Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der ambulanten Nachbetreuung nach einem Aufenthalt im stationären Massnahmenvollzug. Es wird dargelegt, warum eine ambulante Nachbetreuung wichtig ist und daher vermehrt durchgeführt werden sollte. Bedauernswerterweise erhält die ambulante Nachbetreuung in der Praxis und auch in der Literatur nach wie vor nicht diejenige Aufmerksamkeit, welche sie verdient hätte. Der Beitrag zeigt zudem, unter welchen Voraussetzungen die Nachbetreuung anwendbar ist. Zum Schluss wird anhand zweier Beispiele aus der Schweiz die vorbildliche Handhabe der ambulanten Nachsorge nach einem stationären Massnahmenaufenthalt aufgezeigt.
1. Notwendigkeit und Zweck
Die ambulante Nachbetreuung ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll und zweckmässig. Da für die Schweiz keine Studien und nur wenig Literatur in diesem Bereich existieren, stützen sich die folgenden Angaben insbesondere auf eine Studie aus Bayern aus dem Jahr 2016.1
Die ambulante Nachbetreuung trägt erstens erwiesenermassen dazu bei, dass nach einer bedingten Entlassung und auch während eines Arbeits- und Wohnexternats Rückfälle verhindert werden können, weil durch sie eine engmaschige Begleitung, Kontrolle und somit Sicherung des Straftäters möglich ist. Zudem wird der Straftäter unterstützt und einer möglichen Überforderung des bedingt Entlassenen kann entgegengewirkt werden.2 Dies ist insbesondere in der ersten Zeit nach einer Entlassung wichtig, weil dann die Rückfallgefahr am höchsten ist.3
Die bereits erwähnte Studie aus Bayern hat gezeigt, dass die Rückfallquote von Patienten im Massnahmenvollzug durch die ambulante Nachsorge nach der bedingten Entlassung signifikant reduziert werden kann. Es konnte dargelegt werden, dass Täter, welche nach der bedingten Entlassung eine ambulante Nachbetreuung erhalten, nur halb so häufig rückfällig werden wie Täter, die ohne eine solche Nachsorge entlassen werden. Dies konnte erstmals nicht nur für psychisch kranke Straftäter, sondern auch für Täter, die aufgrund einer Abhängigkeit delinquiert haben, festgestellt werden.4 In der Schweiz würde es sich um eine Massnahme nach Art. 60 StGB handeln.
Auch andere internationale Studien konnten die Wirksamkeit und Effektivität der ambulanten Nachbetreuung feststellen. So geht aus einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2012 hervor, dass Straftäter mit einer psychischen Erkrankung, welche nach ihrer Entlassung ambulant weiterbetreut wurden und so bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft Unterstützung erhalten haben, weniger häufig erneut delinquiert haben als Straftäter, welche keine solche Behandlung erhalten haben.5
Eine niederländische Studie aus dem Jahr 2013 konnte den gleichen positiven Effekt der ambulanten Nachsorge auf die Rückfallquote bei entlassenen psychisch kranken Straftätern aufzeigen.6
Zweitens könnte die ambulante Nachbetreuung eine Lösung darstellen für das Kapazitäts- und Kostenproblem, das im stationären Massnahmenvollzug seit vielen Jahren Realität ist. In der Schweiz fehlen für rund die Hälfte aller zu einer stationären therapeutischen Massnahme verurteilten Personen Behandlungsplätze.7 Um diesem Defizit zu begegnen, müssten viele neue Vollzugsplätze geschaffen werden, was aber aufgrund der hohen Errichtungs- und Betreibungskosten nicht in genügendem Ausmass zu erwarten ist.
