Ereignisse machen Schlagzeilen. Aber auch Daten können Rhythmen der öffentlichen Berichterstattung diktieren. Wir gedachten letztes Jahr zweier Daten, die Epochensprünge in der Entwicklung des humanitären Völkerrechts markierten: der Schlacht von Solferino von 1859 und der Genfer Rotkreuz-Konferenz von 1949. Wir sollen aber nicht bloss zurückdenken, sondern auch zu antizipieren versuchen, was kommen kann; hierzu sind Imagination und Engagement gefordert.
1 Solferino: Auslöser eines Weltexperiments des Rechts
In Solferino wurde eine der brutalsten Schlachten des 19. Jahrhunderts ausgetragen. Die mächtigsten Mo-narchen des Kontinents – der französische Kaiser Napoleon III. und der Kaiser Franz Joseph von Österreich-Ungarn – kämpften um Herrschaft und Einfluss in Oberitalien. Das Leiden unzähliger Soldaten war unermesslich. Solferino steht für den Ursprung einer Bewegung, die Schritt für Schritt eine neuartige Normen- und Werteordnung und ein neuartiges Netz von Institutionen hervorbrachte.
Wir kennen die Legende vom Ursprung des Roten Kreuzes: Der Genfer Geschäftsmann Henri Dunant, der zufällig Zeuge des Geschehens wurde, vertrat in seinem Buch «Un Souvenir de Solférino» (1862) die Sichtweise, dass ein verwundeter Soldat kein dem feindlichen Zugriff ausgesetzter Kombattant mehr sei. Er sei nicht mehr Instrument der Kriegsführung des Machthabers, sondern einfach wieder «Mensch» geworden. Er müsse, unabhängig von Nationalität und Uniform, «neutralisiert» und unparteiisch nach Massgabe seines Leidens gepflegt und behandelt werden, und zwar durch unabhängige (immunisierte) Helfer.
Das waren die «idées forces», die zur Entstehung und Entfaltung der internationalen Rotkreuz-Bewegung führten: das aufklärerische Prinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen (Prinzip der Universalität) und die ausschliessliche Inspiration durch das Schicksal des leidenden Menschen (Prinzip der Humanität).1
Diese Gedanken waren in derdamaligen, zerklüfteten Welt von National- und Machtstaaten neu und bahnbrechend. Es kann gesagt werden, dass mit Solferino ein Weltexperiment des Rechts von höchster Originalität lanciert wurde. Die Fokussierung von Völkerrecht auf die Opfer von Kriegen und ihre Leiden bildete den wohl wichtigsten Vorläufer des modernen internationalen Menschenrechtschutzes, der sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf breiter Basis zu etablieren begann; und mit den Helfern von Solferino, aus denen die Institutionen desRoten Kreuzes wie vor allem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hervorgegangen waren, nahm die Zivilgesellschaft mit ihren spontan «von unten» wirkenden Kräften einen wichtigen Anfang als Faktor der internationalenGestaltung.
Mit der Vision und Initiative von Henri Dunant wurde ein produktives «Kapital» von Normen und Institutionen begründet. Dieses liess auch sukzessive das «Vokabular»des modernen humanitären Völkerrechts entstehen und bildete die Grundlage für Phänomenen, die Denkweisen, Erwartungen und Handlungsformen des modernen internationalen Lebens prägten.
2 Genfer Konventionen als Akt der Weiterentwicklung
Die Realitäten des Krieges hatten sich seit Solferino gewandelt. Bürgerkriege traten zusehends neben die internationalen bewaffneten Konflikte; der Spanische Bürgerkrieg (Juli 1936 bis August 1939) war ein herausragender Fall. Und unter den Kriegsopfern befanden sich – ungleich Solferino – in zunehmendem Masse Zivilpersonen. Mit der Verabschiedung der vier Genfer Konventionen von 19492 sollte dieser Entwicklung Rechnung getragen werden. In die vier Genfer Konventionen wurde auch ein gemeinsamer Artikel 3 eingefügt, der die Opfer nicht-internationaler bewaffneter Konflikte schützt.
Und mit der IV. Genfer Konvention wurde ein rechtliches Regime zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten geschaffen. Zwei Zusatzprotokolle von 19773 erweiterten und vertieften den Schutz je für die Opfer von internationalen wie von nicht-internationalen bewaffneten Konflikten. Vor allem fanden bereits etablierte Regeln4 über die Mittel und Methoden der Kriegsführung dort eine Präzisierung und Vertiefung.5
In den neuen Vertragswerken wurde ein System von Normen errichtet, das zwischen verschiedenen Typen internationaler und nicht-internationaler bewaffneter Konflikte differenzierte. Es wurde der Versuch unternommen, mit Hilfe präziser vertraglicher Definitionen Linien zu ziehen zwischen Feldern, in denen je verschiedene Regelungen des humanitären Rechts zur Anwendung kommen sollten.
