Am 1. Januar 2023 tritt ein revidiertes Erbrecht in Kraft. Das ist insofern bemerkenswert, als die letzte (insgesamt eher punktuelle) Erbrechtsänderung 2013 im Kontext des Erwachsenenschutzrechts den Schutz urteilsunfähiger Nachkommen geordnet hatte, nachdem 2007 plötzlich «eingetragene Partnerinnen und Partner» punktuell im ZGB erschienen waren.1 Seit April 2003 war die erbrechtliche Behandlung von Tieren nuanciert, ab 1996 die Formstrenge (nur) beim Datum des eigenhändigen Testaments etwas entschärft worden und die einzige bislang wirklich grundlegende Eherechtsrevision von 1988 hatte die Stellung des überlebenden Ehegatten verbessert. Ansonsten aber ist die Revisionsresistenz des Erbrechts doch sozusagen sprichwörtlich.
Jetzt war Grösseres angedacht: Der Auftrag lautete, «das über hundertjährige, nicht mehr zeitgemässe Erb-/Pflichtteilsrecht flexibler auszugestalten und es den stark geänderten demografischen, familiären und gesellschaftlichen Lebensrealitäten anzupassen», wobei «das geltende Recht in seinem Kerngehalt bewahrt und die Familie als institutionelle Konstante auch weiterhin geschützt werden» sollte, aber doch «die bisher diskriminierten unverheirateten Lebenspartnerinnen und -partner in das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht mit einbezogen werden und dadurch eine im Vergleich zu den verheirateten sowie den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnern faire (…) Behandlung erfahren» sollten.2
Geblieben von all dem ist, dass die gesetzliche Erbfolge unverändert bleibt, der gänzlich bedeutungslose Elternpflichtteil abgeschafft und der Nachkommenpflichtteil von ¾ auf ½ reduziert wurde (mithin in der «Standardsituation» nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils die verfügbare Quote um ⅛ erhöht wurde). Von der ursprünglich ins Auge gefassten Pflichtteilsreduktion auch zulasten des überlebenden Ehegatten wurde abgesehen und dessen Stellung im Ergebnis nach 1988 ein weiteres Mal verstärkt.3
Die noch anstehenden Revisionsetappen sind:
- im Bereich des IPR Feinjustierungen im Kontext mit der Europäischen Erbrechtsverordnung,4
- bezüglich (über die mit der Pflichtteilsreduktion geschaffene Erleichterung hinausgehende) Spezialregeln für die Unternehmensnachfolge,5
- und ohnehin die einstweilen zugunsten der «politischen» Pflichtteile zurückgestellten wichtigen «technischen» Elemente der vom seinerzeitigen Ständerat Felix Gutzwiller angeregten Überprüfung weiterer revisionsträchtiger Fragen im Erbrecht.
Die Revisionstätigkeit wird sich noch etwas in Bewegung halten. Grundlegend werden diese Änderungen aber wiederum nicht sein. Es ist wichtig, dass die Verfügungsfreiheit ausgeweitet worden ist, aber es ist kein «neues Erbrecht» geschaffen worden, das nun Grund zu Hektik gäbe: Wer bislang einen Erben aus guten oder auch bloss emotionalen Gründen auf den Pflichtteil gesetzt hatte, mag darüber nachdenken, ob die höhere verfügbare Quote nun eine etwas andere Verteilung der verfügbaren Mittel nahelegt. Aber wer bislang kein Testament hatte, braucht sich nicht den Kopf zu zerbrechen: Sollten allzu zahlreiche Publikationen zum «neuen Erbrecht» auf eine bislang nicht allzu erbrechtsaffine Bevölkerung treffen, könnte es auch dazu führen, dass eher die wirtschaftlichen Interessen der Beratungsindustrie als die Anliegen durchschnittlicher Erblasser bedient werden. Man kann das Rote Kreuz oder andere vertraute Organisationen auch ohne lange Beratung mit einem Vermächtnis bedenken.
Ob also die nun auf den 1. Januar 2023 unmittelbar anstehende, von den Räten am 18. Dezember 2020 relativ hektisch6 verabschiedete erste Revisionsetappe (im Wesentlichen die Reduktion der Nachkommenpflichtteile von ¾ auf ½ der gesetzlichen Quote) auch in der Sache bemerkenswert ist, hängt eher etwas von Standpunkt (nämlich den familiären Beziehungen und möglichen «Erwartungen») und persönlichen Einstellungen ab. Eine optimierte Begünstigung des überlebenden Ehegatten und/oder die angemessene «Anschubfinanzierung» für Nachkommen aller Stufen (etwa auch Enkel) hängt stark von den persönlichen Verhältnissen und der Höhe des Nachlasses ab: Höhere Nachlässe erlauben stärkere Distribution, kleinere erfordern tendenziell eine Fokussierung, und «Transaktionskosten» (nämlich Beratungs- und Prozesskosten) belasten überproportional. Was ohnehin gleich bleibt: Jeder konkrete Nachlass beträgt immer «100», und bekommt jemand mehr, bekommen zugleich andere weniger.
1. Die Einstellungen zum Erbrecht
Die Einstellung zu Erbschaften ist persönlich: Es gibt Erben, die sehr viel bekommen und – ebenso wie ihre Eltern – das Gefühl haben, locker verzichten zu können,7 und es gibt jene, die ausser Schulden nichts zu erhoffen haben. Für die «mittelständische Schweiz» ist hingegen Erbrecht doch die den Tod überdauernde Perpetuierung von Eigentum. Man mag nun darüber philosophieren, ob eine Ordnung, in welcher Sachen oder Sachgesamtheiten (namentlich Immobilien und Unternehmen, aber auch bankgängige «Reserven» und persönliche Erinnerungsstücke) ihre menschlichen Eigentümer überleben, nicht einer Überbewertung des Nicht-Menschlichen anhänge. Und natürlich ist «Eigentum» zwar durch Art. 26 BV geschützt, aber dennoch auch ein «politischer» Begriff. Zwar sind wir tatsächlich auf dieser Erde nur zu Gast, und alles hienieden ist temporär, aber gerade die umweltpolitische Perspektive auf künftige Generationen muss daran erinnern, dass wir – egal ob und wie viel wir geerbt haben – in einer «Erbengesellschaft» leben,8 und nie (gesundheitlicher Status, Bildungsstand, Lebenskomfort insgesamt) so leben könnten, wenn nicht vormalige Generationen durch Erfindungen, Infrastrukturbauten (man denke etwa an die schweizerische Bahninfrastruktur und den Gotthardtunnel, der über fast anderthalb Jahrhunderte Rückgrat des Binnen- und internationalen Handels- und Ferienverkehrs war) und die Entwicklung von Wissen und Fertigkeiten die Grundlage unserer heutigen Existenzbedingungen geschaffen hätten. Der Komfort hat uns allerdings auch etwas verwöhnt und klagend-ängstlich gemacht.9 Qualitativer Wohlstandszuwachs ist den verschiedenen Ländern dieses Planeten allerdings nur sehr unterschiedlich gelungen, und es war natürlich auch in wohlhabenderen Regionen den einzelnen Familien nicht in gleicher Weise möglich, an der Wohlstandszunahme zu partizipieren. Wobei allerdings sogleich auch die Frage anzubringen ist, inwiefern «Wohlstandszunahme» mit der allgemeinen «Lebenszufriedenheit» in Verbindung gebracht werden darf – es ist hier nicht weiter darzulegen, dass Geld zwar nicht per se unglücklich, aber auch nicht ohne weiteres glücklich macht.