Ein weiteres Problem des stationären Massnahmenvollzugs (insbesondere von Art. 59 StGB) stellt die lange Aufenthaltsdauer der einzelnen Insassen in den stationären Einrichtungen dar. Art. 59 StGB sieht im Gegensatz zu Art. 60 und Art. 61 StGB keine absolute Höchstdauer vor. Das heisst: Es ist möglich, diese Massnahme bei gegebenen Voraussetzungen unbeschränkt oft zu verlängern.8 Da solche Verlängerungen nicht mehr einen Ausnahmefall darstellen, sondern vielmehr der Regel entsprechen, gibt es wenig bedingte Entlassungen.9
Jährlich werden lediglich etwa zehn Prozent der zu einer Massnahme nach Art. 59 StGB Verurteilten bedingt entlassen.10 Diese Praxis führt automatisch zu einer Überbelegung des stationären Massnahmenvollzugs. Zudem fällt der Anwendungsbereich der ambulanten Nachbetreuung aufgrund der geringen Anzahl bedingter Entlassungen entsprechend klein aus. Die ambulante Nachbetreuung könnte aber gerade eine alternative und das System entlastende Behandlungs- und Sicherungsmöglichkeit darstellen.11 Der Straftäter könnte früher als sonst bedingt aus der stationären Massnahme entlassen werden und im Folgenden ambulant weiterbetreut werden. Dadurch würden Behandlungsplätze nicht nur weniger lange belegt, sondern es könnten auch beträchtliche Kosten eingespart werden, wenn an die Stelle der stationären eine ambulante Behandlung treten würde, da eine ambulante Behandlung bekanntlich deutlich weniger Kosten als eine stationäre verursacht.12
Drittens trägt die ambulante Nachbetreuung nach einem stationären Massnahmenaufenthalt zur Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft und zu einem reibungslosen Übergang in die Freiheit bei. Ein länger andauernder Freiheitsentzug, sei dies in Form der Strafe oder der Massnahme, kann sich auf den Betroffenen schädlich auswirken. Es können sogenannte Haftschäden wie zum Beispiel Vereinsamung oder psychische und physische Degeneration auftreten. Daher ist die Verhinderung von Haftschäden neben der Resozialisierung vor allem bei älteren Personen ein Ziel des Strafvollzugs.13 Haftschäden können zum Beispiel durch die ambulante Nachbetreuung eingedämmt werden, weil der stationäre Aufenthalt aufgrund der nachfolgenden ambulanten Betreuung weniger lange dauert.14
2. Abgrenzung zur Massnahme
Die ambulante Nachbetreuung ist von der ambulanten Massnahme nach Art. 63 ff. StGB abzugrenzen. Mit der ambulanten Nachsorge ist nicht eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 ff. StGB gemeint, bei welcher der Täter nicht stationär in einer Institution untergebracht wird, sondern entweder in Freiheit ambulant durch regelmässige Besuche bei einem Therapeuten oder während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe in einer Strafanstalt mit entsprechendem Behandlungsangebot therapiert wird.15 Bei der ambulanten Nachbetreuung wird die Anordnung einer stationären Massnahme gemäss den Art. 59, 60 oder 61 StGB vorausgesetzt, damit im Anschluss an den stationären Vollzug der Massnahme die Behandlung ambulant fortgeführt werden kann. Der Straftäter befindet sich also im Vollzug einer stationären Massnahme und weist die dafür nötigen Voraussetzungen auf.
Bei der Anwendung von Art. 59 StGB muss beim Täter eine psychische Störung diagnostiziert worden sein, die mit der Tat im Zusammenhang steht. Bei Art. 60 StGB wiederum muss der Täter von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig sein und die Straftat muss aufgrund dieser Abhängigkeit begangen worden sein. Wurde eine Massnahme nach Art. 61 StGB angeordnet, handelt es sich um einen Täter, der zum Tatzeitpunkt noch nicht 25 Jahre alt war und in seiner Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört ist.
