Die Rechtsanwältin Sapiyat Magomedova aus ­Dagestan ist seit mehreren Jahren immer wieder mit dem Tod bedroht und Opfer ­physischer Gewalt geworden: So wurde sie im Juni 2010 von Polizeibeamten ­geschlagen und ­gewaltsam gezwungen, eine Polizeiwache zu ­ver­lassen, in der sie einen inhaftierten ­Mandanten ­besuchen wollte. Amnesty International liegen die ­medizinischen Akten vor, aus denen hervorgeht, dass sie dabei Kopfverletzungen und Prellungen an der Brust erlitt. Besonders massive Drohungen erhielt sie im Jahr 2012, nachdem sie einen aufsehenerregenden Fall von fünf von Polizisten getöteten Männern übernommen hatte. Sie wurde unter ­anderem per SMS und in den sozialen Medien mit tät­lichen Angriffen bedroht.

Im vergangenen November wurde sie erneut bedroht. Der jüngste Vorfall scheint in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Foltervorwürfen zu stehen: Am 22. Oktober 2014 erstattete das Innenministerium von Dagestan Anzeige gegen Sapiyat Magomedova wegen eines Artikels im unabhängigen Internet-Nachrichtendienst «Kavkazskiy Uzel». Darin berichtete Magomedova, wie einer ihrer Mandanten in Polizeihaft gefoltert wurde. In seiner Anzeige fordert das Innenministerium ultimativ, dass ­Magomedova die Vorwürfe öffentlich zurücknehmen soll, um die «Ehre», «Würde» und das «berufliche Ansehen» der Polizeibeamten zu schützen. Das Ministerium beruft sich dabei auf den Paragrafen 151 «Ausgleich für immaterielle Schäden» und auf den Paragrafen 152 «Schutz der Ehre, der Würde und des beruflichen Ansehens» des russischen ­Zivilgesetzbuchs.

Unter dem Vorwand der «Terrorbekämpfung» sind Verschwindenlassen, Tötungen, Folter und ­Misshandlungen in Dagestan an der Tagesordnung. Die russischen Behörden weigern sich, solche ­Verstösse wirksam zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dem­gegenüber werden Anwälte, die Opfer solcher ­Menschenrechtsverletzungen vertreten, oft zur Zielscheibe von Einschüchterungen, Schikanen und Todesdrohungen.
Reto Rufer, Amnesty International