Die Ungleichheit unter Individuen und Nationen ist anzusprechen. Aber eine blosse Umverteilung bewirkt allenfalls einen Konsumanstieg, aber keine wirkliche Lageverbesserung, wie das Schicksal von Lotteriegewinnern zeigt. Gesamthaft hat sich die Breite eines gewissen Wohlstands günstig entwickelt, ohne dass je Gleichheit erreicht werden wird. Armut ist belastend und ist sozialpolitisch zu bekämpfen, was nicht wirklich das Erbrecht berührt. Und wirklich (nominell) Reiche könnten genötigt sein, ihrerseits auch gewisse Risiken zu bedenken: Deren Lebensqualität hängt von einer sozial und insgesamt ausgeglichenen Weltlage ab, und verschieben sich da tektonische Platten, wird sich weisen, ob alle Asset-Protection-Strategien gewährleisten, was sie kosten, und die Sorge über ein Zuviel an (materiell-nominellem, privatem) Wohlstand könnte auch elementareren Sorgen weichen: Es gibt noch Seuchen (man nennt sie etwas gehobener Pandemien), und (familiäre) Katastrophen folgen selten einem Plan oder einer Nachlassplanung.
«Mittelstand» ist insofern mehr als Mittelmass, nämlich ein zufriedenstellender Durchschnittswert, den man idealerweise anstreben, aber auch nicht beliebig übersteigen mag10 und der dem Gesetzgeber durchaus etwas als Richtschnur gilt. Eine Erbschaft ist wirtschaftlich gerade dann bedeutend, wenn bisheriges Vermögen oder die Sparquote keine massgebliche Vermögensbildung erlauben, weshalb der Transfer vorhandener Werte unter Generationen von beträchtlichem sozialem Interesse ist. Unabhängig vom Erbrecht profitieren allerdings sämtliche Bevölkerungsschichten grundsätzlich von einem hohen Potenzial einer Volkswirtschaft an Lebensqualität in allen Bereichen, von Bildung über Gesundheit bis zu allen sozialstaatlichen Garantien. Nicht einfach der Zugang zu einer privaten Erbmasse, sondern zu diesem grundsätzlich allgemein verfügbaren überindividuellen «Substrat» ist zu gewährleisten. Aber das liegt ausserhalb des privatrechtlichen Rahmens des ZGB und der Gestaltungsmacht des schweizerischen Parlaments.
Wer seine persönliche Haltung zum Erbrecht manifestiert, errichtet ein Testament und löst sich (zumindest teilweise) von der gesetzlichen Erbfolgeordnung. Ein Testament ist höchstpersönlich und Ausfluss der Privatautonomie. Es resümiert zwar die Anliegen und Sichtweisen des in diesem Moment noch lebenden dereinst Toten. Es richtet sich aber an seine Hinterbliebenen, sein persönliches Umfeld gleicher Generationenstufe und seine Nachfahren. Es betrifft andere! Es ist eine Stilfrage, wieweit Vergangenes und wieweit Zukünftiges je sinnvoll erfasst werden können und sollen: Man ist als Erblasser dem vergangenen Erlebten gegenüber befangen und gegenüber dem Zukünftigen einigermassen unwissend. Erkennt man dies, so könnte das vor einer peinlichen narzisstisch eingefärbten Überstrapazierung privatautonom eingegrenzter Sichtweise bewahren. Die soziale Akzeptanz von Erbrecht und individuell gesteuertem Vermögenstransfer ist besser, wenn Extravaganz zurücksteht.
2. Ökonomische Rahmenbedingungen
Persönlich, aber auch fachlich, in der Sache, gehe ich nach dem Gesagten entschieden davon aus, dass man «erben darf»,11 weil man auch erben muss. Erbrecht unterstreicht im Bereich des Zivilrechts die wechselseitige Verantwortung der Generationen: Der Tod erlöst nicht von offenen Rechnungen und lässt kein herrenloses Vermögen entstehen. Es braucht mithin eine rechtliche Ordnung, die dieses Erbrecht steuert. Das geschieht auf Ebene des Privatrechts, einerseits durch die Festlegung einer gesetzlichen und einer in den Schranken des Pflichtteils beliebigen individuellen Erbfolge, verbunden andererseits mit Massnahmen, welche nach dem Tod eines verstorbenen Menschen sicherstellen sollen, dass dessen Nachlass korrekt, unter Tilgung der Schulden und entsprechend den gesetzlichen und/oder individuellen Anordnungen auf die Berechtigten verteilt wird. Dieser privatrechtliche Vermögensübergang wird anderseits von einer staatlichen Transaktionssteuer begleitet, die – wie Steuern ganz allgemein – zwangsläufig ein Politikum ist.12
Dass heute (wohl besser: momentan) viel ererbtes Geld in den Vermögen der Erblassergeneration steckt (und zudem beträchtliches Vermögen in den Vorsorgeeinrichtungen ruht) und die Erben überhaupt «grössere» Vermögen erben, hängt «ganz einfach» mit dem heutigen Wohlstand in reichen Volkswirtschaften zusammen: Wir leben seit Ende des Zweiten Weltkriegs in einer historisch (hoffentlich nicht) einmaligen Zeit (relativen) Friedens und kontinuierlicher wirtschaftlicher Prosperität ohne substanzielle Vermögensverluste durch natur- oder menschgemachte Katastrophen. Letztlich beschränkte Ressourcen treiben den Preis werthaltiger Vermögensteile und steigern die Vermögen (vorab nominell). Teile dieses möglicherweise eher scheinbaren Reichtums könnten auch «Luft» sein, und wenn der Friede weicht, die Umweltbelastung steigt und Schadensbegrenzungsvorkehren die Kosten treiben, könnte sich das aktuelle «Wohlstandsproblem» möglicherweise auf «natürliche» Weise lösen, was vorab die Erbengenerationen erkennen werden.
3. Gesetzliches Erbrecht
Was nun die «Organisation» des gesetzlichen Erbrechts betrifft, bleibt alles beim Alten:13 Gesetzlich erben weiterhin Nachkommen, elterlicher und grosselterlicher Stamm und überlebende Ehegattin oder Ehegatte, und es bleiben Nachkommen und Witwen/Witwer pflichtteilsgeschützt. Es entfällt der Elternpflichtteil in den bisher seltenen Konstellationen und es wird – dies die einschneidende und eigentlich einzige wirklich «politische» Neuerung 14 – der Nachkommenpflichtteil reduziert. Es bleibt also bei gleichen gesetzlichen Quoten bei einem auf zivilstandsregisterlich ausgewiesener Verwandtschaft gründenden System, wobei die Testierfreiheit bei Nachlässen mit Nachkommen zunimmt.
