Strafprozessrecht
Verpatzte Karriere:
Schadenersatz geschuldet
Einem Akademiker, der in ein Strafverfahren verwickelt worden ist, muss der Kanton Zürich Schadenersatz bezahlen. Und zwar die Anwaltskosten sowie Ersatz dafür, dass er in der Folge nicht als Professor gewählt wurde.
Sachverhalt:
Im November 2001 wurde gegen X., der zu jenem Zeitpunkt Assistenzprofessor für Informatik an der ETH Zürich war, Anklage erhoben. Es wurde ihm vorgeworfen, er habe sich durch Setzung verschiedener Links zu Seiten mit rassendiskriminierendem Inhalt auf seiner frei zugänglichen Homepage der Rassendiskriminierung schuldig gemacht. Sowohl in erster als auch in zweiter Instanz wurde X. freigesprochen. X. verlangte, dass ihm die Verteidigungskosten sowie der weitere durch das Verfahren entstandene Schaden ersetzt werden. Er machte geltend, das Strafverfahren, über das in den Medien ausführlich und unter Nennung seines Namens berichtet worden war, habe dazu geführt, dass er seine Arbeitsstelle verloren habe und nicht als Professor an die ETH gewählt beziehungsweise nicht an eine deutsche Hochschule berufen worden sei.
Das Obergericht des Kantons Zürich als zweite Instanz sprach ihm eine Prozessentschädigung für die Verteidigerkosten zu, allerdings zu einem Stundensatz von 250 Franken, obschon X. mit seinem Verteidiger einen Ansatz von 300 Franken vereinbart hatte. Weiter sprach es ihm eine Genugtuung von 10 000 Franken zu. Weitere Ansprüche auf persönliche Entschädigung wies es ab. X. führte dagegen Nichtigkeitsbeschwerde ans Kassationsgericht.
Aus den Erwägungen: 2.2 Der freigesprochene Angeklagte hat grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung der ihm aus dem Verfahren erwachsenen (wesentlichen) Kosten und Umtriebe (§ 191 Satz 1 in Verbindung mit § 43 Abs. 2 StPO). Zu den wesentlichen Kosten gehören namentlich die Kosten für anwaltliche Verteidigung (Schmid, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur zürcherischen Strafprozessordnung, Zürich 2000, N 10 zu § 43 StPO).
Im vorliegenden Fall ist nicht die Entschädigungspflicht für Verteidigerkosten als solche, sondern der Umfang der dem Beschwerdeführer zu vergütenden Kosten umstritten. Dabei ist die VO über die Anwaltsgebühren vom 10. Juni 1987 (AnwGeb- VO; LS 215.3) massgebend. Nach deren § 9 Satz 2 beläuft sich der Ansatz für Strafverteidigungen «in der Regel» auf 110 bis 250 Franken für die Stunde. In Fällen, die nicht zu den Standardverfahren zu zählen sind, ist jedoch nach der kassationsgerichtlichen Rechtsprechung im Sinne einer geltungszeitlichen Interpretation grundsätzlich von der konkreten Honorarnote der Verteidigung auszugehen, wobei diese unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit sowie des Gebotes der Schadensminderung auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen ist; eine Überschreitung des Stundenansatzes von 250 Franken ist in derartigen Fällen möglich (ZR 102 [2003] Nr. 49; siehe auch ZR 101 [2002] Nr. 19; ferner Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, N 1221 Anm. 99; Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel unter anderem 2005, § 109 Rz 5).
2.3 Es ist aktenkundig, dass zwischen dem Beschwerdeführer und Verteidiger ein Stundenansatz von 300 Franken vereinbart beziehungsweise verrechnet wurde. Unbestritten geblieben ist ferner der vom Verteidiger in Rechnung gestellte Zeitaufwand als solcher. Kontrovers ist der Stundenansatz, den die Vorinstanz mit 250 Franken veranschlagte. Für die Frage, ob die Prozessentschädigung entsprechend diesem Ansatz zu berechnen ist, ist vorab entscheidend, ob es sich vorliegend noch um ein «Standardverfahren » handelte und – gegebenenfalls – ob der geltend gemachte Ansatz den weiteren Kriterien (Verhältnismässigkeit, Gebot der Schadensminderung) genügt.
a) Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz zu Unrecht angenommen habe, beim Ansatz von 250 Franken pro Stunde handle es sich um einen Maximalansatz, der nicht überschritten werden dürfe, ist die Rüge insofern unbegründet, als das Obergericht nicht verkannt hat, dass dieser Ansatz im Lichte der entsprechenden Praxis ausnahmsweise überschritten werden darf. Es hat jedoch den Ansatz im vorliegenden Fall (allerdings ohne nähere Begründung) als angemessen erachtet.
b) Entscheidend ist, ob es sich beim vorliegenden Verfahren um ein Standardverfahren, das heisst ein Verfahren ohne besondere Schwierigkeiten in sachlicher oder rechtlicher Hinsicht handelte oder nicht. Der Beschwerdeführer macht dazu, wie bereits erwähnt, geltend, es lägen besondere Umstände vor, was eine entsprechende Erhöhung des Stundenansatzes rechtfertige. Zum Begriff des Standardverfahrens hat sich das Kassationsgericht in seiner publizierten Praxis bisher nicht näher geäussert. In dem ZR 102 (2003) Nr. 49 zugrunde liegenden Verfahren ging es um einen Fall von Wirtschaftsdelinquenz, welcher mit erheblichen sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war. Vorliegend handelt es sich nicht um einen Routinefall. Das Verfahren war durch eine grosse Medienaufmerksamkeit (teilweise mit voller Namensnennung und Fotos) und vereinzelt an Vorverurteilung grenzende oder diese gar überschreitende Schlagzeilen geprägt.
