Wer an der juristischen Fakultät der Universität Freiburg studiert, kann von einer neuen Dienstleistung profitieren und am Coaching-Programm «Next» teilnehmen. Voraussetzung: Sie füllen einen mehrseitigen Fragebogen aus und werden danach ausgewählt. 25 Plätze bietet das Programm. Wer aufgenommen wird, bekommt von der Hieronymus GmbH während eines Semesters einen «Coach» zugeteilt. Diese Studenten, auch «Coachees» genannt, verpflichten sich, an sämtlichen Workshops und anderen Anlässen des Programms aktiv teilzunehmen. Zudem müssen sie regelmässig Berichte verfassen. Im Laufe des Semesters wenden sie mindestens sechzig Stunden dafür auf und bekommen dann zwei ETCS Punkte gutgeschrieben.
Die Coaches stehen ebenfalls in der Pflicht: Sie müssen sich für die Betreuung ihrer Schutzbefohlenen Zeit nehmen und sie aktiv mit Ratschlägen aus ihrer Berufserfahrung unterstützen.
Coaching-Programm kostet die Universität nichts
Next imponierte den Zuständigen der Uni Freiburg aus mehreren Gründen. Erstens wäre es für die juristische Fakultät sehr zeitintensiv gewesen, ein ähnliches Förderprogramm selbst aufzustellen. Zudem bietet die Hieronymus GmbH Kontakte zu Kanzleien, Firmen, Gerichten und Behörden, wie sie für eine Universität nicht verfügbar sind.
Ein gewichtiges Argument liegt jedoch in der Finanzierung: Die Universität Freiburg zahlt keinen Rappen für Next. Die juristische Fakultät stellt lediglich in der Person von Professor Ramon Olivier Mabillard einen Ansprechpartner für die am Programm beteiligten Studenten. Mabillard nimmt die Arbeiten der Teilnehmenden ab und entscheidet über die Vergabe der zwei ETCS-Punkte.
Hieronymus investiert einiges in das Programm. «Wir profitieren aber dennoch», sagt Hieronymus-CEO und -Gründerin Paula Reichenberg, «etwa im Bereich der Markenpflege. Die Netzwerkidee, die Next auch zugrunde liegt, nützt uns zudem bei unseren Kunden.» Reichenberg hofft natürlich, dass weitere Universitäten bei Next einsteigen werden. Dass die Uni Freiburg als Erste mitzog, liegt nicht zuletzt an Reichenbergs Kontakten, die ihr Studium dort einst mit «summa cum laude» abschloss. Die Juristin mit Zürcher Anwaltspatent hofft, dass sie auch die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich für Next begeistern kann.
Das Kerngeschäft von Hieronymus besteht in Übersetzungen juristischer Texte und in Teams, die im Auftrag von Kunden juristische Arbeiten ausführen. Da liegt der Verdacht nahe, dass Paula Reichenberg die Teilnehmer des Next-Programms dazu nutzt, bei solchen Aufträgen mitzuhelfen.
Tatsächlich können Studenten in solchen Teams mitarbeiten. Sie können auch davon profitieren, wie ein Beispiel zeigt: Ein Student arbeitete bei einem Hieronymus-Projekt im E-Health-Bereich des Bundesamtes für Gesundheit mit. Er engagierte sich so intensiv, dass er das Team schliesslich leitete. Später schrieb er seine Doktorarbeit über E-Health.
«Temporäre Einsätze bieten viele wertvolle Einsichten», sagt Reichenberg. «Es ist aber nicht so, dass Hieronymus Next nutzt, um temporäre Mitarbeiter zu gewinnen.» Gian Reto Schulthess, Hieronymus-Mitarbeiter und Leiter von Next, präzisiert: «Ob sie an Teameinsätzen teilnehmen wollen, entscheiden die Studentinnen und Studenten immer selbst. Next ist grundsätzlich aber nicht für solche Einsätze konzipiert, sondern besteht aus einem Programm von Anlässen wie Vorträgen und Workshops.»
Für das erste, nun anlaufende Next-Programm gingen bei Hieronymus 25 Anmeldungen von Studenten der Uni Freiburg ein. Ramon Olivier Mabillard erstaunt das rege Interesse nicht. «Viele haben Schwierigkeiten mit dem Berufseinstieg», sagt der Wissenschafter. «Sie realisieren nicht, welche ihrer Talente und Fähigkeiten sie bei Bewerbungen besonders betonen sollen. Im Rahmen des Next-Programmes sollen sie nicht zuletzt solche Kompetenzen erwerben. Ihr Gespür für die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes soll gestärkt werden.»
Mabillard findet, dass ein Coach den Studenten in diesen Belangen besser helfen kann als die Universität: «Studentinnen und Studenten können bei einem Coach zum Beispiel lernen, wie ein Anwalt einem Klienten komplexe juristische Zusammenhänge auf gut verständliche Weise darlegen kann. Sie können sich so Kompetenz beim Klientengespräch aneignen.»
