Zivilprozessrecht: Honorar nicht höher als Parteientschädigung
Für den unentgeltlichen Rechtsbeistand ist die festlegte Parteientschädigung bindend. Bei teilweisem Obsiegen und Unterliegen der Parteien gilt sie anteilsmässig. Es besteht kein Anspruch auf eine über die uneinbringliche Parteientschädigung hinausgehende Entschädigung.
Sachverhalt:
Der unentgeltlich vertretene Beklagte hat in der Sache obsiegt. Im Sachentscheid wurde ihm eine Entschädigung von 1400 Franken zuzüglich Mehrwertsteuer (also 1512 Franken) zugesprochen. Sein Anwalt ersucht das Gericht nun um Auszahlung einer Entschädigung von insgesamt Fr. 1569.80.
Aus den Erwägungen:
3. Ist der kostenpflichtigen Gegenpartei ihrerseits die unentgeltliche Rechtspflege gewährt worden, darf die von ihr zu leistende Parteientschädigung als voraussichtlich uneinbringlich gelten (vgl. BK ZPO-Bühler, Art. 122 N 67). Der unentgeltliche Rechtsvertreter der obsiegenden Partei ist in diesem Fall aus der Gerichtskasse angemessen zu entschädigen (Art. 122 Abs. 2 ZPO).
Rechtsanwalt A. hat überdies aufgezeigt, dass er vergeblich versuchte, die Parteientschädigung bei der Gegenpartei erhältlich zu machen. Die dem Beklagten zugesprochene Parteientschädigung von 1400 Franken zuzüglich 8,0 % MwSt. von 112 Franken, total 1512 Franken, ist Rechtsanwalt A. daher aus der Gerichtskasse auszuzahlen. Der Anspruch auf die uneinbringliche Parteientschädigung geht auf die Gerichtskasse über (Art. 122 Abs. 2 ZPO).
4.1 Ein Anspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistands auf eine über die uneinbringliche Parteientschädigung hinausgehende Entschädigung besteht nicht. Die Kammer hält diesbezüglich auch im Geltungsbereich der Schweizerischen Zivilprozessordnung an der früheren Praxis unter kantonalem Zivilprozessrecht fest, wonach der Entscheid über die Höhe der Parteienschädigung gemäss dem Entscheid in der Sache auch für die angemessene Entschädigung nach Art. 122 Abs. 2 ZPO bindend ist (vgl. ZR 107/2008 Nr. 67).
4.2 Dass nach Art. 122 Abs. 2 ZPO nicht ohne weiteres «die uneinbringliche Parteientschädigung» auszuzahlen ist, sondern eine «angemessene Entschädigung», ändert daran nichts. Damit wird lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass die meisten Kantone auf Basis ihrer Tarifhoheit (Art. 96 ZPO) die Ansätze für die Entschädigungen unentgeltlicher Rechtsvertreter tiefer ansetzen als die Parteientschädigungen gewillkürter Parteivertreter. In diesen Fällen muss, wenn die Parteientschädigung bei der Gegenpartei uneinbringlich ist, auf Basis des kantonalen Tarifrechts ein separater Entscheid über die «angemessene» Entschädigung nach Art. 122 Abs. 2 ZPO ergehen (vgl. BK ZPO-Bühler, Art. 122 N 71 ff.).
Im Kanton Zürich erübrigt sich ein solcher Entscheid dagegen, weil sich die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands hier nach denselben Kriterien bestimmt wie die Entschädigung frei gewählter Rechtsvertreter (Bühler, a.a.O., Art. 122 N 11). Daher rechtfertigt es sich, weiterhin von einer Bindungswirkung des Entscheids im Rahmen des Kostenentscheids der Hauptsache auszugehen. Materiell handelt es sich (nach dem anwendbaren Zürcher Gebührentarif) um denselben Entscheid, der nicht ein weiteres Mal getroffen werden kann (vgl. OGerZH LY120046, Beschluss vom 21. Februar 2013).
4.3 Ein Anspruch auf eine höhere Entschädigung wäre daher mit einem Rechtsmittel gegen den Entscheid über die Hauptsache (vorliegend: der Entscheid über die Beschwerde des Beklagten gegen die Verfügung vom 3. April 2014) geltend zu machen. Im vorliegenden Verfahren kann dem Rechtsvertreter keine zusätzliche Entschädigung zugesprochen werden.
Beschluss PC140016-O/Z02 des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8.9.2014
Sicherheitskaution nach unbezahlten Prozesskosten
Wird eine Klage wegen fehlender Zuständigkeit zurückgezogen und innert Monatsfrist neu eingereicht, so wird damit ein neues Verfahren eingeleitet. Unbezahlte Prozesskosten aus der ersten Einreichung stammen aus einem «früheren Verfahren», womit der Beklagte vom Kläger die Leistung einer Sicherheit für die Parteientschädigung verlangen kann.
Sachverhalt:
Eine Partei hatte eine Klage zurückgezogen und diese wieder eingebracht, womit sie ein neues Verfahren einleitete. Für die Parteikosten macht sie nun Verrechnung geltend.
Aus den Erwägungen:
1. Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, sofern ein gesetzlicher Kautionsgrund vorliegt (Art. 99 Abs. 1 ZPO).
1.1 Gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, in welchem Verfahren über das Gesuch um Parteikostensicherheit zu befinden ist. Die Natur der Angelegenheit, die einen raschen Entscheid erfordert, gebietet, das Summarverfahren anzuwenden, auch wenn es nicht unter die gesetzlich bestimmten Anwendungsfälle des summarischen Verfahrens fällt (Urwyler, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Zürich/St. Gallen 2011, N 6 zu Art. 99 ZPO; Suter/Von Holzen, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 2. Auflage, Zürich Basel Genf 2013, N 14 zu Art. 99 ZPO).
1.2 Für das Vorliegen eines Kautionsgrundes trägt grundsätzlich der antragstellende Beklagte die Behauptungs- und Beweislast. Von der Natur der Sache her reichen je nach Kautionsgrund jedoch glaubhafte Behauptungen des Beklagten; bei den behaupteten offenen Prozesskosten aus früheren Verfahren insbesondere muss letztlich der Kläger eine allenfalls erfolgte Zahlung nachweisen (Suter/Von Holzen, a.a.O., N 17 zu Art. 99 ZPO).
2. Zu den gesetzlich genannten Gründen für die Verpflichtung zur Leistung einer Parteikostensicherheit zählt insbesondere, dass der Kläger Prozesskosten aus einem früheren Verfahren schuldet (Art. 99 Abs. 1 lit. c ZPO).
2.1 Dass dem Beschwerdegegner in Ziff. 4 der Abschreibungsverfügung des Regionalgerichts Z. die Bezahlung von «Prozesskosten» im Sinne von Art. 99 Abs. 1 lit. c ZPO auferlegt worden sind, ist offensichtlich und wird von den Parteien zu Recht nicht bestritten.
2.2 Strittig hingegen ist, ob die fragliche Prozesskostenschuld aus einem «früheren Verfahren» entstammt. «Früher» bedeutet in diesem Zusammenhang «abgeschlossen». Vorausgesetzt wird, dass der entsprechende Kostenentscheid formell rechtskräftig und vollstreckbar (Sterchi, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band I, Bern 2012, N 26 zu Art. 99 ZPO), die Kostenforderung mithin fällig ist (Suter/Von Holzen, a.a.O., N 32 zu Art. 99 ZPO). Dass die Abschreibungsverfügung in formelle Rechtskraft erwachsen und die Kostenforderung somit fällig und vollstreckbar ist, wird von den Parteien nicht bestritten. Damit ist nach dem Gesagten aber bereits erstellt, dass hierdurch grundsätzlich eine kautionsauslösende Prozesskostenschuld begründet worden ist. Sowohl die Vorinstanz als auch der Beschwerdegegner vertreten nun jedoch mit Hinweis auf Art. 63 Abs. 1 ZPO die Auffassung, dass das Verfahren mit der Abschreibungsverfügung vom 13. November 2013 nicht abgeschlossen worden sei: Da nach dem Klagerückzug innert Monatsfrist ein neues Schlichtungsgesuch eingereicht worden sei, sei die Rechtshängigkeit erhalten geblieben.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdegegner hat seine Klage unter Vorbehalt der Wiedereinreichung zurückgezogen. In einem solchen Fall hat das Gericht das Verfahren abzuschreiben (Art. 241 Abs. 3 ZPO). Inhalt der Abschreibungsverfügung ist insbesondere die (deklaratorische) Feststellung, dass der Prozess beendet ist (Killias, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band II, Bern 2012, N 40 zu Art. 241 ZPO). Auch der Text der Kapitelüberschrift an der fraglichen Stelle in der ZPO («Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid») macht dieses Ergebnis deutlich.