Auch in rechtlicher Hinsicht ist es kein Standardfall. Der im Jahre 1995 eingeführte Straftatbestand der Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB) bietet schon in grundsätzlicher Hinsicht (so etwa im Lichte grundrechtlicher Positionen) Anlass zu heiklen Fragestellungen. Dass insbesondere auch in der hier gegebenen Konstellation keine von vornherein klaren rechtlichen Verhältnisse herrschen, folgt – worauf der Beschwerdeführer hinweist – unter anderem daraus, dass die Bezirksanwältin das Verfahren nach ersten Abklärungen zunächst einstellte, worauf die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 21. August 2000 die Einstellung nicht genehmigte und der Bezirksanwältin den Auftrag erteilte, das Verfahren fortzuführen und danach einen Strafbefehl zu erlassen oder Anklage zu erheben. Im Schreiben der Staatsanwaltschaft wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum fraglichen Tatbestand (insbesondere zur strafrechtlichen Bewertung des Setzens von Links zu anderen Websites mit verbotenem Inhalt) noch wenig Literatur und Judikatur existiere. Auch insofern kann offensichtlich nicht von einem einfachen Standardverfahren gesprochen werden. Dagegen spricht letztlich auch, dass die erste Instanz für die Urteilsbegründung über 50 Seiten und das Obergericht für seinen bestätigenden Entscheid immerhin nochmals 25 Seiten benötigten.
Indem das Obergericht (stillschweigend) von einem Standardfall ausging, verletzte es materielle Gesetzesvorschriften, nämlich §§ 43 in Verbindung mit 191 StPO, und erfüllte damit den Nichtigkeitsgrund von § 430 Abs. 1 Ziff. 6 StPO. Ein Stundenansatz von 300 Franken kann im Übrigen nicht als unangemessen bezeichnet werden. Somit ist bei der Bemessung der Prozessentschädigung von diesem Betrag auszugehen. […]
3. Der Beschwerdeführer begründete seinen Schadenersatzanspruch mit den Gehaltseinbussen infolge Nichtwahl zum ausserordentlichen Professor an der ETH Zürich beziehungsweise Nichtberufung an die Universität Dresden, Einbussen der gesicherten Altersversorgung sowie Aufwendungen für Stellensuche; er beziffert den Schaden mit 1 098 029 Franken. Das Obergericht wies das Begehren ab, weil es am Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem Verhalten des Staates fehle. Weder sei nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer ohne das vorliegende Strafverfahren als ausserordentlicher beziehungsweise ordentlicher Professor an die ETH Zürich gewählt worden wäre, noch dass die Technische Universität Dresden ihren Ruf an den Beschwerdeführer wegen des vorliegenden Strafverfahrens zurückgezogen habe. Insbesondere würden – so das Obergericht – im Rahmen einer solchen Wahl üblicherweise «weitere Kriterien – etwa Person, Mitbewerber – berücksichtigt werden».
Der Beschwerdeführer erhebt in diesem Zusammenhang drei Rügen: einerseits habe die Vorinstanz hinsichtlich des Kausalzusammenhanges eine falsche Beweislastverteilung vorgenommen (nachfolgend 3.1), weiter habe sie die Offizial- beziehungsweise Untersuchungsmaxime verletzt (nachfolgend 3.2) und schliesslich habe sie der von ihr selbst festgestellten Verletzung des Beschleunigungsgebotes zu Unrecht keine weitere Beachtung geschenkt (nachfolgend 3.3).
3.1. a) Der Beschwerdeführer rügt eine falsche Verteilung der Beweislast. Entgegen der Vorinstanz, die ihm die Beweislast für den Kausalzusammenhang zuschiebe, müsse die Beweislast so verteilt werden, dass im Falle von Beweislosigkeit ein den wirklichen Sachverhalt nicht treffendes Urteil derjenigen Partei Nachteile bringe, für die «solches Versagen des Rechtsganges weniger unbillig» erscheine (u. H. a. BKKummer, N 114 zu Art. 8 ZGB). Vorliegend gehe es um eine hypothetische Frage, nämlich, ob der Beschwerdeführer an eine der beiden Hochschulen gewählt worden wäre, wenn kein Strafverfahren gegen ihn eröffnet worden wäre. Ein strikter Beweis, wonach dies der Fall gewesen wäre, lasse sich insofern gar nicht führen; hingegen könnten positive Sachumstände bewiesen werden, von welchen mit rechtsgenügender Sicherheit indirekt auf die entscheidende Frage geschlossen werden könne. Dabei spiele die Lebenserfahrung und der gewöhnliche Lauf der Dinge eine beachtliche Rolle. Konkret gehe es um die Frage, ob sich vernünftigerweise anders als durch das seinerzeit hängige Strafverfahren erklären lasse, dass der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen (Berufung als Assistenzprofessor, problemlose Verlängerung der ersten Anstellungsdauer um weitere drei Jahre, Betreuung einer Anzahl erfolgreicher Doktoranden, Publikation von Arbeiten an unzähligen internationalen Konferenzen und aussichtsreich[st]e Nomination als ordentlicher Professor in Auswahlverfahren an drei deutschen Hochschulen) nach der Nichtübernahme auf eine ausserordentliche oder ordentliche Professorenstelle der ETH Zürich auch an keine deutsche Hochschule gewählt wurde, nach Beendigung seiner Tätigkeit an der ETH Zürich vom 1. Oktober 2002 an während 18 Monaten arbeitslos gewesen sei, nun sein Leben als Software-Ingenieur in einem amerikanischen Grossunternehmen friste und sich seelisch nur schwer damit abfinden könne, dass seine vorher einwandfreie wissenschaftliche Karriere als Forscher und Lehrer unwiederbringlich zerstört sei.
