Verfassungsrecht
Grundrechte
Vereinigungsfreiheit dominiert Verbot der Geschlechtsdiskriminierung. Hans Michael Riemer, Recht 2014, S. 233 f.
Der Autor erläutert das Bundesgerichtsurteil 2C_421/2013 vom 21. März 2014 zur Frage, ob die Studentenverbindung Zofingia in Lausanne Frauen aufnehmen muss, und findet es problematisch, obschon ein in der mündlichen Beratung geäusserter «blanker Irrtum» glücklicherweise in der schriftlichen Fassung weggelassen wurde.
Kooperativer Grundrechtsschutz zwischen EuGH, BVerfG und EGMR. Markus Ludwigs, EuGRZ 2014, S. 273 ff.
Der Beitrag zeigt die Architektur des gerichtlichen Grundrechtsschutzes in Europa auf. Bei der Frage, ob das System als konfliktär, bloss nebeneinander bestehend oder aber zusammenarbeitend zu bewerten sei, kommt er zum positiven Fazit, dass es sich um einen kooperativen Grundrechtsschutz handle.
Übriges Verfassungsrecht
Zur Rolle des Bundesgerichts bei der Verfassungsauslegung. Astrid Epiney, jusletter vom 6.10.2014.
Die Autorin geht der Frage nach, ob der gelegentlich erhobene Vorwurf zutrifft, das Bundesgericht überschreite seine Kompetenzen und lege die Verfassung nicht nur aus, sondern betreibe eine (unzulässige) Rechtsfortbildung. Am Beispiel des BGE 139 I 16 zur Ausschaffungsinitiative stellt sie hierfür grundsätzliche Überlegungen zur Rolle des Bundesgerichts bei der Verfassungsauslegung an.
Verwaltungsrecht
Ausländer- und Asylrecht
Der Verlust der Arbeitnehmerschaft im Freizügigkeitsabkommen. Benedikt Pirker, AJP 2014, S. 1217 ff.
Der Beitrag untersucht die Rechtsstellung von Bürgern der Europäischen Union, die in der Schweiz zwischen Phasen von Arbeitslosigkeit und kurzen Beschäftigungsverhältnissen stehen. Der Autor versucht aufgrund des Freizügigkeitsabkommens und der Rechtsprechung aufzuzeigen, wann eine solche Person den Arbeitnehmerstatus verliert und wann sie ihn gegebenenfalls wiedererlangt.
Sozialversicherungsrecht
AHV, IV, EL und ALV
Anrechnung eines Vermögensverzichts im Ergänzungsleistungsrecht: Problemstellungen, Fehlanreize und Lösungsansätze. Anjushka Früh, jusletter vom 20.10.2014.
Der Beitrag zeigt auf, dass die bestehende Regelung im EL-Recht zur Anrechnung eines Vermögensverzichts in vielen Fällen einen ungerechtfertigten Bezug von Ergänzungsleistungen zwar verhindert, es aber Fallkonstellationen gibt, in denen sie zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Die Autorin postuliert deshalb eine Anpassung von Gesetz und Praxis insbesondere bei Kapitalauszahlungen aus beruflicher und freier Vorsorge und anschliessenden Vermögenshingaben.
Erneute Beanspruchung von Arbeitslosenentschädigung nach abgelaufener Rahmenfrist für den Leistungsbezug: Folgerahmenfristen und ihre Besonderheiten. Alexia Heine und Beatrice Polla, ARV 2/2014, S. 77–86.
Grundsätzlich wird eine Folgerahmenfrist unter denselben Voraussetzungen eröffnet wie die erste Rahmenfrist. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für eine Folgerahmenfrist nicht gegeben sind, obwohl sie bei der ersten Rahmenfrist noch gegeben waren.
BVG
Die Lebenspartnerrente gemäss Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG. Lucrezia Glanzmann-Tarnutzer, AJP 2014, S. 1145 ff.
Die Autorin leuchtet den Spielraum aus, den die Vorsorgeeinrichtungen haben, wenn sie die formellen und die materiellen Erfordernisse für die Begünstigung des überlebenden Lebenspartners umschreiben. Sie zeigt auf, dass es inbesondere zulässig ist, wenn eine Vorsorgeeinrichtung als Voraussetzung für die Annahme einer Lebensgemeinschaft daran festhält, dass eine Wohngemeinschaft geführt wurde.