Wichtig sind in diesem Zusammenhang vor allem die Schwellen, die den Bereich der «inneren Unruhen», «Spannungen» und «Turbulenzen» von demjenigen der bewaffneten Konflikte und die Anwendungsräume von nicht-internationalen bewaffneten Konflikten im Sinne des gemeinsamen Artikels 3 der vier Genfer Konventionen beziehungsweise des II. Zusatzprotokolls von den internationalen bewaffneten Konflikten im Sinne der Genfer Konventionen und des I. Zusatzprotokolls abgrenzten. Die Linien zwischen den Konflikttypen waren aber zusehends Erosionen ausgesetzt.6 Insgesamt stellen sich insbesondere zwei Fragen7:
2.1 Aktive Beteiligung von Zivilpersonen an bewaffneten Auseinandersetzungen
Es geht hier darum, dass nach einem Grundprinzip des humanitären Völkerrechts zwischen Kombattanten und Zivilbevölkerung und zwischen militärischen Zielen und zivilen Gütern zu unterscheiden ist: Kombattanten und militärische Ziele dürfen angegriffen werden, und Kombattanten ist im Falle einer Gefangennahme das Privileg von Kriegsgefangenen zu gewähren; Zivilpersonen und zivile Güter hingegen geniessen Immunität vor kriegerischen Angriffen. Sinn des «principle of distinction» ist es, der Zivilbevölkerung (Männer, Frauen und Kindern) und zivilen Gütern einen möglichst weitgehenden Schutz vor militärischen Aktionen zu gewähren.
Nun ist es aber so, dass sich in zunehmendem Masse auch Zivilpersonen aktiv am militärischen Geschehen beteiligen. Da sie weder uniformiert sind, noch die Waffen offen tragen, sind sie als Kampfbeteiligte nicht erkennbar. Wie können sie identifiziert werden? Wie – das heisst, mit welchem Intensitätsgrad – ist die «aktive Teilnahme» definiert? Das IKRK hat es unternommen, einschlägige «guidelines» zu entwickeln,8 und als Konsequenz festgehalten, dass der Zivilist für die Zeitspanne der aktiven Teilnahme seinen Schutz als Zivilperson verliert, ohne aber den Anspruch zu gewinnen, im Falle der Gefangennahme als Kriegsgefangener behandelt zu werden.
2.2 Abgrenzung bewaffneter Konflikte von internen Unruhen und Spannungen
Nicht minder komplex ist das Problem der Abgrenzung bewaffneter, das heisst kriegerischer Konflikte (auf die allein das humanitäre Völkerrecht anwendbar ist) von «internen Unruhen», «Spannungen» und «Turbulenzen», mit denen sich vor allem die Polizei zu befassen hat. Da – also etwa im Bereich der «urban violence» – liegen die Hauptfelder der modernen Gewaltanwendung. Gewiss, viele Situationen lassen sich klar einordnen. So sind etwa Gewaltakte von Banden in den Strassen von Rio de Janeiro keine kriegerischen Handlungen. Dasselbe dürfte etwa auf Unruhen zutreffen, wie sie 2009 beispielsweise in Honduras und Guinea zu beobachten waren.
Wie steht es aber etwa mit Drogenkartellen, die – wie in Kolumbien – in aufständische Aktivitäten verwickelt sind? Wo ist die Linie zwischen (nicht-internationalen) bewaffneten Konflikten und Szenen «blosser» Kriminalität zu ziehen? Urteile sind von Fall zu Fall zu treffen. Dabei sind die Folgen von Einordnungsschwierigkeiten insofern nicht so gravierend, als auch unter der Schwelle des bewaffneten Konflikts die Standards des allgemeinen Menschenrechtsschutzes eingreifen und sich diese über weite Strecken mit den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts decken. Auch ist es so, dass das IKRK auch in diesen Bereichen humanitäre Initiativen ergreifen kann.9
3 Die Strukturveränderung bewaffneter Konflikte
Die Entwicklung des humanitären Völkerrechts ist nicht einfach eine «Erfolgsstory». Es war, ganz abgesehen von Fragen normativer Klarheit, ja der Normierbarkeit als solcher, in den letzten Jahren auch mit Herausforderungen ganz grundsätzlicher, faktischer Art konfrontiert. Es stellte sich die Frage, ob und wie das humanitäre Völkerrecht an die neuen Realitäten angepasst werden müsse. Zwei akute Fragen seien hervorgehoben.