Der bereits bei der Vorinstanz angebrachte Hinweis, wonach er im Lehrkörper der ETH Zürich bislang nicht durch eine ähnlich qualifizierte Persönlichkeit ersetzt worden sei, gelte weiterhin, habe doch ein Berufungsverfahren noch im Jahre 2004 ohne Stellenbesetzung geendet. Damit erweise sich insbesondere das vorinstanzliche Argument eines möglichen Mitbewerbers als verfehlt. Nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dürfe willkürfrei angenommen werden, der Beschwerdeführer wäre ohne das Strafverfahren auf eine Position als ausserordentlicher oder – angesichts der drei ausländischen Rufe – sogar als ordentlicher Professor von der ETH Zürich berufen worden. Die Vorinstanz habe zudem vollständig ausser Acht gelassen, dass der Vorwurf des Verstosses gegen das Rassismusverbot unter dem Aspekt der sogenannten «Zeitgeist»-Delikte für den Ruf einer Persönlichkeit nahezu immer definitiv desaströs wirke; hier wie sonst nirgends gelte der Satz «semper aliquid haeret», insbesondere dann, wenn ein zwar vollumfänglicher Freispruch erst nach insgesamt mehr als drei Jahren und sieben Monaten ergehe.
b) Im Rahmen der Offizialmaxime hat der Staat das Bestehen der Voraussetzungen für eine Entschädigung an unschuldig Verfolgte grundsätzlich von Amtes wegen zu prüfen. Das Scheitern des Beweises (Beweislosigkeit) trifft jedoch nach herrschender Lehre nicht den Staat, sondern den unschuldig Verfolgten; dieser trägt grundsätzlich die (objektive) Beweislast (Schmid, in: Donatsch/Schmid, a. a. O. , N 28 zu § 43 und N 46 ff. Vorbem. §§ 49 ff. StPO; Ruth Wallimann Baur, Entschädigung und Genugtuung durch den Staat an unschuldig Verfolgte im ordentlichen zürcherischen Untersuchungsverfahren, Zürich 1998, S. 170 ff.; sieheBGE 107 IV 157).
Diese für den kantonalrechtlichen Entschädigungsanspruch geltende Auffassung deckt sich dem Grundsatz nach mit der herrschenden haftpflichtrechtlichen Lehre und gefestigten Rechtsprechung, welche für das vorliegende Verfahren analog Anwendung findet (siehe ZR 88 Nr. 67; Schmid, in: Donatsch/ Schmid, a. a. O. , N 7, 15 zu § 43 StPO). Danach obliegt insbesondere der Beweis für den (natürlichen) Kausalzusammenhang dem Geschädigten. Es folgt aber aus der Natur der Verhältnisse, dass an diesen Beweis keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen, weil sich der natürliche Kausalzusammenhang nicht direkt, sondern nur mittelbar anhand der Lebenserfahrung unter Würdigung der beweisbaren Umstände feststellen lässt (Oftinger/ Stark, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 5. Auflage, Zürich 1995, § 3 N 35).
Wesentlich ist, dass zwar (entgegen der These des Beschwerdeführers) keine Umkehr der Beweislast stattfindet, dass aber – namentlich bei Personenschäden – seit jeher hohe beziehungsweise überwiegende Wahrscheinlichkeit der Kausalität genügt (BGE 128 III 271 E. 2b/aa mit Hinweisen; Praxis 2005 Nr. 119; BK-Kummer, N 211 zu Art. 8 ZGB; BK-Brehm, 2. Auflage, N 117 zu Art. 41 OR; Heinz Rey, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 3. Auflage, Zürich 2003, N 518b; siehe auch Martin Kaufmann, Bewiesen?, Gedanken zu Beweislast – Beweismass – Beweiswürdigung, AJP 2003, S. 1199 ff., 1204; für das kantonale Haftungsrecht ZR 88 Nr. 67 Erw. II.2b).
Sobald umgekehrt der Beklagte eine andere Möglichkeit der Verursachung nachweist beziehungsweise ernsthafte Zweifel an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des behaupteten Kausalzusammenhanges weckt, fällt der prima-facie-Beweis dahin und ist der Kausalzusammenhang nicht dargetan (Oftinger/ Stark, a. a. O., § 3 N 38; sieheBGE 119 Ib 334 E. 3c, 113 Ib 420 E. 3).
c) Diese beweisrechtlichen Grundsätze hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verletzt. Sie ist stillschweigend davon ausgegangen, dass mit Bezug auf die natürliche Kausalität das Regelbeweismass gelte, wonach es des strikten Nachweises (im Sinne der vollen Überzeugung beziehungsweise der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit) bedürfe, statt insofern eine hohe beziehungsweise überwiegende Wahrscheinlichkeit der Kausalität genügen zu lassen. Sie ist mit anderen Worten von einem falschen Beweismass ausgegangen, wobei die Rüge des falschen Beweismasses als in derjenigen der falschen Beweislastverteilung mitenthalten zu betrachten ist, ist doch die völlige Beweislastumkehr als nichts anderes als die höchstmögliche Erleichterung im Beweismass zu betrachten (Kaufmann, a. a. O., S. 1203).
