Verwaltungsrecht
Ausländer- und Asylrecht
Nicht vollziehbare Landesverweisungen.
Julia Bischofberger, ZStrR 3/2024, S. 229 ff.
Die Autorin zeigt auf, wie die Ausschaffungsinitiative für eine Zunahme von Sans-Papiers sorgt. Denn straffällige Ausländer können oft nicht ausgeschafft werden, da das Rückschiebungsverbot verletzt würde. Trotzdem verlieren sie jeweils ihren Aufenthaltstitel ohne Möglichkeit auf Wiedererlangung. Der Beitrag liefert Vorschläge für eine Verbesserung der Situation.
Übriges Verwaltungsrecht
Klimaschutz und Subventionen. Eine Auslegeordnung vor dem Hintergrund des Klimaschutz- und Innovationsgesetzes.
Andreas Lienhard, URP 3/2024, S. 216 ff.
Subventionen wird oft unterstellt, Fehlanreize zu schaffen. Der Beitrag geht den Rechtsgrundlagen nach. Auf Bundesebene ist eine Verfassungs- und Gesetzesgrundlage nötig. Die Subvention darf nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Der Autor präsentiert drei Änderungsvorschläge: erstens die Schaffung einer Subventionsdatenbank für Bund, Kantone und Gemeinden, einschliesslich indirekter Subventionen wie Steuererleichterungen. Zweitens die Vermeidung von Fehlanreizen und drittens eine Bestimmung, wonach ökologische Nachhaltigkeit Voraussetzung für die Subventionsgewährung sei.
Sozialversicherungsrecht
AHV, IV, EL und ALV
Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag für Minderjährige.
Martin Sarbach, Chiara Süsstrunk, Jusletter vom 1.7.2024
Schwerbehinderte Minderjährige, die zu Hause gepflegt werden, haben je nach zeitlichem Mehraufwand Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag und Assistenzbeiträge. Die Autoren kritisieren das Bundesamt für Sozialversicherungen, das in seinem Kreisschreiben über die Hilflosigkeit ohne gesetzliche Grundlage Maximalwerte des anrechenbaren Mehraufwands festsetzt. Sie fordern eine Klärung durch das Bundesgericht.
Wohneigentumsförderung mit Vorsorgegeldern: Sind die Anreize zur Amortisation von Hypotheken zweckmässig?
Roland Hofmann, Dominik Boos, SZS 4/2024, S. 171 ff.
Für den Erwerb von Wohneigentum können Gelder der gebundenen Vorsorge verwendet werden. Der Beitrag erhebt aber Zweifel, ob sich die Versicherten damit einen Gefallen tun. Langzeitberechnungen zeigen, dass die Finanzierungskosten für Wohneigentum die Anlagerendite um rund 0,75 Prozent übersteigen. Wohneigentum führt nicht in jedem Fall zu tieferen Wohnkosten im Alter – jedenfalls nicht bei Haushalten mit relativ hoch belehnten Liegenschaften und tiefem Einkommen. Somit ist fraglich, ob sich Wohneigentum als Altersvorsorge eignet.
Strafrecht
Jugendstrafrecht
Salamitaktik im Jugendstrafrecht, Schleichende Abkehr von bewährten Grundsätzen durch Einführung der Verwahrung.
Gian Ege, SJZ 15/2024, S. 719 ff.
Der Autor kritisiert die vorgesehene Verwahrung als unvereinbar mit den Grundsätzen des Jugendstrafrechts. Gerade bei Jugendlichen sei aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Hirnentwicklung der Behandlungserfolg oft gut. Die Bezeichnung als «unverbesserlich» sei hier fehl am Platz.
Privatrecht
Sachenrecht
Heimfall beim Baurecht. Philipp Eberhard, SJZ 13/2024, S. 599 ff.
Der Autor stellt Voraussetzungen und Folgen des ordentlichen und des vorzeitigen Heimfalls beim Baurecht dar. Er geht umfassend auf die sachenrechtlichen, obligatorischen und grundbuchrechtlichen Aspekte ein.
