Verfassungsrecht
Grundrechte
Wirkungsweisen von Verfassungsrecht. Matthias Mahlmann, ZBl 2017, S. 3 ff.
Verfassungsauslegung kann laut Autor nicht ohne Grundannahmen zu Funktion und Ziel des Verfassungsrechts – und damit ohne Verfassungstheorie – gelingen. Verfassungsmässiger Agnostizismus diene der demokratischen Verfassungsrechtspraxis auch in ihrem Alltag nicht.
Zum Prinzipienbegriff im öffentlichen Recht. Lorenz Engi, ZBl 2017, S. 59 ff.
In einer ersten Form bezeichnet «Prinzip» eine grundlegende Leitidee, die den Staat im Ganzen prägt, in einem zweiten Sinn bezieht sich der Ausdruck Prinzip auf Normen, die direkt anwendbaren Regeln gegenüberstehen.
Ausbürgerung terroristischer Kämpfer. Möglichkeiten nach der geltenden und nach der revidierten Bürgerrechtsgesetzgebung,
AJP 1/2017, S. 73–89.
Mit dem totalrevidierten Bürgerrechtsgesetz und der vom Bundesrat im Juni 2016 erlassenen Ausführungsverordnung liegen erstmals konkret definierte Kriterien vor, die eine Ausbürgerung von terroristischen Kämpfern ermöglichen. Dennoch bestehen laut dem Autor weiterhin Spannungsfelder und zentrale Rechtsfragen bleiben ungeklärt. In seinem Beitrag unterbreitet der Jurist Lösungsvorschläge, wie diese Spannungsfelder zu lösen sind.
Zwischen Skylla und Charybdis. Aktuelle Tendenzen in der strafrechtlichen und in der strafprozessrechtlichen Gesetzgebung. Daniel Jositsch, Jusletter 13.2.2017.
Der Autor geht auf die Umsetzungsarbeiten in der Rechtskommission des Ständerats zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» ein und widmet sich weiteren Gesetzgebungsprojekten im Straf- und Strafprozessrecht.
Ausländer- und Asylrecht
Usage de la contrainte et de l’incitation dans le processus d’expulsion. Ou comment gouverner les étrangers à expulser? Ibrahim Soysüren, Asyl 1/17, S. 3–9.
Dieser Beitrag untersucht die Anwendung von Zwang und Anreizen wie Rückkehrhilfen durch kantonale Behörden, um Wegweisungsverfügungen durchzusetzen. Die Studie stützt sich auf rund 130 Interviews. Der Autor kritisiert, dass straffällig gewordenen Ausländern und Sans-Papiers in den meisten Kantonen keine Anreize zur Rückkehr zur Verfügung stehen.
Verwaltungsrecht
Diskriminierende Personenkontrollen: Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Vorgaben. Rechtslage und Praxis. Markus H. F. Mohler, Jusletter vom 6.3.2017.
Das Diskriminierungsverbot in Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung stützt sich u.a. auf Anknüpfungskriterien wie «Rasse» und (ethnische) Herkunft. Der Beitrag macht deutlich, dass diese Ausdrücke von der Kulturanthropologie als unbrauchbar und von der Rechtswissenschaft als unhaltbar bezeichnet werden. Andere objektive Kriterien und der Einbezug der subjektiven Seite könnten mit deutlicheren Vorgaben bessere Ergebnisse zeitigen, so der Autor. Dabei stelle die Plausibilität eines vernünftigen Anfangsverdachts ein wesentliches Element dar.
Umwelt-, Bau- und Planungsrecht
Der räumliche Gewässerschutz – historischer Geniestreich oder untragbare Last für alle? Norbert Kräuchi, URP 7/2016, S. 697 ff.
Der Autor befasst sich mit den von den Kantonen und Gemeinden zu ergreifenden Massnahmen zum Gewässerschutz. Die Vernetzung und Aufwertung von Lebensräumen, die Revitalisierung von Gewässern und die Ausscheidung von Gewässerräumen böten «eine Chance par excellence, denn diese Massnahmen sind auch Massnahmen erster Güte für die Anpassung an den Klimawandel».
