Gemäss der bundesrechtlichen Vorgabe in Artikel 25 Absatz 4 Covid-19-Verordnung besondere Lage sind Arbeitgeber unter Umständen berechtigt, das Covid-Zertifikat am Arbeitsplatz einzusetzen. Dies aber nur dann, wenn dies erstens der Festlegung angemessener Schutzmassnahmen oder der Umsetzung eines Testkonzepts dient, zweitens die aus dem Covid-Zertifikat abgeleiteten Massnahmen schriftlich festgehalten werden und drittens die Angestellten oder deren Vertretung vorgängig angehört wurden.
Die bundesrechtliche Norm ist also nicht unmittelbar anwendbar, sondern setzt einen einzelfallweisen und privatautonomen Umsetzungsentscheid des Arbeitgebers voraus. Auf kantonaler Ebene bestehen demgegenüber spezifisch für – auch privatrechtlich organisierte – Gesundheitsbetriebe (etwa Spitäler), Alters- und Pflegeheime sowie weitere soziale Einrichtungen teilweise Verordnungsnormen, welche eine Covid-Testpflicht einzig für ungeimpfte und nicht genesene Angestellte vorsehen (so etwa Artikel 16k Covid-19 V/BE; §§ 6 und 7 VCov19/LU; § 4 Covid-19-V/AG; §§ 2 und 3 V Covid-19 Gesundheitsbereich/ZH).
Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen (Artikel 328 OR), sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz (Artikel 28 ff. ZGB) fliesst der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbietet eine unsachliche Ungleichbehandlung einzelner Mitarbeiter. Nicht jede betriebsinterne Unsachlichkeit verletzt allerdings Artikel 328 OR, sondern nur eine solche, die eine Geringschätzung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zum Ausdruck bringt. Erfasst wird zudem nicht nur die sachfremde Ungleichbehandlung einzelner Mitarbeiter, sondern auch solche von Personengruppen, kann sich doch gemäss Bundesgericht etwa aus der Bevorzugung einzelner Angestellter mit der Zeit eine stillschweigende Vertragsänderung zugunsten der nicht bevorzugten Gruppe ergeben (BGE 129 III 276, E. 3.1). Praxisrelevant ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz insbesondere in Bezug auf Weisungen (Artikel 321d OR) sowie die Ausrichtung freiwilliger Leistungen wie etwa Gratifikationen (Artikel 322d OR).
Geimpfte können andere weiterhin anstecken
Unstreitig stellt die Weisung einer Covid-Testpflicht einzig für ungeimpfte und nicht genesene Angestellte eine Ungleichbehandlung dar. Zu prüfen ist, ob sich diese auf sachliche Gründe stützen lässt. Dies ist zu verneinen. Denn es ist hinreichend bekannt, dass die Covid-Impfung keine sterile Immunität bewirkt. Geimpfte sind womöglich selber immun, doch auch dies nicht gegen neue Mutationen. Dritte anstecken können sie aber nach wie vor (so zur Delta-Variante Nidhi Subbaraman, «How do vaccinated people spread Delta? What the science says», in: Nature 596, S. 327 f., vom 19. August 2021). Geht es nun aber am Arbeitsplatz um Betriebssicherheit und Gesundheitsschutz (und nicht Gesinnungspolitik), darf es bei der Festlegung von Hygiene- und Gesundheitsschutzmassnahmen einzig um mögliche Drittgefährdungen gehen. Mit Blick auf die fehlende sterile Immunität durch die Covid-Impfung hält damit einzig das «Testen für alle oder niemanden» vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stand. Gegenteilige Weisungen nehmen eine unsachliche Differenzierung vor und verletzen Artikel 328 OR (oder analoge Normen im öffentlichen Personalrecht wie etwa § 39 PG/ZH). Denn beim Entscheid, ob ein Mitarbeiter sich gegen eine bestimmte Krankheit impfen lässt, handelt es sich um eine höchstpersönliche Frage der körperlichen Integrität. Deshalb greift die gegenteilige Weisung («Testpflicht nur für Ungeimpfte») automatisch die Persönlichkeit des Arbeitnehmers an – nota bene unter gleichzeitiger Verletzung von Artikel 328b OR in Verbindung mit Artikel 13 DSG, da der Immunisierungsstatus in aller Regel für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses irrelevant ist.
Weigert sich nun ein Arbeitnehmer, sich allein aufgrund seines Ungeimpftseins gegen Covid testen zu lassen, und macht er damit (sinngemäss) eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Arbeitsrecht geltend, ist sein Standpunkt nach dem Gesagten materiell berechtigt. Eine in der Folge ausgesprochene Kündigung wäre eine mustergültige Rachekündigung gemäss Artikel 336 Absatz 1 litera d OR, die ihrerseits Entschädigungsfolgen auslöst (Artikel 336a OR). Praxisgemäss genügt es dabei, wenn Angestellte ihren Anspruch in guten Treuen geltend machen. Selbst ein gutgläubiger Irrtum reicht für die Annahme einer missbräuchlichen Kündigung aus (statt vieler: BGE 123 III 246, E. 4d). Ist bereits eine ordentliche Kündigung rechtswidrig, gilt dies umso mehr für eine fristlose Entlassung. Denn das Nichtbefolgen rechtswidriger Weisungen ist selbstredend kein wichtiger Kündigungsgrund nach Artikel 337 OR. Es sei in diesem Kontext angemerkt, dass es auf die inneren Motive der testverweigernden Mitarbeitenden nicht ankommt, solange gegenüber dem Arbeitgeber eine Ungleichbehandlung (laientauglich) gerügt wird.
Bald erstinstanzliche Urteile zu erwarten
Das Gesagte gilt umfassend für Testpflichten, die auf einer privatautonomen Arbeitgeberweisung beruhen. Nichts anderes kann aber für die Umsetzung von – meist kantonalen – Verordnungsnormen gelten, denn selbstverständlich geht Bundesrecht kantonalem Recht vor (Artikel 49 Absatz 1 BV). Und: Infolge der Normenhierarchie ist gesetzesderogierendes Verordnungsrecht (einschliesslich Bundesverordnungsrecht!) noch immer unzulässig. Mit anderen Worten kann eine – kantonale oder nationale – Verordnungsnorm nicht eine bundesgesetzliche Norm wie Artikel 328 OR aushebeln. Auch Notverordnungsnormen sind nicht quasigöttlicher Natur, sondern können bisweilen klar widerrechtlich sein. Hat sich der Zivilrichter nun mit der Kündigung testverweigernder Angestellter zu befassen, obliegt es diesem, eigenständig und mit freier Kognition die verordnungsmässige Testpflicht einer akzessorischen Normenkontrolle zu unterziehen.
Gespannt kann man damit auf die ersten Gerichtsurteile zu dieser Thematik warten. Angesichts der Gerichtskostenfreiheit in arbeitsrechtlichen Verfahren bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken dürfte dies zumindest auf erstinstanzlicher Ebene schon bald der Fall sein. Wichtig ist dabei auch, dass betroffene Angestellte von ihrer Rechtsschutzversicherung in dieser Thematik, zu welcher noch keine bundesgerichtliche Judikatur besteht, trotz deren politischer Brisanz Rückendeckung erhalten. Sollte eine Kostengutsprache in vergleichbaren Fällen verweigert werden, so wäre Betroffenen jedenfalls dringend zu raten, das in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehene Meinungsverschiedenheitsverfahren zu verlangen.