Arbeitsrecht
Mitarbeiterbefragungen in internen Untersuchungen, Einblicke in die Praxis.
Simone Nadelhofer, Adam El-Hakim, SJZ 13/2024, S. 634 ff.
Der Beitrag beleuchtet die Rechte und Pflichten von Angestellten bei betriebsinternen Untersuchungen. Der Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen, sei einer Straftat verdächtigen Person der Fairness halber zu gewähren. Dies könne auch die Kooperationsbereitschaft erhöhen. Ratsam sei, Betroffenen eine anwaltliche Vertretung zu gewähren.
Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit.
Kurt Pärli, Laura Kunz, Jusletter vom 19.8.2024
Das Bundesgericht entschied, dass der Sperrfristenschutz bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit nicht gelte (1C_595/2023 vom 26. März 2024). Die Autoren kritisieren das Urteil mit Blick auf dessen Auswirkungen etwa auf die Lohnfortzahlung, die Ferienfähigkeit und die Taggeldversicherung.
Rechtsinhaberschaft beim Werkschaffen im Arbeitsverhältnis.
Oliver Schmid, ARV 2/2024, S. 133
Der Beitrag behandelt in einem Arbeitsverhältnis geschaffene urheberrechtlich geschützte Werke. Das Gesetz beantwortet die Frage nicht, ob die Angestellten selbst Urheber an diesem Werk werden oder ob es der Arbeitgeber ist. Der Beitrag plädiert dafür, dass der Arbeitgeber «von vornherein» Urheber wird, und will den Gesetzgeber in die Pflicht nehmen, dies so zu regeln.
Mietrecht
Strom als Verbrauchs- und Nebenkosten.
Anna Braun, Mietrechtspraxis 2/2024, S. 91 ff.
Überblick über Rechtsfragen zum Strom im Mietrecht. Der Allgemeinstrom ist gleichmässig auf die Mieter zu verteilen. Für den Strom der Waschmaschine empfehlen sich Zähler oder Waschkarten. Der Heizstrom zählt zu den Heizkosten, kann jedoch auch separat abgerechnet werden. Die Autorin zeigt auf, was beachtet werden muss, wenn der Vermieter selbst Strom produziert und den Mietern verkauft. Auch die Anforderungen an kleine Solaranlagen der Mieter und Ladestationen für E-Autos sind Thema des Beitrags.
Erbrecht
Rechtsbegehren der Erbteilungsklage: Wohin geht die Reise?
BGer 5A_963/2022. Tarkan Göksu, Successio 2/2024, S. 203 ff.
Das Bundesgericht hat die Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad von Erbteilungsklagen verschärft. Das blosse Begehren, die Erbteile seien festzustellen und der Nachlass zu teilen, genügt nicht, wenn der Nachlass aus einem ohne weiteres teilbaren Wert wie etwa einem Wertschriftendepot besteht.
Die neuen Bestimmungen des IPRG-Erbrechts.
Thomas M. Mayer, AJP 7/2024, S. 682 ff.
Anfang 2025 treten die revidierten Bestimmungen zum internationalen Erbrecht in Kraft. Der Autor, der als Sachverständiger im Bundesamt für Justiz die Revision begleitete, erläutert die Bestimmungen im Detail.
Handels- und Wirtschaftsrecht
Gesellschaftsrecht
Überschuldungsprüfung – durch wen?
Andreas Binder, Roman S. Gutzwiller, AJP 8/2024, S. 777 ff.
Bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung der Aktiengesellschaft hat der Verwaltungsrat Zwischenabschlüsse zu erstellen und der Revisionsstelle zur Prüfung vorzulegen. Bisher ist ungeklärt, ob die Revisionsstelle dazu befugt ist, wenn sie bei der Buchführung mitgewirkt oder andere Dienstleistungen für die Gesellschaft erbracht hat. Ja, meinen die Autoren, solange die Revisionsstelle organisatorische und personelle Massnahmen trifft.
Übriges Handels- und Wirtschaftsrecht
Grundlagen des Rechts der sozialen und nachhaltigen Unternehmen.