Zwar ist richtig, dass Art. 63 Abs. 1 ZPO bei Wiedereinreichung der Klage unter gewissen Voraussetzungen anordnet, dass als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung gilt. Bei dieser sogenannten «Rückdatierung» oder «Perpetuierung» der Rechtshängigkeit handelt es sich jedoch lediglich um eine Fiktion, d.h. um etwas «Vorgestelltes», «Erdachtes». Die Fiktion verhindert zwar, dass gewisse prozessuale und materiellrechtliche Wirkungen der Rechtshängigkeit der Klage verloren gehen, vermag aber nichts daran zu ändern, dass die Abschreibungsverfügung in formelle Rechtskraft erwächst. Die Rückdatierung der Rechtshängigkeit führt mit anderen Worten nicht dazu, dass auf den früheren Abschreibungsbeschluss inkl. Kostenentscheid zurückgekommen werden könnte. Durch die Neueinreichung wird ein neues Verfahren lanciert, von dem zwar (unter Umständen) fingiert wird, es sei schon länger rechtshängig, aber welches im Übrigen von vorne beginnen muss, im konkreten Fall mit Einreichung des Schlichtungsgesuchs.
Da der Beschwerdegegner somit aus Art. 63 Abs. 1 ZPO nichts zu seinen Gunsten ableiten kann, braucht auch nicht näher geprüft zu werden, ob dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind.
2.3 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Beschwerdegegner durch Rückzug und Wiedereinbringen der Klage ein neues Verfahren eingeleitet hat, dessen Rechtshängigkeit möglicherweise auf den Zeitpunkt der ersten Einreichung zurückdatiert wird. Die Parteikostenschuld aus dem formell rechtskräftigen und vollstreckbaren Abschreibungsbeschluss geht deshalb auf ein «früheres Verfahren» zurück, weshalb Art. 99 Abs. 1 lit. c ZPO grundsätzlich erfüllt ist.
3. Der Beschwerdegegner wendet weiter ein, er habe die fraglichen Parteikosten durch Verrechnung getilgt.
3.1 Wenn zwei Personen einander Geldsummen schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen (Art. 120 Abs. 1 OR). Der Schuldner kann die Verrechnung geltend machen, auch wenn die Gegenforderung bestritten wird (Art. 120 Ab. 2 OR). Die Liquidität (d.h. Unstreitbarkeit oder sofortige Beweisbarkeit) ist somit nicht privatrechtliche Voraussetzung der Verrechnung. In einem solchen Fall bedarf es zwar erst noch der gerichtlichen Feststellung der Aktivforderung. Bejaht das Urteil am Ende aber Bestand und Durchsetzbarkeit der Aktivforderung, so wird damit auf prozessualer Ebene nur bestätigt, was materiell längst Tatsache war. Aufgrund der erfüllten Tatbestandsvoraussetzungen fand die Verrechnung bereits mit der Erklärung statt (Zellweger-Gutknecht, Berner Kommentar, Verrechnung, Bern 2012, N 329 ff. zu Art. 120 OR).
3.2 Die Tatsache, dass der Beschwerdegegner die Verrechnung erklärt hat, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Jedoch ist er der Auffassung, dass eine Verrechnung der durch gerichtlichen Entscheid ausgewiesenen Kostenforderung nur möglich sei, sofern die Gegenforderung auf einem Titel beruhe, der seinerseits mindestens zur provisorischen Rechtsöffnung berechtige.
3.3 Wie es sich damit verhält und ob das erstinstanzlich vor Aktenschluss ins Recht gelegte Befragungsprotokoll (Klagebeilage 14 mit der folgenden Aussage des Beschwerdeführers: «Ich bin (…) noch CHF (…) schuldig») ggf. den Anforderungen genügt, kann vorliegend aus folgenden Überlegungen offen bleiben:
Art. 99 ZPO soll den Beklagten in gewissen Konstellationen davor schützen, die im Falle des Obsiegens zugesprochene Parteientschädigung beim Kläger nicht eintreiben zu können (Suter/Von Holzen, a.a.O., N 2 zu Art. 99 ZPO). Bei vollständigem Obsiegen des Beschwerdeführers im Hauptprozess (d.h. einer Ab- oder Rückweisung der Klage) wäre erstellt, dass zwischen den Parteien keine (…) Forderungen bestehen, womit auch die ausgesprochene Verrechnung keine Grundlage hätte. Würde die Verrechnung der geschuldeten Prozesskosten mit der eingeklagten und bestrittenen Forderung zugelassen, würde das Ergebnis des Prozesses vorweggenommen und die Kautionspflicht ihres Sinnes entleert: Es geht ja gerade darum, der beklagten Partei für ihre eigenen Prozesskosten im Falle des Obsiegens Sicherheit zu gewähren, damit sie sich nicht auf einen Prozess mit einem Prozessgegner einlassen muss, bei dem ein gesetzlicher Kautionsgrund vorliegt.
3.4 Die Verrechnungseinrede des Beschwerdegegners ist somit im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen von Art. 99 Abs. 1 lit. c ZPO bereits aus grundsätzlichen Überlegungen zu verwerfen.
Entscheid ZK 14 262 des Obergerichts des Kantons Bern vom 25.8.2014
Zivilrecht: Streitwert des Arbeitszeugnisses individuell
Bei Streitigkeiten über ein Arbeitszeugnis kann der Streitwert nicht einfach schematisch auf einen Bruchteil oder ein Mehrfaches des Monatslohns festgesetzt werden. Vielmehr ist der Streitwert nach objektiven Kriterien zu schätzen. Diese Schätzung gehört zur Feststellung des Sachverhalts.
Sachverhalt:
Angefochten war ein Entscheid der Schlichtungsbehörde Z. betreffend Abänderung eines Arbeitszeugnisses. Die Schlichtungsbehörde hatte den Antrag auf Streichung einer Passage im Arbeitszeugnis betreffend Krankheit der Arbeitnehmerin gutgeheissen. Im Beschwerdeverfahren war unter anderem die Höhe des Streitwerts und damit die Berechtigung der Schlichtungsbehörde, in Anwendung von Art. 212 ZPO einen Entscheid zu fällen, strittig.
Aus den Erwägungen:
1.1 Streitigkeiten betreffend die Ausstellung oder Formulierung von Arbeitszeugnissen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Lehre vermögensrechtlicher Natur, wobei bezüglich der Streitwerthöhe in erster Linie auf die übereinstimmenden Angaben der Parteien abgestellt wird (vgl. BGE 116 II 379, E. 2 b, u.a. bestätigt in BGer 4C.337/2004, E. 6). Sofern sich die Parteien über den Streitwert nicht einigen oder ihre Angaben offensichtlich unrichtig sind, setzt das Gericht den Streitwert fest (Art. 91 Abs. 2 ZPO). Dabei hat es den Streitwert nach objektiven Kriterien zu schätzen (vgl. Sterchi, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band I, Bern 2012, N 15 zu Art. 91 ZPO; Stein-Wigger, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Zürich/ Basel/Genf 2013, N 25 zu Art. 91 ZPO).
Der Streitwert von Arbeitszeugnissen wird in der Lehre kontrovers diskutiert und auch die kantonale Praxis ist in diesem Bereich sehr heterogen (vgl. Streiff/Von Känel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319–362 OR, 7. Auflage, Zürich/Basel/ Genf 2012, N 6 zu Art 330a OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann der Wert eines Arbeitszeugnisses nicht losgelöst vom konkreten Fall auf einen Bruchteil oder ein Mehrfaches des Monatslohns festgesetzt werden (BGer 8C_151/2010, E. 2.8, teilw. publ. in: ARV 2010, S. 267). Wie wichtig das Zeugnis objektiv ist, hängt von der Situation auf dem Arbeitsmarkt ab sowie von der Funktion und der Qualifikation des Arbeitnehmers (vgl. BGer 8C_151/2010, E. 2.7, mit Hinweisen). Der Streitwert ist nicht schematisch danach zu bemessen, ob das Zeugnis ganz oder teilweise umstritten ist. Massgebend ist vielmehr, ob es beim Streit um wesentliche Punkte des Zeugnisses geht (vgl. BGer 4A_45/2013, E. 4.3).