KVG und UVG
Non-remboursement de la fécondation in vitro: il est temps de changer d’avis. Valérie Junod, Dominique Sprumont und Anne Decollogny, SZS 58/2014, S. 387–419.
Im Gegensatz zu diversen medizinischen Behandlungen bei Unfruchtbarkeit wird die In-vitro-Fertilisation nicht von der Grundversicherung der Krankenkasse übernommen. Die drei Autoren kritisieren die aktuelle bundesgerichtliche Rechtsprechung und plädieren mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dafür, dass die Kosten zu übernehmen sind.
Privatrecht
Familienrecht
Der urteilsunfähige Patient – eine zivilrechtliche Auslegeordnung. Regina Aebi-Müller, jusletter vom 22.9.2014.
Bei der Zustimmung zu medizinischen Behandlungen kommt der Urteilsfähigkeit der Patienten entscheidende Bedeutung zu. Der Beitrag befasst sich unter anderem mit den Fragen, wie die Urteilsfähigkeit zu klären und wie bei Urteilsunfähigkeit der Patienten vorzugehen ist.
Das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Mathias Kuhn, Recht 2014, S. 218 ff.
Das ZGB regelt nur die grundlegenden Aspekte des Verfahrens. Daneben sind kantonale Einführungsgesetze und subsidiär die ZPO anwendbar. Der Autor ist Inspektor der KESB in Bern und erläutert am Beispiel des Kantons Bern das Zusammenspiel von kantonalen und eidgenössischen Verfahrensnormen.
Sachenrecht
«Numerus clausus» – Bemerkungen zum sachenrechtlichen Prinzip des Typenzwangs. Christina Schmid-Tschirren, Der Bernische Notar 3/2014, S. 443 ff.
Die Ausgabe Nr. 3 des Berner Notars enthält allgemeine Ausführungen zum Numerus clausus im Sinne der Typengebundenheit und Typenfixierung sowie drei konkrete Beispiele einer Weiterentwicklung des Numerus clausus durch Gesetzesänderung beziehungsweise Rechtsfortbildung, nämlich bei der Nutzniessung an Gebäude- und Grundstücksteilen, bei der Sicherungsübereignung sowie bei der sogenannten Obligation mit einer Grundpfandverschreibung.
Obligationenrecht
Das geplante Widerrufsrecht im E-Commerce nach OR. Flavio Delli Colli und Leo Rusterholz, jusletter vom 8.9.2014.
Eine aus Händlersicht kritische Auseinandersetzung mit der derzeit auf Bundesebene diskutierten Einführung eines 14-tägigen Widerrufsrechts im Telefon- und Fernabsatzhandel.
Arbeitsvertragsrecht
Der neue Art. 333b OR. Adrian von Kaenel, jusletter vom 29.9.2014.
Seit dem 1. Januar 2014 gilt Art. 333b OR, der mit dem neuen Sanierungsrecht revidiert wurde. Er beschränkt den Anwendungsbereich von Art. 333 OR, indem Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübergängen während einer Nachlassstundung, bei einem Konkurs oder bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung nur noch dann und unter Ausschluss der Solidarhaftung auf den Erwerber übergehen, wenn es so vereinbart worden ist. Der Beitrag analysiert die neue Regelung und ihre Auswirkungen und postuliert überdies deren Anwendung auch bei Übertragungen nach Fusionsgesetz.
Die Sozialplanverhandlungspflicht nach Art. 335h ff. OR. Laura Widmer, jusletter vom 29.9.2014.
Die Autorin zeigt Unklarheiten bezüglich Voraussetzungen und Rechtsfolgen der neuen Sozialplanverhandlungspflicht auf. Ferner befasst sie sich mit dem gesetzlichen Novum der Zwangsschiedsgerichtsbarkeit bei Nichteinigung, deren praktische Umsetzung verschiedene, von der Lehre meist bloss am Rand thematisierte Herausforderungen bringt.