Claude Humbel, Thimo Wittkämper, SJZ 2024, S. 819 ff.
Während soziales Unternehmertum mit profitorientierter Tätigkeit ein gesellschaftliches Problem lösen will, ist nachhaltiges Unternehmertum rein profitorientiert, zugleich aber einer nachhaltigen Wirtschaft verpflichtet. Vor dem Hintergrund aktueller parlamentarischer Vorstösse diskutieren die Autoren die Frage, inwiefern die jeweiligen Zielsetzungen de lege lata verwirklicht werden können.
Verfahrens- und Vollstreckungsrecht
Verwaltungsverfahren
Die Begründung von Verfügungen beim Einsatz algorithmischer Systeme.
Nadja Braun Binder, Liliane Obrecht, SJZ 15/2024, S. 707 ff.
Der Einsatz algorithmischer Entscheidungssysteme beim Erlass von Verfügungen kann eine Herausforderung für die Begründung darstellen, die sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt. Je nach technischer Ausgestaltung des Systems ist das Zustandekommen der Verfügung nicht nachvollziehbar.
Schwierigkeiten können bei datenbasierten Machine-Learning-Algorithmen ebenso auftreten wie bei komplexen regelbasierten Algorithmen. Entsprechend kann der Einsatz solcher Systeme dazu führen, dass Verfügungen nicht oder nur mit zusätzlichen Vorkehrungen begründet werden können. Die Autorinnen skizzieren vor diesem Hintergrund, welche Lösungen – zumindest teilweise – geeignet und welche ungeeignet sind.
La médiation lors de la planification de projets de parc éolien.
Franziska Waser, Baurecht 2024, S. 157 ff.
Windparkprojekte sind streitanfällig. Die Mediation ist ein Instrument, das den Dialog zwischen den interessierten Kreisen in Gang bringen und die Erarbeitung von Lösungen begünstigen kann. Allerdings will die Integration einer Mediation in ein Planungs- und Bewilligungsverfahren gut geplant sein. Die Autorin legt dar, welche rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen in Rechnung gestellt werden müssen.
Strafprozessrecht
Verteidigung in Zwangsmassnahmenverfahren, insbesondere in Haftsachen.
Konrad Jeker, Anisse Wyniger, Anwaltsrevue 8/2024, S. 312 ff.
Haft ist der schwerste Eingriff, der einem Beschuldigten droht. Dennoch steht es schlecht um die Verfahrensfairness. Die Staatsanwaltschaft entscheidet über den Zeitpunkt des Haftantrags, dessen Begründung und welche Akten sie dem Gericht mitschickt. Professionell handelnde Staatsanwaltschaften schicken den Haftantrag und die Akten zugleich an das Zwangsmassnahmengericht und den Verteidiger.
Doch dies geschieht nicht immer, und teilweise wird die Akteneinsicht vor Gericht durch kurze Einsichtszeiten erschwert. Der Beitrag zeigt Verteidigungsansätze vor und nach dem Haftentscheid auf. Er empfiehlt, nicht auf eine mündliche Haftverhandlung zu verzichten, selbst wenn der Beschuldigte nichts sagt, und stets auf der Teilnahme der Staatsanwaltschaft zu bestehen. Sonst droht, dass das Gericht die Position der Staatsanwaltschaft einnimmt.
Das Verbot der reformatio in peius in der StPO.
Stefan Maeder, Recht 3/2024, S. 163 ff.
Der Beitrag widmet sich der Frage, wann von einer Schlechterstellung im Vergleich zu einem vorinstanzlichen Entscheid die Rede ist – unter anderem im Hinblick auf den Schuld- und den Sanktionspunkt. Der Autor liefert für verschiedene Fallkonstellationen praktische Antworten. Zudem zeigt er, wann eine Schlechterstellung zulässig ist. Eine gute Übersicht für alle Strafrechtspraktiker.
Die Grenzen der Beweisverwertung präventiv-polizeilicher Erkenntnisse.
Vera Raguth Tscharner, Forum poenale 3/2024, S. 202 ff.
