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Plädoyer 6/11
03.12.2011
Letzte Aktualisierung:
30.10.2013
Jonas Racine
Eigentlich hatte ich nach dem Gymi gedacht, die Zeit mit den Hausaufgaben sei vorbei. Doch mein Erasmus-Semester in Leiden (Niederlande) sollte mich schnell eines Besseren belehren. Bereits vor der ersten Vorlesung in EU-Law mussten 25 knifflige Fragen zur Organisation der EU gelöst werden. Die «Ufzgi» heissen hier zwar Assignments, doch ist es dasselbe. Der auferlegte Lesestoff muss verarbeitet werden und wird danach vom Dozenten korrigiert und bewertet. Wer fleissig is...
Eigentlich hatte ich nach dem Gymi gedacht, die Zeit mit den Hausaufgaben sei vorbei. Doch mein Erasmus-Semester in Leiden (Niederlande) sollte mich schnell eines Besseren belehren. Bereits vor der ersten Vorlesung in EU-Law mussten 25 knifflige Fragen zur Organisation der EU gelöst werden. Die «Ufzgi» heissen hier zwar Assignments, doch ist es dasselbe. Der auferlegte Lesestoff muss verarbeitet werden und wird danach vom Dozenten korrigiert und bewertet. Wer fleissig ist und stets die Punkte für die Assignments einsammelt, sichert sich so Punkte für die schriftliche Prüfung.
Zwar ist nicht jeder Kurs so aufgebaut, doch die Lehre scheint einer anderen Philosophie als in Zürich zu folgen. Die Vorlesungen finden in Klassen statt, die 25 bis 60 Studenten zählen. Dass dabei zu Beginn eine ordentliche – alle Studenten umfassende – Vorstellungsrunde erfolgt, ist eine Selbstverständlichkeit. Ebenso, dass die Dozenten, die oft ziemlich «casual» daherkommen und mit einer Tasse Kaffee vor der Klasse stehen, mit Vornamen angesprochen werden. Diese fast schon familiäre Atmosphäre steigert nicht nur meine eigene Mitwirkung an den Diskussionen, sie wirkt sich generell positiv auf die Qualität der Vorlesungen aus.
Viel Wert wird auf die praktische Anwendung gelegt. Kaum eine Vorlesung, in der nicht mindestens ein Fall ausführlich präsentiert, gelöst oder sonstwie bearbeitet wird. Beliebt sind Moot Courts. Ob kleinere, informelle während einer Vorlesung oder ganze Module – das Präsentieren und Einnehmen von Positionen wird grossgeschrieben. So habe ich neben Einblicken in verschiedene europäische und internationale Rechtsgebiete nicht nur vom stetigen Präsentieren und Vortragen profitiert, sondern auch mein Englisch verbessert. Denn die Kurse werden alle auf einem hohen sprachlichen Niveau auf Englisch durchgeführt.
Familiär geht es nicht nur an der Universität zu und her, auch die Stadt Leiden folgt einem gemütlichen Rhythmus. Das von Grachten durchzogene Stadtzentrum ist beschaulich, sehens- und lebenswert. Immer wieder kommt es vor, dass man auf dem Weg zur Uni, zum Kaffeeklatsch oder Bier einem Kommilitonen über den Weg läuft, der selbiges im Sinn hat. Mühe bereitet mir einzig das Niederländisch, insbesondere die Konversation. Obwohl ich des ähnlichen Deutschen, Schwedischen und Englischen mächtig bin.
Jonas Racine, 24, studiert Jus an der Universität Zürich. An der Universität Leiden absolviert er ein «Erasmus»-Semester und belegt Kurse im Europäischen und Internationalen Recht.