Kolumne: Tage der offenen Tür – Würde des Gerichts gewahrt

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Plädoyer 05/2023

09.10.2023

Benjamin Rothschild

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Das Bundesgericht in Lausanne steht nicht unbedingt im Ruf, ein Leuchtturm der Transparenz zu sein. Im Prachtbau oberhalb des gleichnamigen Parks «Mon Repos» pflegt man die noble Abgeschiedenheit: «Wir leben hier fast wie Mönche», gab der ehemalige Bundesrichter Otto Konstantin Kaufmann einst zu Protokoll.
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Noch immer gehört die kommunikative Zurückhaltung zur DNA der Institution: «Das Bundesgericht spricht grundsätzlich durch seine Urteile», heisst es im Konzept für die Kommunikation des Bundesgerichts mit den Medien. Zwar kennt man am höchsten Gericht auch öffentliche Urteilsberatungen. Es sind jedoch Ausnahmen: 2022 fanden lediglich 22 öffentliche Beratungen statt, erledigt wurden am Bundesgericht 7138 Fälle. 2021 waren es 32 öffentliche Beratungen bei 7509 erledigten Fällen.
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Am ersten Wochenende im September bemühte man sich in Lausanne um eine ganz andere Aus-sendarstellung: Im Rahmen des 175-Jahr-Jubiläums der Bundesverfassung lud das Bundesgericht zu den «Tagen der offenen Türen». Über 1000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz erhielten Einblick in die Gerichtssäle und ins Advokatenzimmer mit seinem prunkvollen Tisch. Es gab Führungen auf Deutsch und Französisch sowie Festzelte und Festbänke, wo vegetarische oder fleischhaltige Würste verzehrt werden konnten. Wer die Ohren spitzte, konnte da und dort auch eine Gruppe Bundesrichterinnen und Bundesrichter belauschen, die sich verhalten unters gewöhnliche Volk mischten und sich bevorzugt untereinander im Smalltalk übten.
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Übertreiben wollte man es mit der Transparenz aber auch wieder nicht: Die Büros der Richterinnen und Richter blieben für die Besucher Sperrzone. Und Sicherheitsmitarbeiter achteten mit Argusaugen darauf, dass die «Würde des Gerichts» auch an diesem Tag gewahrt wurde. So wurde etwa ein Bub zurechtgewiesen, weil er den Gerichtssaal aus der Perspektive eines Richters vom Richterstuhl aus sehen wollte.
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An anderer Stelle zeigte man sich kinderfreundlich: In einem Zelt fand ein Malwettbewerb statt. 39 Kinder nahmen teil. Über die Arbeiten befand ein Dreiergremium – inklusive Bundesgerichtspräsident. Dieser informierte die Gewinner persönlich über ihr gutes Abschneiden. Die Arbeiten werden in den Pausen- und Gemeinschaftsräumlichkeiten des Gerichts aufgehängt. Die Öffentlichkeit bekommt die prämierten Werke nicht zu Gesicht. In Sachen Transparenz bleibt am Bundesgericht also auch bei Kinderzeichnungen noch Luft nach oben.

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