1.2 Die Schätzung des Streitwerts nach objektiven Kriterien ist vergleichbar mit der ermessensweisen Schadenschätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR (vgl. BGer 4A_45/2013, E. 4.2). Die ermessensweise Schadenschätzung beruht – von der ausnahmsweisen Berücksichtigung abstrakter Erfahrungssätze abgesehen – auf Tatbestandsermessen und gehört mithin zur Feststellung des Sachverhalts (vgl. BGE 131 III 360, E. 5.1; BGE 122 III 61 E. 2c/bb). Im Beschwerdeverfahren kann daher nur die offensichtlich unrichtige Feststellung des Streitwerts geltend gemacht werden (Art. 320 lit. b ZPO).
1.3 Bei der Bestimmung des Streitwerts ist vom Sachverhalt zum Zeitpunkt der Verhandlung auszugehen. Der Beschwerdeführer liess sich im Verfahren vor der Schlichtungsbehörde nicht vernehmen und wurde an der Schlichtungsverhandlung säumig erklärt, weshalb die Vorinstanz gestützt auf die Angaben der Beschwerdegegnerin zu entscheiden hatte.
Indem die Vorinstanz annahm, der Streitwert betrage einen Viertel des Bruttomonatslohns, was 1200 Franken ergibt, hat sie ihr Ermessen nach Ansicht der Kammer korrekt ausgeübt. Die Annahme eines Streitwerts von 1200 Franken erscheint vertretbar, da wesentliche Teile des Arbeitszeugnisses, namentlich betreffend Dauer, Funktion, Leistung und Verhalten der Beschwerdegegnerin, nicht angefochten wurden. Der Beschwerdeführer vermag nicht darzulegen, inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt haben soll.
Der Beschwerdeführer unterlässt es zu erläutern, wie sich der geltend gemachte Streitwert von mindestens 3000 Franken zusammensetzt und weshalb dieser Betrag dem objektiven Wert der Abänderung des Zeugnisses entsprechen soll. Die vorinstanzliche Festsetzung des Streitwerts auf 1200 Franken ist demnach zu bestätigen.
1.4 Nach dem Gesagten war die Vorinstanz berechtigt, in Anwendung von Art. 212 ZPO einen Entscheid zu fällen, ohne dass sie dabei ihre Kompetenz überschritten hätte.
Entscheid ZK 13 643 des Obergerichts des Kantons Bern vom 27.3.20148.9.2014
Handelsregisteramt muss Eintrag selbst vornehmen
Das Handelsregisteramt muss eine Eintragung von Amtes wegen vornehmen, wenn die zur Anmeldung verpflichteten Personen ihrer Pflicht nicht nachkommen. Wegen der umgekehrten Beweislast braucht es keine Sachverhaltsabklärungen zu treffen.
Sachverhalt:
Ein Einzelunternehmer war der Eintragungspflicht nicht nachgekommen. Das Handelsregisteramt verpflichtete ihn daher, dies zu tun. Damit war der Einzelunternehmer nicht einverstanden, weshalb er ans Obergericht gelangte.
Aus den Erwägungen:
4.1 Verfügungen der kantonalen Handelsregisterämter können innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung angefochten werden. Beschwerdeberechtigt sind Personen, die von einer Eintragung unmittelbar berührt sind (Art. 165 Abs. 1, 3 und 5 HRegV).
4.2 Jeder Kanton bezeichnet ein oberes Gericht als einzige Beschwerdeinstanz (Art. 165 Abs. 2 HRegV). Im Kanton Bern entscheidet das Obergericht über Beschwerden gegen Verfügungen des kantonalen Handelsregisteramts (Art. 6 Abs. 4 EG ZSJ).
4.3 Das anwendbare Verfahrensrecht wird durch die Kantone festgelegt (Rüetschi, in: Stämpflis Handkommentar, Handelsregisterverordnung, 2012, N. 5 zu Art. 165 HRegV).
Gemäss Art. 10 Abs. 2 EG ZGB beurteilt das Obergericht im Weiterziehungsverfahren Angelegenheiten nach Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG, wozu auch Verfahren betreffend die Eintragung in das Handelsregister fallen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG; Urteil des BGer 4A_206/2013 vom 5. September 2013 E. 1, nicht publ., in: BGE 139 III 449). Entscheidet wie vorliegend eine Verwaltungsbehörde als Vorinstanz, richtet sich das Weiterziehungsverfahren nach dem VRPG (vgl. Ziff. I des Kreisschreibens Nr. 3 des Obergerichts).
6.3.1 Der Registerführer hat die Beteiligten zur Erfüllung der Anmeldungspflicht anzuhalten und nötigenfalls die vorgeschriebenen Eintragungen von Amtes wegen vorzunehmen (Art. 941 OR).
Gemäss Art. 152 HRegV muss das Handelsregisteramt eine Eintragung von Amtes wegen vornehmen, wenn die zur Anmeldung verpflichteten Personen dieser Pflicht nicht nachkommen (Abs. 1 lit. a).
Das Handelsregisteramt fordert die zur Anmeldung verpflichteten Personen auf, die Anmeldung innert 30 Tagen vorzunehmen oder zu belegen, dass keine Eintragung erforderlich ist; es weist dabei auf die massgebenden Vorschriften, die erforderlichen Belege und die Rechtsfolgen der Verletzung dieser Pflicht hin (Abs. 2). Bei Einzelunternehmen genügt zum Beleg, dass keine Eintragung erforderlich ist, gemäss Art. 152 Abs. 4 HRegV eine Bestätigung der Steuerbehörden, wonach der für die Eintragungspflicht massgebliche Jahresumsatz nicht erreicht wird. Bei der 30-tägigen Frist gemäss Art. 152 Abs. 2 HRegV handelt es sich um eine gesetzliche Verwirkungsfrist, die nicht verlängert werden kann (Praxismitteilung des Eidgenössischen Handelsregisteramts vom 17. Oktober 2008).
Art. 152 Abs. 2 HRegV statuiert somit die Mitwirkungspflicht der betroffenen Person. Es findet eine Beweislastumkehr statt, da dem Handelsregisteramt die möglichen Untersuchungsmittel fehlen; die betroffene Person muss durch Vorlage geeigneter Unterlagen das Fehlen der Eintragungspflicht nachweisen. Das blosse Behaupten des Fehlens der Eintragungspflicht genügt nicht. Unterbleibt der Nachweis, beispielsweise auch wegen fehlender Kooperation, hat das Handelsregisteramt die Eintragung zwangsweise vorzunehmen. Aufgrund der Beweislastumkehr ist das Handelsregisteramt nicht verpflichtet, den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären (Urteil des BGer 4A_526/2008 vom 21. Januar 2009 E. 4.5.1 f.; Tagmann, in: Handelsregisterverordnung, Stämpflis Handkommentar, 2012, N. 19 zu Art. 152 HRegV).
6.3.2 Kommt die zur Anmeldung verpflichtete Person der Aufforderung innerhalb der 30-tägigen Frist gemäss Art. 152 Abs. 2 HRegV nicht nach, erlässt das Handelsregisteramt eine Verfügung über die Eintragungspflicht, den Inhalt des Eintrags, die Gebühren und gegebenenfalls eine Ordnungsbusse (Art. 152 Abs. 5 HRegV). Sobald diese Verfügung vollstreckbar geworden ist, nimmt das Handelsregisteramt die Eintragung von Amtes wegen vor (Art. 156 HRegV).
6.3.3 Für die Beurteilung der Eintragungspflicht sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten nach Art. 152 Abs. 2 HRegV ergangenen Aufforderung zur Eintragung massgebend. Mit Rücksicht auf die Interessen der Gläubiger bleibt die Eintragungspflicht bestehen, auch wenn die im Zeitpunkt der Aufforderung gegebene Eintragungspflicht im Verlaufe des Eintragungsverfahrens entfällt (vgl. BGE 104 Ib 261 E. 1, S. 262; 81 I 303 E. 1b, S. 306; Urteil des BGer 4A.2/2005 vom 28. November 2005 E. 4.3). Dies verhindert, dass sich der Einzelunternehmer seiner Eintragungspflicht entzieht.