Ausgewählte Fragen des neuen Sanierungsrechts. Luca Cirigliano, jusletter vom 29.9. 2014.
Auch dieser Beitrag befasst sich mit Aspekten des revidierten Sanierungsrechts, unter anderem mit der Frage, was konkret in einem Sozialplan als Minimum geregelt werden soll und welche Rolle dabei den Gesamtarbeitsverträgen zukommt.
Werkvertrags- und Auftragsrecht
Mängelrüge bei Planmängeln – eine andere Einschätzung der «Sennhof»-Urteile. Franz-Xaver Ulrich,
Baurecht 2014, S. 180 ff.
Die Frage knüpft an die Bundesgerichtsurteile 4A-55/2012 und 4A-53/2012 vom 31. Juli 2012 zu verpasster Rügefrist nach Kostenüberschreitungen beim Schulhaus Sennhof in Winterthur an: Müssen Planmängel, die zu einem Bauwerksmangel führen, sofort und separat gerügt werden, auch wenn in den massgeblichen Verträgen die SIA-Ordnungen 102 und 103 übernommen wurden? Der Autor kommt zum Schluss, dass diese Frage vom Bundesgericht bislang noch nicht beantwortet wurde. Auch die neuen SIA-Ordnungen 102 und 103 bringen keine umfassende Klärung. Es gilt deshalb bis auf weiteres, Planmängel sofort und separat zu rügen.
Übriges Vertragsrecht
Autoleasing in Pfändung und Konkurs. Michael Krampf, BlSchK 4/2014, S. 121 ff.
Der Autor erläutert die Konsequenzen eines fehlerhaften Konsumenten-Autoleasingvertrags.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Die Revision des Genossenschaftsrechts für Grossgenossenschaften ist überfällig. Herbert Wohlmann, jusletter vom 15.9.2014.
Der Autor begrüsst das gegen die Raiffeisenkasse ausgesprochene bundesgerichtliche Verbot der Ausgabe von Beteiligungsscheinen. Da den Grossgenossenschaften diese Finanzierungsmöglichkeit eröffnet werden solle, dies aber die gleichzeitige Beseitigung anderer Defizite erfordere, sollten für Grossgenossenschaften das Recht grundsätzlich revidiert oder die Grossgenossenschaften in den Typus der «Genossenschaftlichen AG» überführt werden.
Wettbewerbs- und Kartellrecht
Zeitlicher Anwendungsbereich von Art. 8 UWG. Bemerkungen zum BGE 4A_475/2013. Vito Roberto und Bernhard Stehle, Recht 2014, 235 ff.
Das Bundesgericht hat entschieden, dass eine automatische Vertragsverlängerung, die eintrat, als der revidierte Art. 8 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) noch nicht in Kraft war, nach früherem Recht zu entscheiden ist. Der revidierte Art. 8 UWG ist auf Verträge anwendbar, die nach dem 1. Juli 2012 abgeschlossen wurden, und auf ältere Verträge, sofern deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Rechtswirkungen regeln, die erst nach dem 1. Juli 2012 entstanden sind oder fällig geworden sind.
Bank- und Börsenrecht
Das schweizerische Bankprivatrecht 2013–2014 / Le droit bancaire privé suisse 2013–2014. Susan Emmenegger und Luc Thévenoz unter Mitarbeit von Endrit Poda und Céline Martin, SZW 4/2014, S. 418 ff.
Die Autoren geben auf Deutsch und Französisch einen kompetenten Überblick über das schweizerische Bankprivatrecht der vergangenen zwei Jahre. Die Zusammenfassung erfolgt im Stil einer Chronik und gibt Entscheide des Bundesgerichts, kantonale Entscheide und Veröffentlichungen der Finma wieder. Die Zusammenfassungen sind thematisch gegliedert. Teilweise finden sich sehr interessante Entscheidungen. Empfehlenswert für alle Praktiker des Bankrechts.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Zivilprozessrecht
Vorsorgliche Beweisführung zur Wahrung eines schutzwürdigen Interesses. Isaak Meier, SJZ 2014, S. 309 ff.