Die Anwendung eines falschen Beweismasses hat sich konkret zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt. Nach dem Gesagten ist nämlich der prima- facie-Beweis dafür, dass der Abbruch seiner akademischen Laufbahn Folge des hiesigen Strafverfahrens war, als vom Beschwerdeführer geleistet zu betrachten. Dabei kann auf die oben (lit. a) aufgezählten – von der Vorinstanz mit keinem Wort in Abrede gestellten – Umstände verwiesen werden. Diese sprechen jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beendigung der beruflichen Karriere des Beschwerdeführers in ursächlichem Zusammenhang mit dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren steht. Wenn umgekehrt das Obergericht von der Überlegung ausgegangen ist, es könne auch eine andere Ursache (Person des Beschwerdeführers, Mitbewerber) Grund für die Nichtwahl gewesen sein, mag dies zwar nicht von vornherein auszuschliessen sein. Mit dem lapidaren, weiter nicht belegten Hinweis auf die Möglichkeit einer solchen – alternativen – Ursache kann aber der vom Beschwerdeführer erbrachte primafacie- Beweis nicht entkräftet werden; vielmehr bedürfte es dafür klarer, aktenkundiger Hinweise, die jedenfalls im angefochtenen Entscheid nicht genannt werden. Insbesondere setzt sich das Obergericht nicht mit dem Argument, es sei bis heute kein anderer Bewerber an die Stelle des Beschwerdeführers gewählt worden, auseinander.
Sollte aber die Vorinstanz – wofür sich allerdings dem angefochtenen Entscheid keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen lassen – stillschweigend vom Beweismass der hohen beziehungsweise überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen sein, so erwiese sich die gestützt auf dieses Beweismass vorgenommene Beweiswürdigung als willkürlich, nachdem, wie gezeigt, mit (einstweilen) hinreichender Wahrscheinlichkeit vom Kausalzusammenhang zwischen dem Strafverfahren und dem geltend gemachten Schaden auszugehen ist. Insofern leidet der angefochtene Entscheid auf jeden Fall an einem Nichtigkeitsgrund.
d) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz durch das Zugrundelegen eines falschen Beweismasses (allenfalls – bei Anwendung des zutreffenden Beweismasses – zufolge willkürlicher Beweiswürdigung) gesetzliche Prozessformen im Sinne von § 430 Abs. 1 Ziff. 4 StPO zum Nachteil des Beschwerdeführers verletzt hat.
3.2 Soweit der Beschwerdeführer rügt, es seien keine (weiteren) Beweise abgenommen worden, braucht nach dem oben Ausgeführten auf die Beschwerde nicht mehr eingetreten zu werden, da der (prima-facie)Nachweis des natürlichen Kausalzusammenhanges als geleistet zu betrachten ist. Dennoch rechtfertigt es sich, auf die Frage in grundsätzlicher Hinsicht (und auch im Hinblick auf das weitere Verfahren) einzutreten.
a) Das Obergericht geht davon aus, dass im Rahmen des Verfahrens betreffend Zusprechung von Entschädigung und Genugtuung als Nebenfolgen eines freisprechenden Urteils «kein eigenes beziehungsweise zusätzliches Beweisverfahren» stattfinde. Immerhin sei der Angeklagte einzuladen, die entsprechenden Ansprüche anzumelden und zu substantiieren. Im Rahmen des Zumutbaren habe er des Weiteren – trotz des grundsätzlich geltenden Offizial- beziehungsweise Untersuchungsprinzips – den erlittenen Schaden und die Kausalität zwischen dem staatlichen Eingriff und dem behaupteten Schaden darzutun und zu belegen (unter Hinweis auf Schmid, in: Donatsch/Schmid, a. a. O., N 28 zu § 43 StPO).
Zusammen mit seiner in diesem Zusammenhang erstatteten Begründung zu den Schadenersatz- und Genugtuungsansprüchen hatte der Beschwerdeführer einerseits verschiedene Urkunden zum Beweis des Kausalzusammenhanges eingereicht; gleichzeitig offerierte er weitere Beweise, indem er Zeugen benannte und sich auf eine Expertise berief. Das Obergericht hat keinen dieser ausdrücklich angerufenen Beweise abgenommen; es hat insbesondere auch nicht festgestellt, die offerierten Beweise seien unzulässig oder untauglich oder es könne in antizipierter Beweiswürdigung auf deren Abnahme verzichtet werden.
b) Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe mit diesem Vorgehen das Offizial- beziehungsweise Untersuchungsprinzip verletzt. Dieses gelte nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für Entscheide über die Nebenfolgen, insbesondere betreffend Schadenersatz. Wenn in der Lehre gesagt werde, es finde insoweit kein eigenes beziehungsweise zusätzliches Beweisverfahren statt, werde ein solches auch nicht verboten, sondern müsste wohl dort, wo es zur Verwirklichung einer sachgerechten Entscheidung erforderlich sei, Platz greifen können. Nötigenfalls habe das Gericht – bei ungenügender Substantiierung – Gelegenheit zur Beantwortung noch offener Fragen zu geben. All dies habe die Vorinstanz unterlassen und stattdessen den Entscheid ohne weitere Abklärungen «einfach übers Knie gebrochen». Mit anderen Worten rügt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Unterlassung weiterer Sachverhaltsabklärungen durch die Vorinstanz und namentlich die Nichtzulassung des Beschwerdeführers zu den von ihm offerierten (weiteren) Beweisen.
