Anwälte helfen Verbrechensopfern, Schmerzensgeld zu bekommen. Sie verschaffen Unfallopfern Schadenersatz. Und sie sorgen dafür, dass Unschuldige nicht für Jahre ins Gefängnis wandern.
Trotzdem ist für Michael Hüppi, Sprecher des Schweizerischen Anwaltsverbandes, klar: Anwälte haben in der Schweiz nicht den besten Ruf. «Wir wollen das Bild korrigieren, dass Anwälte teuer sind. Denn oft haben die Leute das Gefühl, ein Anwalt müsse erst beigezogen werden, wenn ein Streit eskaliert. Würde man jedoch einen Anwalt rechtzeitig beiziehen, wäre es günstiger», sagt er. Zahlen über die Zufriedenheit der Klienten mit ihren Anwälten gibt es nicht. Auch fehlt ein nationales Ranking für akademische Berufe.
Image in Deutschland hat sich verschlechtert
Anders in Deutschland: Hier gibt es zwei Erhebungen, bei denen ein repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt befragt wurde. Also auch viele Leute, die nie persönliche Erfahrungen mit Anwälten gemacht haben und das Berufsbild bloss aus den Medien kennen. Die Resultate: Bei der «Bürgerbefragung öffentlicher Dienst» der Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistischer Analysen liegen die Anwälte knapp im oberen Mittelfeld der Berufe, nämlich auf Platz 12 von 29. Anwälte erreichten auf der Angesehenheitsskala einen Wert von 58 Prozent. Zum Vergleich: Feuerwehrmänner, Krankenpfleger, Piloten und Ärzte erreichen regelmässig Quoten von über 80 Prozent. In dieser Umfrage wurden 3004 Erwachsene mit computergestützten Telefoninterviews befragt. 1001 von ihnen waren Angehörige des öffentlichen Dienstes.
In der Allensbacher Berufsprestige-Skala 2011 rangieren die Anwälte auf Platz 7 von 18. Bei der Befragung mussten aus einer Liste von vorgegebenen Berufen die fünf am meisten geschätzten Tätigkeiten gewählt werden. Ärzte und Krankenschwestern sowie Lehrer führen die Rangliste an. Immerhin noch 29 Prozent der 1803 befragten über 16-jährigen Deutschen wählten auch den Rechtsanwalt in die Top Five. Der Berufsstand ist in den letzten Jahren aber auf der Beliebtheitsskala deutlich nach unten gerutscht. So lag das Ansehen der Anwälte in der Allensbacher Berufsprestige-Skala vor zehn Jahren noch bei 37 Prozent.
Britische Anwälte als «ultimative Parasiten»
Immerhin sind die Parteivertreter in Kontinentaleuropa im Ansehen noch nicht so weit gesunken wie im angelsächsischen Raum. Dort rangieren Anwälte unter den Berufen mit dem geringsten Ansehen. Im Ranking 2011 des Onlinedienstes AOL der zehn meistgehassten Berufe in Grossbritannien etwa werden Anwälte beschrieben als «Parasiten, die den Kunden sogar das Gähnen berechnen».
Auch in andern Publikationen schneiden Anwälte schlecht ab. Etwa in der jährlich durchgeführten Umfrage der Marktforschung Gallup «Honesty - Ethics in Professions». 2010 rangierten die Anwälte auf Platz 16 von 22. Die Telefonumfrage richtet sich jeweils an rund 1000 über 18-Jährige US-Amerikaner mit oder ohne persönliche Erfahrung mit Anwälten. Gefragt wird danach, wie die Redlichkeits- und Ethikstandards der einzelnen Berufe beurteilt werden. Die Befragten können zwischen hoch/sehr hoch, durchschnittlich, tief/sehr tief und keine Meinung wählen. Der Anteil der «hoch/sehr hoch»-Beurteilungen entscheidet über die Platzierung im Ranking. Bei den Anwälten sind bloss 17 Prozent der Umfrageantworten in diesem Bereich. Zum Vergleich: Die Krankenschwestern erhielten 81 Prozent der Stimmen im Bereich «hoch/sehr hoch».