3. Anwendungsfälle der Nachbetreuung
Um überhaupt eine stationäre Massnahme anordnen zu können, muss der Täter ein Behandlungsbedürfnis aufweisen (Art. 56 Abs. 1 lit. b StGB). Diesem Bedürfnis wird mit einer auf die beim Täter vorliegenden Defizite (psychische Störung, Abhängigkeit oder Störung der Persönlichkeitsentwicklung) ausgerichteten Behandlung Rechnung getragen. Das Kernelement der stationären Massnahmen stellt daher die adäquate Behandlung dar. Bei den stationären Massnahmen wird demnach immer ein therapeutischer Auftrag erfüllt.16
Somit besteht während des stationären Vollzugs der Massnahme kein Bedürfnis für eine ambulante Betreuung, da diese durch die Einweisung des Täters in eine geeignete Einrichtung bereits gewährleistet ist. Allerdings muss in der Regel jeder eingewiesene Täter irgendwann einmal entlassen werden. Vollzugslockerungen stellen ein geeignetes Instrument dar, um die Entlassung vorzubereiten, die erzielten Therapiefortschritte zu erproben und insbesondere auch die Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft zu gewährleisten.17
Als Vollzugsöffnungen gelten sämtliche Aufenthalte von eingewiesenen Personen ausserhalb des Sicherheitsbereichs einer geschlossenen Vollzugseinrichtung oder einer geschlossenen Abteilung einer offenen Vollzugseinrichtung oder ausserhalb des Areals einer offenen Vollzugseinrichtung, ausgenommen im Vollzugskonzept vorgesehene, der Einweisungsbehörde bekannt gegebene begleitete Aktivitäten.18 Vollzugsöffnungen können auf verschiedene Weise gewährt werden.19 Namentlich gelten als Vollzugsöffnungen begleitete oder unbegleitete Ausgänge oder Urlaube, Beschäftigungen ausserhalb des Sicherheitsbereichs einer geschlossenen Vollzugseinrichtung, Versetzungen aus einer geschlossenen in eine offene Vollzugseinrichtung, Beschäftigungen bei einem privaten Arbeitgeber, Wohn- oder Arbeitsexternate und bedingte Entlassungen (vergleiche auch Art. 90 Abs. 4bis in Verbindung mit Art. 75a Abs. 2 StGB).20 Erst bei der Gewährung von Vollzugslockerungen kann die ambulante Nachsorge zum Thema werden, weil dann die Betreuung durch die stationäre Einrichtung zum Teil wegfällt.
Wird dem Straftäter ein begleiteter oder unbegleiteter Ausgang oder Urlaub bewilligt oder darf er einer Beschäftigung ausserhalb der Einrichtung nachgehen, kehrt er nach der entsprechenden Vollzugsöffnung wieder in die stationäre Einrichtung zurück. Die Behandlung kann somit stationär weitergeführt werden und es besteht kein Bedarf nach einer ambulanten Nachsorge. Wird der Täter in eine offene Vollzugseinrichtung versetzt, kann auch dort eine angemessene Betreuung stationär vorgenommen werden. Die ambulante Nachbetreuung im Bereich der stationären Massnahmen findet somit nur bei der Versetzung in ein Wohn- oder in ein Arbeitsexternat (Art. 90 Abs. 2bis StGB) oder bei einer bedingten Entlassung (Art. 62 Abs. 3 StGB) Anwendung. Auf diese zwei Fälle wird im Folgenden eingegangen.
Die ambulante Nachbetreuung endet mit der endgültigen Entlassung des Täters aus der Massnahme. Das heisst, der Täter muss sich während der Probezeit nach einer bedingten Entlassung bewährt haben (Art. 62b Abs. 1 StGB). Eine ambulante Behandlung kann somit nicht über die Dauer einer Massnahme hinaus angeordnet werden (Art. 62 Abs. 3 StGB).
3.1 Im Arbeits- und Wohnexternat
Art. 90 Abs. 2bis StGB verweist für die Bestimmungen über das Arbeits- und Wohnexternat auf die Strafvollzugsbestimmungen (Art. 77a Abs. 2 und Abs. 3 StGB). Im Arbeitsexternat arbeitet der Straftäter unbewacht ausserhalb der Vollzugsinstitution und verbringt nur noch seine Ruhe- und Freizeit in einer vom Normalvollzug getrennten, besonderen Abteilung oder in einer privaten Einrichtung.21
Hat sich der Betroffene im Arbeitsexternat bewährt, erfolgt der weitere Vollzug im Wohnexternat. Dort wohnt und arbeitet der Gefangene ausserhalb der Anstalt. Er untersteht aber weiterhin den Anordnungen und Entscheiden der Vollzugsbehörde. Der Straftäter hält sich im Wohnexternat somit nicht mehr in einer Institution des Freiheitsentzuges auf.22 Befindet sich der Täter im Arbeits- oder Wohnexternat, ist die Behandlung nicht mehr gewährleistet, weil der Täter nicht mehr stationär in einer Vollzugseinrichtung untergebracht ist. Hier ist es daher wichtig, dass der Betroffene bei einem allfälligen Bedarf ambulant nachbetreut werden kann.