3.1 Global War on Terror
Angesichts des Traumas vom 11. September 2001 machte der damalige amerikanische Präsident George W. Bush geltend, es sei ein «global war on terror» zu führen. Er verstand den Begriff «war» nicht etwa bloss metaphorisch – so wie frühere amerikanische Präsidenten etwa vom «Krieg» gegen die «Slums» oder die «Armut» sprachen –, sondern wörtlich im rechtlich-technischen Sinn. Angesichts dieses «Krieges gegen den Terror» erweise sich aber das traditionelle humanitäre Völkerrecht als inadäquat, ja irrelevant. Ausfluss der Strategie der Administration Bush war etwa die Errichtung von Gefangenenlagern in Guantánamo und an anderen Orten. Die radikale These, die der Glaubwürdigkeit und Effektivität des humanitären Völkerrechts weltweit grossen Schaden zufügte, hat mittlerweile aber weltweit und auch in den Vereinigten Staaten den Rückhalt verloren.10
3.2 Asymmetrie von bewaffneten Konflikten
Schon seit je, nunmehr aber mit stärkerer Brisanz stellt sich das Problem der Asymmetrie von bewaffneten Konflikten.11 Ist eine Konfliktpartei der anderen in Stärke oder etwa hinsichtlich technologischer Ausrüstung unterlegen, ja scheint es für sie aussichtslos, den Krieg als Ebenbürtige zu gewinnen, so besteht für sie die Versuchung, die «Spielregeln» zu brechen, die ihr «gleich lange Spiesse» wie dem Gegner gewähren, um dadurch einen Vorteil zu gewinnen. Die Gefahr ist, dass sich auch die andere Partei nicht mehr an die Regeln des humanitären Völkerrechts gebunden fühlt. Das Prinzip der Reziprozität, das eine wichtige Garantie der Einhaltung des humanitären Völkerrechts darstellt, ist aus den Angelngehoben, und einer Regression rechtlicher Errungenschaften sowie einer «Verwilderung» der Kriegsführung sind Tür und Tor geöffnet.
4 Perspektiven
Der Entwicklungsprozess ist nicht abgeschlossen. Verschiedene Problemkomplexe stehen im Vordergrund. Sie betreffen zunächst insbesondere das Recht der Abrüstung und Rüstungskontrolle, das, rechtsdogmatisch «heimatlos», plausiblerweise dem humanitären Völkerrecht zugeordnet werden sollte. Auch die Entwicklung und Konsolidierung des Völkerstrafrechtes ist von besonderer, aktueller Bedeutung.
4.1 Nuklearwaffen
Es ist eine grosse Errungenschaft des modernen Völkerrechts, dass Massenvernichtungswaffen sowie chemische und biologische Waffen verboten wurden.12 Neuerdings ist auch über andere Waffen, wie Antipersonenminen und Streubomben, deren Einsatz den Prinzipien des humanitären Völkerrechtes widerspricht, ein «total ban» gesprochen worden.
Als besonders gravierende Lücke bleibt, dass noch kein völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffen besteht. Die Androhung und der Einsatz von Nuklearwaffen widerspricht zwar, wie der Internationale Gerichtshof 1996 in einem Rechtsgutachten festhielt,13 Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts, doch die Rechtslage wurde nicht eindeutig geklärt.14 Umso bedeutsamer ist, dass Präsident Barack Obama in seiner Prager Rede vom 5. April 200915 die Vision einer atomwaffenfreien Welt zum zukünftigen Leitmotiv der amerikanischen Sicherheitspolitik erklärte.
Er sprach von einer «Welt ohne Atomwaffen» und setzte damit ein klares Zeichen: Wenn eine Wiederherstellung des Nichtweiterverbreitungsregimes eine glaubwürdige Bereitschaft der Atommächte zur Abrüstung verlangt, so sind die USA auch langfristig («perhaps not in my lifetime») zu einem solchen Bekenntnis bereit. Wer an seiner Vision zweifle, akzeptiere letztlich die Verbreitung von Atomwaffen und damit auch den wahrscheinlichen Einsatz solcher Waffen. In den nächsten Aktionsschritten würden die USA die internationale Kooperation aktiv vorantreiben,16 andernfalls wieder Krieg und das Ende jeglicher menschlicher Entwicklung drohten. An Hindernissen mangelt es zweifelsohne nicht.
In diese Richtung zielt auch die Errichtung von «Nuclear-Weapons- Free Zones» (atomwaffen- oder kernwaffenfreie Zonen). Dies sind räumliche Bereiche, die frei vonatomaren Vernichtungswaffen wie Atombomben oder -raketen sind. Sie sind in völkerrechtlichen Verträgen17 und politischen Arrangements18 festgehalten. Solche Zonen existieren bereits in der Antarktis, in Lateinamerika, im Südpazifik, in Südostasien, Afrika, Zentralasien und Teilen Deutschlands.19
Das zurzeit unmittelbar drängende Problem stellt die mangelnde Einbindung aller Atommächte in Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen dar. Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea sind im Besitz von Kernwaffen, jedoch nicht Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages.20 Angesichts der politischen Instabilität und des erheblichen Konfliktpotentials wird von diesen Ländern der Besitz von Nuklearwaffen als Überlebensversicherung bezeichnet. Eine internationale, langfristige Kooperation insbesondere zwischen den «offiziellen» Atommächten USA, Russland, Grossbritannien und China ist deshalb der entscheidende Faktor für die Annäherung an das Ziel einer atomwaffenfreien Welt.21 Obamas Vision darf somit nicht bloss als Denkanstoss gewertet werden.
