Das neue Zürcher Polizei- und Justizzentrum (PJZ) ist in jeder Hinsicht ein Koloss: rund 280 Meter lang, 130 Meter breit, 35 Meter hoch, mit einem Gebäudevolumen von 522 830 Kubikmetern. Das neue Strafverfolgungszentrum kostet die Steuerzahler 760 Millionen Franken. Gemäss der Website des Kantons bietet der Bau 2030 Arbeitsplätze. Zwei Drittel davon entfallen auf Angestellte der Kantonspolizei Zürich, ein Drittel auf Staatsanwaltschaft, Forensisches Institut, Justiz und Wiedereingliederung. Das vom verstorbenen Zürcher Architekten Theo Hotz entworfene Gebäude dominiert die Kulisse des Stadtteils Aussersihl. Ein Redaktor der Architekturzeitschrift «Hochparterre» bezeichnete das PJZ in diesem Frühjahr in einem Beitrag als «halben Stadtteil». Sein Kollege sah im Gebäude ein «nicht enden wollendes Monument der Bürokratie. Einen Gitterstall für die Staatsgewalt.» Der Bau sei ein «weltmännisch geschniegelter Klotz aus Beton und Glas», er könnte «auch eine Bank sein».
Kritisch wird der Bau nicht nur von Architekten, sondern auch von Teilen der Anwaltschaft wahrgenommen. Im März konnten die Mitglieder der Fachgruppe Strafverteidigung des Zürcher Anwaltsverbands den Bau besichtigen.
Entwürdigende Eingangskontrolle
Den ersten Schock erlebten die Teilnehmer der Führungen am Eingang: Alle externen Besucher des PJZ müssen sich einer Kontrolle unterziehen. «Es ist wie am Flughafen, nur dass die Schleuse fast noch einschüchternder ist», sagt der Zürcher Rechtsanwalt Thomas Heeb. «Man muss die Schuhe ausziehen, bei einigen Anwältinnen schlug der Bügel im BH an. Das hatte etwas Entwürdigendes», schildert Strafverteidigern Tanja Knodel das Erlebnis. Was sie im Zusammenhang mit dem Eintrittsprozedere ebenfalls stört: Anwälte würden kontrolliert, nicht aber jene Staatsanwälte, die nicht im Gebäude arbeiten und ebenfalls von extern kämen. Diese Ungleichbehandlung sei nicht nachvollziehbar und zeuge letztlich von einem problematischen Strafverteidiger-Bild.
“Klaustrophobische Verhältnisse”
Ihr Kollege Heeb warf anlässlich der Führung die Frage auf, ob es denn in der Vergangenheit im Umgang mit Strafverteidigern irgendwann einmal zu Vorfällen kam, die eine solche Eingangskontrolle rechtfertigten. «Man konnte sie mir nicht beantworten», sagt er. Patrick Céréda, Medienchef der Kantonspolizei Zürich, meint dazu nur: «Täglich wird eine dreistellige Anzahl Besucher das Gebäude frequentieren, die unabhängig von ihrem Beruf einer Kontrolle unterzogen werden.» Laut Erich Wenzinger von der Medienstelle der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft gelten hingegen Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, die ihren Hauptsitz nicht im PJZ haben, aber dort etwa an Sitzungen teilnehmen, nicht als externe Besucher.
Anwalt Heeb beschreibt die «kahlen und teilweise fensterlosen» Einvernahmezimmer gerade für Beschuldigte als «einschüchternd». Die Räume würden fast schon «klaustrophobisch» wirken. Auch seine Kollegin Ingrid Indermaur bezeichnet den Unterschied zu den bisherigen Einvernahmezimmern der Staatsanwaltschaft als «frappant». Laut Heeb unterstreiche die kühle Atmosphäre «das Machtgefälle zwischen Strafverfolgungsbehörden und Beschuldigten». Sein Fazit: «Dieses Gebäude wirkt nicht nur von aussen mächtig und abweisend. Es vermittelt auch drinnen vor allem das Gefühl: Der Staatsapparat ist gross, unsichtbar und allwissend, und du bist klein, unbedeutend und durchschaut. George Orwell lässt grüssen.»
Nur handverlesene Medien zugelassen
Nicht zu Gesicht bekamen die Strafverteidiger anlässlich der Führungen die Zellen des Gefängnisses. Der Bau verfügt zurzeit über 124 Plätze für Festgenommene. Im Herbst sollen weitere 117 Plätze für Beschuldigte in Untersuchungshaft hinzukommen.
Anders als die Anwälte der Fachgruppe Strafrecht konnte sich ein handverlesenes Publikum Ende März ein Bild des Gefängnistraktes machen. Rund 190 Freiwillige nahmen an einem «Testlauf» teil, darunter zahlreiche Journalisten. Die meisten berichteten kritiklos über die Bedingungen im neuen Gefängnis. Das Branchenportal Medienwoche sprach von einem «PR-Coup der Zürcher Justizdirektion» und ging mit den Medienleuten hart ins Gericht: «Es ist beschämend, wie viele Journalisten antraben, wenn die Justizdirektion des Kantons Zürich mit einer vermeintlich originellen Story lockt.» plädoyer hatte verschiedentlich um eine Besichtigungsmöglichkeit des neuen Justizpalasts ausserhalb der wenigen, orchestrierten Medientermine gebeten. Die Anfrage wurde von den zuständigen Stellen stets abschlägig beantwortet.
Auf seiner Website führt der Kanton die Werte auf, die für die Tätigkeit von Polizei und Justiz wie auch für das PJZ von «entscheidender Bedeutung» seien. Als Erstes genannt wird das Kriterium der Transparenz.
Haftschock: Verhaftete müssen Kleider abgeben
Festgenommene und Untersuchungshäftlinge müssen keine Anstaltskleidung tragen. Denn sie gelten rechtlich als unschuldig und sind auch so zu behandeln. Wer verhaftet wird und ins neue Gefängnis Zürich West im PJZ gebracht wird, muss aber neu seine Kleider ausziehen und sie gegen eine Jogginghose, ein Unterhemd und einen Pullover tauschen. Bei Untersuchungshäftlingen wurde dies im Kanton Zürich bereits in den vergangenen Jahren teilweise praktiziert. Im Gefängnis Zürich West müssen neu auch Personen in Polizeihaft diese Prozedur durchlaufen. Die Zwangswegnahme der persönlichen Kleidung erhöht den Haftschock. Die Medienstelle des Zürcher Amts für Justiz sagt dazu: «Es gibt keine Anstaltskleidung». Um die persönliche Kleidung kontrollieren zu können, würden die Verhafteten einen Trainer als Ersatz erhalten. Sobald die Privatkleidung kontrolliert und «in einem hygienisch annehmbaren Zustand» sei, werde sie den Festgenommenen wieder ausgehändigt.