3.2 Bei der bedingten Entlassung
Gemäss Art. 62 Abs. 1 StGB erfolgt die Entlassung aus einer stationären Massnahme vorerst immer nur bedingt, d.h. nie direkt definitiv, sondern immer unter Ansetzung einer Probezeit, welche je nach Massnahme unterschiedlich lange dauert (Art. 62 Abs. 2 StGB). Damit der Täter bedingt entlassen werden kann, wird eine günstige Prognose vorausgesetzt. Diese liegt vor, wenn erwartet werden kann, dass der Täter keine weiteren Straftaten begehen wird, die mit der behandelten Störung bzw. Abhängigkeit in Zusammenhang stehen.23 Die bedingte Entlassung stellt ein wichtiges Instrument dar, mittels welchem der Täter in die Freiheit geführt wird. Sie ermöglicht es den Vollzugsbehörden, dem Täter für die Dauer der Probezeit sogenannte flankierende Massnahmen gemäss Art. 62 Abs. 3 StGB (ambulante Behandlung, Bewährungshilfe oder Weisungen) aufzuerlegen, um so den bedingt Entlassenen in einer gewissen Weise weiterhin überwachen und nötigenfalls einschreiten zu können.24
Der Übergang vom Massnahmenvollzug in die Freiheit sollte gut organisiert und aufgegleist sein, denn dieser Zeitpunkt ist für die Frage, ob der Täter erneut delinquieren wird oder nicht von entscheidender Bedeutung.25 Das Risiko eines Rückfalls ist in den ersten Monaten nach der Entlassung besonders hoch und nimmt mit dem Lauf der Zeit ab.26
3.2.1 Abgrenzung zur -Bewährungshilfe
Wie bereits aufgezeigt, kann der bedingt Entlassene nach Art. 62 Abs. 3 StGB dazu verpflichtet werden, sich während der Probezeit ambulant behandeln zu lassen, Bewährungshilfe in Anspruch zu nehmen oder von der Vollzugsbehörde erteilte Weisungen umzusetzen (flankierende Massnahmen während der Probezeit nach bedingter Entlassung). Es erscheint angebracht, vorliegend eine Abgrenzung der ambulanten Nachbetreuung zur Bewährungshilfe vorzunehmen. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil nicht die gleichen Behörden und Einrichtungen für die Durchführung der Bewährungshilfe und der ambulanten Nachsorge zuständig sind.
Da die Kantone gemäss Art. 376 Abs. 1 StGB für die Durchführung der Bewährungshilfe verantwortlich sind, kann deren Ausgestaltung und Arbeitsweise kantonal unterschiedlich ausfallen.27 In der Regel wird die Bewährungshilfe von öffentlich-rechtlichen Diensten wahrgenommen, beispielsweise im Kanton Zürich durch den Bewährungsdienst, welcher in das Amt für Justizvollzug eingegliedert ist.28 Die Kantone sind aber frei, auch private Organisationen damit zu beauftragen.29
Die Aufgaben der Bewährungshilfe sind vielfältig. Gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB soll sie die betreuten Personen vor Rückfälligkeit bewahren und im Hinblick darauf deren soziale Integration fördern.30 Die Betroffenen werden im Bereich Arbeit, Budget, Sucht- und Gesundheitsfragen und bei persönlichen und zwischenmenschlichen Schwierigkeiten unterstützt. Eines der angestrebten Ziele ist die deliktsorientierte Aufarbeitung des strafbaren Verhaltens. Die Bewährungshilfe vermittelt bei Bedarf auch psychologische Fachbetreuung und führt alternative Vollzugsformen für straffällige Personen durch, wie zum Beispiel die gemeinnützige Arbeit oder das Electronic Monitoring.31 Zudem kontrolliert die Bewährungshilfe die gemäss Art. 62 Abs. 3 StGB von der Vollzugsbehörde angeordneten Weisungen und auch die Verpflichtungen aus der Anordnung ambulanter Massnahmen im Sinne von Art. 63 ff. StGB (zum Beispiel die Einhaltung von Therapieterminen).32
