Wer nach seinem Studium eine Doktorarbeit schreiben oder einen Forschungsaufenthalt im Ausland absolvieren möchte, kommt sehr wahrscheinlich mit dem Schweizerischen Nationalfonds in Kontakt.
Raffaela Kunz ist Postdoktorandin an der Uni Zürich und erhält ab kommendem Sommer für ihre Habilitation knapp 255'000 Franken. Darin untersucht sie Chancen und Herausforderungen für die Wissenschaftsfreiheit in Zeiten von Open Science.
Um Fördergelder vom Schweizerischen Nationalfonds zu erhalten, sei es notwendig, zunächst Kontakt zu einem Professor zu knüpfen, der bereit ist, den Antrag zu unterstützen, sagt Kunz.
Anspruchsvoller Bewerbungsprozess
Sie entschied sich, ihr Forschungsprojekt bei Professor Christoph Beat Graber zu realisieren, und überzeugte ihn, sie an seinem Lehrstuhl für Rechtssoziologie mit besonderer Berücksichtigung des Medienrechts an der Universität Zürich aufzunehmen.
Zudem brauchte es für die Förderbeiträge des Schweizerischen Nationalfonds ein Unterstützungsschreiben der Fakultät. Laut Kunz fliessen die Fondsbeiträge an die Rechtswissenschaftliche Fakultät. Diese zahlt ihr daraus einen fixen Lohn.
Der Bewerbungsprozess sei anspruchsvoll und finde ausschliesslich auf Englisch statt, sagt Kunz. Mehrere internationale Fachexperten begutachteten ihr Gesuch. «Ich musste auch Erklärungs- und Übersetzungsarbeit für das Schweizer Rechtssystem leisten und den Experten aufzeigen, weshalb meine Forschung für die Schweiz, aber vor allem auch auf internationaler Ebene von Bedeutung ist.»
Dies sei ein Balanceakt, denn der Nationalfonds lege sehr viel Wert auf Internationalität in der Forschung, während an den Fakultäten das Schweizer Recht im Vordergrund stehe. Die Anforderungen des Nationalfonds hätten dazu geführt dass sie «sich mit der Wahl der Methode vertieft auseinandersetzte und die gesellschaftliche Relevanz von Fragestellungen berücksichtigte», sagt Raffaela Kunz.
Zahlen aus dem Jahr 2023 zeigen, welchen Stellenwert der Schweizerische Nationalfonds für die Schweizer Forschung hat: Unterstützt wurden neue Projekte für insgesamt 1,2 Milliarden Franken. Juristen erhielten nur einen kleinen Teil des Kuchens: 15,2 Millionen Franken für 154 rechtswissenschaftliche Projekte (2023 bis 2029). Dies ergab eine Suche nach Förderbeiträgen für rechtswissenschaftliche Forschungsthemen auf der Website des Nationalfonds.
Themen mit wenig Nähe zur Schweiz
Mehrheitlich gingen Gelder an die Autorinnen und Autoren von Open-Access-Publikationen. Das sind Werke, die kostenlos zugänglich und nutzbar sind. Fördergeld floss aber auch in Stipendien für Auslandaufenthalte und in den wissenschaftlichen Austausch.
Gefördert wurde die Forschung aus der ganzen Bandbreite des Rechts – vom Straf- über das Wirtschafts- und Arbeitsrecht bis hin zum Kunstrecht. Der Fonds unterstützte auch Arbeiten zu Haftungsfragen, Rechtsschutz, Raumplanungs- oder Umweltrecht.
Fördergeld gab es auch für Themen mit wenig Nähe zur Schweiz. So zahlte der Nationalfonds zum Beispiel 13 500 Franken für eine Open-Access-Arbeit über die «Regulierung der Organtransplantation im Nahen Osten und in Nordafrika» oder 15'000 Franken für «Arbeitsrechtliche Utopien: Postwachstums- und postproduktive Arbeitsansätze». Und eine Dissertation über den «Vermittlungsvertrag in der Vermarktung von Sport» unterstützte der Nationalfonds mit über 14'000 Franken.