c) Nach ständiger Praxis ist im Verfahren betreffend Ausrichtung einer Entschädigung beziehungsweise Genugtuung an den Angeschuldigten im Sinne von § 43 Abs. 2 und 3 StPO (beziehungsweise § 191 StPO) die Offizial- beziehungsweise Untersuchungsmaxime zu beachten, wobei «allerdings im Prinzip kein eigenes beziehungsweise zusätzliches Beweisverfahren stattfindet» (Schmid, in: Donatsch/Schmid, a. a. O., N 28 zu § 43 und N 13 zu § 44 StPO; kritisch immerhin schon Alex Zindel, Kostenund Entschädigungsfolgen im Strafverfahren des Kantons Zürich, Zürich 1972, S. 134 ff.). Auch im Rahmen des geltenden Offizialprinzips hat sodann der Ansprecher den erlittenen Schaden sowie die Kausalität zwischen staatlichem Eingriff und behauptetem Schaden im Rahmen des Zumutbaren darzutun und zu belegen (Schmid, a. a. O.; Wallimann Baur, a. a. O. , S. 169 ff.). Soweit die Offizialmaxime gilt, klärt die mit der Sache befasste Strafverfolgungsbehörde den Sachverhalt von Amtes wegen ab; darüber hinaus trifft nach dem Gesagten aber den Ansprecher eine Mitwirkungspflicht (beziehungsweise Obliegenheit), indem er die rechtlich relevanten Umstände, soweit zumutbar, zu behaupten und zu substantiieren hat (RB 1996 Nr. 146; siehe auch Pra 90 [2001] Nr. 5).
Fraglich ist vorliegend, ob ein Schadenersatzbegehren mit der Begründung, ein wesentliches Sachverhaltselement (hier: Kausalzusammenhang) sei nicht nachgewiesen, abgewiesen werden darf, ohne dass der Ansprecher zuvor mit den von ihm form- und fristgerecht angebotenen Beweismitteln zum Beweis zugelassen wird. Diese Frage ist zu verneinen. Das Recht auf Beweisführung folgt im Bereich des Bundeszivilrechts aus Art. 8 ZGB; im Übrigen (so im Bereich öffentlich-rechtlicher Ansprüche wie dem vorliegenden) ist es letztlich Ausfluss des für alle Rechtsanwendungsverfahren geltenden verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV (siehe BSK ZGB I-Schmid, N 12/13 zu Art. 8 ZGB; Hotz, in: St. Galler Kommentar zur BV, Zürich 2002, N 33 zu Art. 29; Häfelin/ Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Auflage, Zürich 2005, N 838; Schmid, Strafprozessrecht, a. a. O., N 270; Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Auflage, Bern 2005, N 411).
Gleiches gilt grundsätzlich im Rahmen des durch Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleisteten Anspruchs auf ein faires Verfahren (Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Kehl unter anderem 1996, N 99 zu Art. 6). Eine Beweisofferte darf daher nur dann abgelehnt werden, wenn das Beweismittel entweder unzulässig oder untauglich ist oder wenn die zu beweisende Tatsache nicht rechtserheblich ist; ferner ist die Ablehnung in den Grenzen der antizipierten (willkürfreien) Beweiswürdigung zulässig, das heisst dann, wenn angenommen werden darf, dass die aufgrund der bereits erhobenen Beweise gebildete richterliche Überzeugung auch durch weitere Erhebungen nicht mehr geändert würde (BGE 124 I 211 E. 4a, 122 II 469 E. 4a, je mit Hinweisen; siehe Donatsch, in: Donatsch/Schmid, a. a. O., N 7 ff. zu § 149 StPO).
Dies steht hier jedoch nicht zur Debatte; vielmehr geht die Praxis (und der angefochtene Entscheid) offenbar von einer Beweismittelbeschränkung in dem Sinne aus, dass der unschuldig Verfolgte zwar im Zusammenhang mit der Geltendmachung und Begründung von Schadenersatzansprüchen Urkunden zur Stützung seiner Behauptungen vorlegen (das heisst diese «belegen ») darf, mit weiteren Beweisen (namentlich Zeugen oder Expertisen) aber von vornherein ausgeschlossen ist. Gleich wie im Bundeszivilrecht ein summarisches Verfahren, welches trotz illiquidem Sachverhalt zu einem definitiven Entscheid führt, Art. 8 ZGB verletzt (BSK ZGB ISchmid, N 9 zu Art. 8 ZGB mit Hinweisen), kommt eine derartige Beweismittelbeschränkung im Rahmen von §§ 43 ff. StPO aber einer Rechtsverweigerung gleich und steht nach dem Gesagten in Widerspruch zu Verfassung und Konvention (ähnlich betreffend Einholung eines ärztlichen Gutachtens zwecks näherer Abklärung künftiger Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise Invalidität – schon nicht publizierte Erw. 5c in ZR 82 Nr. 60). Dass in der vorliegenden Konstellation der Ausschluss des Beschwerdeführers mit weiteren Beweisen zur Frage des Kausalzusammenhanges (soweit diese noch notwendig gewesen wären) unzulässig war, wird dann offenbar, wenn man unterstellt, die gleiche Schadenersatzforderung würde statt im Rahmen des vorliegenden Strafverfahrens in einem Zivilprozess (beziehungsweise in einem Haftungsprozess gegen den Staat) geltend gemacht. Hier hätte der Beschwerdeführer Anspruch auf Durchführung eines Beweisverfahrens gemäss §§ 133 ff. ZPO mit dem Recht auf Nennung beziehungsweise Abnahme von Beweisen nach den allgemeinen geltenden Grundsätzen. Es wäre sachlich nicht nachvollziehbar, weshalb dem Beschwerdeführer dieses Recht nur deshalb nicht zustehen sollte, weil für das vorliegende Schadenersatzbegehren ausschliesslich der Strafrichter zuständig ist, wie dies jedenfalls nach der Aufhebung von Art. 42 OG der Fall ist (siehe zur früheren Rechtslage Schmid, in: Donatsch/ Schmid, a. a. O., N 3 zu § 43 StPO).
(Beschluss AL050013 des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 21. November 2005)
Sozialversicherungen
Asbest-Opfer: Suva wird zur Kasse gebeten
Wann ist der Integritätsschaden bei einem Asbest-Opfer dauerhaft? Wenn der Kranke vor seinem Tod während eines Jahres palliativ behandelt wird. So das Eidgenössische Versicherungsgericht.
