Er publiziere nichts mehr, das sei vorbei, sagt Dietrich Schindler. Er lese natürlich noch gerne Bücher und Zeitschriften, «aber mit der Wissenschaft habe ich nichts mehr zu tun». Der heute 90-jährige Jurist hat Generationen von Völker- und Menschenrechtlern geprägt. Über zwölf Jahre war er Mitglied des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Beim Generalstabschef der Armee war er völkerrechtlicher Berater, 1962 wirkte er im Auftrag der Uno als Berater für Ver­fassungsfragen im Kongo. Seit 1967 ist er Mitglied der Juristenvereinigung Institut de Droit international, 1986 bis 1988 gehörte er dem ägyptisch-israelischen Schiedsgericht im Taba-­Konflikt an. «Auch heute noch interessiere ich mich für die Lösung völkerrechtlicher Konflikte», sagt er. Doch in seinem hohen Alter könne er sich nicht mehr aktiv einbringen. 

Schindler erinnert sich: «An der Universität Zürich (UZH) war das Völkerrecht einst weder Haupt- noch Prüfungsfach. Deshalb bin ich froh, wird es heute als anerkanntes Fach angesehen.» 

Der 90-Jährige schätzt die im Alter zurückge­wonnene Freizeit sichtlich. Der emeritierte Professor für Internationales Recht und Verfassungsrecht an der UZH wirkt überaus heiter und gelassen. Im Wohn­zimmer ist er von Bildern, Büchern und Musik­instrumenten umgeben. Jedes Stück erinnert an eine Begebenheit im Leben. «Er führt auch eine beacht­liche Bibliothek», bemerkt seine Frau. «Ich machte aus der Garage ein Studierzimmer und stellte einen ­grossen Compactus mit zehn Regalen rein», so Schindler. Im Studienzimmer liegen Dutzende juristische und politische Zeitschriften, Zeitungen und Dokumente sorgfältig gestapelt auf Tischen, Kommoden und auf dem Boden. Und die vielen Briefumschläge? «Ich führe viel Korrespondenz, jedoch nicht mehr mit Gleichaltrigen: Es hat nicht mehr viele übrig von ihnen», sagt der 90-Jährige lachend.