Die 16 Juristinnen und Juristen sitzen für einmal nicht im Gerichtssaal, sondern im Seminarraum 306 der Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Die jungen Frauen und Männer arbeiten an verschiedenen Bezirksgerichten im Kanton Zürich.
An diesem Morgen um halb neun besuchen sie den Kurs «Entscheidredaktion – Grundlagen ­Zivilentscheid». Der Kurs wird seit zwei Jahren von der Fachstelle Aus- und Weiterbildung des Zürcher Obergerichts angeboten.

Im halbtägigen Kurs lernen die Jungjuristen, wie man ein Zivilurteil aufbaut und dieses strukturell und rechtlich korrekt be­gründet. Der Kurs wird von Lena Stünzi, SP-Richterin am Bezirksgericht Horgen, und vom Zürcher Bezirksrichter Beat Bloch geleitet. Der 60-jährige erfahrene CSP-­Richter macht nach der Vorstellungsrunde gleich klar: «Es gibt keine Musterlösung oder ein Begründungsschema, denn jeder Fall ist anders.»

Im theoretischen Teil werden der Aufbau eines Urteils und die Prozessmaximen behandelt. Im zweiten Teil üben die jungen Leute in Vierergruppen, wie man bei der Begründung am besten vorgeht. «Gebraucht eine Sprache, die der Laie versteht. Ihr schreibt das Urteil nicht für die obere Instanz», sagt Bloch. Kurz nach 12 Uhr ist Schluss, dann gibt es noch einen Stehlunch.

Es ist eine von mehr als 60 Veranstaltungen, welche die Fachstelle dem Zürcher Justizpersonal ­dieses Jahr anbietet. Darunter befinden sich Workshops zu juristischen Themen wie «Gesetzesrevision im Überblick – Änderung der ZPO» oder «Schwerpunkt Strafprozess – Änderung der StPO», aber auch allgemeine Themen wie «Schlaf als Erfolgsfaktor» oder «Mit Kreativität zum Topgedächtnis».

Rund 1400 Zürcher Juristen besuchten Kurse

Zum Teil werden die Kurse zusammen mit der Oberstaats­an­walt­schaft und dem Zürcher Anwaltsverband durchgeführt. Das An­gebot findet Anklang. Letztes Jahr besuchten1364 Angestellte die Veranstaltungen. Dazu kommt die Selbstlernplattfom  «Richterportfolio», auf der sich Richterinnen und Richter weiterbilden können.  

Die Zürcher Weiterbildungsstelle gibt es seit 2002. «Sie wurde vom damaligen Obergerichts­präsi­den­ten Remo Bornatico ini­tiiert, der sich immer sehr für die Aus- und Weiterbildung engagiert hatte», sagt Kathrin Wolfer, Leiterin der Fachstelle. Fünf Angestellte teilen sich 340 Stellenprozente. Dazu kommt ein Budget für die ein­zelnen Veranstaltungen von rund 800'000 Franken pro Jahr.

Andere Kantone haben keine spezielle Fachstelle wie Zürich, die sich nur mit der Weiter­bildung der Justizangestellten befasst. Das ergab eine Umfrage von plädoyer in den Kantonen Aargau, Basel-­Stadt, Bern, Graubünden, Luzern, St. Gallen, Schwyz und Thurgau.

Im Kanton Aargau zum Beispiel ist das Generalsekretariat der Gerichte Aargau für die Weiterbildung zuständig. Im Kanton Bern gibt es eine Weiterbildungskommission mit 25 Stellenprozenten, die Kurse organisiert. Andernorts muss jedes Gericht die Ausbildung seiner Angestellten selbst organisieren.

In einigen Kantonen bieten die Gerichte eigene Veranstaltungen an, etwa das St. Galler Kantonsgericht zu «Erfahrungsaustausch Familienrecht» oder die Luzerner Gerichte zu Themen wie «Das gute Urteil» oder «Produktive Zusammenarbeit zwischen Richter und Gerichtsschreiber».

Der Kanton Schwyz bietet keine eigenen Kurse an, sondern schickt seine Angestellten zu externen Anbietern wie Universitäten oder der Stiftung für die ­Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter.

Grosse Unterschiede bei Ausgaben für Fortbildung

Auch bei den Ausgaben für die Aus- und Weiterbildung gibt es grosse Unterschiede unter den verschiedenen Kantonen. Aargau und Luzern geben jeweils rund 260'000 Franken pro Jahr dafür aus. In Basel-­Stadt sind es rund 210'000 Franken und im Kanton Graubünden 110'000 Franken.

Sparsamer ist der Kanton Thur­gau, der im vergangenen Jahr für die fünf Bezirksgerichte und das Obergericht nur 45'570 Franken für die Aus- und Weiterbildung der Justizangestellten investierte.