Z iel jedes Verfahrens ist das Überzeugen des Richters bzw. das Überzeugen der Gegenpartei, dass man den Richter werde überzeugen können. Das ist ein psychologischer Vorgang. Die Doktrin wird überschätzt. Sie ist über weite Strecken reiner Überbau. Bundesgerichtsentscheide sind zwar mit Zitaten gespickt. Die Zitate sind aber nicht entscheid­relevant. Massgebend ist die Judikatur sowie das richterliche Vorverständnis; das Bewusstsein also, dass eine bestimmte Lösung richtig und fair ist und dem gesunden Menschenverstand entspricht. Deshalb folgende Tipps:

1.Argumentiere in erster Linie mit ­Vernunftgründen, mit ökonomischen, sozio­logischen und psychologischen Faktoren. Zeige auf, was nach deiner Meinung der ­Gesetzgeber wollte und wieso in diesem Fall der Wille des Gesetzgebers durch die von dir ­vorgeschlagene Lösung am besten erreicht wird. 

2. Zitiere die Rechtsprechung. Ein Entscheid des Appellationsgerichts Basel wiegt mehr als ein Artikel eines Professors in ­einer juristischen Zeitschrift oder gar ein Rechtsgutachten. Bundesgerichtsentscheide sind fast die Bibel.

3.Erst in dritter Linie konsultiere die ­Kommentare und sei dir bewusst, dass dort kaum je etwas steht, was du nicht selber weisst. Lies und zitiere juristische Zeitschriften nur in Ausnahmefällen und halte dich von Monographien fern. 

4.Sei dir bewusst, dass Recht ein Handel ist. In den USA gibt es Rechtsfakultäten (keine rechtswissenschaftlichen Fakultäten), die Lawyers ausbilden, nicht Juristen. Rechts­wissenschaft erfüllt den nützlichen Zweck, ein einheitliches Argumentationsgerüst und ­einen formalen Rahmen für die Gesetzgebung zu schaffen, mehr ist daran nicht.

5.Halte dich kurz. Nur grosse Büros mit teuren Räumlichkeiten in hohen ­Gebäuden müssen hundertseitige Eingaben machen, um die Miete herauszuholen. ­Richter lieben kurze Eingaben. Die Frage der ­genügenden ­Begründung korreliert nicht mit der Länge der Eingabe und der Zahl der Zitate. 

6.Lass dich nicht in sinnlose dogmatische Diskussionen ein, die meistens nur ­«question begging» sind. Dogmatik soll nicht den Blick auf die Vernunft und auf die Tat­sache, dass der Richter eben ein Vorverständnis von der richtigen Lösung hat, auf dem wir ­aufbauen können, vernebeln. Argumentiere (in der Regel) nicht, dass ein Bundesgerichts­urteil dogmatisch falsch ist. Es ist das Recht!

Fazit: Lass die Finger von dogmatischen ­Diskussionen und argumentiere naiv. Dein ­Klient und der Richter werden es dir (in der Regel) danken. Zudem: Erkenne, dass diese Maximen dogmatisch und damit falsch sind (Wittgenstein).

Best of Blogs: plädoyer publiziert auf der Website www.plaedoyer.ch laufend aktuelle Blogs. Der interessanteste Beitrag der letzten zwei Monate wird in dieser ­Rubrik abgedruckt, diesmal ein leicht gekürzter Text aus www.swisslawlist.ch.