Die Kantone müssen sich sputen, ein paar gar regelrecht abhetzen. Denn auf den 1. Januar treten die schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) und die schweizerische Strafprozessordnung (StPO) in Kraft. Aber die Gerichtsorganisation bleibt trotz eidgenössisch vereinheitlichtem Prozessrecht Sache der Kantone. Wie in plädoyer 3/10 und 4/10 berichtet, haben sie mit der nötig gewordenen Synchronisierung ihrer Justiz- oder Gerichtsorganisationsgesetze einiges zu beissen.
In den Herbstsessionen haben die Parlamente in weiteren Kantonen die einschlägigen Erlasse angepasst. In Basel-Stadt stehen nach einem öffentlich ausgetragenen Zwist zwischen Gerichten und der Regierung um den Bedarf zusätzlicher Stellen parlamentarische Beratungen bevor, während das Volk in Zug und Tessin an der Urne noch Verfassungsänderungen genehmigen muss.
Der Kanton Bern nimmt nicht nur die nötigen Anpassungen ans eidgenössische Prozessrecht vor, sondern verwirklicht eine umfassende Justizreform. Im September gingen die Wogen hoch, als die Regierung den von der Justizleitung geltend gemachten Finanzbedarf um mehrere Millionen Franken zusammenstrich. Für rund dreissig neue Stellen seien die Begründungen «nicht nachvollziehbar», sagte SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus. Die Justizleitung will ihre Personalplanung verteidigen. Das letzte Wort hat der Grosse Rat im November mit dem Entscheid über das Staatsbudget.
Das neue Justizgesetz im Kanton Appenzell Ausserrhoden sieht vor, dass es eine einzige Schlichtungsstelle für miet- und pachtrechtliche Angelegenheiten gibt. Es ist keine besondere Schlichtungsstelle für arbeitsrechtliche Streitigkeiten vorgesehen, ebenso wenig ein Arbeits- oder ein Mietgericht. Auch auf die Einführung eines Handelsgerichts verzichtet der Kanton. Die heute zwanzig Vermittlerkreise werden nach dem neuen kantonalen Justizgesetz zu drei Kreisen zusammengefasst. Das Justizgesetz untersteht dem fakultativen Referendum, dessen Frist noch bis zum 16. November läuft. Mit der Umstellung auf das Staatsanwaltschaftsmodell werden die Verhörrichter neu zu Staatsanwälten.
Die sechs Gerichtsbezirke im Kanton Basel-Landschaft bleiben unverändert bestehen. Während das Einführungsgesetz zur StPO im Landrat schon längst beschlossen worden ist, hat die Legislative jenes zur ZPO erst in der Session vom 23. September verabschiedet. Um die bewährte Praxis, Vergleichsverhandlungen in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bei den Bezirksgerichten beizubehalten, ist neu der Bezirksgerichtspräsident oder die Bezirksgerichtspräsidentin für die arbeitsrechtlichen Schlichtungsversuche zuständig. Auch die Klagen für diese Streitigkeiten werden weiterhin direkt bei den Bezirksgerichtspräsidien eingereicht. Der Landrat begründet seinen Entscheid damit, dass es sich häufig um komplexe Fälle handelt, die juristische Kenntnisse erfordern. Es wird auch in Zukunft im Baselbiet weder ein Arbeitsgericht noch ein Mietgericht oder ein Handelsgericht geben. Es findet auch in diesem Kanton der in der StPO geforderte Wechsel zum Staatsanwaltschaftsmodell statt.
Im Kanton Basel-Stadt befinden sich die Einführungsgesetze noch in der parlamentarischen Beratung. Das Gerichtsorganisationsgesetz ist sogar noch in der parlamentarischen Kommission. Das «gewerbliche Schiedsgericht» soll beibehalten und in «Arbeitsgericht» umbenannt werden. Die Besetzung ist wie bisher paritätisch vorgesehen. Die besondere Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten soll beibehalten werden. Basel-Stadt verzichtet auf die Einführung eines Handelsgerichts. Eine Totalrevision des Gerichtsorganisationsgesetzes ist nicht geplant, weshalb damit zu rechnen ist, dass differenzierte Regelungen zur Umsetzung der ZPO und der StPO in den Einführungsgesetzen zu finden sein werden.
Nach der zweiten Lesung des Gesetzes über die Justizreform in der Legislative hat nun das Stimmvolk im Kanton Obwalden der Änderung der Kantonsverfassung an der Urne zugestimmt. Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten ist keine besondere Schlichtungsstelle vorgesehen. Auch in Zukunft wird es im Kanton weder ein Miet- noch ein Arbeitsgericht oder ein Handelsgericht geben. Neu ersetzt eine kantonale, professionalisierte Schlichtungsstelle die Friedensrichterämter in den Gemeinden. Ab dem nächsten Jahr ersetzen Staatsanwälte die Verhörrichter. Administrativmassnahmen im Bereich des Strassenverkehrsgesetzes werden durch ein neu geschaffenes Verkehrssicherheitszentrum ausgesprochen. Bisher lag die Verhängung von Administrativmassnahmen in der Kompetenz der Verhörrichter.
Auch im Kanton Uri hat das Stimmvolk einer Änderung der Kantonsverfassung und der Revision des Gesetzes über die Organisation der richterlichen Behörden zugestimmt. Für das Schlichtungsverfahren im Zivilprozess ist eine zentrale Schlichtungsbehörde vorgesehen. Als Folge davon werden die bisherigen kommunalen Vermittler aufgehoben. Spezialgerichte sind keine vorgesehen. Die Schlichtungsstelle für miet- und arbeitsrechtliche Angelegenheiten soll zugleich auch Rechtsberatungsstelle sein. Statt des Verhöramtes wird nun der Staatsanwalt das Vorverfahren und die Untersuchung leiten, Anklage erheben und diese vor Gericht vertreten.
Für die Aufhebung der Arbeitsgerichte war im Kanton Solothurn eine Verfassungsänderung nötig, sie ist vom Volk an der Urne angenommen worden. Der Kanton verzichtet auf die Einführung eines Handelsgerichts oder eines Mietgerichts. Die Friedensrichter bleiben in den Gemeinden mit der Möglichkeit, sich regional zusammenzuschliessen. Im Kanton Solothurn gilt schon jetzt das Staatsanwaltschaftsmodell. Allerdings werden die Friedensrichterinnen und Friedensrichter als Strafverfolgungsbehörde neu nur noch mit der Ahndung im Bereich des Gemeinde-Übertretungsstrafrechts betraut.