Das in der Motion Gutzwiller angedachte Konkubinatserbrecht ist nicht Gesetz geworden, und auch Stiefbeziehungen bleiben unerwähnt.15 Man verweist auf die erweiterte Testierfreiheit, die für Juristen selbstverständlich, für Normalverbraucher indes «etwas Juristisches» ist, das man scheut. Alexandra Jungo hatte in dieser Zeitschrift die Sache auf den Punkt gebracht: «Erbrecht muss ohne Testamente funktionieren».16 Selbstverständlich handelt es sich bei den meisten der anwaltlich oder notariell beratenen Testamente um «geplante Nachlässe» und ein entsprechendes nachlassplanerisches Konzept (falls die Klientschaft richtige Angaben macht und richtige Antworten auf richtige Nachfragen gab). Aber die Mehrzahl der wirklich privat errichteten privaten (eigenhändigen) Testamente sind erfahrungsgemäss eher punktuelle Ergänzungen und setzen eine passende gesetzliche Ordnung voraus, die kaum grundlegend manipuliert wird: Aus Sicht der «nicht juristisch verbildeten Durchschnitts-Betroffenen» ist ihre Beziehung (je besser sie ist) etwas «Selbstverständliches», dem man sich nicht juristisch nähert, um das Gute nicht zu gefährden. Entsprechend wäre es Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, hier konsumentenfreundlich niederschwellige Minimalabsicherungen vorzusehen (etwa ein [temporäres] Wohnrecht).
Da in der Struktur alles beim Alten bleibt, erleichtert die Revision vorab auch eine weitere Besserstellung des Ehegatten. Das macht (weiterhin) Sinn im Sinne einer optimierten Begünstigung des überlebenden Ehegatten:17 Optimiert meint, bezogen auf die wirtschaftliche Situation einerseits, aber auch auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse je nach konkreter biografischer Situation, und die sinnvollen Partizipationsrechte weiterer Nachlassbeteiligter, namentlich auch der Nachkommen. Indem aber die Revision weiterhin vorab die Situation überlebender Ehegatten ins Auge fasst, hat sie die Anpassung an die Breite heutiger Lebensrealitäten – und damit ihr eigentliches Ziel – weitgehend verpasst. Sie bleibt konservativ in dem Sinne, dass der Abfluss von Vermögen hin zu künftigen Generationen und dem gesamten Kreis der einem verstorbenen Menschen nahestehenden Personen verpasst bzw. weiterhin verzögert wird.
4. (Fortbestehende) Pflicht zum Pflichtteil
Pflichtteile sind im kontinentalen Recht prägendes Element18 und family provision in irgendeiner Form ist auch im Common Law Standard. Einzige Änderungen sind – wie gesagt – der Wegfall des Eltern- und die Reduktion des Nachkommenpflichtteils. Man mag dabei einfach bedenken, dass bei mehreren Nachkommen die einzelnen Quoten dann durchaus minimal werden können. Der Gesetzgeber hat aktuell stark aus einer Perspektive der «Ein-Kind-Familie» legiferiert, und man hätte sich überlegen können, ob bei drei oder mehr Kindern nicht die bisherige verfügbare Quote oder jedenfalls eine Minimalbeteiligung bei grösseren Nachlässen hätte beibehalten werden sollen.
Solche Abstufungen wären aber für die Schweiz «neu» gewesen, und es ist ein Grundsatz der laufenden Revisionsarbeiten, «Neues» zu vermeiden.19 Planerisch mag man Erblassern allerdings doch raten, nicht durch pauschale Zuwendung der (nun höheren) verfügbaren Quote an «sympathische Bezugspersonen» die Anteile einzelner von mehreren Nachkommen disproportional zu schmälern: Erbrecht ist devolutiv und reicht Vermögen über die Generationenschwelle hinweg weiter. Zwar kann «Überversorgung» von Nachkommen bequem und träge machen, aber im Durchschnittsnachlass tritt dies nicht ein und kann auch eine Blockierung von Vermögen in einer trägen Alters-Community bewirken und neue Ideen verhindern – es bestehen beide Risiken.
5. Einzelheiten der Reform 2020/2023
Wieder einmal (nach 1976, 1984 und 2001) wird Art. 473 ZGB revidiert. Es resultiert nun die Möglichkeit, den überlebenden Ehegatten20 zur Hälfte als Eigentümer und zur andern Hälfte als Nutzniesser einzusetzen. Dies dürfte für den überlebenden Ehegatten nun in manchen Fällen tatsächlich eine attraktive Lösung sein, weshalb dieses Nutzniessungsvermächtnis künftig kaum mehr ausgeschlagen werden dürfte.
Drei Dinge bleiben allerdings zu bedenken: Erstens löst Wiederverheiratung weiterhin eine «Zwischenabrechnung» aus, die (wenn auch vielleicht nur leise) «Geräusche» verursachen kann (oder es wird eben nicht geheiratet).21 Sodann bergen Nutzniessungsmodelle zwangsläufig das Risiko gewisser Verwaltungskonflikte (Art. 765 ZGB), über welche man auch dann in Kontakt bleibt, wenn Kontakt nicht wirklich erwünscht ist und Entflechtung wünschbarer gewesen wäre. Schliesslich stellt sich – wie immer, abhängig von Alter und wirtschaftlicher Lage der Beteiligten – die Frage, ob und in welchem Umfange Ehegattenmaximalbegünstigung sinnvoll ist.
Die gleiche Frage – nämlich, ob eher die verwitwete Gattin oder eher die Nachkommenebenen zu begünstigen seien – wäre auch im Zusammenhang mit den güterrechtlichen Anpassungen bezüglich individueller Privilegierung durch überhälftige Vorschlagszuweisung entscheidend: Der Gesetzgebungsprozess ist schlicht wirr verlaufen.22 Auch das Ergebnis ist eher einfach insofern zweckmässig, als man nun ein Ergebnis hat,23 das allerdings die Nachkommen zurückstellt und insbesondere die gemeinsamen gegenüber den nichtgemeinsamen Nachkommen noch zusätzlich hintansetzt. Als lebzeitige Zuwendungen würden solche Gesamtgutzuweisungen nach nArt. 522 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 532 Abs. 2 Ziff. 1 der Herabsetzung unterliegen, doch profitieren sie von der Spezialnorm in nArt. 216 Abs. 2/3 ZGB bei Errungenschaftbeteiligung. Art. 241 Abs. 3 ZGB indes bleibt unverändert, womit bei Gütergemeinschaft die Ansprüche gemeinsamer und nichtgemeinsamer Nachkommen weiterhin geschützt bleiben oder nach nArt. 522 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB herabsetzbar sind.
Kein dringendes und schon gar nicht ein «politisch» relevantes Thema war die Beseitigung des Ehegatten-Pflichtteilsanspruchs bereits ab Einleitung eines Scheidungsverfahrens mit den damit verbundenen gesetzgeberischen Anpassungen an diversen Stellen (nArt. 120, 217 Abs. 2, 241 Abs. 4 und insbesondere nArt. 472 ZGB):24 Mutwillige Prozessführung war schon immer angreifbar und hätte letztlich in Erbunwürdigkeit münden können, aber nicht jede Kontroverse um nachehelichen Unterhalt und Güterrecht im Rahmen einer Teileinigung nach Art. 112 ZGB25 wird mutwillig geführt oder verzögert. Erst der mutmassliche Ausgang eines solchen Verfahrens würde nämlich Aufschluss geben, ob das Anliegen des angeblichen «Verzögerers» nur in Erwartung baldiger erbrechtlicher Ansprüche vor Rechtskraft eines Scheidungsurteils vorgebracht worden war. Und was die neue Regelung völlig übersieht: Wo zwar nicht die Enterbungsvoraussetzungen gegeben sind, aber einfach «der Verleider» oder eine Klage ein Paar in ein Scheidungsverfahren und damit auf die Schiene von Art. 292 ZPO gebracht haben, konnte ein solches Verfahren im Blick auf eine sozusagen voraussetzungslose Enterbung von einem erkrankten Gatten hintergründig instrumentalisiert worden sein. Das wird künftig in zumindest ähnlich vielen Fällen wie bislang angebliche Verzögerung zu störenden Ergebnissen führen. Die Revision ist in diesem Punkt schlicht unüberlegt. Sollte es nämlich die Meinung sein, dass zweijähriges Getrenntleben ausreichende Grundlage für eine von Gesetzes wegen eintretende Erbunwürdigkeit ist (was ja eigentlich die Wirkung der Revision ist),26 so müssten beträchtliche Teile der Erbrechtsliteratur neu geschrieben werden.