Sachverhalt:
M. war von 1969 bis 1983 in der Firma E. AG erwerbstätig. Am 21. November 1998 verstarb er in Italien an den Folgen eines berufsbedingten Pleuramesothelioms (Asbest-bedingter Tumor des Lungen-/Brustfells). Die Erben von M. verlangten von der Suva die Ausrichtung verschiedener Leistungen, unter anderem einer Integritätsentschädigung. Die Versicherung wies das Begehren mit Einspracheentscheid vom 11. August 1999 ab. Mit Entscheid vom 14. Juni 2000 sprach das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus eine Integritätsentschädigung von 80 Prozent zu. Auf Beschwerde der Suva hob das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) den kantonalen Entscheid mit Urteil vom 4. April 2002 auf und wies die Sache zurück. Die Suva holte daraufhin ein Gutachten bei Prof. Dr. med. R. ein. Mit Entscheid vom 23. Oktober 2003 hielt die Suva daran fest, dass die Voraussetzungen für eine Integritätsentschädigung und für weitere Leistungen nicht erfüllt seien.
Die Erben erhoben dagegen Beschwerde ans kantonale Gericht. Dieses wies die Beschwerde mit Entscheid vom 29. Juni 2004 ab. Die Erben gelangten daraufhin erneut ans EVG.
Aus den Erwägungen:
2.3 Mit Urteil vom 4. April 2002 wies das EVG die Sache an die Suva zurück zur Durchführung weiterer Abklärungen bezüglich der Frage, wann im konkreten Fall keine namhafte Verbesserung des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden konnte und die Behandlung nur noch palliativer Art gewesen war (U 327/00, siehe RKUV 2002 Nr. U 460 S. 415).
Gestützt auf die Akten erstellte Prof. Dr. med. R. am 15. November 2002 ein Gutachten, in dem er zum Schluss gelangte, ab Oktober 1997 sei eine gegen Schmerzen und Atemnot gerichtete medikamentöse Therapie mit Morphinpräparaten eingeleitet worden. Sodann sei ab November 1997 mit einer Heim- Sauerstoff-Therapie begonnen worden. Ferner sei den Akten zu entnehmen, dass dem Patienten im September 1998 einmalig 30 Kubikmilligramm Vinorelbin intravenös verabreicht wurden.
Der Gutachter hielt fest, dass die behandelnden Ärzte ihre Massnahmen auf lindernde und den Krankheitsverlauf möglicherweise verzögernde Therapien beschränkt hätten. Kurze Zeit nach Stellung der Diagnose sei eine palliative Behandlung, die aus zwei unterschiedlichen Pflegearten von Chemotherapie bestand, eingeleitet worden. Nach fast einem ganzen Jahr diverser Chemotherapie-Zyklen sei rund ein Jahr vor dem Tod des Patienten auf eine ausschliesslich medikamentöse Therapie der Schmerzen und der Atemnot umgestellt worden. Der Zweck der Behandlung sei vor allem palliativ gewesen; ein weiteres Ziel sei gewesen, den Gesundheitszustand zu bessern, zu stabilisieren und allenfalls den Verlauf der Erkrankung zu verzögern.
2.4 Das kantonale Gericht leitete daraus ab, das EVG habe in seinem Urteil vom 4. April 2002 anhand der gutachtlichen Befunde auf das Attest des onkologischen Zentrums von C. hingewiesen, wonach erst im September 1998 auf eine ausschliesslich der Schmerzlinderung dienende palliative Therapie mittels Morphinpräparaten umgestellt worden sei. Darauf sei abzustellen. Ginge man mit Prof. Dr. med. R. dagegen von einem Beginn der ausschliesslich palliativen Behandlung ab Ende Oktober 1997 aus, betrage die Zeitspanne zwischen diesem Zeitpunkt und dem Tod des Versicherten lediglich etwas mehr als zwölf Monate, was nur rund die Hälfte dessen sei, was die Suva in plausibler Art und Weise als dauernd im Sinne von Art. 36 Abs. 1 UVV verstehe.
3.1 Entgegen der bisherigen Auffassung der Suva kann eine längerfristige Stabilisierung des Gesundheitszustandes bei Berufskrankheiten mit infauster Prognose von der Natur der Sache her, die sich von Unfallfolgen wesentlich unterscheidet, nicht verlangt werden. Einen Anspruch auf Integritätsentschädigung nur deswegen zu verweigern, weil sich der Gesundheitszustand nicht stabilisiert und die Behandlung – und sei sie auch nur rein palliativ – bis zum Tode weiterzuführen ist, würde der speziellen Situation der Berufskrankheit nicht gerecht (RKUV 2004 Nr. U 508 S. 268 Erw. 5.3.4).
Andererseits würde es dem Zweck der Integritätsentschädigung widersprechen, den Erben eine Entschädigung allein dafür zuzusprechen, dass ihr Angehöriger sich für kurze Zeit vor seinem Ableben in einem Zustand befand, der jede Verbesserung ausschloss. Bricht eine Berufskrankheit mit infauster Prognose aus, kann zwar kein stabiler, allenfalls aber vorübergehend ein stationärer Gesundheitszustand erreicht werden und der Betroffene noch längere Zeit überleben. Über eine Mindestdauer hat das EVG bisher nicht entschieden.