Das Bundesgericht hat diese Praxis in BGE 57 I 143 E. 1, S. 147, wie folgt begründet: Wohl hat diese Praxis zur Folge, dass, wenn in der Zwischenzeit, seit Erlass der bezüglichen Aufforderung, die Voraussetzungen für einen Eintrag dahingefallen sind, unmittelbar nach Erlass des Urteils wieder dessen Löschung verlangt werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass deshalb einem solchen Eintrag nur eine formale Bedeutung zukomme und dass dieser infolgedessen keinem praktischen Bedürfnis entspreche. Eine der Hauptwirkungen des Handelsregistereintrages besteht darin, dass die eingetragene Person bzw. Gesellschaft hiedurch der Konkursbetreibung unterstellt wird, während vor dem Eintrag (…) eine Einzelperson nur der Fortsetzung der Betreibung auf dem Wege der Pfändung untersteht. Diese Konkursfähigkeit bleibt nun aber gemäss Art. 40 SchKG auch nach Streichung des Eintrages noch während sechs Monaten, nachdem diese im schweizerischen Handelsamtsblatt bekannt gemacht worden ist, bestehen.
Die Gläubiger einer eintragungspflichtigen Person haben daher ein wichtiges Interesse daran, dass dieser Eintrag selbst dann noch erfolge, wenn er unmittelbar darauf wieder gelöscht werden muss. Es erscheint somit angezeigt, den für die Beurteilung der Eintragungspflicht massgebenden Zeitpunkt nicht über den Moment der vom Handelsregisteramt erlassenen Eintragungsaufforderung hinauszuschieben, da sonst einem Eintragungspflichtigen unter Umständen ermöglicht würde, durch eine allfällige noch vor Erlass der Eintragungsverfügung (…) vorgenommene Betriebseinstellung oder Liquidation den Eintrag zu verhindern und sich dadurch in ungerechtfertigter Weise, zum Schaden der Gläubiger, der Generalexekution zu entziehen.
Entscheid ZK 14 139 des Obergerichts des Kantons Bern vom 27.5.2014
Bei gerichtlichem Vergleich kein Erbschein nötig
Wenn in einem Fall streitiger Erbfolge ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wird, bedarf es keines Erbscheins. Denn ein gerichtlicher Vergleich hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids.
Sachverhalt:
Nach Eröffnung eines Testamentes, das die gesetzlichen Erben ausschloss und eine andere Person zur Erbin einsetzte, entstand Streit um die Gültigkeit des Testamentes. In einem Rechtsmittelverfahren schlossen die Beteiligten vor Obergericht schliesslich einen Vergleich. Vorgängige Sondierungen hatten ergeben, dass die eine Bank einen solchen Vergleich als Legitimation anerkenne, wenn daraus oder aus einem anderen amtlichen Dokument hervorgehe, wer die möglichen Berechtigten seien. Eine andere Bank hatte jedoch mitgeteilt, ohne Erbschein anerkenne sie niemanden als berechtigt.
Aus den Erwägungen:
Ein Vergleich, der in einem gerichtlichen Verfahren geschlossen und im Abschreibungsentscheid wiedergegeben wird, hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides, gleich wie ein Urteil (Art. 241 Abs. 2 ZPO). Das gilt nicht nur unter den Parteien selbst, sondern auch gegenüber Behörden und Privaten.
Insbesondere legitimiert der Vergleich die Erben, ohne dass noch ein separater Erbschein ausgestellt werden müsste. Solange eine Einsprache besteht (und das ist bei einem Streit um die Erbfolge regelmässig der Fall), eine Berufung gegen die Testamentseröffnung oder ein Prozess um das Testament im Gang ist, kann ohnehin kein Erbschein ausgestellt werden. Und nach Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens (wie vorliegend) könnte der Erbschein wegen der Wirkung der Rechtskraft nur den Inhalt des Urteils respektive des Abschreibungsentscheids wiederholen.
Daran ändert nichts, dass gewisse Banken irrtümlich meinen, es bedürfe noch eines Erbscheins, und die Einzelrichter sich aus praktischen Gründen über Art. 59 Abs. 2 lit. e ZPO hinwegsetzen und auf Ersuchen gleichwohl Erbscheine ausstellen, was den Erben allerdings zusätzliche und unnötige Kosten verursacht.
Beschluss LF140055-O/U des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18.7.2014
Strafprozessrecht: Verwertungsverbot greift bei blossem Irrtum nicht
Eine Täuschung im Sinne von Artikel 140 Absatz 1 StPO liegt nur bei einem bewussten, vorsätzlichen Vorgehen eines Ermittlers vor. Bei einem Irrtum greift das Beweisverwertungsverbot nicht.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer beruft sich bezüglich seiner seit dem 2. Juli 2013 gemachten Aussagen über im Ausland getätigte Drogenkurierfahrten auf Unverwertbarkeit. Der Polizeibeamte habe ihm im Nachgang an die Einvernahme vom 24. Juni 2013 und in Abwesenheit der Verteidigung Personenschutz zugesichert, falls er Aussagen zu weiteren Drogenkurierfahrten mache. Die Drug Enforcement Administration der USA (DEA) habe Interesse an einer Zusammenarbeit, wobei er und seine Familie von Personenschutz profitieren könnten. Später hätte sich diese Zusicherung als Makulatur erwiesen.
Mit der Zusicherung eines Personenschutzes sei ihm ein Versprechen gemacht worden, das ihn in seiner Willensfreiheit und Denkfähigkeit beeinträchtigt habe. Er habe sich in einem Irrtum befunden und deshalb Aussagen gemacht, welche er sonst nicht gemacht hätte. Die Aussagen betreffend seine angebliche Kuriertätigkeit unterlägen daher einem absoluten Verwertungsverbot.
Aus den Erwägungen:
5.1 Gemäss Art. 140 Abs. 1 StPO sind Zwangsmittel, Gewaltanwendung, Drohungen, Versprechungen, Täuschungen und Mittel, welche die Denkfähigkeit oder die Willensfreiheit einer Person beeinträchtigen können, bei der Beweiserhebung untersagt (vgl. dazu auch Art. 3 Abs. 2 lit. d StPO). Es handelt sich um absolut verbotene Beweiserhebungsmethoden. Beweise, die in Missachtung dieser Regel erhoben worden sind, dürfen in keinem Fall verwertet werden (Art. 141 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Dieses Verbot findet seine Rechtfertigung vorrangig im Schutz der Willensfreiheit und der Menschenwürde der von Strafverfolgungsmassnahmen betroffenen Individuen (Gless, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, Art. 140 N 5; Brodbeck, Irrtum und Täuschung in der Einvernahme, Masterarbeit 2009, S. 24). Verboten sind alle Massnahmen, die geeignet sind, eine freie Entscheidung über eine Kooperation mit den Strafbehörden einzuschränken (Gless, a.a.O., Art. 140 N 10). Darüber garantiert die Bestimmung eine zuverlässige Beweisführung im Strafverfahren und einen «fair trial» (Gless, a.a.O., N 6 f.). Art. 140 Abs. 1 StPO ist ferner Ausdruck des Verbots des Rechtsmissbrauchs (Art. 3 Abs. 2 lit. b StPO), indem er etwa unzulässige Versprechen und Drohungen ausschliesst. Ferner steht er in enger Verbindung mit der Selbstbelastungsfreiheit, nennt er doch auch solche Methoden, welche die freie Kooperationsbereitschaft von Beschuldigten beeinflussen können.