Gewässerraum im Nichtbaugebiet. Hans Maurer, URP 7/2016, S. 714 ff.
Hans Maurer postuliert, dass der Gewässerraum im Nichtbaugebiet ein grundlegender Baustein für die Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie darstelle und somit eine Art «landesweite Raumplanung im Nichtbaugebiet» bilde. Daraus leitet der Autor zahlreiche Forderungen – insbesondere an die Behörden und die Landwirtschaft – ab.
Spielräume der Kantone in der Gesetzgebung und der Rechtsanwendung. Jeannette Kehrli, URP 7/2016, S. 738 ff.
Die Autorin stellt die Möglichkeiten und Grenzen der kantonalen Rechtsetzung und -anwendung dar. Sie streicht dabei die Bedeutung der Letzteren heraus.
Übriges Verwaltungsrecht
Wem gehören meine Daten? Zu Sinn und Nutzen einer Erweiterung des Eigentumsbegriffs. Florent Thouvenin, SJZ 2017, S. 21 ff.
Anhand von zwei Varianten für Ausgestaltung und Erweiterung des Eigentumsbegriffs zeigt der Autor auf, wie sich ein Eigentum an Personendaten in die bestehende Rechtsordnung einfügen könnte. Nachdem das Bundesgericht das Dogma der jederzeitigen Widerrufbarkeit der Einwilligung in eine Persönlichkeitsverletzung aufgegeben hat, können alternative Wege für die Transaktionsfähigkeit von Daten geprüft werden.
Sozialversicherungsrecht
Sozialversicherungsrecht im Zeitalter der Robotik. Kurt Pärli, AJP 2/2017, S. 225–231.
Der Autor ist überzeugt, dass das Robotikzeitalter auch das Sozialversicherungsrecht herausfordern wird. Im Brennpunkt stünden Fragen der Finanzierung der Sozialwerke, «wenn als Folge der Robotisierung Arbeitsplätze verloren gehen, was sich bei Aufrechterhaltung des heutigen Finanzierungssystems der Sozialversicherungen auf die Einnahme auswirkt». Zudem thematisiert der Autor die rasante technische Entwicklung von «Gehhilfen», namentlich im Bereich der Exoskelette, aber auch bei computergestützten Gelenken und Prothesen. Sie kollidiere mit dem heutigen Konzept in der Invaliden- und Unfallversicherung, wonach Hilfsmittel nur in zweckmässiger und einfacher Ausführung zulasten der Sozialversicherungen finanziert würden.
KVG und UVG
Erste UVG-Revision: Wichtigste Änderungen und mögliche Probleme. Markus Hüsler, SZS 61/2017, S. 26–57.
Ausführliche Darstellung über sämtliche am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Neuerungen im Bereich des UVG. Auf Punkte wie die unfallähnlichen Körperschädigungen oder Invalidenrenten wird besonders hingewiesen.
Privatrecht
Erbrecht
Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit im Erbrecht, Murielle Fischer, Jusletter vom 13.2.2017.
Nach dem Grundsatz der Höchstpersönlichkeit hat der Erblasser den Inhalt einer letztwilligen Verfügung in eigener Person festzulegen. Die Autorin geht inbesondere auf das Delegationsverbot und die Frage ein, wie viel Flexibilität bei der Ausgestaltung einer Verfügung von Todes wegen zugelassen werden kann.
Arbeitsvertragsrecht
Auslagerung von Aufgaben (Outsourcing): Betriebsübergang im Sinn von Art. 333 OR? Sergio Bortolani, SJZ 2017, S. 49 ff.
Ausgehend von der Rechtsprechung analysiert der Autor, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen über den Betriebsübergang auch in einem Outsourcingvertrag und beim Wechsel eines Serviceproviders zur Anwendung gelangen. Er zeigt auf, wie bei der Ausgestaltung von In- und Outsourcingverträgen und beim Serviceproviderwechsel den zwingenden Bestimmungen von Art. 333 OR genügt werden kann.
