Am 11. Mai erschien die Anwältin Mahienour El-Massry vor Gericht – im vollen Bewusstsein, dass ihr Weg von dort direkt ins Gefängnis führen könnte. Sie hatte Berufung eingelegt, nachdem sie im ­Februar zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt ­worden war. Das Urteil lautete unter anderem auf «Protestieren ohne Genehmigung», ein Straftatbestand des neuen Demonstrationsgesetzes von 2013. Amnesty International betrachtet El-Massry als politische Gefangene, deren einziges ­Vergehen im Gebrauch ihres Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit besteht.

Anwältinnen wie Mahienour El-Massry sind der ägyptischen Regierung ein Dorn im Auge. Die 28-jährige Aktivistin aus Alexandria ist seit Jahren an verschiedenen Fronten für die Menschenrechte im Einsatz. Sie unterstützte Flüchtlinge aus Syrien und gab rechtliche Tipps –  in der Vorahnung, dass sie vielleicht nicht immer da sein kann für die Flüchtlinge, die trotz gültiger Aufenthaltserlaubnis inhaftiert sind. 

Zuvor setzte sich El-Massry gegen die Privatisierung von Land in einem Armenviertel Alexandrias ein. Die Häuser von mehreren Hundert Menschen sollten von einem Tag auf den anderen abgerissen werden. Sie zeigte den Bewohnern auf, wie sie sich friedlich gegen das Unrecht wehren können. Auf dieselbe Weise half sie entlassenen Angestellten und Angehörigen von Protestierenden, die von Polizeikräften verletzt, inhaftiert oder getötet worden waren. 

Bei El-Massrys Anhörung kamen nebst ihren Rechtsvertretern viele Leute in den Gerichtssaal, um sie zu unterstützen. Doch die Polizei vertrieb sie mit Tasern und Schlagstöcken. Nach der Anhörung wurde El-Massry direkt ins Al-Abadeya-Frauen­gefängnis eingeliefert, genau wie sie befürchtet hatte. Dort wartet die Anwältin nun auf die Urteils­verkündung.