Die in Art. 140 Abs. 1 StPO namentlich genannten verbotenen Methoden lassen sich zum Teil nur schwer voneinander abgrenzen. So dürfte u.a. eine Gewaltanwendung auch ein Zwangsmittel sein (Gless, a.a.O., Art. 140 N 30). Eine scharfe Abgrenzung ist indessen nicht zwingend erforderlich, zumal die Aufzählung nicht abschliessend und ausreichend ist, dass ein Tatbestandsmerkmal mit einer gewissen Intensität greift, sodass es ein willensbeugendes Moment entwickeln kann (Gless, a.a.O., Art. 140 N 10). Auch in der hier interessierenden Konstellation ist eine klare Abgrenzung der betroffenen Methoden schwierig. Zum einen macht der Beschwerdeführer ein unzulässiges Versprechen geltend, zum anderen beruft er sich gleichzeitig auf eine Täuschung durch den Sachbearbeiter. Da es nicht in der Kompetenz des Sachbearbeiters liegt, über die Gewährung eines Personen- oder Zeugenschutzes einer ausländischen Behörde zu befinden, dies dem Ermittlungsbeamten auch bekannt ist, er somit ein allfälliges Versprechen nicht in der Absicht abgegeben haben kann, dass einer Erfüllung nichts im Weg steht, wäre ein diesbezügliches Versprechen als Täuschungsmittel zu qualifizieren.
5.2 Eine verbotene Täuschung besteht in einem durch die Strafbehörden hervorgerufenen Irrtum, d.h. in einem Auseinanderfallen von Wahrheit und Vorstellung über Rechtsfragen oder Tatsachen bei der betroffenen Person. Folglich sind das Vorspiegeln belastender Beweismittel zwecks Erlangens eines Geständnisses oder einer Aussage unzulässig (Gless, a.a.O., Art. 140 N 48). Unter Bezugnahme auf die grammatikalische Auslegung, wonach gemäss Lexikon und Internetenzyklopädie Wikipedia die Tätigkeit des Täuschens einer anderen Person nur vorsätzlich bzw. bewusst begangen werden kann und die Täuschung in Art. 140 Abs. 1 StPO als verbotene Beweiserhebungsmethode bezeichnet wird, sodass begriffsnotwendig von einem zielgerichteten, planmässigen Vorgehen auszugehen ist, hält Brodbeck fest, dass Art. 140 Abs. 1 StPO den Beschuldigten nicht vor Irrtum, sondern lediglich vor bewusster, vorsätzlicher Täuschung schützt (Brodbeck, a.a.O., S. 13 und S. 25). Kein Verwertungsverbot zur Folge haben somit mangels subjektiven Tatbestands vorab alle unbewussten Täuschungen, selbst wenn das mangelnde Bewusstsein des Befragers auf einer Sorgfaltspflichtverletzung beruhen sollte. Weiter ist der Irrtum eines Befragten irrelevant, wenn er ohne Zutun des Befragers, etwa durch eine eigene gedankliche Fehlleistung, bewirkt wurde. Vom objektiven Tatbestand her nicht beachtlich sind Täuschungen, die gar keine relevante Beeinflussung der Aussagen des Beschuldigten beabsichtigen.
6. Von einer verbotenen Beweiserhebung kann in der hier interessierenden Konstellation aus folgenden Überlegungen nicht ausgegangen werden:
6.1 Verboten sind alle Massnahmen, die geeignet sind, eine freie Entscheidung über eine Kooperation mit den Strafbehörden einzuschränken. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Angaben betreffend die Kurierfahrten im Ausland bzw. betreffend die im Ausland existierenden Abläufe nur aufgrund der Zusicherung, wonach ihm bzw. seiner Familie Schutz gewährt werde, gemacht zu haben, da er mit allfälligen Aussagen möglicherweise seine beiden Kinder in der Dominikanischen Republik gefährden könnte.
Der Beschwerdeführer ist somit nicht davon ausgegangen, dass seine Kinder in Gefahr gebracht würden, wenn er sich auf Aussagen zu seinem Transport in der Schweiz beschränkt. Ferner wusste er, dass er in der Rolle des Beschuldigten keine Aussagen machen muss, und es lag keine Situation vor, in welcher er aufgrund zeitlicher Dringlichkeit schnell hätte entscheiden müssen. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer nicht frei hätte entscheiden können, ob er kooperiert oder nicht. Abgesehen davon war die Familie zu keinem Zeitpunkt einer Gefahr ausgesetzt (vgl. Einvernahme der Kindsmutter B. vom 31. Januar 2014). Was der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 25. März 2014 dagegen vorbringt (er wisse gar nicht, was die Frau wolle; sie interessiere sich nur für ihre Liebhaber und Prostitution), ändert nichts daran, dass die Kindsmutter glaubhaft erklärt hat, ihre Kinder seien keiner Gefahr ausgesetzt und sie hätten nicht aufgrund des Gefängnisaufenthaltes des Beschwerdeführers den Wohnort wechseln müssen. Der zweimalige Wohnortwechsel habe vor dessen Inhaftierung stattgefunden; seit ca. Anfang 2013 würden sie an der jetzigen Adresse leben (Einvernahmeprotokoll vom 31. Januar 2014).
6.2 Unbestritten ist, dass der Personenschutz bereits vor der Einvernahme vom 2. Juli 2013 thematisiert worden ist. Ob er indessen auch schon am 24. Juni 2013 angesprochen worden ist, lässt sich der Aktennotiz des Sachbearbeiters vom 24. Juni 2014 nicht entnehmen. Dafür sprechen würde die Tatsache, dass das Thema gegenüber der DEA überhaupt aufgegriffen worden ist. Auf eine abschliessende Klärung dieser Frage kann an dieser Stelle verzichtet werden. Selbst wenn der Sachbearbeiter bereits in Anwesenheit des Beschwerdeführers am 24. Juni 2014 den Personenschutz erwähnt hat, bestehen unter Berücksichtigung der gesamten Aktenlage keine Anhaltspunkte, welche für die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Zusicherung des Personenschutzes sprechen würden.
Der Beschwerdeführer muss als wenig glaubwürdig bezeichnet werden, hat er doch gegenüber seiner in Spanien lebenden Freundin in seinem Brief vom 30. Juli 2013 erwähnt, dass er von der Organisation aufgegeben worden sei, weswegen er sich zur Zusammenarbeit mit der Polizei entschieden habe. Dies bestätigte er in seiner Einvernahme vom 25. März 2014. Ferner fragte er – obschon er mehrfach Angst um seine Kinder gehabt haben will – zu keinem Zeitpunkt nach, ob der angeblich zugesicherte Personenschutz nun habe organisiert werden können.
In seinem Schreiben an die zuständige Staatsanwältin vom 20. September 2013 erwähnt er zwar seine Kinder und die Gefahr, der sie jetzt ausgesetzt seien, doch macht er ebenfalls nicht geltend, ihm sei Personenschutz für seine Kinder versprochen worden. Als Kooperationsgrund nennt er lediglich eine mögliche Strafmilderung. So könne er das Gefängnis früher verlassen und die Aufmerksamkeit der Organisation würde wieder auf ihn gelenkt und seine Kinder wären nicht mehr in Gefahr.
Gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht ferner, dass er im März 2014 seine Rolle abgeschwächt und sich innerhalb der Organisation nur noch als Fahrer bezeichnet hat (Einvernahmeprotokoll vom 25. März 2014). Gleiches gilt hinsichtlich seinen, von der Kindsmutter glaubhaft bestrittenen Äusserungen, wonach die Kinder mehrfach den Wohnort hätten wechseln müssen, sie nicht mehr zur Schule gehen dürften und sein Sohn beinahe entführt worden sei.
Dass er erst nach Kenntnisnahme der Desinteresseerklärung der ausländischen Behörden mit seinem Verteidiger über die angebliche Zusicherung gesprochen haben will, ist wenig glaubhaft. Wenn die Zusicherung tatsächlich eine unabdingbare Voraussetzung gewesen wäre, hätte erwartet werden dürfen, dass er sich im Rahmen der Einvernahme vom 2. Juli 2013 bzw. spätestens in deren Anschluss mit der Verteidigung betreffend Personenschutz unterhalten hätte. Denn unbestrittenermassen erhielten der Beschwerdeführer und sein Verteidiger anlässlich des Unterbruchs nur Kenntnis darüber, dass die DEA zwischenzeitlich über die laufenden Ermittlungen informiert und ein möglicher Schutz seiner Kinder thematisiert worden sei. Dagegen, dass der Sachbearbeiter tatsächlich Personenschutz zugesichert haben soll, spricht ferner der Umstand, dass es nicht in dessen Kompetenz liegt, Entscheide ausländischer Behörden vorwegzunehmen. Ausserdem ist ein Zeugenschutzprogramm aufwendig und nicht alltäglich.
