Die türkische Metropole am Bosporus ist ein Ort des Zusammenlebens verschiedener Kulturen auf zwei Kontinenten. Diese multikulturelle Atmosphäre und die vielseitigen historischen Einflüsse verleihen Istanbul einen einzigartigen Charakter, der mich fasziniert und für die Wahl meiner Erasmus­destination ausschlaggebend war. 

An der Galatasaray-Universität wird ein breites Vorlesungsprogramm auf Französisch angeboten. Deshalb ist mein Türkisch-Sprachniveau – das trotz regelmässigen Unterrichts für Vorlesungen nicht ausreicht – kein Problem. Ich besuche den Kurs Rechtsvergleich im Privatrecht. Dies mit dem Ziel, die heutigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten des türkischen und schweizerischen Zivilrechts kennenzulernen. 

Noch heute, neunzig Jahre nach der Übernahme des schweizerischen Zivilrechts in die türkische Rechts­ordnung, sind die beiden Zivilrechtsordnungen weitgehend deckungsgleich. 

Die ähnliche Entwicklung der ­beiden Zivilrechtsordnungen erstaunt und fasziniert mich. Denn im ­Alltag erlebe ich eine Gesellschaft mit anderen Moralvorstellungen und ­Gewohnheiten, als ich es aus der Schweiz kenne. Besonders bereichernd in ­persönlicher wie auch in juristischer Hinsicht gestaltet sich der Kurs über das aktuelle Thema Flüchtlingsrecht. Durch die interaktiven ­Lektionen mit Studenten aus vier ­verschiedenen Kontinenten entstehen vielseitige ­Diskussionen, die zu neuen Denkansätzen und Betrachtungs­weisen führen. 

Bemerkenswert finde ich die ­Dis­ziplin und den Fleiss der türkischen Studenten. Dies besonders in Anbetracht des chaotischen admini­strativen Rahmens an der Uni und der Tatsache, dass in der ­Bibliothek das Lernklima regelmässig durch ­miauende Katzen und ­gackernde Hühner aufgelockert wird.

Die jüngsten Unruhen und ­Attentate in Istanbul zeigen ihre Wirkung auch im Alltag an der permanent bewachten Universität. Sobald eine offizielle Warnung ausgesprochen wird, bleiben viele türkische Studenten zu Hause, Vorlesungen werden abgesagt und der Campus bleibt leer. 

Sonst ist Istanbul eine sehr belebte Stadt. Die Offenheit und die ­bedingungslose Hilfsbereitschaft der Türken ermöglichen eine schnelle ­Integration und bereichern meinen Aufenthalt täglich aufs Neue. 

Franziska Felber, 23, absolviert ihr zweites Mastersemester als Erasmusstudentin von Februar bis Juni 2016 an der Galatasaray-Universität in Istanbul.