Die gesetzgeberische Einschränkung des Handlungsspielraums von Erbvertragserben (nArt. 494 Abs. 3 ZGB) ist eine Korrektur des gründlich missratenen BGE 140 III 199, E. 2.3. Es gilt, was eigentlich schon bislang galt – nämlich pacta sunt servanda auch für Erbverträge –, und es gilt gerade im Kreis von Erbvertragserben, die im erblasserischen Beziehungsgeflecht entweder «proches» sind oder zu «proches» werden, eine qualifizierte Loyalitätspflicht. Weiterhin werden allerdings Erbverträge auszulegen sein, um die «Vereinbarkeit» zu beurteilen.
Eindeutig und gelungen ist die Ordnung der Ansprüche aus der Säule 3a(nArt. 476, 529 ZGB): Gebundene Selbstvorsorge durch Bank- oder Versicherungssparen fällt nicht in den Nachlass und steht den Begünstigten unmittelbar zur Verfügung, ist aber in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehen. Zu unterstreichen ist, dass der erweiterte pflichtteilsfreie Bereich natürlich unmittelbar ab dem 1. Januar 2023 manche Gestaltung erleichtern wird, sei das bei einer Unternehmensnachfolge (dazu – und zur Bedeutung von Ungleichbehandlung durch Nachlassplanung mehr siehe 7. Nachfolge im Unternehmen), bezüglich der Zuweisung einzelner «schwerer» Objekte, sonstiger besonderer Gegenstände oder auch zur Förderung wohltätiger Anliegen.
6. Weitere nötige Reformen
De lege ferenda bleiben im Moment die erbrechtlichen Anpassungen des IPRG pendent, die Unternehmensnachfolge und die zweite Etappe des ZGB-Teils des erbrechtlichen Reformpakets, die sogenannte «technische» nach der angeblich «politischen» Pflichtteilsrevision und ihren Anhängseln. Es ist dringend, dass sich die Politik auch um Technisches kümmert: Der Erbenruf (Art. 555 ZGB) hat die Funktion einer heutigen Brandmeldeanlage, ist technisch aber auf dem Stand des mittelalterlichen Brandwächters im Kirchturm. Die erbrechtlichen Sicherungsmassnahmen (Art. 551 ff. ZGB) sind generell noch weitgehend unterschiedlich strukturierten kantonalen Behörden überlassen, obwohl es sich um zentrale Aspekte der auch im öffentlichen Interesse liegenden Funktionalität der erbrechtlichen Universalsukzession handelt. Es ist von aussen nicht erkennbar, in welcher Form die Reform sich mit diesem Thema auseinandersetzen wird. Dass etwa die Fristen für ein öffentliches Inventar und zur Wahrnehmung der Ausschlagungsbefugnis divergieren, schützt Gläubiger nicht effektiv, ist aber – in der komplexen Beziehungswelt heutiger Familienformen – ganz einfach eine Konsumentenfalle.
Es bleibt dank der scheibchenweisen Reformschrittchen wohl auf ein weiteres Jahrzehnt die Aufgabe,27 in Beratung und Rechtsprechung weiterhin selbständig und der Übergangssituation angepasst flexibel zu denken und handeln: Zwar verteidigt das Bundesgericht z.B. seinen verfehlten Erbteilungsentscheid.28 Aber dass jetzt (entgegen Art. 611 Abs. 2 ZGB) stur nur das Los gelten soll, so man im Einzelfall sachliche Kriterien hätte,29 und hartnäckig übersehen wird, dass der mit der Eherechtsrevision auf 1988 eingeführte Art. 612a ZGB anzeigt, dass der Gesetzgeber solche sachlichen Kriterien (wie etwa auch in der Rechtsprechung zu Art. 121 ZGB) sachlich berücksichtigt haben will, leuchtet nicht ein. Rechtsprechung und Gesetzgebung haben je in ihren Bereichen Verantwortung, die wahrzunehmen ist.
Führt eine Reformperiode, die am Ende zwei Jahrzehnte gedauert haben könnte, zu einem Denkverbot in der Rechtsprechung, ist das nicht nur Arbeitsverweigerung im konkreten Fall, sondern blockiert eine in die Zukunft blickende Rechtsentwicklung. Die relativ knappe Ablehnung einer untauglich konzipierten Beteiligung lediger Partner müsste Anlass geben, teilungsrechtlich zum Beispiel über eine «mieterschutzähnliche» Privilegierung bezüglich (zeitlich zu definierender weiterer) Nutzung gemeinsamen Wohnraums und Alltagsgegenstände nachzudenken.
Vor einem Dritteljahrhundert hatte das Bundesgericht selbst die gesetzliche Reform angestossen und sich gegen eine starre, an einem (angeblichen, missverstandenen oder im aktuellen Kontext längst unverstandenen) Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung der testamentarischen Formvorschriften gestemmt, so gut das eben ging.30 Auch dieser Faden wird bei der technischen Revision noch aufzunehmen sein, doch ist das Thema heute vorab mit der Urteilsfähigkeitsproblematik verknüpft. Es kann im Rahmen der vorliegenden Übersicht nur kurz noch auf solche grundsätzlichen, ihrerseits durchaus auch «erbrechtspolitischen» Aspekte der Unternehmensnachfolge einerseits und der Urteilsfähigkeitsthematik anderseits hingewiesen werden.
7. Nachfolge im Unternehmen
Einerseits könnte man durchaus über die Rechtfertigung eines unternehmensrechtlichen «Sondererbrechts» diskutieren. Die Lösung ist indes aus dem Bereich des landwirtschaftlichen Erbrechts bekannt und grundsätzlich durchaus sinnvoll:31 Wer Gold und Kunst bunkert, trägt weniger zum Wohlergehen aller in der Volkswirtschaft bei als jene, die (faire) Arbeitsplätze und (faire) Produkte schaffen. Die Nachfolge in Unternehmen folgt insofern sinnvollerweise gewissen anderen Gesichtspunkten, ohne dann aber doch wirklich «anders» zu sein.32 Und nicht jede im Handelsregister eingetragene Unternehmung «unternimmt» wirklich etwas (Sinnvolles). Es gibt mithin unterschiedliche Arten von «Reichtum», die sachlich sinnvoll durchaus unterschiedlich zu behandeln sind,33 wobei aber sogleich erhellt, dass das mit einer Erbschaft verbundene Potenzial bzw. die Verpflichtung, die eine Erbschaft bedeutet, doch nicht derart unterschiedlich sind. Man erbt nicht, um in Luxus zu schwelgen und permanent auf Luxuskreuzfahrt zu leben, sondern um Bestehendes fortzuführen und sinnvoll zu entwickeln. Das kann ein Unternehmen, besonders aber das spezifische Know-how, auch in wissenschaftlicher, künstlerischer oder sozialer Hinsicht sein. Das vermag – unabhängig von der Höhe des Nachlasses und dem «nominellen» Vermögen des Empfängers34 – nur wirklich, wer zwar nicht in den Fussstapfen eines verstorbenen Mitmenschen gestanden, aber doch sein Denken und Wirken in einer gewissen Nähe zu ihm begleitet hat, ihm vertraut ist – darin liegt die Rechtfertigung, dass das erblasserische Umfeld nicht von der Allgemeinheit, sondern von den Nahestehenden zu verantworten ist, die in einer Vertrauens- und Verantwortlichkeitsbeziehung standen.
