Von Professor Oscar Vogel begründet und von Professor Karl Spühler weitergeführt, ist die Autorenschaft des Standardwerkes zum Zivilprozessrecht nun um Annette Dolge und Myriam Gehri ergänzt worden. Das neue Team hat den Inhalt umfassend überarbeitet und der vereinheitlichten Zivilprozessordnung angepasst, ist aber im Aufbau dem Begründer treu geblieben. Die allgemeinen Begriffe, Institute und Zusammenhänge des Zivilprozessrechts werden ausführlich erläutert.
Das als Lehrbuch konzipierte, dogmatische Werk eignet sich besonders für Studenten. Im Gegensatz zum Kurzkommentar aus dem Hause Helbing Lichtenhahn wird das internationale Zivilprozessrecht, insbesondere das Lugano-Übereinkommen II miteinbezogen, weiterführende Literatur hingegen nur spärlich aufgeführt. Wie von den Autoren beabsichtigt, wird Studierenden und Praktikern mit diesem Werk der Einstieg ins Zivilprozessrecht vereinfacht. Eher beschränkt bleiben dürfte hingegen der Nutzen für den fortgeschrittenen Praktiker.
Der Kurzkommentar von Professor Paul Oberhammer - rund 1600 Seiten dick - bietet für die Praxis deutlich mehr. In bewährter Manier werden die einzelnen Artikel kommentiert. Darüber hinaus erläutern kurze lehrbuchartige Vorbemerkungen zu den einzelnen Artikeln oder Artikelgruppen die Grundlagen und Zusammenhänge. Die handliche Form und das grosse Stichwortverzeichnis erleichtern es, die gesuchten Informationen rasch zu finden. Auch die an verschiedenen Orten wiedergegebenen Dispositiv-Vorschläge sind eine wertvolle Hilfe für den Rechtsalltag. Die Kommentierung ist durchdacht, was sich nicht zuletzt im einheitlichen Aufbau und den vielen Querverweisen spiegelt.
Die Autorenschaft setzt sich hauptsächlich aus bekannten Praktikern aus Zürich und einigen Youngsters von Lehrstühlen der Universität Zürich zusammen. Allenfalls ist die Kommentierung damit etwas Zürich-lastig geworden. Im Ergebnis stimmt hier aber das Preis-Leistungs-Verhältnis, da der Praktiker mit dem Kurzkommentar zahl- und hilfreiches Know-how erwirbt.
Diana und Kurt Berger-Aschwanden
Besprochene Bücher:
Karl Spühler / Annette Dolge / Myriam Gehri
Schweizerisches Zivilprozessrecht und Grundzüge des internationalen Zivilprozessrechts, 9. Auflage
Stämpfli Verlag, Bern 2010, 511 Seiten,
Fr. 118.-
Paul Oberhammer (Hrsg.)
Kurzkommentar Schweizerische Zivilprozessordnung
Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2010, 1598 Seiten,
Fr. 248.-
Zivilrecht
Heinrich Honsell / Nedim P. Vogt / Thomas Geiser (Hrsg.)
Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 4. Auflage
Helbing Lichtenhahn Verlag,
Basel 2010, 2376 Seiten, Fr. 558.-
In der Neuauflage des Standardwerks aus dem Hause Helbing Lichtenhahn werden die Gesetzesrevisionen sowie Lehre und Rechtsprechung seit der letzten Auflage vor vier Jahren umfassend aufgearbeitet. Wertvoll sind die Hinweise auf das Erwachsenenschutzrecht, das voraussichtlich am 1. Januar 2013 in Kraft tritt. Enthalten ist auch eine Gegenüberstellung der verschiedenen Massnahmen nach altem und neuem Recht. Beibehalten wurde die Kommentierung der Artikel zum Scheidungsverfahren, die mit Inkrafttreten der schweizerischen Zivilprozessordnung weggefallen sind. Diese Ausführungen wurden mit kurzen Hinweisen auf die neuen Bestimmungen und die wichtigsten Änderungen ergänzt.
Bewertung: Gewohnt strukturiert. Umfassendes Werk für den Praktiker. kub
Unterhaltsrecht
Heinz Hausheer / Annette Spycher (Hrsg.)
Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Auflage
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
936 Seiten, Fr. 198.-
Zehn Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen ist eine Neuauflage fällig geworden. Sie erweitert das Handbuch um zwei Kapitel über die Schnittstellen zu den Steuern und Sozialversicherungen, die in der Praxis bedeutsam sind. Ferner ist das Werk im verfahrensrechtlichen Teil an die neue schweizerische Zivilprozessordnung angepasst worden. Ansonsten bleibt die bewährte Struktur des Werks bestehen. Es handelt die unterhaltsrechtlichen Grundlagen unter Einbezug der Bundesgerichtspraxis ab und erläutert die einzelnen Unterhaltsarten inklusive Verwandtenunterstützung sowie Abänderungs- und Koordinationsfragen. Im Anhang finden sich wiederum die zürcherischen Empfehlungen zur Unterhaltsbemessung für Kinder sowie die Richtlinien zur Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums.
Bewertung: Das Standardwerk ist ein gutes Hilfsmittel für die Familienrechtspraxis. df
Scheidungsrecht
Ingeborg Schwenzer (Hrsg.)
FamKommentar Scheidung, ZGB und Anhänge, 2. Auflage
Stämpfli Verlag, Bern 2010,
2088 Seiten, Fr. 398.-
Nebst seiner detaillierten Kommentierung des materiellen Scheidungsrechts hebt sich das neu zweibändige Werk von Ingeborg Schwenzer insbesondere aufgrund der herausragenden Anhänge im zweiten Band von herkömmlichen Kommentaren ab. Einer Kommentierung der massgebenden Artikel der Zivilprozessordnung folgen Anhänge über steuerrechtliche Aspekte und Berechnungen, Unterhaltsberechnungen, Konventionen, Internationales Privatrecht, Mediation und ausgewählte psychologische Aspekte. Ergänzt wird die neue Auflage um Beiträge zum Sozialversicherungs- und Ausländerrecht. Sie behandeln die Auswirkungen von Ehe und Scheidung auf die einzelnen sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche und gehen Fragen von Familiennachzug und Aufenthaltsbewilligung nach.
Bewertung: Integrale Darstellung, unerlässliches Hilfsmittel für Scheidungsanwälte. kub
Marken- und Urheberrecht
Simon Manner
Finanzieller Ausgleich im Marken- und Urheberrecht
Helbing und Lichtenhahn Verlag, Basel 2010, 188 Seiten, Fr. 54.-
Ausgangspunkt der Dissertation ist eine Untersuchung der zivilrechtlichen Haftungsgrundlagen im Marken- und Urheberrecht. Die im deutschen und anglo-amerikanischen Rechtskreis zur Verfügung stehenden Ausgleichsansprüche werden herausgearbeitet und verglichen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Marken- und Produktpiraterie wird untersucht, inwiefern ein präventions- und verhaltensbezogenener Ausgleichsmechanismus im schweizerischen Recht ausgestaltet sein müsste. Dabei wird der Fokus auf die Durchsetzungsdefizite gelegt und es wird die mögliche Auswirkung des Verschuldensgrades auf den jeweiligen Ausgleichsanspruch untersucht.
Bewertung: Gute Untersuchung im Schnittbereich von Immaterialgüter- und Haftpflichtrecht. tva
Verwaltungsrecht
Benjamin Schindler
Verwaltungsermessen. Gestaltungskompetenzen der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz
Dike Verlag, Zürich / St.Gallen 2010, 510 Seiten, Fr. 158.-
Die Ermessensfrage wurde schon früh als quaestio diabolica des Verwaltungsrechts bezeichnet. In der Tat, wie weit soll das Gesetz Vorgaben für das Handeln der Verwaltung vorgeben und wie weit sollen Gerichte die Tätigkeit der Verwaltung kontrollieren? Im Zentrum der Habilitationsschrift steht die Rückkehr zu einem einheitlichen Ermessensbegriff. In einem Überblick werden die unterschiedlichen Ermessenslehren im Wandel dargestellt. Ein weiterer Teil widmet sich der Kritik der herrschenden Dogmatik, wobei hier insbesondere die fehlende Ausdifferenzierung kritisiert wird. Schliesslich skizziert der Autor einen Gegenentwurf zur heutigen Lehre und leistet einen Beitrag zur dogmatischen Neuorientierung. Dabei hilft die differenzierende Typologie bei der richterlichen Nachkontrolle und bei der Qualitätssicherung der Verwaltungstätigkeit.
