Bereits als 16-Jährige absol­vierte ich ein Austauschjahr in Taiwan. Während meines Masterstudiums zog es mich wieder in Richtung Asien. Ich verbrachte ein Austauschsemester an der Singapore Management University, auch um ­juristische Kurse in einem Common-Law-Land zu absolvieren.

In Singapur, der «Schweiz Asiens», finden 5,5 Millionen Einwohner auf einer Fläche des Kantons Solothurn Platz. Daher ergatterte ich erst nach langer Suche das, was für mich als Studentin mit beschränktem Budget bezahlbar war: ein fensterloses ­Zimmer, neun Quadratmeter gross, inklu­sive Bad. Die Tür zur Wohnung im Stadtteil Little India befand sich inmitten eines kleinen Hawker ­Centers, eines offenen Gebäudekomplexes mit verschiedenen Ständen, an denen indisches, chinesisches und malaysisches Essen angeboten wurde.

An der Universität belegte ich ­e­inen spannenden Kurs zum Thema «Künstliche Intelligenz, Recht und Ethik». Wir setzten uns mit verschiedensten Problemen im Zusammenhang mit möglichen Regulierungen von selbstlernenden Systemen aus­einander. Zudem besuchte ich Kurse zur Schiedsgerichtsbarkeit in Ost­asien, zur internationalen Kommerzialisierung von Urheberrechten und zur Mediation. In einer weiteren Vorlesung tauchte ich vertieft in
das ­singapurische Zivilprozessrecht ein und entdeckte viele Parallelen zu grundlegenden Konzepten des
schweizerischen Zivilprozessrechts.

Die Kurse bes­tanden aus drei­einhalb Stunden Vorlesungen und Übungen pro Woche. Allerdings ­musste ich mich zunächst an das ­starke «Singlish», das Englisch mit dem ­typischen singapurischen Akzent, ­gewöhnen, das der Professor sprach. Einige Dozenten kamen auch aus Südkorea, Grossbritannien und ­Australien. In den kleinen Klassen mit rund 30 Personen wurde jeweils ­angeregt diskutiert.

Bei einem Auslandaufenthalt ­erhält man die Möglichkeit, ­in eine andere Kultur einzutauchen und die dortige ­Men­talität kennen­zulernen. Dank den Erfahrungen ausserhalb der Komfortzone hat man die Möglichkeit, persönlich zu wachsen. Nebst fachlichen Kom­petenzen sind solche «Soft Skills» in juristischen Berufen meines ­Erachtens unerlässlich.