Bis im Oktober 2011 war Giorgio Malinverni Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR). «Heute bin ich noch etwa zu 60 Prozent juristisch tätig», sagt der Tessiner und fügt hinzu: «aus Interesse – da Recht mein Leben ist, das ich nicht einfach von einem Tag auf den anderen hinter mir lassen kann.» 

Der 74-Jährige ist heute Richter des «Tribunal administratif du Conseil de l’Europe» in Strassburg. Dabei handelt es sich um ein internes Gericht des Europarats, das Streitigkeiten ­zwischen dem ­Personal des Europarats und dem Generalsekretariat regelt. Zudem ist Malinverni Präsident der Nicht­regierungsorganisation «Track Impunity Always» (Trial). Ziel dieser kleinen Vereinigung in Genf ist es, die Straflosigkeit von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter und ­Verschwindenlassen von Personenzu bekämpfen. «Jeder Verbrecher soll sich fürseine Taten vor einem – heimischen oder internationalen – Gericht verantworten müssen»,sagt Malinverni.  

Malinverni nimmt auch heute immer noch an Konferenzen teil und verfasst von Zeit zu Zeit Festschriften für Kollegen. Wann er nicht mehr juristisch tätig sein wird, weiss er noch nicht wirklich.«Ich möchte jedoch immer ein bisschen weniger arbeiten», hält er fest.Neben der Juristerei bleibt Zeit für Privates.

 «Ich liebe es, mit meiner Frau fremde Länder und Kulturen kennenzulernen.» Ausserdem verbringe er gerne Zeit mit seinen Enkeln.

Der Professor, der von 1974 bis 2007 Verfassungsrecht, internationales Recht sowie internationale Menschenrechte an der Universität Genf lehrte, istim Allgemeinen zufrieden mit der Rechtsprechung des EGMR in Strassburg. In einigen Fällen gehe er aber zu weit: «Im Fall Perinçek zum Beispiel hätte ich mit der Minderheit votiert.» Urteile, die missfallen, seien jedoch kein Grund, alles komplett über den Haufen zu werfen. Malinverni: «Die EMRK mussfür die Schweiz unbedingt weitergelten.» Er ­befürchtet, dass die SVP-Initiative «SchweizerRecht geht ­internationalem Recht vor» dereinst zu massiven Problemen auf internationaler Ebene führen würde.