Abgelehnt hat es die in der Lehre vertretene Meinung, dass bereits eine logische Sekunde genüge, in der sich der Versicherte nach Abschluss der Behandlung damit konfrontiert sieht, mit einem nicht mehr verbesserungsfähigen Schaden leben zu müssen. Bei einer gemäss ärztlicher Prognose schon ex ante sehr kurzen Lebenserwartung von etwa drei Monaten kann der Zweck der Integritätsentschädigung nicht mehr erreicht werden (RKUV 2004 Nr. U 508 S. 268 Erw. 5.3.2 und 5.3.3). Hat ein Unfallversicherer beim Erlass der Verfügung gar nicht mehr die Möglichkeit, die Leistungsgewährung prognostisch zu beurteilen, ist die Frage nach der Lebenserwartung retrospektiv zu prüfen.
3.2 Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen konnte der Gutachter mit ausreichender Klarheit feststellen, dass rund ein Jahr vor dem Ableben des Versicherten (November 1997) auf eine ausschliesslich gegen Schmerzen und Atemnot gerichtete medikamentöse Behandlung, bestehend aus Morphinpräparaten und Sauerstoff, umgestellt worden war. Wenn das EVG in seinem ersten Urteil vom 4. April 2002 (U 327/00) auf das Attest des onkologischen Zentrums von C. vom 28. September 1998 hingewiesen hatte, wonach erst im September 1998 auf eine reine schmerzlindernde palliative Therapie durch Morphin-Präparate umgestellt worden sei, war dies aus der damaligen Aktenlage heraus richtig. Indessen hat das neu eingeholte Gutachten des Prof. Dr. med. R. vom 15. November 2002 zusätzliche Erkenntnisse über den gesamten Verhandlungsverlauf erbracht.
Demzufolge ist die für die Zusprechung einer Integritätsentschädigung erforderliche Dauerhaftigkeit eines therapeutisch nicht mehr zu beeinflussenden, insofern stationären und zu palliativen Massnahmen Anlass gebenden Gesundheitszustandes während eines Jahres ausgewiesen. Darin liegt auch der rechtserhebliche Unterschied zu dem im Urteil K. vom 27. Dezember 2001 (U 372/99) beurteilten Sachverhalt.
Dies rechtfertigt hier die Zusprechung einer Integritätsentschädigung im Grundsatz; über deren Ausmass wird die Suva noch zu befinden haben. Ob der Zeitraum einer (zumindest) einjährigen Phase palliativer Behandlung im Sinne einer regelbildenden Gerichtspraxis auch für andere Asbestfälle beachtlich sei, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Dazu besteht umso weniger Anlass, als die Suva anscheinend, gemäss Brief der Erben des Versicherten vom 20. Juli 2005, mit Wirkung ab 1. Juli 2005 eine neue Verwaltungspraxis eingeführt hat. Danach soll Anspruch auf einen 40-prozentigen «Vorschuss» sechs Monate nach Ausbruch der Krankheit und Anspruch auf weitere 40 Prozent Entschädigung im Erlebensfalle nach zwei Jahren bestehen.
(Urteil U 257/04 der IV. Kammer des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 24. Oktober 2005)
Kommentar:
Das Urteil des EVG vom 25. Oktober 2005 in Sachen Erben Marini gegen Suva ist zu begrüssen. Zum ersten Mal hat das EVG einem Asbest-Opfer das Recht auf Zusprechung einer Integritätsentschädigung gemäss Unfallversicherungsgesetz (UVG) zugestanden. Vielmehr noch: Im Urteilsdispositiv hielt das EVG klar und deutlich fest, dass den Erben des bereits 1998 verstorbenen Asbest- Opfers das Recht auf Zusprechung einer Integritätsentschädigung zusteht. Damit widerspricht das EVG klar der am 1. Juli 2005 neu eingeführten Verwaltungspraxis der Suva, wonach den vor dem 1. Juli 2005 verstorbenen Asbest-Opfern beziehungsweise deren Hinterbliebenen keine Integritätsentschädigung ausgerichtet werden soll. Damit wird die Suva unweigerlich ihre am 1. Juli 2005 eingeführte Verwaltungspraxis zumindest betreffend dieses Punktes wieder ändern müssen.
Das EVG hat indes leider mit ausdrücklichem Verweis auf die seit 1. Juli 2005 eingeführte Verwaltungspraxis der Suva die Frage offen gelassen, ob dieses Urteil regelbildend für alle Asbest-Opfer sein soll betreffend der Voraussetzungen für die Zusprechung einer Integritätsentschädigung als solche. Das EVG berücksichtigte nämlich, dass das Opfer nach Ausbruch der Krankheit während mindestens eines Jahres eine rein palliative Behandlung erfuhr und bejahte deshalb eine Dauerhaftigkeit der Beschwerden als Grundvoraussetzung für die Zusprechung einer Integritätsentschädigung. Man wird deshalb wohl kaum vermeiden können, weitere Fälle vor das EVG zu bringen, um betreffend einer allfälligen generellen Mindestdauer der Beschwerden eine einheitliche Rechtsprechung des EVG zu veranlassen. Des Weiteren wäre es begrüssenswert, wenn in der Verwaltungspraxis auf eine starre Unterscheidung zwischen kurativer und palliativer Behandlung verzichtet werden und für alle Asbest- Opfer eine einheitliche Dauer festgelegt werden könnte, nach deren Ablauf für alle Asbest-Opfer die volle Integritätsentschädigung ausgerichtet würde. Die bisher von der Suva praktizierte Zweijahresregel für die Ausrichtung der vollen Integritätsentschädigung kann dabei nicht befriedigend sein. Offen gelassen hat das EVG im neuen Urteil zudem auch die Frage, ob ein Asbest-Opfer zusätzlich eine Integritätsentschädigung wegen der Beeinträchtigung der psychischen Integrität verlangen kann.