Solche Bande sind zwar heute weniger eng als noch zu Eugen Hubers Zeiten, der mit Gemeinderschaften (Art. 336 ff. ZGB) und Heimstätten (aArt. 349 ff. ZGB) neben dem Erbrecht generationenübergreifende genossenschaftliche Strukturen zu schaffen versucht hatte. Aber auch «modernes Recht» heutiger und zukünftiger (dann dereinst auch «moderner» Gesellschaften) wird nicht darum herumkommen, zwischenmenschlichen Beziehungen eine kontinuierliche, generationenübergreifende auch wirtschaftliche Verantwortung und Verpflichtung beizumessen. Zwar ergibt «Entflechtung» im Erbrecht oft Sinn, aber die Notwendigkeit von Entflechtung bildet Verbundenheit ab. Erbschaften sind keine Geschenke, sondern Verpflichtungen, die indes durchaus positive Gefühle vermitteln können. Ob es gelingt, Unternehmensnachfolgeregelungen so zu treffen, dass sich sowohl bei jenen, welche die unternehmerische Verantwortung und das dazu erforderliche wirtschaftliche Potenzial erlangen, wie auch bei den andern Mitgliedern der Erbengemeinschaft dieses positive Gefühl einstellt und anhält, dürfte auch mit einer unternehmensfreundlicheren Ordnung nicht immer einfach sein.
Stellt man auf die Eignung einzelner Erben ab, stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der Gleichbehandlung, die immerhin Grundregel des ersten erbrechtlichen Artikels bildet (Art. 457 Abs. 2 ZGB). Die Ungleichbehandlung von Nachkommen ist anzusprechen, weil sie – gerade auch ausserhalb einer an übergeordneten, sachlichen Zielen orientierten Nachlassplanung – relativ häufig Konfliktpotenzial schafft: Sie wird als expliziter Sympathieentzug verstanden gegenüber der neutral-abstrakten nominellen Gleichheit.
Indes ist eigentlich Ungleichheit unterschiedlicher Menschen – und seien sie Nachkommen derselben Eltern – eher die Regel als die Ausnahme: Nachkommen haben unterschiedliche (und unterschiedlich ertragreiche) Talente, unterschiedliche Partner, eine unterschiedliche Zahl Nachkommen ihrerseits, leben in unterschiedlichen Situationen und Orten und haben unterschiedliche Bedürfnisse. Biografisch früher «weniger» könnte mehr sein als später «viel» usw. Gegenstände ohne «fixierten» Börsenkurs haben für unterschiedliche Menschen bisweilen unterschiedlichen Wert.
Was uns als historische Verwirrung erscheinen kann (nämlich gewisse «Vorrechte» nach Art der Gegenstände, Schicht oder Geschlecht der Begünstigten),35 bildet eben doch ab, dass auch Gegenstände und Personen besondere Beziehungen zueinander haben können. Ein gerichtliches Urteil «rechnet» und kann das kaum oder nur sehr beschränkt berücksichtigen, aber umsichtige Planung im biografischen Verlauf kann solches empathisch, nachvollziehbar und erklärbar begleiten, und Gesetz und Gerichte sollten sachlich sinnvolle Zuweisungen zumindest nicht sabotieren. Man müsste sich also – auf allen beteiligten Generationenebenen – zu solchen behutsamen erklärenden Gesprächen und trickfreien Absprachen bereitfinden.
8. Urteilsfähigkeit, Testamentsformen
Eine grössere – und wegen ihrer grossen praktischen Bedeutung hier noch gesondert anzusprechende – technische Baustelle dürfte die Kombination von Urteilsfähigkeitsprüfung und Testamentsformen sein. Dass die aktuellen Testamentsformen Relikte aus einer Epoche der verba sollemnia sind – eher Ritual als technisches Element –, ist unbestritten:36 Dürrenmatts Skizzenbücher sind ein Chaos, aber überlegt und letztlich druckreif, und Demente haben teils noch wunderbare Handschriften. Auch «das Äusserliche» ist Element des Ganzen und stets sachlich und gesamthaft zu würdigen. Wer sein Testament in ordentlicher Handschrift schreibt, sich eingangs mit Namensnennung identifiziert, diese perfekt gestaltete (aber nicht unterschriebene) Urkunde in einen Umschlag steckt, diesen Umschlag feierlich mit «Testament» und leserlicher Namensnennung versieht und gleichentags bei der kantonal zuständigen Hinterlegungsstelle persönlich deponiert (mithin noch die «Form» von Art. 505 Abs. 2 ZGB gewissermassen «übererfüllt») hat zwar sein Testament nicht so unterschrieben, wie es durchschnittlich der Fall ist und geldgierige gesetzliche Erben monieren, aber dieser Mensch und Erblasser hatte sich in einer Intensität der Formerfüllung angenommen, die in ihrer Persönlichkeit ein Maius gegenüber der Normalität darstellt und deshalb Bestand haben muss.37
Notariate beurkunden, was ihrer Wahrnehmung und Überzeugung entspricht, was einesteils Kundenauftrag ist und andernteils gerade deshalb bei anwaltlich denkenden Urkundspersonen kaum wirklich bremsendes Zweifeln veranlassen wird, wie es ein strikte unabhängiges Vier-Augen-Prinzip zwischen Beratung und Beurkundung erfordern würde. Und dies würde eine einheitliche Ordnung der öffentlichen Beurkundung im Rahmen bundesrechtlicher «minimal standards» erfordern, die deutlich über Art. 55 SchlT ZGB hinausgehen38 und das nach wie vor kantonalen Partikularismen überlassene Feld der Freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen.39 Art. 248 lit. d ZPO erwähnt die Freiwillige Gerichtsbarkeit als Teil des summarischen Verfahrens, das zudem (was seine Bedeutung unterstreicht) nicht besonders «freiwillig» ist, sondern der Offizialmaxime unterliegt (explizit Art. 255 lit. b ZPO, ferner etwa Art. 551 ZGB: im Rahmen der Sicherungsmassregeln hat die «zuständige Behörde» «die zur Sicherung des Erbgangs nötigen Massregeln zu treffen»). Beurkundung durch den testamentsberatenden ehemaligen Scheidungsanwalt kann indes zur Perpetuierung von Konflikten statt zum Appeasement beitragen und bestätigt zwar den fortbestehenden erblasserischen Ärger, aber nicht eine ausgewogene Beratung.
Sowohl bezüglich Urteilsfähigkeitsprüfung wie ohnehin bei der Ausschöpfung einer erweiterten Testierfreiheit namentlich bei Unternehmensnachfolgelösungen und sonstigen Anordnungen hoher Tragweite ist klar auf eine höhere Verantwortung aller Beteiligten hinzuweisen. Der Gesetzgeber ist nicht der Berater jedes einzelnen Menschen, und da Erbrecht nicht gänzlich ohne Testamente funktionieren kann,40 ist hier zwar niederschwellig dem «Testateur moyen»41 die Äusserung höchstpersönlicher Anliegen möglichst zu erleichtern, aber zugleich Sorge zu tragen, dass komplexere Anordnungen mit der nötigen Sorgfalt ergehen.