Neue Formen der Arbeitsorganisation: Internetplattformen als Arbeitgeber, Kurt Pärli, ARV 4/2016, S. 243–254.
Internetplattformen und Apps wie «Uber», «Clickworker» oder «MTurk» halten sich nicht an das Arbeitsgesetz oder an zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften. Für die Betroffenen droht ein «App-Prekariat». Arbeitsrecht oder gar Auftragsrecht müssen diesen Realitäten angepasst werden und menschenwürdige Beschäftigungsverhältnisse garantieren.
Werkvertrags- und Auftragsrecht
Fällt das zwingende Kündigungsrecht beim Auftrag? Arnold F. Rusch und Eva Maissen, AJP 1/2017, S. 26–33.
Die Autoren fokussieren auf die Wichtigkeit des jederzeitigen Kündigungsrechts in Konsumentenverhältnissen und schlagen interessante Alternativen vor. Sie kritisieren die Absicht des Bundesrats, den zwingenden Charakter von Art. 404 OR aufzuheben Der Vorschlag sei untauglich, schiesse über das Ziel hinaus, berücksichtige Missstände nicht und lasse zu viele Fragen offen.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Das Finanzmarktstrafrecht der Schweiz. Status quo unter Einbezug der neusten Gesetzesänderungen, des internationalen Einflusses sowie der anstehenden Neuerungen, Daniel Jositsch und Madeleine von Rotz, SZW 6/2016, S. 592–608.
Diese SZW-Ausgabe befasst sich mit der Risikoorientierung des Finanzmarktes. Jositsch und von Rotz begrüssen die Neuerungen der Gesetze, betrachten die durch den langwierigen Gesetzgebungsprozess entstehende Rechtsunsicherheit jedoch als problematisch. Ebenfalls kritisch gewürdigt wird, dass die neuere Entwicklung des Finanzmarktstrafrechts auf abstrakten Gefährdungen beruht, was zu einem krassen Missverhältnis zwischen Strafe und Schuld führt.
Ist Art. 42a Abs. 4–6 Finmag (Einschränkung des Kundenverfahrens im Rahmen der internationalen Finanzmarkt Amtshilfe) verfassungskonform?
Philipp H. Haberbeck, SZW 6/2016, S. 609–619.
Der Autor betrachtet die Bestimmung als nicht verfassungskonform, da sie die Rechtsweggarantie von Art. 29a BV verletzt. Das Bundesgericht wendet jedoch auch verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen an. Die Verletzung der Rechtsweggarantie ist ein politischer Entscheid aufgrund des Drucks vom Ausland. Nach Haberbeck ist deshalb wichtig, dass Art. 42a aufgrund seines verfassungswidrigen Charakters ein Ausnahmefall bleibt.
Roboterrecht. Eine Einleitung. Isabelle Wildhaber und Melinda F. Lohmann, AJP 2/2017, S. 135–140.
Die Autorinnen zeigen auf, dass es keinen allgemeinen Konsens gibt, was ein Roboter ist und welche Maschinen als Roboter zu qualifizieren sind. Beim Versuch einer rechtlichen Normierung zeige sich ebenfalls, «dass die Klassifizierung von Robotern Schwierigkeiten bereitet».
Immaterialgüterrecht
Kriminalisierung von Kartellanten. Franz Böni, Sic! 2/2017, S. 47 ff.
Laut Autor ist nicht nachgewiesen, dass die Kriminalisierung von Kartellanten abschreckend wirkt. Erfolgversprechender scheine, die private Durchsetzung des Kartellrechts weiter voranzutreiben. Zudem bestünden Alternativen zum Strafrecht, etwa die persönliche Geschäfsleiterhaftung nach aussen bei kartellrechtswidrigen Pflichtverletzungen.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Rechtseingaben ohne gültige Unterschrift. Drei aktuelle Leiturteile zu den Voraussetzungen für einen Nachbesserungsanspruch.
