen, dass die Initiative «Schweizer Recht statt ­fremde Richter» abgelehnt wird. Zudem sitzt sie im ­Stiftungsrat der ­neuen Stiftung «Erbprozent Kultur»: Die Idee ist, dass möglichst viele Leute an der generationenübergreifenden Kultur­förderung teilhaben, indem sie unabhängig von der Höhe ihres Vermögens der Stiftung ein Prozent ihres Nachlasses vermachen.