Für die Durchführung einer ambulanten Nachbetreuung nach erfolgter stationärer Massnahme ist hingegen im besten Fall eine dafür spezialisierte Abteilung (forensisches Ambulatorium) jener Therapieeinrichtung zuständig, in welcher der Täter stationär untergebracht war. Sinnvollerweise wird die Betreuung durch den bereits eingesetzten Therapeuten vorgenommen beziehungsweise weitergeführt. Dies ist für die Stabilisierung früherer Behandlungsbemühungen und für die Resozialisierung wesentlich. Zwischen dem Therapeuten und dem Betroffenen entsteht in der Regel ein Vertrauensverhältnis und deswegen vermag der bisherige Therapeut Entwicklungen beim Betroffenen deutlicher und rascher zu erkennen als Therapeuten, welche noch nicht lange mit dem Betroffenen zusammenarbeiten.33 Die Aufgaben der ambulanten Nachsorge sind jenen der Bewährungshilfe ähnlich. Kernaufgabe ist die Weiterbehandlung der Krankheit des Betroffenen. Gleich wie die Bewährungshilfe will auch die ambulante Nachbetreuung die Fähigkeiten und Ressourcen des Betroffenen fördern und ihn bei der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung begleiten.34
Die Bewährungshilfe und die ambulante Nachbetreuung verfolgen daher de facto die gleichen Ziele, nämlich die Unterstützung der betroffenen Person, sich in die Gesellschaft deliktsfrei zu integrieren.35 Im Bereich der Zielsetzung und der Aufgaben bestehen somit bei der Bewährungshilfe und der ambulanten Nachbetreuung Überschneidungen. Daher ist eine enge Zusammenarbeit der beiden Dienste unerlässlich.36
Bezüglich des Anwendungsbereiches dieser beiden flankierenden Massnahmen können dagegen Unterschiede ausgemacht werden. Die ambulante Nachbetreuung ist auf stationäre Massnahmen beschränkt; sie findet ihren Anwendungsbereich vor allem bei der bedingten Entlassung aus einer stationären Massnahme. Die Bewährungshilfe hingegen ist auch bei der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug sehr relevant (Art. 87 Abs. 2 StGB). In gewissen Fällen reicht wohl die Bewährungshilfe alleine nicht aus und die Stabilisierung des bedingt Entlassenen gelingt mit der ambulanten Nachbetreuung besser. Dies ist namentlich wegen unzureichender Kontrolle durch den Bewährungsdienst aufgrund eines Wohnsitzwechsels des Betroffenen oder Kapazitätsengpässen von Seiten der Bewährungshilfe der Fall.37 Allerdings muss auch darauf hingewiesen werden, dass nicht in allen Kantonen genügend forensische Ambulatorien vorhanden sind.
4. Zwei Beispiele aus der Schweiz
Im Schweizerischen Strafgesetzbuch wird die ambulante Nachbetreuung nur in Art. 62 Abs. 3 StGB, das heisst im Rahmen der bedingten Entlassung aus dem stationären Massnahmenvollzug, erwähnt. Im Allgemeinen wird der ambulanten Nachbetreuung bedauernswerterweise in der Praxis und auch in der Fachliteratur eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.38 Der Ausbau der Ambulatorien wäre aber ein grosser Gewinn und eine Entlastung für den Massnahmenvollzug.39
Im Folgenden werden zum Schluss dieses Beitrags das Ambulatorium der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und die Forensische Ambulanz der universitären psychiatrischen Kliniken in Basel kurz vorgestellt. Diese beiden Angebote nehmen eine Vorbildrolle für die Durchführung der ambulanten Nachbetreuung in der Schweiz ein.40
In der PUK Zürich erfolgt nach einer Behandlung eines psychisch kranken Straftäters im Zentrum für Stationäre Forensische Therapie der Klinik für Forensische Psychiatrie oder einer anderen Massnahmeeinrichtung des Kanton Zürichs in der Regel eine intensive ambulante Nachsorge durch das Zentrum für Ambulante Forensische Therapie. Ziel ist es, den Übergang in die Freiheit möglichst reibungslos zu gestalten, den Behandlungserfolg zu stabilisieren und mögliche Risiken rasch erfassen zu können. So wird einerseits der gesellschaftlichen Sicherheit, aber auch dem Straftäter selbst Genüge getan, indem seine Fähigkeiten und Ressourcen gefördert werden, seine Krankheit behandelt und die soziale und berufliche Wiedereingliederung begleitet wird. Die ambulante Betreuung wird durch ein multidisziplinäres Behandlungsteam durchgeführt, welches sich aus Fachkräften der Berufsgruppen Psychiatrie, Pflege und Soziale Arbeit zusammensetzt.41
