Philippe Müller, 61, Berner FPD-Regierungsrat und Vor­steher der ­Sicherheitsdirektion, ­offenbarte in einem Interview mit dem «Tages-­Anzeiger» ein bemerkenswertes Verständnis von Datenschutz: Zur Kritik an  der auto­matisierten Fahrzeugfahndung und Verkehrs­über­wachung hielt er fest: «Daten­schutz ist ­Täterschutz.»

Die St. Galler Strafrechtsprofessorin Monika Simmler findet die Aussage besorgniserregend. Der Ein­griff in die Freiheitsrechte sei schwerwiegend, da die Bewegungsdaten eines Grossteils der Bevölkerung betroffen seien. Ueli Buri, Datenschutzbeauftragter des Kantons Bern, liest aus Müllers Aussage eine typische rechtsbürgerliche Logik: «Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten.»

Aber Buri will nicht, dass der Staat «laufend überprüft, ob ich ein guter ­Bürger bin, denn damit tritt er rechtsstaatliche Prinzipien mit Füssen». Der Basler Datenschutzbeauftragte Beat Rudin findet, konsequenterweise müsste Müller auch sagen, «weg mit der Strafprozessordnung, den Grundrechten sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention, denn auch diese setzen der Strafverfolgung Schranken».

Müller sagt dazu, beim Datenschutz würden unterschied­liche Massstäbe angewendet: Bei der Verbrechensbekämpfung sei man viel strenger als etwa im privaten Bereich.

Andreas Noll, 50, ­Anwalt in Basel, scheut vor Strafanzeigen auch gegen ranghohe Persön­lichkeiten der Schweizer Exekutive nicht zurück. Er beschuldigte unter anderen Ex-Bundesrat Ueli Maurer (SVP) und den amtierenden Bundesrat Guy Parmelin (SVP) der ungetreuen Amtsführung. Anlass dazu gab ein Fall, bei welchem Noll einen Kleinunternehmer vertrat, der während der Pandemie einen Corona-Kredit erhalten und nicht zurückbezahlt hatte und dem später ein Betrug vorgeworfen wurde. Nolls Argumentation: Eingetrieben würden ausstehende Corona-Kredite von der Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard. Diese habe vom  Bund einen «Auftrag in Millionenhöhe» erhalten.

Gemäss dem alten Bundes­gesetz über das öffent­liche ­Beschaffungswesen, das zur Zeit der Bevollmächtigung der Wirtschaftskanzlei im Mai 2020 in Kraft war, hätte für den Inkasso­auftrag ab einer Schwelle von 230'000 Franken ein Submissionsverfahren durch­geführt werden müssen, so Noll. Das sei nicht geschehen. Rechtlich verantwortlich dafür seien Maurer und Par­melin.­ Noll sagt, ein ­Baselbieter Staatsanwalt habe ihm zur ­Anzeige geraten.

Maurus Eckert, 54, Leitender Staatsanwalt im Kanton Graubünden, erhielt vom Kantons­gericht eine Abfuhr. Sein Amt führt die Strafunter­suchung ­gegen einen ehemaligen Bündner Verwaltungsrichter. Dieser wird beschuldigt, in seinem Büro in Chur eine Praktikantin ­ver­gewaltigt zu haben.

Vor der Anklageerhebung ­ersuchte Eckert das Kantonsgericht, ein unabhängiges Gericht einzusetzen. Denn zwischen dem Beschuldigten und den Mitgliedern des ­zuständigen ­Regionalgerichts Plessur bestehe eine gewisse Nähe, die den ­«Anschein der Befangenheit ­begründen ­würde». Der jetzige Gerichtspräsident habe häufig mit dem Beschuldigten Kontakt gehabt. Der ­Vizepräsident sei befangen, weil die Schwester des Beschuldigten während 13 Jahren in dessen Anwaltsbüro gearbeitet habe. Und einer der Richter und ein Ehemann einer Richterin seien früher als Substitut respektive Richter am Verwaltungs­gericht tätig ­gewesen – zur ­gleichen Zeit wie der Beschuldigte.

Das Kantonsgericht lehnte den Antrag auf ein unabhängiges Gericht Anfang Februar ab. Alle diese Kontakte seien «sozial üblich», und die beruflichen und kollegialen Kontakte hätten «keine freundschaftlichen oder feindschaftlichen Züge angenommen», welche die Befangenheit begründen würden.