Gerichte und Staatsanwaltschaften müssen Kopien von anonymisierten Urteilen und Strafbefehlen erlauben, wenn jemand sie vor Ort einsieht. Dabei können Kosten für Anonymisierungen nur auferlegt werden, wenn es eine klare gesetzliche Grundlage dafür gibt. Die Bestimmungen für Kanzleigebühren genügen nicht, so das Bundesgericht in einem neuen Urteil (1C_497/2018 vom 22. Januar 2020). 

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wollte einem Gesuchsteller für die Anonymisierung von 16 Urteilen 2000 Franken «Kanzleigebühr» auferlegen. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage, meint nun das Bundes­gericht und heisst die Beschwerde des Einsichtswilligen gut. Die Kanzleigebühr sei nur für kleine Beträge ­vorgesehen, das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip greife bei Gerichtsgebühren nicht, da diese nie kostendeckend sein können und eine lang andaudernde Übung könne das Gericht nicht geltend machen.

Zur Frage, ob so hohe Gebühren nicht das Prinzip der Justizöffentlichkeit (Art. 30 Abs. 3 BV) aushebeln, äusserte sich das Bundesgericht nicht, da die Beschwerde gutgeheissen wurde, weil die gesetzliche Grundlage fehlte. Immerhin auferlegt das Bundesgericht den Gesuchstellern eine Kostenminderungspflicht. In ­einem Nebensatz erwähnt es, der Einsichtswillige habe es unterlassen, vor Ort Einsicht zu nehmen und die Zahl der zu anonymisierenden Entscheide so einzuschränken.

Erneut und als bereits lange geltende Gerichtspraxis erwähnt das Bundes­gericht, dass das Recht, eine anonymisierte Kopie zu erhalten, zum verfassungsmässigen Grundsatz der Justizöffentlichkeit gehört. «Dem Grundsatz der Justizöffentlichkeit ist durch die Auflage auf der Gerichtskanzlei und die Möglichkeit, eine anonymisierte Kopie zu erhalten, Genüge getan.» Bereits in einem Urteil vom 1. September 2006 hat dies das Bundesgericht unmissverständlich festgehalten und wiederholt es seitdem in konstanter Praxis (statt vieler Urteil 1C_394/2018 vom 7. Juni 2019).

Somit verhalten sich einige Staatsanwaltschaften der Schweiz verfassungswidrig. In den Kantonen Luzern, Aargau und Zürich erhält man zum Beispiel keine Kopien anonymisierter Strafbefehle.

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