6.3 Schliesslich fragt sich, ob der Beschwerdeführer eine entsprechende Aussage des Sachbearbeiters möglicherweise falsch verstand. Die Verteidigung spricht im Rechtsmittelverfahren selber davon, dass dem Beschwerdeführer angeblich ein Interesse der DEA an einer Zusammenarbeit signalisiert worden sei, wobei er und seine Familie von einem Personenschutz profitieren könnten.
Aus der Aktennotiz vom 24. Juni 2014 geht nicht hervor, in welcher Sprache sich Sachbearbeiter und Beschwerdeführer unterhalten haben. Unter Bezugnahme auf das Einvernahmeprotokoll vom 25. März 2014 führt die Generalstaatsanwaltschaft aus, dass die Übersetzerin noch anwesend gewesen sei. Weiter hat der Beschwerdeführer angegeben, mit Ausnahme einer Autofahrt in den Nordring immer mit Übersetzung kommuniziert zu haben (Einvernahmeprotokoll vom 25. März 2014). Auf seine Deutschkenntnisse angesprochen, hielt er fest, dass er im Alltag gut zurechtkomme, der deutschen Sprache aber nicht genügend mächtig sei, um einer Einvernahme zu folgen oder Aussagen zu machen. Die Frage, in welcher Sprache das Gespräch geführt worden ist (deutsch oder mit spanischer Übersetzung), braucht nicht abschliessend geklärt zu werden, besteht doch in beiden Konstellationen die Möglichkeit, dass selbst eine in konjunktiver Form gehaltene Äusserung geeignet sein kann, eine irrige Vorstellung hervorzurufen.
Wie erwähnt schützt Art. 140 Abs. 1 StPO den Beschuldigten nicht vor Irrtum, sondern lediglich vor bewusster, vorsätzlicher Täuschung. Für die Annahme
einer vorsätzlichen Täuschung liegen indes keine Anhaltspunkte vor, weshalb vorgenannte Bestimmung allein schon deshalb ausser Betracht fällt. Ferner ist mit Blick auf das unter E. 6.2 zur Glaubhaftigkeit Ausgeführte ohnehin fraglich, ob überhaupt ein Missverständnis vorgelegen hat oder ob der Einwand nicht als Schutzbehauptung einzustufen ist.
Unter Berücksichtigung des Verhaltens des Beschwerdeführers bezüglich der angeblich unabdingbaren Voraussetzung eines Personenschutzes, seines Schreibens an die Staatsanwaltschaft vom 20. September 2013, mit welchem er auf Strafmilderung hofft (E. 6.2) und seiner Reaktion an der Einvernahme vom 19. September 2013, anlässlich welcher er Mühe mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft betreffend die Strafbarkeit der im Ausland verübten Delikte bekundet hat (E. 3), liegt die Vermutung nahe, dass er sich weniger über den angeblich zugesicherten Personenschutz denn über die Möglichkeit der Strafverfolgung in der Schweiz für im Ausland begangene Straftaten geirrt hat.
Ungeachtet dessen kann er selbst dann nichts zu seinen Gunsten ableiten, wenn tatsächlich von einem Missverständnis ausgegangen würde. Nach der Vertrauenstheorie massgebend ist weder der innere Wille des Erklärenden noch der Wortlaut des Erklärten, sondern der Sinn, welcher der Erklärung von dem (als redlich und vernünftig vorausgesetzten) Adressaten beigelegt werden darf (Brodbeck, a.a.O., S. 25 [vgl. auch forumpoenale 5/2010, S. 300 ff., S. 305], mit Hinweis auf Bucher, in: Basler Kommentar, Schweizerisches Obligationenrecht I, 5. Auflage 2011, Art. 1 N 6). In der hier interessierenden Konstellation dürfte von einer objektiven Drittperson die Vermutung erwartet werden, dass die Zusicherung eines von einer ausländischen Behörde zu organisierenden Personenschutzes nicht in der Kompetenz des schweizerischen Polizeibeamten liegt. Da die Kinder des Beschwerdeführers angeblich ohnehin nur bei Kooperation einer Gefahr ausgesetzt gewesen wären, somit eine zeitliche Dringlichkeit zu verneinen gewesen ist, hätte die Kooperationsbereitschaft von einer expliziten, schriftlichen Zusage abhängig gemacht werden können.
6.4 Der Einwand, wonach die beiden Aktennotizen einem Verwertungsverbot unterliegen würden, zielt ins Leere. Dass in der hier interessierenden Konstellation die Bestimmungen über die Einvernahme bzw. die Protokollierungspflicht umgangen worden sind, ist nicht erkennbar. Wie die Staatsanwaltschaft zutreffend festhält, stellen die Aktennotizen keine Protokolle heimlicher Gespräche bzw. Einvernahmen dar, sondern geben lediglich Auskunft über den Ablauf der Ereignisse im Anschluss an die beiden Einvernahmen. Protokollierungsvorschriften mussten demzufolge nicht eingehalten werden.
Hätte der Beschwerdeführer seine in der Notiz vom 24. Juni 2014 festgehaltenen Aussagen nicht später zu Protokoll gegeben, wären diese nicht als Beweis gegen ihn verwendet worden. Zu Recht liess die Staatsanwaltschaft denn auch in der Folge die später nicht zu Protokoll gegeben Aussagen des Beschwerdeführers vom 19. September 2014 nicht in die Akten einfliessen. Abgesehen davon ist das Erstellen von Aktennotizen ein gängiges Vorgehen, verlangt doch die Dokumentationspflicht, dass über jeden Vorfall, der für die Untersuchung von Bedeutung ist oder sein kann, unverzüglich eine Aktennotiz erstellt wird. Dass die Aktennotiz vom 24. Juni 2014 nicht Auskunft darüber gibt, wer anlässlich des Gesprächs anwesend gewesen bzw. in welcher Sprache das Gespräch geführt worden ist, schadet nicht, zumal die Beurteilung der hier interessierenden Frage, ob infolge einer Zusicherung oder eines Missverständnisses ein Beweisverwertungsverbot greift, unabhängig von der Sprache zum gleichen Resultat führt (vgl. E. 6.3). Der Berücksichtigung der beiden Aktennotizen steht demzufolge nichts entgegen.
6.5 Gesamthaft betrachtet lassen sich keine Hinweise entnehmen, wonach das Verfahren nicht fair geführt worden wäre. Ein Anwendungsfall von Art. 140 Abs. 1 StPO liegt nicht vor.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
Beschluss BK 2014 68 des Obergerichts des Kantons Bern vom 27.5.2014
Privatgutachten muss entschädigt werden
Ist ein Privatgutachten nötig und stellt es sogar einen Teil der anwaltlichen Sorgfaltspflicht dar, so ist der amtliche Verteidiger laut Bundesstrafgericht für den Aufwand im Zusammenhang mit der Erstellung dieses Gutachtens zu entschädigen.
Sachverhalt:
Das Bezirksgericht Zürich sprach B. mit seinem Urteil vom 13. Juli 2012 der vorsätzlichen Tötung etc. schuldig. Er wurde zu 18 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und die Verwahrung wurde gegen ihn angeordnet. Im Rahmen des Berufungsverfahrens bei der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich (nachfolgend «Strafkammer») bemängelte der Verteidiger, Rechtsanwalt A., u.a. die dem Strafverfahren gegen B. zugrunde liegenden Gutachten im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB von Dr. med. C. Da Rechtsanwalt A. sie für unzureichend hielt, wandte er sich an Dr. med. D., welcher sich mit einer zwanzigseitigen Stellungnahme kritisch zu den obgenannten Gutachten äusserte. Die Stellungnahme wurde bei der Strafkammer acht Tage vor der Berufungsverhandlung eingereicht. Die Strafkammer verurteilte B. am 15. Mai 2013 wegen vorsätzlicher Tötung etc. zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren sowie zu 500 Franken Busse. Zudem wurde die Verwahrung gegen B. angeordnet.
