Im Irak leben Anwälte gefährlich. Beispiel: Ali Jaseb Hattab al-Heliji. Am 8. Oktober 2019 erhielt er einen Anruf von einer Frau, die offenbar einen Rechtsver­treter ­suchte. Sie bat ihn um einen Termin im ­Zentrum von Ammarah, einer Stadt im Südosten des Irak. Ali Jaseb traf sich mit ihr noch am selben Tag. Kurz ­danach fuhren zwei bewaffnete Männer in schwarzen Pick-ups vor, die vermutlich zur Miliz der sogenannten Volksmobilisierungseinheiten PMU (Popular ­Mobilisation Forces) gehörten. Die Männer zerrten den 29-jährigen Anwalt aus seinem Auto und fuhren mit ihm davon. Seither ist Ali Jasebs Schicksal ungewiss, sein Aufenthaltsort unbekannt.

Die Familie Ali Jasebs meldete die Verschleppung der lokalen Polizeiwache sowie dem Nationalen ­Sicherheitsdienst und reichte beim Obersten Gericht in Bagdad Klage ein. Bis heute ist unklar, ob das ­Gericht die Sache ernsthaft an die Hand nimmt. Immer­hin beauftragte Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi neulich seinen militärischen ­Berater Mohammad al-Bayati, sich mit dem Fall zu befassen. 

Trotzdem kennt die Familie bis heute den Aufenthaltsort des Verschleppten nicht. Stattdessen erhielt sie Morddrohungen. Einmal drangen Mitglieder der PMU in ihr Haus ein und bedrohten sie. Ali Jaseb Hattab al-Heliji vertrat Demonstranten. In Internet­medien informierte er über Gewalt der PMU gegen Demonstrationsteilnehmer. Zwei Tage vor seiner ­Verschleppung drohten bewaffnete Männer der PMU, ihn zu töten, wenn er nicht aufhöre, auf Facebook über die Morde an Demonstranten zu sprechen.

Ali Jaseb ist kein Einzelfall. Amnesty International hat seit Oktober 2019, als im Irak Massen­proteste begannen, bei denen über 400 Tote und mehr als 19 000 Verletzte registriert wurden, mehrere Entführungen und Fälle von verschwundenen ­Aktivisten und deren Anwälten dokumentiert. Die Organisation fordert von der irakischen Regierung, Anwälte und ihre Familien zu schützen.