Der Freiburger Professor verliert aber auch die Interessen seiner Schützlinge nicht aus den Augen. Er will Anlässe des Programms besuchen und mit den Studenten in Kontakt sein. Damit will er dafür sorgen, dass die Teilnehmer von Next ihre soziale Kompetenz tatsächlich fördern können - und er will verhindern, dass das Programm zur simplen Börse für günstige Volontäre verkommt.
Andere Unis bieten vor allem Tutoring-Programme
Eine ähnlich intensive Betreuung von Jus-Studenten am Ende ihres Bachelor- oder im Laufe ihres Master-Studiums findet sich an anderen Schweizer Universitäten bislang kaum. «Die vergleichsweise geringe Grösse unserer juristischen Fakultät erleichtert die Kontakte unter den Studentinnen und Studenten», sagt Samuel Monbaron, Betreuer der Rechtsstudenten der Universität Neuenburg. «Ein mit Next vergleichbares Programm haben wir allerdings nicht.» Ähnliches gilt für die Universität Lausanne: «Über ein Mentoren-Programm verfügt die Rechtsfakultät leider nicht», sagt Uni-Sprecherin Géraldine Falbriard. An anderen Fakultäten der Uni Lausanne seien aber ähnliche Programme vorhanden. Für die Universität Bern kann Sprecherin Julia Gnägi nur auf das Tutoriat im Einführungsstudium hinweisen. Dabei führen Studenten höherer Semester die Neulinge ins Studium ein.
In St. Gallen gibt es Mentoring und Coaching
An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich gibt es gemäss Thomas Gächter, zuständig für die Nachwuchsförderung, ebenfalls kein Programm, das sich mit Next vergleichen lässt. Gächter verweist - neben der Karrieremesse ConNext - jedoch auf den «Career Service» der Universität Zürich. Dieser ist nicht spezifisch auf angehende Juristen zugeschnitten, bietet aber ein Mentoring-System, das Studenten den Übergang ins Berufsleben erleichtern soll. Thomas Gächter: «Der Fachverein Jus ist zudem sehr aktiv in der Vermittlung von Kurzpraktika und in der Information über den späteren Anschluss.»
Ein Mentoring-Programm bietet die Hochschule St. Gallen (HSG) ihren Studentinnen und Studenten. Allerdings ist auch dieses Programm nicht spezifisch auf die Rechtsfakultät ausgerichtet, sondern steht allen ab dem drittem Semester offen. «Hinzu kommt ein Coaching-Programm, das schon ab Studienbeginn zur Verfügung steht», sagt HSG-Sprecherin Annkathrin Heidenreich. Dieses bietet sechzig Plätze pro Jahrgang und soll überfachliche Fähigkeiten wie Selbstverantwortung, Selbstreflexion oder die soziale Kompetenz fördern.
Die Universität Basel bietet ihren Jus-Studenten ebenfalls kein Programm an, das mit Next vergleichbar wäre. Es gibt lediglich das Förderprogramm «dissplus». Dabei handelt es sich um ein Programm für Doktorandinnen zur akademischen Laufbahnplanung von Frauen. Es richtet sich nicht nur an Juristinnen, sondern auch an Doktorandinnen der theologischen und der philosophisch-historischen Fakultäten.
In Luzern hatte es bis 2009 ein Next-Coaching-Programm gegeben. «Als eine Zusammenarbeit von Hieronymus mit den Universitäten von Freiburg und Zürich angedacht wurde, stieg die Uni Luzern aber aus», sagt Marcel Amrein, der Fakultätsmanager an der Universität Luzern. «Der Grund dafür ist: Wir wünschen uns eine auf die Rechtsfakultät zugeschnittene Lösung.»
Bereits eingespielt in der Luzerner juristischen Fakultät ist ein Mentoring-System: Bei Antritt des Studiums wird jeder Student einer Mentoring-Gruppe zugeteilt, in der er bis zum möglichen MasterAbschluss bleibt. Jede Gruppe wird von einer Professorin oder einem Professor geleitet, der die Studenten auch in Fragen betreut, die sie vielleicht nicht im grossen Hörsaal stellen wollen.
Fest steht: Der Wunsch, einen frühen Einblick in die Praxis zu erhalten, ist bei den Studenten gross. Das zeigt sich nicht nur in der Nachfrage nach Plätzen für das Freiburger Programm, sondern auch darin, dass in mehreren anderen Schweizer Universitäten zurzeit ähnliche Förderprogramme angedacht werden. Welche Lösungen den grössten Erfolg versprechen, ist noch nicht eruierbar. Und es spielt auch eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist, dass interessierte Studenten bei ihrer Annäherung an die Praxis möglichst tatkräftig unterstützt werden.Die Rechtsfakultät der Universität Freiburg bietet ihren Studenten neu ein Coaching-Programm an. Das private Programm soll den Berufseinstieg erleichtern. Auch andere Universitäten bieten Unterstützung auf dem Weg in die Berufspraxis.