So verlieh ihm das Nobelpreiskomitee am 9. Oktober 2009 unter anderem mit dem Hinweis auf seine Vision einer atomfreien Welt und der damit geschaffenen Anreize zur globalen Abrüstung und zur Kooperation bei den Rüstungsbeschränkungen den Friedens-nobelpreis 2009.22
Seit dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 lastet die Existenz dieser Waffe schwer auf dem Gewissen der Menschheit, denn es trat da ihre schier grenzenlose Kapazität, Tod, Leid und Zerstörung zu bringen, zutage, dies ohne Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und Angehörigen der Streitkräfte. Die Argumente um ihre Rechtmässigkeit23 drehen sich im Kern aber immer noch um Verhandlungsziele wie strategische Kriegsführung und militärische Vorteile. Damit wird mensch liches Leiden nur zu einer abstrakten Idee stilisiert.
Der Faktor Atomwaffe muss aber aus nationalen Sicherheitsstrategien und als geopolitisches Machtinstrument verbannt werden, denn letztlich geht es um den Schutz der Menschen vor den humanitären Konsequenzen ihres Einsatzes.24
Da kann das Internationale Komitee vom Roten Kreuz eine wichtige Rolle einnehmen, hat es doch von Anfang an die Legalität von Massenvernichtungswaffen angezweifelt25; auch agiert es – ausschliesslich dem Gedanken der Humanität verpflichtet – anders als jene internationalen Organisationen, deren Mitglieder Staaten sind.
Insgesamt erweist sich die Atomwaffenfrage als Katalysator, der zueinem Überdenken der völkerrechtlichen Quellenlehre herausfordert. Diese basiert in ihrer herkömmlichen Konzeption noch weitgehend auf dem Recht der Verträge und auf Gewohnheitsrecht und damit auf dem Willen der Staaten.
Ein Völkerrechtssystem aber, das – positivistisch dem Willen der Staaten verhaftet – nicht klar und eindeutig von der Unzulässigkeit aller Massenvernichtungswaffen ausgeht, scheint aber auf fragwürdigen Grundlagen zu beruhen.
Es muss letztlich ein Rekurs auf Denkformen wie «Werte und Interessen der Menschheit», «universelles menschliches Gewissen», Forderungen der «globalen Gerechtigkeit» nicht nur metarechtlich, sondern innerhalb des Rechts möglich sein.26 Man könnte da, in Analogie zum Privatrecht, von der Figur eines «Ordre public international» sprechen.
4.2 Waffenhandel
Schätzungen zufolge sind ungefähr 700 Millionen Kleinwaffen weltweit im Umlauf. Sie sind die Hauptursache für die Verletzung und Missachtung der Prinzipien des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte durch Staaten und nicht-staatliche Akteure wie Rebellen und terroristischen Gruppierungen. Kleinwaffen werden auch die Massenvernichtungswaffen unserer Zeit genannt, denn jährlich verursachen diese Waffen bis zu einer halben Million Tote.
Zwei Faktoren bestimmen und verstärken diese Erscheinung: Es sind dies eine weltweite Krisensituation und der unbeschränkte internationale Transfer von Kleinwaffen durch Staaten (involviert in der Herstellung und Bereitstellung sind bis zu 99 Staaten und 1000 Unternehmen).27
Zurzeit sind auf internationaler Ebene allerdings Bemühungen im Gange, die Verbreitung von Kleinwaffen zu beschränken.28 Im Mit-telpunkt dieser Bemühungen steht ein verstärktes Bewusstsein, sich für die Menschenrechte und humanitäre Anliegen einzusetzen und gegen illegalen oder moralisch fragwürdigen Handel und andere Praktiken anzukämpfen.
Wie die Prinzipien des humanitären Völkerrechtes die Grundlage für das Verbot bestimmter Waffen sind, so muss die «wahrscheinliche» Respektierung des humanitären Völkerrechts durch den Empfänger ein fundamentales Kriterium werden, anhand dessen Entscheide zur Lieferung von Waffen beurteilt werden. Ein allfälliger Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty) sollte deshalb gemäss dem IKRK folgende Elemente enthalten:
- Verpflichtung des Exportstaates, die «wahrscheinliche» Respektierung des humanitären Völkerrechtes durch den Empfänger zu überprüfen.
- Verpflichtung des Exportstaates, die Übertragung von Waffen und Munition zu unterlassen, wenn ein klares Risiko besteht, dass die Waffen oder die Munition verwendet werden, um schwere Verletzungen gegen das humanitären Völkerrechtes zu begehen.
