Seoul ist die Heimatstadt meiner Mutter. Ich kenne die Stadt als nachtaktive, mit schrillen Neonlichtern und Menschen vollgepackte Megacity. Bei meiner Ankunft ist alles anders: Leere ­Strassen, geschlossene Betriebe sowie ständige Sicherheitshinweise durch Lautsprecheranlagen. Sie geben mir das Gefühl, ich befände mich in ­einem postapokalyptischen Film der 80er-Jahre. Immerhin: Die harten Massnahmen der koreanischen Regierung gegen die Coronapandemie ­haben auch eine positive Seite: Endlich keine vollgestopften Metros mehr. 

Ich startete mein Austauschsemester Mitte März an der School of Law der Ewha Womans University ­zunächst über Zoom. Die Frauen­universität, über 100 Jahre ­alt, ­renommiert und international ­etabliert, zeichnet sich als zukunfts­orientiertes, Feminismus und ­Emanzipation förderndes Institut aus. 

Ich habe das Privileg, zwei Fächer bei Professorin Eunice Kim zu absolvieren: Introduction to the American Legal System und Corporate Social Responsibility & Corporate ­Governance. Letzteres ist mein ­Lieblingsfach. Grund dafür sind die anregenden Diskussionen in den ­Vorlesungen, wie sich Unternehmen in Bezug auf verschiedene aktuelle und ethisch umstrittene Bereiche zu verhalten haben. Im Unterricht ­erzählt die Professorin auch aus ihren privaten Erlebnissen und gibt daraus gewonnene Ratschläge. Damit fördert sie, dass wir unsere eigene Meinung innerhalb und ausserhalb der Vor­lesungen ohne Hemmungen äussern. 

Der Lernstoff wird über das ganze Semester in Form von Prüfungen oder Arbeiten abgefragt. Das Studium ­orientiert sich am Bildungssystem von angelsächsischen Universitäten. Die Universität bietet viele öffentlich ­zugängliche Bereiche, in denen ich mich mit meinen Mitstudentinnen und Mitstudenten gemeinsam für die Prüfungen vorbereiten kann. 

An Seoul schätze ich die kulturelle und historische Komplexität, ihre Vielfalt und – noch wichtiger – ihre unglaublich vielseitige und niemals enttäuschende Küche. Seoul ist meine Lieblingsstadt. Ihre einzige Konstante ist ihre ständige Weiterentwicklung. 

Lara Surer, 24, studiert Rechtswissenschaften auf Masterstufe an der Universität Luzern. Sie verbrachte ab März ein Austausch­semester an der School of Law der Ewha Womans University in ­Seoul. Nach dem Studium möchte sie verschiedene Praktika im Ausland absolvieren.