Die gesetzlichen Testamentsformen, bei denen zwar zahlreiche Fehler unterlaufen, aber die doch tief im Bewusstsein verankert sind, können und sollen nicht ohne weiteres erschwert werden, aber sie sollten in einer Weise optimiert werden, die qualifizierte letztwillige Äusserungen nicht in sachwidriger Weise an zwecklosen Formritualen scheitern lässt. Das bedingt, dass nicht nur beim Datum, sondern in genereller Art Mängel untergeordneter Art, welche den Zweckder Form nicht verhindern und die dank anderweitiger Anhaltspunkte heilbar sind und keine Zweifel über die Verfügungsfähigkeit oder eine andere die Gültigkeit der Verfügung betreffende Frage begründen (Art. 520a ZGB analog), ein Testament nicht ungültig werden lassen.42 Die (persönliche) Hinterlegung eines eigenhändigen Testaments, der Umstand, dass überhaupt eine öffentliche Verfügung angestrebt worden ist, aber auch sonstige qualifizierende persönliche Merkmale im Sprachgebrauch, der Verwendung von Abkürzungen, eine künstlerische Ausgestaltung sind Elemente der privaten Form, deren Bedeutung nicht überschätzt werden kann. Eine «gewöhnliche» öffentliche Beurkundung bedeutet sodann nicht eine in irgendeiner Art qualifizierte (Art. 9 ZGB) Aussage über die Urteilsfähigkeit der verfügenden Person, soweit nicht besondere Schritte43 zur fachlichen Klärung einigermassen substanziiert begründeter Zweifel unternommen worden waren.
Erbrecht und Testamentserrichtung vertragen keine Hektik. Zwar werden Nottestamente (Art. 506 f. ZGB) in technisch auf heutige Möglichkeiten zugeschnittener Form erhalten bleiben,44 aber kaum wesentlich grössere Bedeutung erlangen. Testieren auf dem Sterbebett passt nicht in die heutige Total Versorgungs- und Vorsorgelandschaft (darf aber deshalb nicht verboten werden, weil auch Zögernde Schutz und Handlungsfähigkeit geniessen). Wer aber – im Zuge der anstehenden Revision – in sämtlichen Alters- und Alltagsmedien erbrechtliche «Rundum-Wohlfühlpakete» an Mann und Frau zu bringen versucht, mag zwar einen schönen Grabstein (braucht es diesen noch?), aber auch Enttäuschung programmiert haben. Denn wie seinerzeit bei Einführung von Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung vor bald einem Jahrzehnt wird die Alltagsrealität zeigen, dass der an den Tod anschliessende Erbfall eben nicht einfach Geld in die Kasse der Erben (und auch nicht immer in die Kassen der vielfältig Beauftragten) spült, sondern Trauer, Unsicherheit, Probleme und Unwägbarkeiten auf der dereinstigen Beziehungsebene, den wirtschaftlichen und weiteren Rahmenbedingungen usw. weiterhin Stolpersteine in den Weg legen, die kein Gesetzgeber und kein Testament ohne weiteres ausräumen kann.
9. Höhere Quote und Verantwortung
Gelassenheit und Nachdenklichkeit empfehlen sich bei Planung und Abwicklung des Generationenübergangs. Die höhere verfügbare Quote gebietet eine höhere Verantwortung bei der Testamentserrichtung. Sie will nicht einfach «Maximierung» pushen, und schematische Beratung verbietet sich. Das Wissen um die immanenten Stolpersteine nach dem Tod und im Zuge des Generationenübergangs müssen bei wirklich professioneller Beratung dazu führen, dass Erblasser spüren, was die Tragweite ihrer persönlichen Anliegen in einer zukünftigen Welt sind: Nicht nur sind die Erben als menschliche Charaktere ungleich45, sondern es wird auch die Zeit der Erben eine andere sein als jene der Erblasser. Der lange Arm der Toten wird politische, wirtschaftliche und soziale Umbrüche, welche die kommenden Jahrzehnte ganz unweigerlich mit sich bringen werden, nicht hemmen können. Aber der Odem der Toten wird dieser zukünftigen Welt, die wir Lebenden noch nicht kennen, nicht wirklich erfolgreich gutes Gedeihen einhauchen.
1 Die dann mit Umsetzung der «Ehe für Alle»-Novelle wieder in der Versenkung verschwinden werden: Nur nicht umgewandelte eingetragene Partnerschaften (i.S.v. revPartG Art. 35 f. werden noch fortbestehen, aber statistisch und «biologisch» kontinuierlich an Bedeutung verlieren (aber können im Prinzip bis knapp ins 22. Jahrhundert noch überleben, was hier einfach deshalb angemerkt sei, weil intertemporalrechtliche Regeln an Bedeutung gewinnen werden und im Revisionskontext flächendeckend im Vorfeld anstehender Revisionen und später Aufmerksamkeit erfordern).
2 www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20103524. Siehe zum Ganzen die Themenseite des BJ: www.bj.admin.ch/bj/de/home/gesellschaft/gesetzgebung/erbrecht.html.
3 Die Revision per 2023 ist mithin nach einem weiteren Dritteljahrhundert in der Substanz die Fortsetzung der Besserstellung des überlebenden Ehegatten von 1988. Man kann das sehen als Bestätigung der Bedeutung der Ehe (wie auch das Postulat der «Ehe für Alle» unterstreicht); aber diese Ehe ist doch eine andere, nämlich die «heutige» Ehe und insofern ein formalisierter Vertrag (der den – u.a. erbrechtlichen – «Status» verschafft). Es sei keineswegs die Bedeutung der wirtschaftlichen Absicherung nahestehender Mitmenschen bzw. insbesondere des überlebenden Ehegatten angezweifelt (wobei die Altersarmut schwerpunktmässig nicht bei den im Alter verwitweten Personen liegt), doch nicht alle Witwen und Witwer bedürfen einer Maximalbegünstigung. Zum beharrenden Gesetzgebungskonzept vgl. Paul Eitel, «Familienbilder und das neue Erbrecht», in: Alexandra Jungo/Christiana Fountoulakis (Hrsg.), Liegenschaften, Unternehmen, Vorsorge und Unterhalt in der Familie: Planungsmöglichkeiten, 11. Symposium zum Familienrecht 2021, Zürich/Basel/Genf 2022, insb. Ziff. III und IV (im Druck).
4 www.bj.admin.ch/bj/de/home.aktuell/mm.msg-id-78427.html.
5 www.bj.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2019/2019-04-10.html.
6 Zum «Hin und Her in der parlamentarischen Beratung» siehe Alexandra Jungo, «Willensvollstreckung und volle Vorschlagszuweisung – die Klärung durch die Erbrechtsrevision», in: FS Künzle, Zürich 2021, S. 193 ff., 205 ff.
7 Spendeversprechen (Beispiel: Givingpledge.org/About.aspx) sind an sich eine gute Sache, aber sie erübrigen Erbrecht nicht; ich vertrete weiterhin (vgl. «Standort und Zukunft des Erbrechts», in: Successio 2009, S. 276 ff., 297, mit Hinweis auf einschlägige Überlegungen von Eugen Huber in Fn 75), dass gegenüber Pflichtteilserben ein verpflichtungsfreier Vermögensanfall von z.B. über drei oder über fünf Millionen Franken letztlich zwecklos ist, sofern man nicht übertriebene Ansprüche an bequemen Lebensgenuss stellt bzw. solchen als Zweck des Pflichtteils sieht (was aber natürlich eine mejora [dort S. 297 mit Fn 77] bedingen würde, weil es nicht per se ein Sondererbrecht für besonders Wohlhabende braucht, sondern das Gleichheitsprinzip von Art. 457 Abs. 2 ZGB grundsätzlich gilt.