- Verpflichtung, die Übertragung von spezifischen Waffen und spezifischer Munition zu unterlassen, deren Verwendung oder Übertragung verboten wurde.
- Verpflichtung, keine Waffen oder Munition zu übertragen, die ihrer Natur nach überflüssige Verletzungen oder unnötiges Leiden verursachen oder ihrer Natur nach unterschiedslos wirken.29
Eine solide Mehrheit der Staaten hat ausdrücklich und wiederholt ihre grundsätzliche Zustimmung für die Einführung solcher Verpflichtungskriterien manifestiert. Sollten die internationale Zivilgesellschaft und «gleichgesinnte Staaten» den Druck in diese Richtung aufrechterhalten, lebt die Hoffnung, dass waffenexportierende Staaten in die Verantwortung genommen werden können: Ihre Exporte sollten strikte kontrolliert und Waffenlieferungen an solche Empfänger verboten werden, die ihre Befähigung und Bereitschaft, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren, nicht genug bewiesen haben.
4.3 InternationaleStrafgerichtsbarkeit und«accountability»
Einen besonderen Auftrieb hat das humanitäre Völkerrecht den neuesten Entwicklungen im Bereich der internationalen Strafgerichtsbarkeit zu verdanken. Schon im Rahmen der inneren Zuständigkeit der Staaten gilt das Strafrecht als die «Ultima Ratio» zum Schutz der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Mit der Errichtung von «Ad-hoc-Tribunalen» und des Internationalen Strafgerichtshofes wurde die strafrechtliche Absicherung des humanitären Völkerrechts indessen auf der internationalen Ebene institutionalisiert und damit der vielleicht spektakulärste Fortschritt im modernen Völkerrecht erzielt.30
Dies bedeutete einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Effektivität des geltenden Rechts; denn die allgemeine Haftung des Staates für Verletzungen des Völkerrechts als solche ist ein schwacher Schutz.31 Zu Recht hatte schon Robert Jackson, Chefankläger am Nürnberger Tribunal, geltend gemacht, es sei eine Fiktion, dass Staaten Verbrechen begehen könnten; Verbrechen würden immer von Individuen begangen, und nur Sanktionen, die Individuen erreichten, könnten friedlich und effektiv durchgesetzt werden.32 Neben einer Stärkung der Durchsetzungskraft des Rechts brachte der Ausbau der internationalen Strafgerichtsbarkeit aber auch einen wesentlichen Beitrag zum eigentlichen Gerechtigkeitsgedanken.33
Als neuster, wichtiger Meilenstein auf dem Wege zur Stärkung des humanitären Völkerrechtes sei der Untersuchungsbericht der so- genannten Goldstone-Kommission zum Gaza-Krieg im Januar 200934 genannt. Dieser verurteilte klar die Verletzung fundamentaler Prinzipien des humanitären Völkerrechts wie auch der Menschenrechte. Der Goldstone-Bericht wurde einschliesslich der Empfehlungen am 16. Oktober 2009 vom Uno-Menschenrechtsrat deutlich angenommen.35 Der fast 600-seitige Bericht warf vor allem Israel, aber auch der Hamas Kriegsverbrechen vor. Die Goldstone-Kommission legte ihr Augenmerk auf das Prinzip der «accountability», indem sie empfahl, dass die Kriegsparteien eigene Untersuchungen durchführen, andernfalls eine Überweisung an den Internationalen Strafgerichtshof anzustreben sei.
Goldstone führte vor dem Menschenrechtsrat aus: «A culture ofimpunity in the region has existed for too long. The lack of accountability for war crimes and possible crimes against humanity reacheda crisis point; the ongoing lack of justice is undermining any hope for a successful peace process and reinforcing an environment that fosters violence. Time and again, experience has taught us that overlooking justice only leads to increased conflict and violence.»36
5 Ceterum censeo
Die Entstehungsgeschichte des Rotkreuz-Gedankens war eng mit der Schweiz – vor allem Genf – verbunden. Seinerzeitliche Erfahrungen des Erstautors im Rahmen der schweizerischen Armee haben indessen gezeigt37, dass das humanitäre Völkerrecht im Rahmen der militärischen Ausbildung, der Kaderschulung und von Übungsanlagen sträflich vernachlässigt worden ist. Dabei gehört zum militärischen «Drill» (und dahinterstehenden ethischen Reflexionen) nicht bloss die Fähigkeit des Kombattanten, seine Waffe kompetent zu handhaben, sondern auch zu wissen, gegen welche Ziele und in welcher Weise sie eingesetzt werden darf. Mittel zur Durchsetzung der rechtlichen Vorgaben sind in erster Linie militärissche Disziplin und ein von Respekt vor dem Mitmenschen getragener Geist in der Truppe.
