Gemäss dem Bundesamt für Statistik sind über 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung Mieter. Trotzdem haben es Mietrechtsvorlagen schwer im Parlament – auch in der ausserordentlichen Parlamentssession «Wohnen und Mieten» vom vergangenen Herbst. Das Parlament erteilte allen Motionen zugunsten der Mieter eine Abfuhr. So hatte etwa die SP-Fraktion vergeblich ein «Moratorium für missbräuchliche Mietzinserhöhungen» und die «Ermöglichung einer regional differenzierten punktuellen und periodischen Mietpreiskontrolle» gefordert.
Mehr Erfolg hatten die Anliegen der Vermieter. Das Parlament beschloss in der Schlussabstimmung im Mietrecht des Obligationenrechts vier Änderungen zulasten der Mieter. So soll die Untermiete erschwert werden. Neu müssten Vermieter einem Untermietvertrag schriftlich zustimmen, damit er gültig ist. Bisher durften Vermieter die Zustimmung zur Untermiete nur aus bestimmten im Gesetz abschliessend aufgezählten Gründen verweigern.
Neu ist die Aufzählung der zulässigen Gründe nicht abschliessend. Im Text zum neuen Artikel 262 OR steht, wann der Vermieter die Zustimmung zur Untermiete «insbesondere» verweigern kann. Das ist gemäss Gesetz etwa der Fall, wenn die Untermiete länger als zwei Jahre dauert oder die Bedingungen missbräuchlich sind. Die Formulierung «insbesondere» lässt jedoch Raum für weitere Ablehnungsgründe.
Referendum zustandegekommen
Eine weitere Verschlechterung für Mieter: Bisher durften Vermieter bei einem laufenden Verfahren oder während der dreijährigen Sperrfrist nach Obsiegen des Mieters in einem Rechtsstreit nur bei «dringendem» Eigenbedarf kündigen. Neu reicht ein «bedeutender und aktueller Eigenbedarf». Der Mieterverband reichte gegen die beiden Gesetzesänderungen am 16. Januar das Referendum ein.
Das Parlament lockerte zudem Formvorschriften für die Vermieter: Bei gestaffelten Mietzinsen etwa muss eine Mieterhöhung nicht mehr auf dem amtlichen Formular mitgeteilt werden.
Monika Sommer, Juristin und stellvertretende Direktorin des Hauseigentümerverbands Schweiz, hält die Änderungen für geringfügig und die Auswirkungen auf die Mietparteien für bescheiden. Sie begründet die Notwendigkeit der Änderung bei der Untermiete mit dem Argument, die Mieter könnten sonst beim Untervermieten der Wohnung missbräuchliche Mietzinsen verlangen, statt selbst in der Wohnung zu leben.
Für die Mietervertreter ist die Änderung ganz und gar nicht geringfügig. Armin Zucker, Vizepräsident des Verbands der Geschäftsmieter, warnte in seinem Newsletter: «Die Änderungen bergen das Gefahrenpotenzial, dass eine wirtschaftlich notwendige oder sinnvolle auch nur teilweise Untervermietung verunmöglicht wird und ein Formfehler oder eine Nachlässigkeit zur ausserordentlichen Kündigung führen kann.»
Der Mieterverband weist darauf hin, dass die meisten Wohngemeinschaften heute dank einer flexiblen Regelung der Untermiete gut funktionieren. Ein Mieterwechsel ist heute noch relativ unkompliziert möglich. Neu würde dies erschwert, wenn immer das Einverständnis des Vermieters eingeholt werden müsste.
Nicht nur der Gesetzgeber handelt vermieterfreundlich, sondern auch das Bundesgericht. Gemäss dem emeritierten Berner Zivilrechtsprofessor Thomas Koller ist die Rechtsprechung des Bundesgerichts «seit etwa zehn Jahren gesamthaft gesehen mieterunfreundlicher».
Koller sieht drei Problemfelder. Zum einen die mietrechtspolitischen Urteile, zu denen er das viel diskutierte Urteil über die Nettorenditeberechnung zählt (BGE 147 III 14). Das Bundesgericht erhöhte in diesem Entscheid den zulässigen Ertrag von höchstens 0,5 auf 2 Prozent über dem Referenzzinssatz, solange dieser nicht mehr als 2 Prozent beträgt: «Die vom Bundesgericht beurteilten Aspekte der Nettorenditeberechnung betreffen Fragen, die im Grunde gar nicht justiziabel sind, sondern wegen ihrer Tragweite vom Gesetzgeber hätten beantwortet werden müssen.»
Laut Koller dürfte der Entscheid dazu führen, dass sich die «Schere zwischen den Bestandes- und den Neumieten noch stärker vergrössert», was Anreize zur Ertragsoptimierungs- und Sanierungskündigung schaffe.
Eine weitere Gruppe von Entscheiden wirke sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht zulasten der Mieter aus. Dazu gehört laut Koller etwa der Fall einer Mieterin, die Schadenersatz von ihrem früheren Vermieter forderte, nachdem dieser den Eigenbedarf wohl bloss vorgeschoben hatte. Das ist laut Bundesgericht erst nach einer Revision des Kündigungsschutzurteils, in dem der Vermieter obsiegte, möglich (BGE 145 III 143).Ebenfalls mieterfeindlich ist BGE 145 III 281, wonach bei der Kündigung einer Familienwohnung beide Ehegatten am Anfechtungsverfahren beteiligt sein müssen, wenn beide Mietvertragspartei sind. Koller: «Das kann für Laien zu einer eigentlichen Prozessfalle werden.»
«Unsinnige und falsche» französischsprachige Urteile
Schliesslich kritisiert Koller die Qualität der französischsprachigen Urteile des Bundesgerichts. Diese würden bisweilen unsinnige und falsche Gedankenführungen enthalten. Oder es würden Begriffe falsch verwendet, was zu Unsicherheiten meist zulasten der Mieter führe.
Unhaltbar ist für Koller das Urteil 4A_471/2013 (bestätigt in BGE 140 III 244), wonach sich der Fristbeginn einer Kündigungsanfechtung nach der absoluten und nicht nach der relativen Empfangstheorie bestimme. Es gehe nicht an, dass das Bundesgericht über eine derart wichtige und umstrittene Frage nebenbei in einer Eventualerwägung befinde, ohne das Urteil amtlich zu publizieren, sagt Koller. Es habe sich in diesem Entscheid nicht einmal mit der Lehre befasst, die zugunsten der Mieter die relative Empfangstheorie befürwortet.
Mietrechtsbeschwerden werden von der Ersten zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts behandelt. Diese setzt sich zurzeit aus fünf Mitgliedern zusammen, von denen je zwei der FDP und der SVP und eines der Mitte angehören.