Die Lage am Mittelmeer war ein wichtiger Grund, ­warum ich Valencia als Destination meines halbjährigen Erasmus-Aufenthalts auf den ersten Platz meiner Wunschliste gesetzt hatte. Ich freute mich, die Schweizer Bergwelt für sechs Monate ­hinter mir zu lassen und sie gegen Sandstrände und eine frische ­Meeresbrise einzutauschen.

Bereits bei meiner Ankunft im ­Januar wurde ich von warmen Sonnenstrahlen und von Orangenbäumen entlang der ­Strassen ­begrüsst – die mediterrane ­Atmosphäre ist nicht nur im ­Sommer spürbar.

An der Universität von Valencia gibt es mehrere Kurse, die sich mit dem Meer beschäftigen, zum ­Beispiel Seerecht oder Transportrecht. Ich schrieb mich in letzteren Kurs ein, um mich mit der ­geografischen Lage meines neuen Wohnorts auseinanderzusetzen.

In der rund zwanzig Studenten umfassenden Klasse diskutieren wir zum Beispiel über die Fracht­unternehmen im Hafen Valencias. Wir zergliedern die verschiedenen Haftungsverhältnisse rund um die Frachter – zwischen Ver- und ­Befrachtern etwa, Kapitänen und Schiffs­besatzung, Warenverkäufern und -käufern usw. – ein nur schwer zu durchblickendes Wirrwarr von Akteuren!

Ich beschäftigte mich aber auch mit einem anderen Aspekt Spaniens, der eng mit dem Meereszugang ­zusammenhängt: der Einwanderung. ­Jährlich kommen ­Tausende von Menschen aus Afrika mit Booten über das Mittelmeer nach Europa. Im Rahmen eines Teilzeitpraktikums bei der Comisión Española de Ayuda al Refugiado (Cear), einer Organisation zur ­Unterstützung von Flüchtlingen und Asyl­suchenden, begleitete und unterstützte ich einen Anwalt als Rechtsbeiständin und -beraterin für die an­kommenden Ausländerinnen und Ausländer. Es ist frappant, wie viele von ihnen auf ihrer Suche nach ­besseren Lebensumständen auf komplett überladenen ­Passagierbooten nach Europa ­gelangt waren.

Manchmal ist es auch schön, die drei Tramstopps von der juristischen Fakultät zum Stadtstrand zurückzulegen und das Meer ­einfach zu geniessen – dieses Meer, das mich juristisch durch das Ausland­semester begleitet.

Karin Fischli, 26, absolvierte einen Master in Rechtswissenschaften an den Universitäten Genf und Basel. Das letzte Master-Semester verbrachte sie in Valencia, wo sie ihr Studium abschloss. Fischli möchte nun 
als Juristin arbeiten und später vielleicht die Anwaltsprüfung machen.