Bessere Kenntnisse – und die Verinnerlichung! – der elementaren rechtlichen Vorschriften und der Konsequenzen ihrer Verletzung sind unerlässlich. Sie können etwa in Form von «Moot Courts» eingeübt werden. Sie gehören auch zur ethischen Verantwortung, die der Bürger trägt, und sind Teil der Professionalität des ehrenhaften Offiziers und Soldaten.38 Länder mit reichen «Peacekeeping»-Erfahrungen – wie etwa die skandinavischen Staaten, Kanada, Australien und Neuseeland – sind in dieser Hinsicht zum Teil viel realistischer und überzeugender als die in Illusionen verhaftete, anachronistisch gewordene schweizerische Armee.
Vor allem aber muss die Schweiz sich in ihrem politischen Denken umorientieren. Die (an sich eindrückliche) Sammlung von Energien aus Politik und Zivilgesellschaft, wie sie etwa noch vor zwei Jahrzehnten in der Durchführung von «Gesamtverteidigungs-Übungen» zutage trat und nicht von ihrer Grundidee (dem «Aufgebot» gesellschaftlicher Kräfte zum politischen Nutzen aller), aber in ihrer Ausrichtung am Modell des Kalten Krieges und des Zweiten Weltkrieges befremdete, war schon damals unzeitgemäss.
Eine aktivere Beteiligung an den internationalen «Peacekeeping»-Operationen – das ist die Lösung der Stunde.39 Und nicht die Beschaffung nutzlos gewordener (schwerer) Waffen, die Auffüllung festgeschriebener Mannschaftsbestände und die lethargische Pflege von Tradition und Strategien, die der Vergangenheit angehören. Kein Staat ist heute noch völlig allein. Auch der Frieden ist unteilbar geworden. Respekt und Vertrauen verdient, wer im Rahmen seiner Kräfte solidarisch zum Wohlergehen gerade der notleidenden Staaten und Völker und zur gemeinsamen Sicherheit beiträgt.
Die Schweiz muss die Kraft aufbringen, Prioritäten der Sicherheitspolitik mit mehr Wirklichkeitssinn festzulegen und Ressourcen entsprechend einzusetzen.
1 Siehe Henri Dunant, Mémoires – Texte établi et présenté par Bernard Gagnebin, Lausanne 1971, S. 12.
2 Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde vom 12. August 1949 (I. Genfer Konvention); Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See vom 12. August 1949 (II. Genfer Konvention); Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 12. August 1949 (III. Genfer Konvention); Genfer Konvention über den Schutz von Zivilpersonen vom 12. August 1949 (IV. Genfer Konvention).
3 Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977 (Protokoll I); Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht-internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977 (Protokoll II).
4 Siehe etwa die Petersburger Erklärung von 1868 und die Haager Landkriegsordnung von 1907.
5 Zum Ganzen siehe etwa Antonio Cassese, The Human Dimension of International Law: Selected Papers, Oxford 2008, insbes. S. 3ff.
6 Zur Problematik, im humanitären Völkerrecht (wie zur Eingrenzung anderer Rechtsgebiete) definitorische «Linien» zu ziehen, und zur Gefahr ihrer Erosion oder Verwischung siehe David Kennedy, Of law and war, Princeton/ Oxford 2006, S. 99ff.
7 Siehe die offizielle Erklärung vonJakob Kellenberger, Präsident des IKRK, «Sixty Years of the Geneva Conventions: learning from the pastto better the future», vom 12. August 2009, einsehbar unter: http://www.icrc.org/web/eng/siteeng0.nsf/htmlall/geneva-conventions-statement-president-120809.
8 Siehe Nils Melzer, Interpretative Guidance on the Notion of Direct Participation in Hostilities under International Law, ICRC Geneva 2009.
9 Siehe Thomas Buergenthal und Daniel Thürer, Menschenrechte – Ideen, Institutionen und Instrumente, Zürich/ Baden-Baden 2009, S. 133ff.
10 Zum Ganzen siehe etwa Daniel Thürer, Völkerrecht als Fortschritt und Chance – Grundidee Gerechtigkeit, Band 2, Zürich/Baden-Baden 2009, S. 721ff., 739ff. (Kapitel zu den Themen «Humanitäres Völkerrecht und ame-rikanisches Verfassungsrecht als Schranken im Kampf gegen den Terrorismus» und «Guantánamo: ‹Legal Black Hole› oder Schnittstelle sich überschneidender und überlagernder ‹Rechtskreise›?»).
11 Siehe hierzu etwa Toni Pfanner, «Asymmetrical warfare from the perspective of humanitarian law and humanitarian action», in: International Review of the Red Cross, Nr. 857, 2005, S. 149ff.
12 Siehe Daniel Thürer, Völkerrecht als Fortschritt und Chance – Grundidee Gerechtigkeit, Band 2, Zürich/Baden-Baden 2009, S. 803ff. (Kapitel zum Thema «Might the Future of the ABC Weapons Control Regime lie in a Return to Humanitarinism?»).