Die Positionierung im Gallup-Ranking deckt sich mit jener in der ebenfalls jährlich durchgeführten Umfrage der britischen Marktforschung Ipsos Mori. Hier werden rund 2000 über 15-jährige Briten in einem persönlichen Gespräch befragt. Auch sie repräsentieren den Bevölkerungsdurchschnitt und haben meist nie selbst Anwaltsdienste in Anspruch genommen. In diesem Ranking finden jeweils nur gut 10 Prozent der Befragten, Anwälte würden ihren Job sehr zufriedenstellend erledigen. 13 Prozent haben einen grossen Respekt vor Anwälten - hingegen 58 Prozent gegenüber Ärzten und 38 Prozent gegenüber Schulleitern.
Im englischsprachigen Raum ist die Abneigung gegen den Juristenstand schon lange vorhanden. Eine Umfrage des «National Law Journal» zeigte bereits in den Neunzigerjahren, dass 73 Prozent der US-Amerikaner Anwälte als weniger ehrlich als die meisten Menschen einschätzen. Und 43 Prozent fanden, Anwälte verlangten zu viel Geld, obwohl die meisten gar nie selbst mit dem Berufsstand zu tun hatten.
Image der US-Anwälte wegen Medien schlecht
Was hat dem Ruf der Anwälte geschadet? Sind es Filme wie «The Firm», die Anwälte als korrupte Handlanger der Unterwelt darstellen? Oder sind andere Medien schuld, etwa wenn sie Freisprüche kritisieren, hinter denen angeblich gewiefte Paragrafenreiter als Verteidiger stehen?
In den USA begann der Niedergang des guten Rufes Ende der Siebzigerjahre. 1977 erlaubte der oberste Gerichtshof der USA den Anwälten, für ihre Dienste zu werben. Seither hat der Berufsstand selbst mit einer Flut von Annoncen, Fernsehspots und Werbeartikeln dafür gesorgt, als geldgieriges Pack wahrgenommen zu werden. Ein Beispiel: Ein Anwalt installierte eine gebührenpflichtige Nummer, die man anwählen konnte, um einen Fluch auf seinen Rechtsvertreter loszuwerden. Er gab sich jedoch nicht selbst als Anwalt zu erkennen. Oder ein kalifornischer Anwalt vertrieb Bonbons in Form von Haifischen, nannte sie «Gummy Lawyers» und pries sie an mit dem Spruch: «Wie ein richtiger Rechtsanwalt. Auch sie hinterlassen einen schlechten Geschmack im Mund.»
Kommt noch das Rechtsverständnis der USA hinzu: «Das Image der Anwälte in den USA ist auch deshalb viel schlechter als in der Schweiz, weil dort die Prozesse viel stärker medial ausgeschlachtet werden», beobachtet Daniel Heller, Partner des PR-Unternehmens Farner Consulting.
Nutzen von Polizei und Feuerwehr offenkundiger
Für Tobias Heilmann, Wirtschaftspsychologe an Universität und ETH Zürich sowie Geschäftsführer der Beratungsfirma Campaignfit, spielt diesseits wie jenseits des Atlantiks aber noch ein anderer Faktor mit. «Die Bevölkerung kann häufig nicht nachvollziehen, was von Anwälten geleistet wird, wie hoch die Aufwände sind und vor allem, ob die Rechnungen gerechtfertigt sind.» Feuerwehr und Polizei würden sich um die Sicherheit der Menschen kümmern, Ärzte um das Wohl ihrer Patienten, Lehrer um die Bildung der Kinder. Der Nutzen scheine offenkundig. «Das sind dann auch die Berufe mit Top-Image», erklärt er. Bei den Anwälten sieht das anders aus: Ein Grossteil der Befragten kennt den Anwaltsberuf nur vom Hörensagen und aus den Medien.