Bewertung: Eine Reihe wertvoller Denkanstösse zur Ermessenslehre. me
Verwaltungsrecht
Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann
Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage
Dike Verlag, Zürich / St.Gallen 2010, 706 Seiten, Fr. 88.-
Wer kennt es nicht, das Standardwerk für Studierende und Praktiker? Das ursprünglich aus einem Vorlesungsskript entstandene Buch ist vollständig überarbeitet worden. Es berücksichtigt die neusten Entwicklungen in Gesetzgebung, Lehre und Rechtsprechung seit dem Erscheinen der fünften Auflage (2006). Neu enthalten sind Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Eine wertvolle Bereicherung sind Hinweise auf Urteile, die ausschliesslich auf Websites publiziert worden sind. Das Werk wurde zudem ergänzt mit Abschnitten über die Unterscheidung von Erfüllungs- und Gewährleistungsverwaltung, die gesteuerte Selbstregulierung, das Öffentlichkeitsprinzip, das «Vier-Kreise-Modell» der Bundesverwaltung sowie Public Private Partnerships. Immer wieder bestechend und überzeugend ist die klare Gliederung eines doch umfangreichen Rechtsgebietes.
Bewertung: Keine Frage: Dieses Standardwerk ist ein Muss für den Praktiker. me
Privatversicherungsrecht
Moritz Kuhn
Privatversicherungsrecht. Unter Mitberücksichtigung des Haftpflicht- und des Aufsichtsrechts, 3. Auflage
Schulthess Verlag, Zürich 2010,
427 Seiten, Fr. 195.-
Die dritte Auflage berücksichtigt eine ganze Reihe wesentlicher Neuerungen: Das Versicherungsaufsichtsgesetz trat 2006 in Kraft, die Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetzes änderte die Folgen der Anzeigepflichtverletzung und führte vorvertragliche Informationspflichten ein, und schliesslich gelten die Versicherungsvermittler und Agenten als Vertreter des Versicherers. Zur neu geregelten Anzeigepflichtverletzung zeigt sich der Autor, Präsident des Kassationsgerichts Zürich und Anwalt mit Versicherungsbezug, findig, was die intertemporalrechtlichen Fälle anbelangt. Danach soll der Versicherer bei Anzeigepflichtverletzungen vor 2006 nach wie vor zum Rücktritt berechtigt sein, auch wenn die Falschangabe nicht kausal war für den Eintritt der Leistungspflicht.
Bewertung: Für Versicherer und ihre Mitarbeiter nützlich, für Geschädigtenanwälte bedingt. kpf
Rechtsgeschichte
Uwe Wesel
Geschichte des Rechts in Europa. Von den Griechen bis zum Vertrag von Lissabon
Verlag C.H. Beck, München 2010, 734 Seiten, Fr. 53.90
Fehlenden wissenschaftlichen Mut konnte man dem Rechtshistoriker Uwe Wesel noch nie vorwerfen. Der Berliner Emeritus bleibt sich auch im Alter treu und legt ein ungewöhnlich breites und ausführliches Werk vor. In seiner leicht lesbaren, bisweilen gar saloppen Sprache handelt er die europäische Rechtsgeschichte von Homer über Baldus und Bartolus, die Inquisition und die Kodifikation bis hin zur Europäischen Union ab. Sein Opus maximum berücksichtigt Fragen aus sämtlichen Rechtsgebieten in nahezu allen europäischen Ländern. Ein vergleichender Blick in andere Rechtskulturen (Islam, Indien, China) rundet das Bild ab. Der Autor hat eine unglaubliche Materialfülle aufgearbeitet. Man sieht ihm deshalb die vereinzelten Unschärfen gerne nach. Denn unter dem Strich bleibt eine wahrhaft bereichernde Lektüre zurück.
Bewertung: Für rechts-historisch Interessierte ist das Werk ein echter Genuss. sb