8 So der Titel des nach wie vor lesenswerten «Kursbuch» Nr. 135, Berlin März 1999; weiterführend auch: Stefan Willer / Sigrid Weigel / Bernhard Jussen (Hrsg.), Erbe – Übertragungskonzepte zwischen Natur und Kultur, Berlin 2013 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2052).
9 Byung-Chul Han, Palliativgesellschaft – Schmerz heute, Berlin 2020.
10 Zum einkommensmässigen Mittelstand siehe www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/wirtschaftliche-soziale-situation-bevoelkerung/soziale-situation-wohlbefinden-und-armut/einkommensmitte.html; aus mittleren Einkommen resultiert keine Sparquote, die relevante Vermögensbildung ermöglicht (vgl. z.B. Olivia Kühni, «Warum Sie mit Arbeit niemals reich werden», in: «Republik» vom 15.9.2021). Dass Vermögensbildung nicht einfach ist, unterstreicht aber nur die Bedeutung zumindest des erbrechtlichen Transfers vorhandener Vermögen gerade für den Mittelstand.
11 So im Anschluss an Anne Röthel, «Ist es gerecht, dass es ein Recht zu vererben gibt?», in: AcP 2020, S. 19 ff., Peter Breitschmid, «Darf man erben?», in: Successio 15/2021, S. 87 ff.
12 Meine Venia schliesst steuerliche Aspekte nicht ein; aber was bei diesem weitläufigen Feld einfach zu bedenken bleibt: Steuern sind geschuldet, wenn man nicht die Nützlichkeit eines funktionierenden Staatswesens grundsätzlich in Frage stellt, welcher Gedanke unter Corona-Bedingungen einige Köpfe umzutreiben scheint, aber nicht ernsthaft zu diskutieren ist. Ebenso unbestritten ist, dass die Steuern der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflichtigen folgen müssen. Als Erbrechtler bin ich indes dezidiert gegen eine Erbschaftssteuer, die im Zuge des Generationenübergangs an die Substanz des Nachlasses greift und die liquiden Mittel absaugt (weil dies den Realteilungsanspruch verunmöglicht und die Translationsfunktion des Erbrechts schwer behindert) oder die an die (zufällige) verwandtschaftliche Nähe anknüpft (weil dann der Steuergesetzgeber die zivilrechtliche Testierfreiheit manipuliert und die Bedeutung von Beziehungen taxiert), aber es versteht sich, dass eine Vermögenssteuer dem Anspruch auf eine Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit genügt und – da periodisch-jährlich anfallend – weit einfacher zu handhaben ist als ein grösserer Abfluss liquider Mittel im zufälligen Zeitpunkt des Todes. Richtigerweise sind deshalb im internationalen Vergleich nicht Erbschaftssteuersätze, sondern die Vermögenssteuerbelastung, gerechnet über eine durchschnittliche Generation, zu vergleichen.
13 Die Botschaft rückt in BBl 2018, S. 5820, einerseits richtigerweise die Einfachheit und Verständlichkeit der Huberschen Konzeption in den Vordergrund, aber hatte zugleich die Maxime, konzeptionell nichts anzutasten.
14 «Politisch» war die Reform an sich; zur Etappierung Botschaft BBl 2018, S. 5826; vgl. Hinweise in meinem Beitrag, «Erbrecht: Stabilität und Reform … und der Übergang von fortdauernder Reform zu Stabilität», in: Successio 4/2020, S. 402 ff.
15 Dies, nachdem die bundesrätliche Botschaft solche Phänomene eingangs (BBl 2018, S. 5818 f.) einlässlich beschreibt.
16 Titelseite von plädoyer 3/2016.
17 Siehe weiterhin die massgebliche Publikation von Regina Aebi-Müller, Die optimale Begünstigung des überlebenden Ehegatten, 2. Aufl., Bern 2007.
18 In einer auf Autonomie pochenden individualistisch-egoistisch geprägten Gesellschaft werden sie auch weiterhin von etlichen als störend empfunden werden, aber waren – zu Recht – im Zuge der Revision «unverhandelbar»: Botschaft, BBl 2018, S. 5830. Zur breiten Verwurzelung dieses Konzepts u.a. Reinhard Zimmermann, «Pflichtteil und Noterbenrecht in historisch-vergleichender Perspektive», in: RabelsZ, 3/2020, S. 465 ff.
19 So Botschaft BBl 2018, S. 5820 (vgl. Fn 13).
20 Gesetzgebungstechnisches Highlight im Detail: Es wurden nun am 19.12.2020 auch eingetragene Partner in Art. 473 ZGB explizit aufgenommen, die an demselben 19.12.2020 durch den Übergang zu «Ehe für Alle» eigentlich nur noch übergangsrechtlich überhaupt eine Rolle spielen werden.
21 Nämlich die im Gesetzgebungsprozess erwähnten, aber gesetzlich weiterhin nicht abgebildeten «modernen» Beziehungsformen.
22 Siehe die einlässliche Darstellung bei Alexandra Jungo / Raphael Dummermuth, «Neues Erbrecht – neue Gestaltungsspielräume», in: Der Bernische Notar, 3/2021, S. 181 ff.; in den Materialien finden sich Voten, die auf eindrückliche Art belegen, dass Kenntnis des Debattegegenstands in keiner Weise notwendig ist.
23 «Technisch» gesehen wäre nämlich die Vorschlagszuweisung im Hinblick auf die Auflösung der Ehe durch den Tod zwar unter Lebenden geschlossen, aber durch den zwingenden Wirkungszeitpunkt (Art. 217 bzw. Art. 242 ZGB e contrario) nach den klassischen Kriterien (massgebliche Wirkungen erst im Zeitpunkt des Todes) Rechtsgeschäft von Todes wegen; auf die von der Doktrin geradezu liebevoll gepflogene Kontroverse ist nun aber nicht mehr zurückzukommen.
24 Viel gesetzgeberische Schreibarbeit für ein Detailproblem.
25 Bei einer «reinen 111er-Scheidung» ist hingegen das Thema eigentlich irrelevant.
26 Vgl. die massiv strengeren Voraussetzungen bei Art. 540 ZGB; ein zur Scheidung führendes (Fehl-)Verhalten ist nach gängigem Verständnis von Art. 477 ZGB und dem Konzept einer nicht (mehr) auf Verschulden basierenden Scheidung ebenfalls nur ausnahmsweise tauglicher Enterbungsgrund.
27 Seit Einreichung der Motion Gutzwiller im Juni 2010 bis zum Inkrafttreten der ersten Revisionsetappe am 1.1.2023 wird ein Achteljahrhundert verstrichen sein.
28 BGE 143 III 425; dazu nun Felix Schöbi, «Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Erbteilung», in: Successio 2/2021, S. 108 ff., in der Sache ist weiterhin zu bedenken, dass bei gleicher Ausgangslage ein Zufallsentscheid adäquat und nur bei ungleicher Ausgangslage ein sachlicher (und nicht etwa abgedroschenen Gender-Klischees folgender: Schöbi, a.a.O. 115) Zuweisungsentscheid zu ergehen hätte.
