Arbeitnehmern in der Schweiz steht im Fall eines Streits mit dem Arbeitgeber ein ausgebauter Rechtsmittelweg bis an das Bundesgericht offen. Nur die Angestellten des höchsten Gerichts selbst – von der Sekretärin bis zum Gerichts-schreiber – können im Konfliktfall lediglich eine einzige Instanz anrufen. Das Personal des Bundesgerichts geniesst damit beispielsweise im Fall einer Entlassung einen deutlich schlechteren Rechtsschutz als alle andern Angestellten in der Schweiz.
Für die Angestellten des Bundes gilt grundsätzlich: Bei einem Streit mit dem Arbeitgeber können sie sich zunächst an das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen wenden. Dann können sie das Bundesgericht anrufen, sofern es sich um vermögensrechtliche Angelegenheiten oder eine Frage der Gleichstellung der Geschlechter handelt (Art. 83 lit. g Bundesgerichtsgesetz; zum Streitwert: Art. 73).
Rechtsschutz in zwei Schritten abgebaut
Für die Angestellten des Bundesverwaltungsgerichts gilt ein anderer Rechtsweg: Für sie ist zunächst das Bundes-strafgericht zuständig, als letzte Instanz dann noch das Bundesgericht. Diese Ausnahme ist wegen der räumlichen Nähe von Arbeitnehmer und Gerichtsinstanz erforderlich. Und der Rechtsschutz bleibt vollumfänglich gewährleistet, da mit dem Bundesstrafgericht ein dem Bundesverwaltungsgericht hierarchisch gleichgestelltes vollwertiges Gericht zum Zuge kommt. Dass das Bundesstrafgericht nicht oft angerufen wird und daher über wenig einschlägige Erfahr-ung im Personalrecht verfügt, muss sich nicht zwangsläufig zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken.
Eine zweite Ausnahme, und die ist im Gegensatz zu der soeben erwähnten keineswegs zwingend, gilt für das Per-sonal des Bundesgerichts in Lausanne und Luzern. Sein Rechtsschutz war immer schon eingeschränkt, wurde aber in den vergangenen Jahren in zwei Schritten zusätzlich geschmälert. Bis zur Fusion mit dem Eidgenössischen Ver-sicherungsgericht (EVG) am 1. Januar 2007 konnte das Personal des Bundesgerichts einen arbeitsrechtlichen Streit zunächst der internen Rekurskommission vorlegen und deren Entscheid ans EVG in Luzern weiterziehen. Für dessen Angestellte wiederum stand ein analoger Rechtsweg mit zweiter Instanz in Lausanne offen.
Beschwerdemöglichkeit nach St. Gallen abgelehnt
Dass diese Regelung nach dem Zusammenschluss zu einem einzigen Gericht mit zwei Standorten nicht weiterbe-stehen konnte, lag auf der Hand. Ebenso nahe hätte es allerdings gelegen, auch für das Personal des fusionierten Bundesgerichts einen Rekursweg an das Bundesverwaltungsgericht zu öffnen. Eine solche Lösung wurde seinerzeit auch diskutiert. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand des Bundesgerichts. Als höchstes Gericht des Landes will es sich nicht der Gerichtsbarkeit einer andern eidgenössischen Instanz unterwerfen, wie das Generalsekretariat auf Anfrage bestätigte. Stattdessen wurde auf dem Papier eine Art Sondergericht geschaffen, das aus den Präsidenten der Verwaltungsgerichte der drei Kantone Waadt, Luzern und Tessin besteht (Art. 36 BPG).
Diese rechtsstaatlich eher fragwürdige (bisherige zweite) Instanz blieb ein Phantomgericht, das noch überhaupt nie angerufen wurde. Weder ist gewährleistet, dass die drei kantonalen Gerichtspräsidenten über Sachkenntnisse im Personalrecht verfügen, noch wäre auch nur bekannt, wohin eine allfällige Beschwerde geschickt werden müsste. Das ist von umso grösserer Bedeutung, als dem Personal des Bundesgerichts per 1. Juli 2013 auch noch der Rechtsweg an die interne Rekurskommission (als bisherige erste Instanz) ersatzlos abgeschnitten wurde.
