Erasmus heisst das Förderprogramm der EU, das den Studentenaustausch zwischen Europas Hochschulen regelt. Beteiligt sind alle EU-Mitgliedstaaten – dazu Norwegen, Island, Liechtenstein und die Türkei. Erasmus ermöglicht Studenten, zwischen drei und zwölf Monate an einer Uni oder Hochschule im europäischen Ausland zu studieren.
Die Schweiz war bis ins Jahr 2014 Mitglied dieses europäischen Bildungsprogramms. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 sistierte die Europäische Kommission die Verhandlungen zur Assoziierung an Erasmus. Die Schweiz führte daraufhin das Swiss-European Mobility Programme (Semp) als Übergangslösung ein, um den Studenten weiterhin einen Studienaufenthalt im Ausland zu ermöglichen. Ziel: Bei der nächsten Gelegenheit sollte die Schweiz am EU-Bildungsprogramm wieder andocken. Im April vertagte der Bundesrat jedoch den Anschluss an Erasmus bis 2021. Er plant nun, einen Gesamtkredit von 114 Millionen Franken für Semp bereitzustellen.
In dieser Übergangslösung ist festgehalten, dass Hochschulen selbst Mobilitätspartnerschaften mit ausländischen Unis abschliessen können. Yves Flückiger, Rektor der Uni Genf, findet das keine gute Lösung. «Die bilateralen Verhandlungen könnten unsere europäischen Kollegen langfristig ermüden.» Flückiger nennt als Beispiel die Eliteuniversität Cambridge, mit der Genf keine Lösung mehr finden konnte. Die Briten sistierten die Zusammenarbeit.
Genf befürchtet Probleme, Zürich baut Netzwerk aus
Laut dem Genfer Rektor bieten auch andere Unis entweder keine Austauschplätze oder weniger als früher an. Flückiger: «Schweizer, die ein Auslandsemester absolvieren wollen, müssen mit weniger renommierten oder attraktiven Hochschulen vorliebnehmen.»
Trifft das gesamtschweizerisch zu? Eine Umfrage von plädoyer an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Basel, Bern, Freiburg, Luzern, St. Gallen und Zürich zeigt: Nicht alle Fakultäten bewerten die aktuelle Lage als dramatisch. Die Zahlen der im Ausland Studierenden sind nicht eingebrochen. Im Gegenteil: Die Uni Zürich konnte laut Caroline Gartmann ihr Kooperationsnetzwerk in Europa mit Semp sogar ausbauen und neue Partnerinstitutionen wie das Trinity College Dublin, die University of Amsterdam oder die University of Copenhagen gewinnen: «Lediglich die Kooperation mit der Università degli Studi di Siena konnte aufgrund der Einführung der Übergangslösung nicht weitergeführt werden.» Sie sei von den Studenten aber auch nicht genutzt worden.
Der gleiche Grund führte in Basel dazu, dass eine ausländische Partneruni das Austauschübereinkommen beendete. Trotzdem kritisiert Patrick Ebnöther: «Die Übergangslösung ist suboptimal. Der aktuelle Zustand bedeutet für alle Schweizer Institutionen eine grosse Rechtsunsicherheit.» Auch Gartmann findet, dass langfristig eine Erasmus-Vollmitgliedschaft angestrebt werden sollte.
St. Gallen: Plätze mittelfristig gesichert
In Luzern stellt laut Madeleine Stämpfli die Erasmus-Übergangslösung bislang kein Problem dar. Luzern habe sogar seit 2014 neue Austauschabkommen mit namhaften europäischen Universitäten abschliessen können – beispielsweise mit der University of Edinburgh.
Die Universität Freiburg ist von der Übergangslösung etwas stärker betroffen. Von fast 120 Partneruniversitäten haben neun aus Spanien, Frankreich, Italien und der Türkei die Verträge nicht verlängert. Alexandra Lovey: «Die Mobilitätsangebote konnten noch erweitert werden.» Allgemein würden die Partneruniversitäten sehr solidarisch agieren.
In St. Gallen heisst es, dass sämtliche europäischen Partneruniversitäten dem weiteren Studienaustausch bisher zugestimmt haben. «Damit sind die Studentenplätze im Ausland mittelfristig gesichert», sagt Jürg Roggenbauch von der HSG. Die rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Bern konnte zwar 2014 «mit einigen wenigen Partneruniversitäten den Vertrag temporär nicht verlängern», jedoch bestehe laut Timm Eugster heute wieder mit allen 38 ausländischen Partneruniversitäten ein Vertrag.