Die Umsetzung der vom Bologna-System ermöglichten Wechsel der Studienrichtungen ist von Uni zu Uni sehr unterschiedlich. Die Universitäten in der Romandie sind tendenziell aufgeschlossener (siehe Kasten) als diejenigen in der Deutschschweiz.
Vor zwei Jahren hatten in der Schweiz 5 Prozent fachfremde Bachelorstudenten ein Masterstudium begonnen. Laut Pascal Stubi vom Bundesamt für Statistik studierten nahezu alle vorher in Genf oder Lausanne. Von den 5 Prozent kamen 3,5 Prozent aus human- und sozialwissenschaftlichen Studienrichtungen, 1,5 Prozent aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
In Zürich und Basel ist kein Wechsel möglich
In der Deutschschweiz erlaubt einzig die Universität Bern einen Quereinstieg von einem fachfremden Bachelorabschluss in ein Jus-Masterstudium. An den Universitäten von Zürich und Basel ist dies hingegen nicht möglich – auch nicht mit einer Aufnahmeprüfung. In Bern sind die Bedingungen restriktiv: Laut Sabine Senn-Müller von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät müssen die Studenten auf der Bachelorstufe ein Nebenfach im Umfang von mindestens 60 ECTS in Rechtswissenschaft vorlegen können. Jedes Jahr würden etwa zwölf Studierende diesen Weg wählen.
Von den bisherigen fachfremden Berner Masterabsolventen hatten 33 Studenten einen Bachelor in Internationalen Beziehungen der Universität Genf, 11 einen Bachelor der Universität Freiburg – davon die meisten einen Bachelor in Sozialarbeit und Sozialpolitik –, 11 einen Bachelor der Universität Zürich (etwa in Politologie, Japanologie, Philosophie) und 5 einen Bachelor der Universität Bern (beispielsweise in Geschichte oder Germanistik).
An der Universität St. Gallen wird für die Zulassung zum Jus-Master grundsätzlich ein juristischer Bachelorabschluss einer schweizerischen Uni vorausgesetzt, erklärt Juliane Abbrederis, Leiterin der Zulassungsstelle. Kommt man mit einem juristischen Bachelorabschluss einer ausländischen Universität oder einem fachfremden Master- oder Diplomabschluss einer Schweizer Universität in den St. Galler Jus-Masterlehrgang, seien ergänzende Leistungen nötig.
Ein Wechsel zwischen den St. Galler Lehrgängen «Wirtschaftswissenschaften», «Rechtswissenschaften» und «Rechtswissenschaften mit Wirtschaftswissenschaften» ist ebenfalls mit zusätzlichen Credits verbunden (64 Punkte, was etwa einem Studienjahr entspricht). Das Gleiche gilt für den Fall, wenn ein Student mit dem Bachelor in Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft oder Internationalen Beziehungen einen Master in International Law machen will.
Masterdiplom sagt nichts über Bachelorstudium aus
Den Studenten der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur bietet die Uni Luzern an, mit fachfremden Bachelor ins Jus-Masterstudium einzusteigen. Laut Sabine Kistler-Zanetti von der Luzerner Studienberatung müssen dafür Passerellen-Prüfungen in fünf Fächern abgelegt werden: in Strafrecht, Verwaltungsrecht, ZGB, den juristischen Grundlagen und in einer fächerübergreifenden «Verbundsprüfung». Kistler-Zanetti sagt klar: «Damit kann man aber nicht davon ausgehen, dass die ZHAW-Studenten und die Luzerner Bachelorstudenten die gleiche Grundbildung haben.» Die Unterschiede seien aus dem Masterzeugnis ersichtlich, da die Passerellen-Noten dort aufgeführt werden. Im Masterdiplom deute hingegen nichts auf das fachfremde Bachelorstudium hin.
Ebenso ist es in Bern, wie Dekanatsvorsteherin Senn-Müller sagt: «Dem Masterdiplom sieht man nichts an. Nur auf dem Diplom-Supplement sind die Bachelorleistungen notiert.»
Vor Einführung des Bologna-Systems war das vermittelte Wissen an den verschiedenen Rechtsfakultäten sehr ähnlich. Personalverantwortliche konnten sich deshalb beim Lizentiatszeugnis an den Abschlussnoten orientieren. Bei einem «Master of Law» können sich Arbeitgeber und auch Klienten über die effektiv vorhandenen Qualifikationen täuschen.
Bachelorzeugnisse sind aussagekräftiger
Christoph Zimmerli von der Anwaltskanzlei Wenger Plattner in Bern sieht darin kein Problem: Man sei sich durchaus bewusst, dass heute Master nicht gleich Master ist. Deshalb würden Master- wie Bachelorzeugnisse einer genauen Prüfung unterzogen. «Eine Rolle spielen die Universität, die Professoren, die besuchten Fächer, die abgelegten Prüfungen und natürlich die erzielten Noten», erklärt Zimmerli. Wie Stefan Kohler von der Kanzlei Vischer ist er der Ansicht, dass Bachelorzeugnisse häufig aussagekräftiger sind. Denn auf Masterstufe würden sich die Credits nicht selten auch durch Fächer erzielen lassen, die für die fachliche Ausrichtung der Anwaltskanzlei nicht relevant sind, sagt Kohler.
Bei Homburger in Zürich werden deshalb gemäss Claude Rambert grundsätzlich nur Kandidaten mit einem juristischen Bachelor berücksichtigt. Das juristische Grundstudium sei an allen Universitäten in etwa einheitlich und hätte mit drei Jahren oder 180 erforderlichen Credits mehr Gewicht als das Masterstudium mit 90 Punkten.
Unterschiedliche Regelungen in der Westschweiz
Die Universität Neuenburg ist restriktiv: Bachelorabsolventen anderer Studienrichtungen wie Internationale Beziehungen oder solche von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften müssen bis zu 120 Credits nachholen in den Grundlagenfächern wie Privatrecht, Gesellschaftsrecht und Zivilprozessrecht. Das entspricht zwei Jahren Studium.
Die Universität Genf ist grosszügig: Dort kann man zum Beispiel mit nur 35 zusätzlichen Credits mit einem Bachelor in Internationalen Beziehungen in den Jus-Masterlehrgang einsteigen. Man kann gar einen Wechsel vom Bachelor in Medizin und Psychologie zu einem interdisziplinären «Master of Laws of Life» machen. Anträge von Studierenden werden geprüft und zugelassen, wenn man davon ausgehen darf, dass sie genügend Erfahrung mitbringen.
Die Universität Freiburg ist flexibel: Inhaber eines ausländischen Jus-Masters können zwar keinen klassischen schweizerischen «Master of Law» erwerben, jedoch einen «Master of Arts in Legal Studies», der Praktikern eine gute Grundlage des materiellen schweizerischen Rechts vermittelt.
Auch Bachelor-Absolventen aus ganz anderen Wissenschaften sind zugelassen, etwa Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft oder Wirtschaft, Internationale Beziehungen, Kommunikationswissenschaften und Medienmanagement, Betriebswirtschaft, Geografie.
Die Universität Lausanne ist spezialisiert: Hier gibt es einen «Master of Laws in Criminal Sciences» und einen in «Forensic Science». Sie stehen Bachelorabsolventen in Recht, Psychologie, Sozialwissenschaften, Ökonomie, Politikwissenschaften und Medizin offen. Einen interdisziplinären Masterlehrgang in Recht und Ökonomie bietet die juristische Fakultät mit der Ecole des Hautes Etudes Commerciales (HEC) Lausanne den Studierenden beider Studienrichtungen an.