13 Siehe Gutachten des Internationalen Gerichtshofes («IGH»), 8. Juli 1996 betreffend die Legalität des Einsatzes von oder Drohung mit Atomwaffen («Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons»), ICJ Reports 1996.
14 Oft sehen Nichtjuristen die Dinge einfacher und klarer als die in Präzedenzfälle, professionelle Dogmatik und Rücksichtnahme auf Machtverhältnisse verstrickten Fachleute. Eindrücklich ist etwa, dass sich bereits Albert Schweitzer in seinem Kampf für ein Verbot von Nuklearwaffen zentral auf das Völkerrecht abstützte. Mit der Atombombe sei eine neue, das Völkerrecht völlig ausser Kraft setzende Waffe in Gebrauch gekommen. «Aus dem Kämpfen und Sichverteidigen mit den bisherigen militärischen Mitteln wird durch die Neuen Waffen ein blindes Morden aus der Ferne mit Waffenvernichtungsmitteln, das keinen Unterschied zwischen Militär und Zivilbevölkerung mehr machen kann.» (Zitiert in: Fried-rich Schorlemmer, Albert Schweitzer – Genie der Menschlichkeit, Berlin 2009, S. 207). Schweitzer hielt das Völkerrechtsargument für das zentrale, weil man sich darüber, unabhängig von Religion, politischer Einstellung und ethnischen Überzeugungen, einigen könne und es sowohl den Einzelnen wie auch politischen Parteien und Regierungen überzeugen müsse (siehe Schorlemmer, a.a.O., S. 218). Siehe zum Kampf Schweitzers gegen «die Bombe» auch Nils Ole Oermann, Albert Schweitzer (1875–1965) – Eine Biographie, München 2009, S. 253ff.
15 Einsehbar unter: http://www.whitehouse.gov/the_press_office/Remarks-By-President-Barack-Obama-In-Prague-As-Delivered.
16 So hat Präsident Obama beim Gipfeltreffen der G8 in L’Aquila am 8. Juli 2009 für März 2010 ein Gipfeltreffen zur weltweiten Nuklearsicherheit ankündigt. Einsehbar unter: www.whitehouse.gov/the_press_office/addressing- the-Nuclear-Threat-Fulfilling-the-Promise-of-Prague-at-the-LAquila-Summit.
17 Tlatelolco Treaty (1967), Rarotonga Treaty, Bangkok Treaty (1995), Pelin-daba Treaty (1996).
18 Näheres bei Antônio Augusto Conçado Trindade, «International Law for Humankind: Jus Gentium – General Course on Public international Law», in: Recueil des Cours de l’Académie de droit international de la Haye, Vol. 317, Leiden/Boston 2006, S. 28ff.
19 Die Liste der abgeschlossenen Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen ist einsehbar unter: http://disarmament2.un.org/TreatyStatus.nst.
20 Der Atomwaffensperrvertrag ist einsehbar unter: http://www.iaea.org/Publications/Documents/infcircs/Others/infcirc140.pdf.
21 Zum Ganzen siehe Fred Tanner,«‹Obama-Faktor› erzeugt Renaissance der Abrüstung», in: Neue ZürcherZeitung (NZZ) vom 5. Juli 2009,Nr. 27, S. 15.
22 Einsehbar unter: http://nobelprize.org/ nobel_prizes/peace/laureates/2009/press.html.
23 Siehe insbesondere das Atomwaffen-Gutachten des IGH (a.a.O., Fussnote 13). Gemäss dem Gutachten ist der Einsatz von Atomwaffen im bewaffneten Konflikt dem humanitären Völkerrecht unterstellt. Im Prinzip ist also ein solcher Einsatz in jeder denkbaren Kriegssituation – aufgrund ihrer Unmöglichkeit zur Unterscheidung zwischen zivilen Objekten und Personen einerseits und militärischen Objekten und Angehörigen der Streitkräfte andererseits – ausgeschlossen. Allerdings lässt der IGH dann die Frage offen, ob dieses Verbot auch im Falle eines ausserordentlichen Selbstverteidigungsrechtes gilt.
24 Siehe die Debatten des Institut de Droit International an der Session von Edinburgh, in der alle Massenvernichtungswaffen verurteilt wurden: Annuaire de l’Institut de droit international 1969 II, S. 49–50, 53, 55, 60, 62–64, 66, 88–90 und 99.
25 Siehe Max Huber, «La fin des hostilités et les tâches futures de la Croix-Rouge», in: International Review of the Red Cross, No. 321, 1945, S. 657ff., und Leopold Bossier and Paul Ruegger, «Atomic Weapons and Non-Directed Missiles», in: «International Review of the Red Cross, Supplement, Vol. III, No. 4, 1950, S. 70ff.