29 Vgl. hinten 7. Nachfolge im Unternehmen mit Fn 35.
30 BGE 116 II 117 und 117 II 145, vgl. Thomas Geiser / Stephan Wolf (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, Peter Breitschmid, Art. 505, N 7.
31 «Der» geeignete Selbstbewirtschafter nach Art. 9 Abs. 2 BGBB ist – vielleicht etwas «branchenspezifisch» – tatsächlich meist männlich (vgl. z.B. «Tages-Anzeiger» vom 25.10.2021, S. 3); da Art. 19 BGBB dem Erblasser (oder der Erblasserin/der Unternehmerin) gänzliche Freiheit bei der Auswahl unter (mehreren geeigneten) pflichtteilsgeschützten Erben einräumt, könnte man sich schon die Frage stellen, ob einziges Kriterium der (besseren bzw. besten) Eignung die Sympathie des Erblassers sein darf, der immerhin unter Pflichtteilserben triagiert. Faktisch hat sich indes durch die laufende Zusammenarbeit der Generationen auf dem Betrieb die Lösung längst vor dem Erbfall institutionalisiert. Wo nicht eine notfallmässige Nachfolge in jüngeren Jahren aufgrund eines unerwarteten Todesfalls gefunden werden muss, dürften sich die Verhältnisse in KMU-Nachfolgen dereinst nicht gross unterscheiden, denn meist wird nur ein bereits im Betrieb tätiger Miterbe geeigneter Nachfolger sein und soll ja ein «Verdrängungskampf» vermieden werden; warnend sei allerdings doch angemerkt, dass solche Teilungsvorschriften oder Auflagen (darum geht es qualitativ) an allgemeinen (z.B. Willens-)Mängeln leiden oder Art. 482 Abs. 2 oder 3 ZGB tangieren könnten und damit ein Prozess drohen kann.
32 Ein ungeeigneter Unternehmensnachfolger verdient keine Privilegierung, aber ein innovativer Wertschriftenerbe verdient ein durch Erbschaft erlangtes Venture-Kapital. Der «Eignungstest» ist natürlich heikel, in der Struktur allerdings aufgrund von Art. 9 Abs. 2 BGBB vorgezeichnet, indes (vgl. Fn 31) wohl (zu) stark durch subjektivemotionale Kriterien gesteuert: Eine Willensmängelanfechtung (Irrtum über Qualifikationen des testamentarisch bestimmten Nachfolgers) ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.
33 Ererbte unternehmerische Verantwortung ist auch «Vermögen», aber sinnvollerweise zurückhaltender zu belasten, um nicht (auch im Erbfall) substanziell betriebsnotwendige Liquidität abzusaugen, als übermässige bis masslose Boni von angestellten Kaum-Verantwortungsträgern; aber umgekehrt ist auch zu bedenken, dass Kapital, das (wirklich) unternehmerisch genutzt wird, «arbeitet» und nicht einfach «geniesst», weshalb aber die steuerlich oft vorteilhafte Auslagerung von Hobbys in «Strukturen» blosser Vermögensschutz zum Eigennutz mit geringer volkswirtschaftlicher Nützlichkeit darstellt.
34 Im Sinne einer subjektiven Empirie mag gelten, dass natürlich nicht nur die Steueroptimierung, sondern auch die Nachlassplanung bei höherem Vermögen höheren Stellenwert geniesst; während scheinbar grossartige Planung allerdings auch mässig erfolgreich funktionieren kann, wäre bisweilen bei kleineren Vermögen eher mehr Planung geboten, indes qualitativ sinnvolle Planung – mit Ausnahme preisgünstiger öffentlicher Notariate – wenig erschwinglich, was wiederum die Bedeutung einer beziehungstypen-übergreifenden gesetzlichen Ordnung unterstreicht: KMUs haben da die bessere Lobby als unverheiratete Paare, die auch in dieser Hinsicht unstrukturiert sind.
35 Vgl. z.B. Karin Gottschalk, «Erbe und Recht – Die Übertragung von Eigentum in der frühen Neuzeit», in: Willer et al. (Fn 8), S. 85 ff., 124 f.: Man würde dies heute als «Gender»-Thema angehen, doch handelt es sich umfassender und zweckmässiger um eine auf die Persönlichkeit der Beteiligten abzustimmende Frage.
36 Lediglich bezüglich der Datierung des eigenhändigen Testaments hatte die Gesetzgebung 1996 ein Einsehen, im Anschluss an erste Schritte des Bundesgerichts (oben Fn 30); weiterhin führen gleiche Versehen einer Urkundsperson zu Irritationen.
37 So sah das unlängst auch das Zivilgericht Basel-Stadt im Entscheid K5.2020.21 vom 27.10.2021 (noch nicht rechtskräftig).
38 Und auch über die (qualitativ letztlich belanglosen) Ansätze hinausgehen, welche testamentsspezifisch in Art. 501 f. ZGB umrissen sind (vgl. BGE 118 II 273, E. 3.b, der einen bloss rituellen und nicht qualitativ relevanten Fehler der Urkundsperson zulasten des Erblassers geahndet hatte).
39 Vgl. vorn 6. Weitere nötige Reformen.
40 Vgl. vorne bei Fn 16.
41 Zum Begriff des «Durchschnitts-Erblassers» hatte ich mich vor bald vier Jahrzehnten in Anlehnung an eine französische Dissertation schon geäussert: Peter Breitschmid, Formvorschriften im Testamentsrecht, Zürich 1982, u.a. Nr 75.
42 Das würde namentlich die «technische» Substitution (audio-visuelle Elemente einer Aufzeichnung des Testiervorgangs, elektronische Unterzeichnung i.S.v. Art. 55a SchlT usf.) einschliessen (s. Fn 43).
43 Urteilsfähigkeit wird vermutet, doch kann diese Vermutung «kippen» (BGE 124 III 5); in kritischen Fällen wären gewissermassen Beweissicherungsmassnahmen i.S.v. Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO denkbar: Die Einholung eines (Privat-)Gutachtens über die Urteilsfähigkeit der verfügenden Person spielt auf gleicher Ebene wie die vorsorgliche Einvernahme eines hochbetagten Zeugen, der versterben könnte; indes erlaubt das Vorgehen über die ZPO, ein gerichtliches Gutachten zu veranlassen; dies scheint zwar in Richtung einer gerichtlichen Testiererlaubnis zu tendieren, doch wird nicht das Testament gebilligt (das ja auch noch geändert werden könnte), sondern nur die Urteilsfähigkeit der verfügenden Person im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (und idealerweise im Blick auf die Tragweite der konkret getroffenen Anordnungen) durch eine vom Gericht beauftragte Fachperson beurteilt. Das Vorgehen im Einzelnen ist noch weitgehend ungeklärt, da natürlich die Begünstigten nicht auf die Unabhängigkeit der beigezogenen Fachperson hinwirken können (sie werden i.d.R. von der Testamentserrichtung gar nichts erfahren), was dem Gericht obliegt.
44 In den Medien hatte das audiovisuelle Nottestament des Vorentwurfs beträchtliche Aufmerksamkeit gefunden; ob es sich allerdings empfiehlt, bestimmte technische Vorgehensweisen in einem Gesetzestext zu benennen, kann man bezweifeln.
45 Rolf Lappert umschreibt das in seinem Buchtitel in idealer Weise: Das Leben ist ein unregelmässiges Verb! (Hanser, München 2020).