Am 2. September 2013 focht RA A. im Namen und im Auftrag von B. das Urteil vom 15. Mai 2013 beim Bundesgericht an. Mit Beschluss vom 3. September 2013 entschädigte die Strafkammer RA A. für das obgenannte Berufungsverfahren mit 26 911.40 Franken (118,25 Stunden zu 200 Franken, 1267.95 Franken Barauslagen und 1993.45 Franken MwSt.). Der von RA A. im Zusammenhang mit dem Gutachten von Dr. D. geltend gemachte Aufwand wurde dabei nicht vergütet, da im Urteil vom 15. Mai 2013 ausschliesslich auf die Gutachten von Dr. C. abgestellt worden sei, das Privatgutachten von Dr. D. unnötig gewesen sei und die dem Urteil zugrunde liegenden Gutachten erst acht Tage vor der Berufungsverhandlung mit obgenannter Stellungnahme kritisiert worden seien.
Dagegen erhob RA A. am 15. September 2013 Beschwerde bei diesem Gericht und verlangte, Dispositivziffer 1 des angefochtenen Beschlusses sei aufzuheben und der Beschwerdeführer sei wie folgt zu entschädigen: mit einem Honorar von Fr. 26 650.– (130.25 h à 200 Franken), Barauslagen von Fr. 6867.95, was einem Zwischentotal von Fr. 33 517.95 Franken entspreche, zuzüglich 8% Mehrwertsteuer von 2681.45 Franken, was zu einem Total von Fr. 36 199.40 führe. Zudem verlangte A., die Kosten des vorliegenden Verfahrens seien der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen, und der Beschwerdeführer sei angemessen zu entschädigen.
Mit Schreiben vom 24. September 2013 sistierte dieses Gericht das vorliegende Verfahren bis zum Ausgang des oben erwähnten bundesgerichtlichen Verfahrens. Mit Urteil vom 6. Mai 2014 hiess das Bundesgericht die Beschwerde von B. teilweise gut.
Aus den Erwägungen:
1.1 Gegen den Entscheid, mit welchem das Berufungsgericht eines Kantons die Entschädigung der amtlichen Verteidigung für deren Bemühungen im kantonalen Berufungsverfahren festsetzt, kann diese bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde führen (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Voraussetzung zur Beschwerdeerhebung ist dabei auf Seiten der amtlichen Verteidigung ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung (Art. 382 Abs. 1 StPO; vgl. zum hier weit gefassten Begriff der Partei die Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts [nachfolgend «Botschaft»], BBl 2006 S. 1308; siehe auch Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Berner Diss., Zürich/St. Gallen 2011, N. 308 m.w.H.). Die Beschwerde ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO).
1.2 Der Beschwerdeführer ist als amtlicher Verteidiger von B. durch den angefochtenen Entschädigungsentscheid in dem Sinne beschwert, als dadurch die von ihm geltend gemachte Entschädigung für seine im Verfahren vor der Strafkammer geleisteten Bemühungen teilweise verweigert wurde (vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichts 6B_45/2012 vom 7. Mai 2012, E. 1.2 m.w.H.). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die im Übrigen frist- und formgerechte Beschwerde einzutreten ist.
2.1 Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde (Art. 135 Abs. 1 StPO). Die vorliegend einschlägigen Bestimmungen finden sich in der Verordnung über die Anwaltsgebühren des Kantons Zürich vom 8. September 2010 (AnwGebV/ZH, LS 215.3). Gemäss § 1. Abs. 2 AnwGebV/ZH setzt sich die Vergütung aus der Gebühr und den notwendigen Auslagen zusammen. Grundlage für die Festsetzung der Gebühr bilden im Strafprozess die Bedeutung des Falls (§ 2. Abs. 1 lit. b AnwGebV/ZH) , die Verantwortung der Anwältin oder des Anwalts (§ 2. Abs. 1 lit. c AnwGebV/ZH), der notwendige Zeitaufwand (§ 2. Abs. 1 lit. d AnwGebV/ZH) und die Schwierigkeit des Falls (§ 2. Abs. 1 lit. e AnwGebV/ZH).
Bei einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen dem Streitwert und dem notwendigen Zeitaufwand der Vertretung wird die gemäss Verordnung berechnete Gebühr entsprechend erhöht oder herabgesetzt (§ 2. Abs. 2 AnwGebV/ZH), was im Strafverfahren sinngemäss gilt (§ 2. Abs. 3 AnwGebV/ZH). Für die Führung eines Strafprozesses einschliesslich Vorbereitung des Parteivortrags und Teilnahme an der Hauptverhandlung beträgt die Grundgebühr in der Regel vor den Einzelgerichten 600 bis 8000 Franken und vor den Bezirksgerichten 1000 bis 28 000 Franken (§ 17. Abs. 1 AnwGebV/ZH ).
Zur Grundgebühr werden folgende Zuschläge berechnet: für jede zusätzliche Verhandlung (Vorverhandlung, Vergleichsverhandlung, vorgängige Beweiserhebung), für jede weitere notwendige Rechtsschrift und für über den ersten Tag hinausgehende Verhandlungstage, wie Ergänzungs- oder Beweisverhandlungen (§ 17. Abs. 2 AnwGebV/ZH) . Im Berufungsverfahren wird die Gebühr grundsätzlich nach den für die Vorinstanz geltenden Regeln bemessen. Dabei wird auch berücksichtigt, ob das Urteil vollumfänglich oder nur teilweise angefochten worden ist (§ 18. Abs. 1 AnwGebV/ZH).
2.2 Der Beschwerdeführer rügt einzig, dass der von ihm geltend gemachte Aufwand im Zusammenhang mit dem Privatgutachten von Dr. D., namentlich zwölf Arbeitsstunden sowie seine Barauslage für das Privatgutachten in der Höhe von 5600 Franken nicht entschädigt wurden. Die Strafkammer begründete die Nicht-Entschädigung damit, dass im Urteil vom 15. Mai 2013 ausschliesslich auf die Gutachten von Dr. C. abgestellt worden sei und das Privatgutachten von Dr. D. unnötig gewesen sei. Zudem seien die dem Urteil zugrunde liegenden Gutachten erst acht Tage vor der Berufungsverhandlung mit obgenannter Stellungnahme kritisiert worden.
Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest, dass die Kritik der Strafkammer betreffend den Zeitpunkt der Beanstandung des Gutachtens ins Leere ziele, da Beweisanträge bis zum Abschluss des Beweisverfahrens gestellt werden könnten. Weiter zog es in Erwägung, dass die dem Urteil vom 15. Mai 2013 zugrunde liegenden Gutachten von Dr. C. den Anforderungen von Art. 56 Abs. 3 StGB nicht entsprechen würden. Indem die Strafkammer nicht auf das Gutachten von Dr. D. eingegangen sei und den Antrag auf Zweitbegutachtung nicht behandelt habe, sei zudem der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
2.3 Als Sachgericht ist die Beschwerdegegnerin am besten in der Lage, die Angemessenheit der anwaltlichen Bemühungen zu beurteilen, weshalb ihr ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2014.1 vom 11. April 2014, E. 3.5 m.w.H.). Auch wenn dieses Gericht im vorliegenden Verfahren volle Kognition besitzt (vgl. Art. 393 Abs. 2 StPO) und damit die Entschädigung des Beschwerdeführers grundsätzlich frei zu prüfen ist, überprüft es deren Bemessung nur mit Zurückhaltung (Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2014.1 vom 11. April 2014, E. 3.5).
In Fällen, in denen der vom Anwalt in Rechnung gestellte Arbeitsaufwand als übersetzt bezeichnet und entsprechend gekürzt wird, schreitet die Beschwerdekammer nur ein, wenn Bemühungen nicht honoriert wurden, die zu den Obliegenheiten eines amtlichen Verteidigers gehören und die Entschädigung nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu den vom Anwalt geleisteten Diensten steht.
2.4 Wie vom Bundesgericht in seinem Urteil vom 6. Mai 2014 festgehalten, entsprechen die dem Berufungsurteil zugrunde liegenden Gutachten nicht den Anforderungen von Art. 56 Abs. 3 StGB. Namentlich sei die Möglichkeit einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB oder einer Suchtbehandlung nach Art. 60 StGB nicht abschliessend diskutiert worden. Hinsichtlich der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung und Charakterneurose lege der Gutachter nicht dar, welche Therapieverfahren inwiefern geeignet wären, die Legalprognose zu verändern. Auch ergebe sich nicht, ob eine forensisch-psychiatrische Behandlung im Rahmen einer stationären Massnahme in einem Zeitraum von fünf Jahren zu einer deutlichen Verbesserung der Legalprognose beitragen könnte.
