Hans Wiprächtiger trat Ende 2011 als Bundesrichter zurück. Er gibt zu: «Ich habe nicht gern aufgehört.» Doch der gebürtige Luzerner stand kurz vor seinem 69. Geburtstag – und dann ist laut Gesetz Schluss mit dem Bundesrichterberuf. «Richter ist einer der schönsten Berufe und ein grosses Privileg», sagt Wiprächtiger rückblickend. Zuvor war er Amtsrichter in der Stadt Luzern und Richter am Obergericht des Kantons. Alle drei Stellen gefielen ihm: «Die Arbeit am Bundesgericht war die Krönung meines Berufslebens.»

Seit April 2012 ist Wiprächtiger Partner bei Gremmelspacher Bürkli und Biaggi in Basel. Er arbeitet drei bis vier Tage pro Woche, behandelt sowohl straf- als auch zivilrechtliche Fälle. Im Strafrecht betätige er sich nicht mehr gerne: Der Allmacht der Staatsanwaltschaft und der Freude am Strafen steht er skeptisch gegenüber.

Die Strafe sieht Wiprächtiger nach wie vor als Ultima Ratio. Im Zweifel empfiehlt er ein tieferes Verdikt. Höhere Strafen würden kein besseres Resultat zeitigen. Wiprächtiger ist überzeugt, dass am Allgemeinen Teil des StGB nichts geändert werden muss: «Die ent­sprechenden Revisionsbestrebungen widersprechen ­meinen Ansichten diametral.» Den Vorwurf, er sei ein ­Vertreter der Kuscheljustiz, findet er unzutreffend. «Ich bin ein Vertreter einer massvollen Strafjustiz. Das schliesst nicht aus, dass auch hohe Strafen und Massnahmen angeordnet werden müssen.»

Wann Wiprächtiger das zweite Mal in den Ruhestand treten will, kann er noch nicht sagen. Neben der Juristerei liest er «unglaublich gerne». Zu seinen Hobbys zählt das Reisen. «Meine Lieblingsdestinationen waren China und Indien.» Inzwischen schloss er auch Südamerika ins Herz. Wandern mag der 71-Jährige nicht. «Ich muss es aber aus Gesundheitsgründen ab und zu tun», meint er schmunzelnd.