26 Siehe hierzu wegweisend AntônioAugusto Conçado Trindade, «International Law for Humankind: Towardsa New Jus Gentium – General Course on Public International Law»,in: Recueil des Cours de l’Académiede Droit international de La Haye, Leiden/Boston 2006, S. 37 ff.;C. Wilfred Jenks, The Common Law of Mankind, London 1958, S. 57ff., 66ff., 169ff.; René-Jean Dupuy,L’humanité dans l’imaginaire desnations, Paris 1991.
27 Siehe Z. Yihdego, The Arms Trade and International Law, Oxford/Portland (Oregon) 2007.
28 Vorbildlich als nationale RegelungArt. 5 Abs. 2 der Verordnung des Bundesrates zum Export von Kriegsmaterial vom 25. Februar 1998 (SR 514.511), zumindest wenn die Bestimmung im Sinn eines offenen Briefes ausgelegt wird, den am 6. Oktober 2009 70 Rechtsprofessoren an den Bundesrat richteten. Einsehbar unter: http://www.kriegsmaterial.ch/site/sites/www.kriegsmaterial.ch/files/file/Offener_Brief_dt.pdf.
29 Siehe dazu die öffentliche Erklärung des IKRK vom 1. Oktober 2009einsehbar unter: http://www.icrc.org/web/en/siteeng0.nsf/htmlal/weapons-statement-011009?opendocument und International Committee of the Red Cross, Arms Transfer Decisions: Applying International Humanitarian Law Criteria, Geneva 2007.
30 Siehe Daniel Thürer, «Vom Nürnberger Tribunal zum Jugoslawien-Tribunal und weiter zu einem Weltstrafgerichtshof?» in: Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht 1993, S. 491ff.
31 Siehe Marco Sassòli, «State Responsibility for Violations of International Humanitarian Law», in: International Review of the Red Cross, Nr. 846, 2002, S. 401ff.
32 Zitiert von M. Cherif Bassiouni, «The Time has come for an International Criminal Court», in: Indiana International and Comparative Law Review 1991, S. 34.
33 Siehe Daniel Thürer, Völkerrecht als Chance – Grundidee Gerechtigkeit, Band 2, Zürich/Baden-Baden 2009, S. 893ff. (Kapitel über «Neuere Entwicklungen der internationalen Strafgerichtsbarkeit»).
34 Siehe den «Report of the UnitedNations Fact-Finding Mission on the Gaza Conflict» vom 25. September 2009 (A/HRC/12/48).
35 Siehe Resolution des Menschenrechtsrates vom 21. Oktober 2009 (A/HRC/RES/S-12/1). Im Vorfeld der Abstimmung hatte Israel noch verkündet, dass es – aufgrund eines allfälligen Vetos der USA im Sicherheitsrat – nie zu einer Überweisung an den Internationalen Strafgerichtshof kommen würde (siehe: «Die USA legen sich quer», in: NZZ vom 15. Oktober 2009, Nr. 239, S. 3). Israel wird nun aber als Reaktion auf die Verurteilung im Menschenrechtsrat eine Kommission einsetzen, um auf die Kritik des Berichtes zu antworten (siehe: «Gaza-Offensive wird von Israel untersucht», in: NZZ vom 27. Oktober 2009, Nr. 249, S. 9). Die Uno-Generalversammlung hatte am 5. November 2009 eine Resolution mit 114 Ja- zu 18 Nein-Stimmen verabschiedet, die die Umsetzung der Empfehlungen des Goldstone-Berichtes forderte (A/RES/64/10). Gemäss dieser Resolution sollen Israel wie auch die Palästinenser in drei Monaten unabhängige, glaubwürdige und internationale Standards entsprechende Untersuchungen zu den möglichen Menschenrechtsverletzungen einleiten. Ebenso beschloss die Generalversammlung in der Resolution, den Bericht zu begrüssen und an den Sicherheitsrat weiterzuleiten. Im Hinblick auf die Äusserungen der USA in der Sondersitzung des Sicherheitsrates vom 14. Oktober 2009, dass der Bericht unausgewogen und einseitig Israel verurteile, ist die Chance einer Annahme des Berichtes im Sicherheitsrat allerdings wohl als gering einzuschätzen.
36 Siehe «Statement by Richard Goldstone on behalf of the Member of the United Nations Fact Finding Mission on the Gaza Conflict before the Human Rights Council» vom 29. September 2009, abrufbar unter: http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/specialsession/9/FactFindingMission.htm.
37 Er war zuletzt, im Rang eines Hauptmanns, Mitglied der Strategiekommission des Verteidigungsdepartements.
38 Michael Ignatieff, The Warrior’s Honor, New York 1997.
39 Daniel Thürer, «Aktive Neutralität? Ein Beobachter mit seinen (naiven) Fragen», in: Georg Kreis (Hrsg.), Die Schweizer Neutralität: Beibehalten, umgestalten oder doch abschaffen? Zürich 2007, S. 137ff.