In Basel nimmt die Forensische Ambulanz der universitären psychiatrischen Kliniken die ambulante Nachbetreuung vor. Diese Abteilung war eine der ersten solchen Ambulanzen in Europa. Auch sie hat zum Ziel, eine psychische Erkrankung des Straftäters im Anschluss an einen stationären Aufenthalt weiter zu behandeln und den Täter möglichst deliktsfrei in die Freiheit zu begleiten.42
Dadurch, dass im Kanton Zürich und im Kanton Basel-Stadt die Ambulatorien an die psychiatrischen Kliniken angegliedert sind, erfolgt die ambulante Therapie durch die bisherige Einrichtung, womit die Weiterbehandlung durch denselben Therapeuten möglich beziehungsweise gewährleistet ist. Dies ist sinnvoll und für die Bewährung des Straftäters entscheidend.43 Nicht alle Kantone kennen allerdings vergleichbare ambulante Angebote, wie sie in Zürich oder Basel-Stadt vorhanden sind. Der Aufbau von forensischen Ambulanzen, welche eine Nachbetreuung nach einer bedingten Entlassung aus dem stationären Massnahmenvollzug vornehmen könnten, wäre aber lohnenswert.
5. Gesellschaft und Straftäter profitieren
Der Anwendungsbereich der ambulanten Nachsorge ist nicht zu vernachlässigen. Im Jahr 2017 wurden immerhin 208 Personen zu einer stationären Massnahme nach den Art. 59, 60 oder Art. 61 StGB verurteilt, welche in der Regel alle früher oder später mit Vollzugslockerungen wie der Versetzung in ein Arbeits- oder Wohnexternat oder der bedingten Entlassung in Kontakt kommen.44
Sie alle könnten bei einem flächendeckenden Ausbau der forensischen Ambulanzen von diesem Angebot Gebrauch machen und profitieren. Diese Investitionen wären zu begrüssen und würden sich langfristig lohnen. Die Angebote der Kantone Zürich und Basel-Stadt können in diesem Bereich als Pioniertat bezeichnet werden.
Durch die ambulante Nachbetreuung kann der stationäre Massnahmenvollzug entlastet werden und dem dort vorherrschenden Kapazitätsproblem wird Abhilfe verschafft. Zugleich ist es möglich, Kosten einzusparen, da die ambulante Behandlung deutlich günstiger ist als die stationäre. Zudem führt die ambulante Nachbetreuung dazu, dass Straftäter, welche in den Genuss einer solchen Behandlung kommen, bedeutend weniger häufig rückfällig werden. Dies wurde mehrfach von unabhängigen Studien aus verschiedenen Ländern bestätigt. Durch die ambulante Betreuung gelingt sodann die Wiedereingliederung der Straftäter in die Gesellschaft einfacher. Die Durchführung der ambulanten Nachsorge ist daher eine Win-win-Situation. Von ihr profitieren nicht nur die Straftäter selbst, sondern auch die gesamte Gesellschaft und der Staat.
Matthias Butz, Forensisch-psychiatrische Nachsorge in Bayern: Eine Untersuchung zu Deliktrückfällen und Prognosefaktoren bei bedingt Entlassenen Massregelvollzugspatienten (§§ 63, 64 StGB Deutschland), Diss., Regensburg 2016, S. 7 ff.
Butz, a.a.O., S. 21; so auch Marianne Heer, Art. 62 N 19a, in: Marcel Alexander Niggli / Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl., Basel 2013 (fortan: BSK StGB I).
Martin Killias / André Kuhn / Marcelo F. Aebi, Grundriss der Kriminologie. Eine europäische Perspektive, 2. Aufl., Bern 2011, S. 416 N 1109; Butz, a.a.O.,
S. 21.
Butz, a.a.O., S. 119, S. 124.
Karen L. Kesten / Erin Leavitt-Smith / Douglas R. Rau / Deborah Shelton / Wanli Zhang / Jesse Wagner / Robert L. Trestman, «Recidivism Rates Among Mentally Ill Inmates: Impact of the Connecticut Offender Reentry Program», in: Journal of Correctional Health Care, 18 (1) 2012, S. 25.