Die Änderung gilt zwar für das gesamte Bundespersonal, trifft aber die Angestellten des Bundesgerichts in be-sonderer Weise. Nach dem Wegfall der Rekurskommission, die namentlich auch wegen ihrer vermittelnden Fähig-keiten geschätzt wurde, steht nur noch der Weg an das Sondergericht offen, dem offenkundig wenig Vertrauen ent-gegengebracht wird. Man habe sich in Bern für eine Lösung starkgemacht, die der besonderen Lage des Personals am Bundesgericht Rechnung trage, sagt Generalsekretär Tschümperlin dazu. Das Bundesgericht habe sich indes im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen können und müsse die nun geltende Regelung akzeptieren.
Arbeitgeberin ist die Eidgenossenschaft
Damit steht der Rechtsschutz für das Personal des Bundesgerichts seit dem 1. Juli dieses Jahres faktisch nur noch auf dem Papier – in Form des erwähnten Sondergerichts. Hintergrund des Problems bildet die besondere Situation eines höchsten Gerichts, das auch in anderen Bereichen eine weitgehend unkontrollierte Sonderstellung einnimmt. Die parlamentarische Oberaufsicht wird in der Schweiz mit Rücksicht auf die Gewaltenteilung und die Befindlichkeit der Richter nur sehr zurückhaltend wahrgenommen. Und dass ein höchstes Gericht sich keiner andern Instanz unterwirft, ist grundsätzlich hinzunehmen, selbst wenn es Entscheide fällt, die es gegenüber unteren Instanzen als willkürlich beanstanden würde.
Ob das allerdings zwingend auch für den Umgang mit dem Personal gilt, darf bezweifelt werden, denn Arbeitgeber ist nicht das höchste Gericht, sondern die durch die Verwaltungskommis-sion und den Generalsekretär verkörperte Eid-genossenschaft. Die in der Verwaltungskommission sitzenden drei Bundesrichter üben in diesem Amt eine reine Ver-waltungsfunktion aus, weshalb ihre Entscheide in Personalsachen künftig durchaus einer Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht unterstellt werden könnten.
Interne Rekurskommission statt externer Instanzenzug
Ob das die sinnvollste Lösung wäre, ist eine andere Frage. Soll die Rechtsstellung der Angestellten am Bundesge-richt möglichst eng an die des übrigen Bundespersonals angeglichen werden, müsste in der Tat der Rechtsmittelweg an das Bundesverwaltungsgericht geöffnet werden, mit einer Weiterzugsmöglichkeit an das erwähnte Sondergericht.
Da Letzteres bisher noch nie angerufen wurde, wäre der zweistufige Instanzenzug indes möglicherweise weitgehend Fiktion. Dazu kommt, dass sich das Bundesgericht wohl nach Kräften dagegen wehren würde, interne Arbeitskonflik-te vor Bundesverwaltungsgericht austragen zu müssen.
Als Alternative wäre zu überlegen, die Türe zur internen Rekurskommission mit ihren vermittelnden Möglichkeiten wieder zu öffnen und es bei einer einzigen, vermutlich weiterhin praktisch bedeutungslosen externen Instanz zu belassen. Einerseits würde eine solche Lösung der Besonderheit des höchsten Gerichts und seiner Sonderstellung innerhalb des Justizgefüges Rechnung tragen. Anderseits ist davon auszugehen, dass für Angestellte, die weiterhin beim Bund oder in der kantonalen Justiz tätig sein wollen, ein wirksamer interner Behelf wertvoller sein kann als ein ausgebauter externer Rechtsmittelweg.