Kaspar Plüss, ZBl 2017, S. 24 ff.
Bei Eingaben ohne gültige Unterschrift stellt das Bundesgericht hohe Anforderungen an einen Anspruch auf die Ansetzung einer Nachbesserungsfrist. Dem Autor scheint es zu restriktiv, wenn das Bundesgericht sämtlichen Parteien offensichtlichen Rechtsmissbrauch unterstelle, die eine Eingabe «freiwillig» ohne gültige Unterschrift einreichen würden.
Strafprozessrecht
Rezension zu Hans Mathys’ Leitfaden Strafzumessung. Hans Wyprächtiger
und Sara Spahni, Forumpoenale 1/2017, S. 60 ff.
Die beiden Rezensenten zeigen mit luzider Argumentation auf, dass es sich beim harmlos wirkenden und objektiv klingenden «Leitfaden Strafzumessung» in Tat und Wahrheit um einen «Leitfaden für höhere Strafen» handelt.
Zivilprozessrecht
Die Stufenklage. Roman Baechler, Sic! 1/2017, S. 1 ff.
Der Beitrag zeigt auf, wann Stufenklagen angehoben werden können, welche prozessualen Besonderheiten zu beachten sind und ob Geheimhaltungsinteressen und Gegenpartei berücksichtigt werden müssen. Eine Stufenklage ist möglich, wenn die klagende Partei einen materiellrechtlichen Anspruch auf Auskunftserteilung hat, der es ihr erlaubt, von der beklagten Partei Informationen zu verlangen, anhand derer sie die Forderung beziffern kann.
Verjährungsunterbrechung bei Nachbesserung. Christof Bergamin, Baurecht 2017, S. 13 ff.
Ist ein Handelsgericht zuständig, kann der Besteller die Verjährung der Nachbesserungsforderung auf den ersten Blick nur dadurch unterbrechen, dass er direkt vor diesem Handelsgericht klagt. Der Autor untersucht die verschiedenen Alternativen, die in der Praxis angewendet werden, und weist auf deren Untauglichkeit oder Risiken hin.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Das Betreibungsbegehren und sein gleichzeitiger Rückzug, Hansjörg Peter, BlSchK 6/2016, S. 212 ff.
Ende letztes Jahr drohten Millionen von alten Verlustscheinen zu verjähren. Diverse Gläubiger waren daher dazu übergegangen, die Verjährung mittels Einleitung einer Betreibung zu unterbrechen, gleichzeitig dem Amt jedoch mitzuteilen, dass sie vor der Ausfertigung und Zustellung des Zahlungsbefehls das eingeleitete Betreibungsverfahren wieder zurückziehen. Für den Gläubiger hatte dies den Vorteil, dass die Eintragung des zurückgezogenen Betreibungsbegehrens nur fünf Franken kostete. Der Autor legt nun überzeugend dar, dass eine solche Betreibung die Verjährung nicht unterbrochen hat, denn: «Wer behauptet, zu wollen und gleichzeitig nicht zu wollen, hat nicht den Willen, zu betreiben.»
Die Übersicht des Kreditgebers im Schweizer Recht. Mirko Stiefel, AJP 1/2017, S. 16–25.
Wollen Kreditgeber das Risiko eines Forderungsausfalls im Konkurs minimieren, nehmen sie oftmals Sicherheiten in einer Höhe auf, welche den Nominalwert des vergebenen Kredits übersteigen. Der deutsche Bundesgerichtshof hat diesem Vorgehen enge Grenzen gesteckt mit der Begründung, dass damit die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Kreditnehmers eingeschränkt wird. In seinem Beitrag untersucht der Autor nun die Zulässigkeit einer derartigen «Übersicherung» aus der Perspektive des Schweizer Rechts. Der Jurist kommt dabei zum Schluss, dass die Übersicherung in der Schweiz de lege lata weitgehend zulässig ist, im Einzelfall aber gewissen Schranken unterliegt.