Der Ansturm aufs Jus-Studium legt sich
Die Zahl der Studenten an den Schweizer Hochschulen wird bis mindestens im Jahr 2014 ansteigen. Dies gilt allerdings nicht für die Rechtswissenschaften: Wie kürzlich veröffentlichte Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen, hat sich der Ansturm bereits im Herbst 2011 gelegt. An den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Schweizer Universitäten waren damals nur 95 Studenten mehr als im Vorjahr immatrikuliert - eine Zunahme im Promillebereich.
Im Vergleich dazu hatten sich für das Studienjahr 2003/2004 rund 800 Studenten mehr als im Jahr zuvor eingeschrieben. Jacques Babel, Projektleiter «Bildungsperspektiven» beim BFS hat eine Erklärung für die Trendwende: «Jetzt machen sich bereits die geburtenschwachen Jahrgänge bemerkbar.» In manchen Studienrichtungen führe die Umsetzung der Bologna-Reform zurzeit noch zur Erhöhung der Studentenzahlen. Im Fachbereich Recht sei dieser Effekt aber kleiner, weil der Wechsel zum Bolognasystem schon früher stattfand. Ab etwa 2015 wird sich der Bevölkerungsrückgang laut Babel über alle Studienrichtungen hinweg auswirken - und bis etwa ins Jahr 2023 dauern.
Trotz Stagnation der Zahl der Neueinsteiger ist der Frauenanteil an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Schweiz laufend weiter angestiegen (siehe Grafik). Er betrug 2010/2011 noch 55,9 Prozent, im laufenden Studienjahr liegt er nun bei 56,6 Prozent. rmb
Unis wollen mehr Habilitierende
Nur gerade sechs Habilitationen sind 2011 an allen juristischen Fakultäten der Schweiz abgenommen worden. Seit bald zehn Jahren schliesst jährlich maximal ein Dutzend Juristen die höchste akademische Prüfung ab, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Die Schweizer Universitäten ergreifen deshalb Fördermassnahmen.
Basel, St. Gallen, Luzern und Zürich setzen auf mehr Stellen für Assistenzprofessoren. Zum Teil werden diese von der Unterrichtsverpflichtung entlastet, in Luzern um bis zu fünfzig Prozent. Oder es sind Stellen ohne Garantie auf eine anschliessende Professorenstelle.
Die Universität St. Gallen fördert das Habilitieren auch «durch Sammelhabilitationen», so Dekan Lukas Gschwend. Sie umfassen verschiedene wissenschaftliche Aufsätze zum selben Thema. Zudem rekrutiert die Uni St. Gallen Nachwuchs auch mal aus Deutschland. Gschwend: «Wissenschaftlich tätige Juristen widmen sich dort oft ganz dem Publizieren und bringen attraktive internationale Kontakte mit.»
Auch in Basel bewerben sich Deutsche auf freie Stellen, «oft mehr als Schweizer», sagt Forschungsdekanin Anne Peters. Wegen den Besonderheiten des Schweizer Rechts sollten Schweizer Unis ihren Nachwuchs aber aus den eigenen Reihen generieren.
Die Gründe für die geringe Habilitationszahl sieht Peters darin, «dass mit der Juristerei andernorts weit mehr Geld verdient werden kann und das Sozialprestige von Professoren nicht mehr so hoch ist wie früher».
Die Universität Bern setzt laut der Dekanatsvorsteherin Sabine Senn-Müller auf individuelle Förderung. Im Klartext: Geeignete Anwärter werden gezielt angesprochen. rmb
Flaue Nachfrage nach Lehrgang «Prozessführung»
Während fünfzehn Tagen, verteilt über neun Monate, können Rechtsanwälte aus der Advokatur oder Verwaltung, Richter und Gerichtsschreiber «ihre Fertigkeiten in der Prozessführung perfektionieren». Den Lehrgang mit Fokus auf die neue Zivilprozessordnung bieten die Universitäten St. Gallen und Luzern gemeinsam an. Doch das Interesse am Lehrgang für 13 200 Franken ist dieses Jahr so mager, dass eine Verschiebung auf 2013 nötig wurde. Ein zweijähriger Turnus sei von Beginn an angedacht gewesen, sagt Studienleiter Andreas Galli. tom