Der Beschwerdeführer beanstandete bereits im Berufungsverfahren die dem Berufungsurteil zugrunde liegenden Gutachten und versuchte u.a. mit Hilfe des Privatgutachtens eine Zweitbegutachtung zu erwirken. Inwiefern substanziierte Kritik an den Gutachten von Dr. C. ohne Privatgutachten möglich gewesen wäre, ist für die Beschwerdekammer nicht ersichtlich. Folglich gehörte es zu den Obliegenheiten von RA A. als amtlicher Verteidiger bzw. war Teil seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht, die unzureichenden Gutachten auch mittels Privatgutachtens in Frage zu stellen.
Nach dem Gesagten wurden Bemühungen von RA A., die zu seinen Obliegenheiten als amtlicher Verteidiger gehörten, gar nicht honoriert, weswegen die vorliegende Beschwerde gutzuheissen und zur Neubeurteilung an die Strafkammer zurückzuweisen ist.
Beschluss BB.2013.131 des Bundesstrafgerichts vom 21.7.2014
Kommentar
Immer häufiger bilden Gutachten in Strafverfahren eine wichtige Entscheidgrundlage. Damit wird es für die Verteidigung unumgänglich, solche Gutachten einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Mangels Fachwissen ist sie dazu aber regelmässig nicht in der Lage, weshalb (auch) auf Seiten der Verteidigung sachverständiger Rat eingeholt werden muss.
Das muss nicht – wie in der obigen Konstellation – gleich die Erstellung eines Privatgutachtens bedeuten. Viele Strafverteidiger, insbesondere amtliche Verteidiger, scheuen allerdings den damit verbundenen finanziellen Aufwand, weil er – wie gezeigt – unter Umständen nicht entschädigt wird. Der nun ergangene Entscheid des Bundesstrafgerichts ist geeignet, diese Unsicherheit zu beseitigen. Er hält nicht nur fest, dass eine substanziierte Kritik am amtlichen Gutachten ohne Privatgutachter nicht möglich gewesen wäre, sondern vielmehr auch, dass es in vorliegender Konstellation die Obliegenheit des amtlichen Verteidigers beziehungsweise Teil seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht gewesen ist, das amtliche Gutachten mit einem Privatgutachten in Frage zu stellen (vgl. BB.2013.131 Erwägung 2.4.). Es bleibt zu hoffen, dass vor dem Hintergrund dieses Entscheids fachkundige Abklärungen der Verteidigung inskünftig nicht allein deshalb unterbleiben, weil sie Kosten verursachen.
Petar Hrovat
Ersatzmassnahmen sind auch ohne Antrag zu prüfen
Die für die Haftanordnung zuständige Instanz hat allfällige Ersatzmassnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit und der Subsidiarität auch dann zu prüfen, wenn kein entsprechender Antrag vorliegt. Es reicht, dass eine Ersatzmassnahme «zur Diskussion gestellt wird».
Sachverhalt:
Am 27. März 2014 stellte die Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug der kantonalen Polizei- und Militärdirektion (ASMV) dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland (nachfolgend: Regionalgericht) einen Antrag auf einjährige Verlängerung der stationären Massnahme, welche mit Urteil des ehemaligen Kreisgerichts III Aarberg-Büren-Erlach vom 23. August 2004 gegen den Beschuldigten wegen versuchter Vergewaltigung und Diebstahls angeordnet und am 28. Mai 2009 bereits um fünf Jahre, bis zum 11. Mai 2014, verlängert worden ist. Gestützt auf diesen Antrag beantragte die zuständige Verfahrensleitung des Regionalgerichts am 2. Mai 2014 beim Regionalen Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland (nachfolgend: Zwangsmassnahmengericht) die Anordnung der Sicherheitshaft über den Verurteilten für die vorläufige Dauer von drei Monaten. Gegen den gutheissenden Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts reichte der Beschuldigte Beschwerde ein.
Aus den Erwägungen:
7.1 Sicherheitshaft darf nur als ultima ratio angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch mildere Massnahmen ersetzt werden kann, muss von der Anordnung der Haft abgesehen und an ihrer Stelle zu einer Ersatzmassnahme gegriffen werden. Dies ergibt sich aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip, namentlich aus dem Grundsatz der Subsidiarität (Art. 5 und 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung stellt ein mit Sicherheitshaft verbundener Freiheitsentzug eine deutlich schärfere Zwangsmassnahme dar, weswegen für deren Erlass unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit grundsätzlich höhere Anforderungen gelten als für die Anordnung von Ersatzmassnahmen (Urteile des Bundesgerichts 1B_162/2009 vom 10. November 2009, E. 5; 1B_170/2009 vom 16. November 2009, E. 4.1).
Art. 237 Abs. 2 StPO enthält eine nicht abschliessende Aufzählung von möglichen Ersatzmassnahmen. Namentlich erwähnt werden unter anderen die Auflagen, sich nur oder sich nicht an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Haus aufzuhalten (lit. c) sowie sich einer ärztlichen Behandlung oder Kontrolle zu unterziehen (lit. f).
Ersatzmassnahmen können von den zuständigen Gerichten jederzeit in Wiedererwägung gezogen werden, wenn neue Umstände dies erfordern oder die verurteilte Person gegen Auflagen verstösst (Art. 237 Abs. 5 StPO).
7.2 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid festgehalten, dass weder das Regionalgericht noch der Beschwerdeführer Ersatzmassnahmen geltend gemacht hätten und in der Folge davon ausgegangen werde, dass damit der Wiederholungsgefahr nicht ausreichend begegnet werden könne.
Die für die Haftanordnung zuständige Instanz muss sich in ihrem Entscheid mit der Frage befassen, ob allenfalls eine Ersatzmassnahme anstelle der Sicherheitshaft in Betracht kommt, selbst wenn kein entsprechender ausdrücklicher Antrag vorliegt. Es reicht aus, dass eine solche Ersatzmassnahme «zur Diskussion gestellt wird» (Urteil des Bundesgerichts 1B_295/2007 vom 22. Januar 2008, E. 4.4). In der schriftlichen Stellungnahme vom 8. Mai 2014 zuhanden des Zwangsmassnahmengerichts machte der Beschwerdeführer geltend, dass er bereits zugesichert habe, dass er selbst im Falle einer Entlassung aus der stationären Massnahme in der Lichtweite Madiswil verbleiben werde. Angesichts des Umstandes, dass die beantragte Sicherheitshaft gerade in dieser Institution vollzogen werden soll, hätte das Regionale Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland in Frage kommende Ersatzmassnahmen prüfen müssen.
7.3 Die Die konkordatliche Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern (KoFako) hat in ihrer Beurteilung ein stabiles, individuell auf die Bedürfnisse des Beschwerdeführers massgeschneidertes Setting mit wenigen Stressoren empfohlen, in welchem die medikamentöse Behandlung seiner schizophrenen Grunderkrankung gewährleistet wird. Ein solches Setting wurde als ausreichend erachtet, um eine Verschlechterung des Krankheitsbilds des Beschwerdeführers zu verhindern und ihn von der Begehung geringfügiger Delikte (wie Drohungen, Tätlichkeiten und sexuelle Belästigungen) abzuhalten (Gutachten der KoFako vom 8. Januar 2014, S. 8). Ferner hat Dr. med. Y. in seinem Gutachten festgehalten, dass er eine Weiterführung der stationären Massnahme nach erfolgter medikamentöser Neueinstellung der Schizophrenie und gelungenem Abschluss der Gruppentherapie zur Deliktsbearbeitung als unzulässig erachte und dem Beschwerdeführer Auflagen betreffend psychiatrische/psychologische Behandlung und Betreuung inklusive antipsychotische Depot-Medikation und Kontrolle seines Sozial- und Konsumverhaltens zu erteilen seien. Die definierten Behandlungsziele sind nun weitestgehend erreicht; die Einstellung des Beschwerdeführers auf ein Depot-Neuroleptikum ist zwischenzeitlich erfolgt.
Mehr Infos zu den neuen Urteilen finden Sie im angehängten PDF.