Der Autor analysiert, ob das Institut der vorsorglichen Beweisführung zur Wahrung schutzwürdiger Interessen, wie es im englischen Recht Anwendung findet, nicht auch vermehrt in der Schweiz zur Sicherung der Transparenz und Chancengleichheit im Prozess dienen kann. Er kommt zum Schluss, dass das Institut in der Schweiz nur sehr bedingt mit dem angelsächsischen Recht vergleichbar ist, regt aber an, auch der beklagten Partei im Sinne der Gleichbehandlung eine vorsorgliche Beweisführung zuzugestehen.
ZPO – Praktische Fragen aus Richtersicht. Andreas Müller, SJZ 2014, S. 369 ff.
Der Autor zeigt auf, welche Veränderungen durch die schweizerische ZPO in den kantonalen Prozessabläufen eingetreten sind. Nach wie vor unterscheiden sich die Hauptverhandlungen in Zürich und Bern deutlich voneinander. Weiter äussert sich der Autor zur Beweisverfügung und zur Beweislast, zum Replikrecht, zum Umfang der Rechtsschriften sowie zum Berufungsverfahren.
Die Streitverkündungsklage in Bausachen. Andreas Güngerich, Baurecht 2014, S. 117 ff.
In baurechtlichen Streitigkeiten sind typischerweise mehrere Parteien involviert. Für einen Beklagten ist es damit naheliegend, eine eigene – mögliche – Verantwortlichkeit auf weitere Beteiligte abzuwälzen. Die Streitverkündungsklage kann in dieser Situation der Prozessökonomie dienen, birgt aber auch Nachteile, indem sie das Hauptverfahren erschwert und darüber hinaus auch Kostenrisiken mit sich bringt.
Die materielle Abweisung eines Gesuchs um Rechtsschutz in klaren Fällen. Andreas Baeckert, jusletter vom 8.9.2014.
Kritik an dem zur Publikation vorgesehenen Urteil 4A_68/2014, mit dem das Bundesgericht die umstrittene Frage, ob ein Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen materiell abgewiesen werden kann, aufgrund einer grammatikalischen und historischen Auslegung von Art. 257 ZPO verneint hat.
Sind in Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen ausschliesslich Dokumente als Beweismittel zuzulassen?Philipp Haberbeck, jusletter vom 8.9.2014.
Der Autor untersucht die in der Lehre umstrittene und vom Bundesgericht bisher offengelassene Frage, ob in Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen nebst Urkunden auch andere Beweismittel, namentlich Zeugenaussagen, zuzulassen sind. Eine restriktive Gesetzesauslegung würde nach seiner Ansicht unter Umständen zu sachlich ungerechtfertigten und unbefriedigenden Ergebnissen führen.
Europarecht
Übriges Europarecht
Rechtsgrundlagen der «smart sanctions» der EU im Gefolge der Krim-Krise. Waldemar Hummer, EUZ 5/2014, S. 100 ff.
Der Artikel bietet eine Übersicht über Konzeption und Praxis der EU-Sanktionen gegen Russland sowie einen Vergleich zum Sanktionsregime der USA. Wer sich mit der Bundesratsverordnung über Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine zu befassen hat, findet hier deren Bezugsrahmen.
Die asymmetrische Demokratie. Dimitris N. Triantafyllou, EuR 4/2014, S. 458 ff.
Der Autor analysiert die demokratiepolitischen Verwerfungen, welche durch die Schuldenkrise in der Europäischen Union entstanden sind. Durch seine Unterscheidung zwischen Gläubiger- und Schuldnerdemokratien bietet Triantafyllou insbesondere dem schweizerischen Publikum eine erfrischend andere Sicht auf das angebliche Demokratiedefizit der EU.
Unbegründete Kritik am Urteil Gross. Ludwig A. Minelli, SZIER 3/2013, S. 339 ff.
Mit gewohnt eleganter Feder verteidigt Minelli das Urteil der Zweiten Sektion des EGMR im Fall Alda Gross gegen die Schweiz. Wer sich für die Sterbehilfe aus konventionsrechtlicher Sicht interessiert, findet im Schlagabtausch zwischen Ludwig A. Minelli und Hector Entenza (SZIER 2/2014, 189 ff.) wertvolle Gedankenanstösse.