Nadine A. C.Troquete / Rob H. S. van den Brink et al., «Risk Assessment and Shared Care Planning in Out-Patient Forensic Psychiatry: Cluster Randomised Controlled Trial», in: British Journal of Psychiatry, 202 (5) 2013, S. 365.
Vgl. Arbeitsgruppe aus der Fachgruppe Kapazitätsmonitoring Freiheitsentzug 2016 der KKJPD, Ergänzender Bericht zur Unterbringung, Behandlung und Betreuung psychisch gestörter und kranker Straftäter vom August 2017, S. 7–12.
Heer, BSK StGB I, Art. 59 N 124; Stefan Trechsel / Barbara Pauen Borer, Art. 59 N 15; in: Stefan Trechsel / Mark Pieth (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/ St. Gallen 2018 (fortan: StGB PK).
Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), Gesamtbericht über die schweizweite Überprüfung des stationären therapeutischen Massnahmenvollzugs (Art. 59 StGB) 2013–2016 vom 18.5.2017, S. 26 Ziff. 70 (fortan: Gesamtbericht NKVF).
Aimée H. Zermatten / Thomas Freytag, «Bedingte Entlassung: einheitliche und restriktive Praxis», in: Prison-info 1/2018, S. 32.
Butz, a.a.O., S. 19 f.
Butz, a.a.O., S. 20 f.
Vgl. BGE 139 I 180, E. 1.6.
Butz, a.a.O., S. 22.
Daniel Jositsch / Gian Ege / Christian Schwarzenegger, Strafrecht II – Strafen und Massnahmen, 9. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2018, S. 205.
Heer, BSK StGB I, Art. 56 N 4.
Gesamtbericht NKVF, S. 38 Ziff. 104.
Merkblatt zu den Vollzugsöffnungen im Straf- und Massnahmenvollzug der KKJPD vom 29.3.2012
www.cldjp.ch/wp-content/uploads/2016/07/merkblatt-kkjpd-vollzugs öffnungen-120329.pdf, S. 2 (fortan: Merkblatt Vollzugsöffnungen).
Jonas Weber / Jann Schaub et al., Anordnung und Vollzug stationärer therapeutischer Massnahmen gemäss Art. 59 StGB mit Fokus auf geschlossene Strafanstalten bzw. geschlossene Massnahmeneinrichtungen. Studie z.H. der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter, Bern 2015, S.48.
Merkblatt Vollzugsöffnungen, S. 2.
Brägger, BSK StGB I, Art. 77a N 1c.
Brägger, BSK StGB I, Art. 77a N 11 f.
Trechsel / Pauen Borer, StGB PK, Art. 62 N 1 f.
Vgl. Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 12 und 41.
Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 19a.
Kilias / Kuhn / Aebi, a.a.O., S. 416 N 1109.
Jositsch / Ege / Schwarzenegger, a.a.O., S. 340.
www.justizvollzug.zh.ch/internet/justiz_inneres/juv/de/ueber_uns/organisation/bvd.html.
Trechsel / Aebersold, StGB PK, Art. 93 N 6.
Imperatori, BSK StGB I, Art. 93 N 4.
Jositsch / Ege / Schwarzenegger, a.a.O., S. 340.
Imperatori, BSK StGB I, Art. 93 N 21.
Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 43.
Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 19b.
www.justizvollzug.zh.ch/internet/justiz_inneres/juv/de/bewaehrungshilfe.html und
www.pukzh.ch/unsere-angebote/forensische-psychiatrie.
Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 19b.
Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 43.
Vgl. Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 19b und 43.
So auch Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 19a.
Heer, BSK StGB I, Art. 62 N 19b.
www.pukzh.ch/unsere-angebote/forensische-psychiatrie/angebote-fuer-erwachsene/ambulante-angebote.
www.upk.ch/ueber-uns/kliniken-zentren-und-abteilungen/klinik-fuer-forensik/erwachsenenforensik/forensische-ambulanz.html.
Weber / Schaub / Bumann / Sacher, a.a.O., S. 48.
www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kriminalitaet-strafrecht/strafjustiz/sanktionen-untersuchungshaft.assetdetail.8946575.html.