Ausgehend von einem Urteil des Bundesgerichts von vergangenem Jahr zeigt der Beitrag auf, unter welchen Bedingungen Zufallsfunde als Beweismittel im Strafverfahren verwertbar sind. Die Autorin zeigt, wie wichtig die Abgrenzung zwischen polizeilichen und strafrechtlichen Massnahmen ist, welcher Stellenwert dem Tatverdacht zukommt und wo die grundrechtlichen Schranken sind.
Zivilprozess
Sind überschiessende Beweisergebnisse vom Gericht zu berücksichtigen?
Philipp H. Haberbeck, AJP 7/2024, S. 700 ff.
Von einem überschiessenden Beweisergebnis spricht man, wenn das Beweisverfahren eine Tatsache ergibt, die nicht behauptet wurde. Eine höchstrichterliche Klärung der Frage steht aus. Der Autor befürwortet den Einbezug im Rahmen des Novenrechts, sofern er für das vorgegebene Rechtsbegehren von Relevanz ist.
Was zählt, ist die Qualität der Aufmerksamkeit.
Yvonne A. Burger, Jusletter vom 1.7.2024
Mit der schweizerischen Zivilprozessordnung von 2011 fand die Mediation Eingang in den Zivilprozess. Der Beitrag erklärt, worum es bei Mediationen geht und was sie nicht bieten können.
Familienrechtliche Verfahren und dazugehörige Rechtsmittelverfahren nach der ZPO-Revision: Was ändert sich für Kinder und ihre Eltern?
Laura Jessica Zürcher, Fampra.ch 3/2024, S. 541 ff.
Anfang 2025 treten die revidierten Bestimmungen der ZPO in Kraft. Die Autorin erläutert die wichtigsten Neuerungen bei familienrechtlichen Verfahren, so zum Beispiel die Einführung des vereinfachten Verfahrens bei streitigen Scheidungsverfahren und bei der Unterhaltsklage von volljährigen Kindern sowie die Anschlussberufung bei familienrechtlichen Summarentscheiden.
ZPO-Revision: Privatgutachten als Beweismittel – Wirkung und Nebenwirkungen.
Thomas Siegenthaler, Baurecht 2024, S. 93 ff.
Anfang 2025 tritt die revidierte Zivilprozessordnung in Kraft. Für bauvertragsrechtliche Zivilprozesse dürfte die neu eingeführte Geltung von Privatgutachten als «Urkunden» und die damit verbundene Anerkennung als Beweismittel eine wichtige Rolle spielen. Der Autor legt die Auswirkungen der neuen Regelung dar.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Der Nachlassvertrag der Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft. Werkstattbericht.
Karl Wüthrich, BlSchK 3/2024, S. 137 ff.
Anfang Oktober 2001 wurde Karl Wüthrich als provisorischer Sachwalter im Nachlassverfahren der Swissair eingesetzt. Mit dem Schuldenruf meldeten die Angestellten privilegierte Lohnforderungen von rund 2 Milliarden Franken an, denen 450 Millionen Franken an Aktiven gegenüberstanden. Es drohten der Widerruf der Stundung und der sofortige Konkurs. Wüthrich zeichnet in seinem Werkstattbericht auf, wie er es schaffte, die hohen Lohnforderungen in Verhandlungen mit den Angestellten auf rund 340 Millionen Franken zu reduzieren. Damit erreichte er, dass die Drittklassgläubiger eine Dividende von über 20 Prozent erhielten.
Anwaltsrecht
Justitia 4.0 und BEKJ: Kosten und Sorgfaltspflichten in den Anwaltskanzleien.
Claudia Schreiber, In dubio 4/2024, S. 100 ff.
Die Autorin diskutiert notwendige Aufwendungen in Anwaltskanzleien mit der Einführung der geplanten elektronischen Prozessführung. Die Anforderungen an die anwaltlichen Sorgfaltspflichten seien noch herauszubilden. Die Autorin präsentiert eine Liste von 23 Aufwandpositionen, die in Anwaltskanzleien anfallen können, und macht Vorschläge, wie sie abgeschätzt werden können.