Massimo Aliotta, Rechtsanwalt, Winterthur
Verwaltungsrecht
Gehalt darf nicht willkürlich gekürzt werden
Es verstösst gegen Treu und Glauben, einem Angestellten im öffentlichen Dienst das Gehalt beim Antritt einer neuen Funktion um 17,5 Prozent zu kürzen, wenn ihm zu einem frühen Zeitpunkt der Beibehalt des Lohnes zugesichert wurde.
Sachverhalt:
Die Stadt X. stellte K. auf den 1. Juli 1986 als Sektionschef und Leiter der Zivilschutzstelle an. Später übernahm er zusätzlich die Leitung des Landwirtschaftsamts und war als Adjutant der Feuerwehr tätig. Auf den 1. Januar 2002 wechselte er in das Dienstleistungszentrum. Die Leitung des Landwirtschaftsamts behielt er bei. K. war in der Lohnklasse 13 Stufe 11 eingeteilt. Vor dem Wechsel wurde ihm zugesichert, dass dieser keine Auswirkungen auf sein Einkommen habe.
Im Frühjahr 1998 revidierte die Stadt ihr Personalrechts. Am 6. Oktober 1999 wurde ein neues Personalreglement erlassen. Mit Verfügung vom 22. April 2004 stufte die Stadt K. neu in die Lohnklasse 10 Stufe 11 ein. K. rekurrierte beim Departement des Innern des Kantons St. Gallen. Dieses wies den Rekurs ab. Dagegen führte K. Beschwerde ans Verwaltungsgericht.
Aus den Erwägungen:
2. Art. 24 ff. des Personalreglements (PR) regelt die Besoldung. Art. 27 Abs. 1 PR bestimmt, dass die Arbeitsbewertung die Grundlage für die Einreihung jeder Stelle bildet und die Arbeitsbewertung die Anforderungen an eine Stelle definiert. Art. 27 Abs. 2 PR bestimmt, dass die Einreihung in die Besoldungsklassen und -stufen im Einzelfall unter Berücksichtigung insbesondere von Aufgaben, notwendiger Ausbildung, notwendiger Berufserfahrung, Verantwortlichkeit, Kompetenzen, notwendiger Selbständigkeit und Führungsaufgaben als Vorgesetzter erfolgt.
Art. 29 PR regelt die individuelle Besoldungsanpassung mittels Rückstufung. Nach Abs. 1 sind Rückstufungen in eine tiefere Besoldungsklasse oder Besoldungsstufe funktions- oder leistungsbezogen. Funktionsbezogene Rückstufungen verfügt die Wahlinstanz (Abs. 2). Leistungsbezogene Rückstufungen verfügt der Stadtrat; die ungenügende Leistung muss durch das Mitarbeitergespräch belegt sein (Abs. 3).
a) Streitig ist vorliegend, ob die Besoldungsreduktion als funktionsbezogene Rückstufung im Sinn von Art. 29 Abs. 1 PR zu qualifizieren ist. Die Vorinstanz gelangte zum Ergebnis, der Begriff «funktionsbezogen» erfasse nicht ausschliesslich die mit einer Funktionsänderung begründete Rückstufung, sondern auch die mit einer Neubewertung einer Funktion begründete Rückstufung, sofern sich die Neubewertung auf eine Arbeitsbewertung nach Art. 27 PR stütze. Demgegenüber vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, eine Neubewertung einer Funktion oder eine Dequalifikation einer unveränderten Funktion finde in Art. 29 PR keine Stütze.
b) Mit dem Erlass des Personalreglements wurde das Personalwesen der Stadt X. auf eine neue Grundlage gestellt. Ein erklärtes Ziel der Besoldungsrevision war es, als Grundlage für die Besoldung der verschiedenen Dienststellen eine Arbeitsbewertung zu verwenden. Die Besoldungsordnung sollte zu einer einheitlichen und systematischen Lohnstruktur führen sowie eine relative Lohngerechtigkeit herstellen und die bisherigen lohnbedingten Spannungen beseitigen. Die Neueinstufung des Beschwerdeführers kennzeichnet sich damit als Einreihung gemäss Art. 27 PR. Da das gesamte Personal nach dem Erlass des neuen Reglements aufgrund einer Arbeitsbewertung neu eingestuft wurde, lässt sich die Neueinstufung als generelle, durch Rechtssatz begründete Einreihung qualifizieren, was bedeutet, dass Art. 29 PR nicht zur Anwendung kommt.
3. Die Vorinstanz hat dem Verwaltungsgericht gestützt auf Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 52 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP) die dem angefochtenen Rekursentscheid zugrunde liegenden Akten übermittelt, unter anderem die von der Beschwerdegegnerin mit der Rekursvernehmlassung eingereichten Unterlagen act. 1 bis 15. Diese enthalten mehrere kopierte und teilweise abgedeckte Akten. Die Beschwerdegegnerin hielt in der Rekursvernehmlassung fest, die privaten Interessen der einzelnen Angestellten am Schutz ihrer Personendaten stünden einer Offenlegung entgegen. Falls notwendig, sei sie gerne bereit, die nicht anonymisierten Fassungen der Stadtratsprotokolle betreffend Lohnreduktion ohne Offenlegung gegenüber Dritten zur Verfügung zu stellen.
Die Vorinstanz verzichtete darauf, die vollständigen und unveränderten Unterlagen einzufordern. Grundsätzlich obliegt es aber der entscheidenden Instanz, bei geltend gemachten überwiegenden Interessen die Art und den Umfang der Einschränkung der Akteneinsicht zu bestimmen. Da in der angefochtenen Verfügung ausdrücklich festgehalten war, die Dienststelle des Beschwerdeführers sei im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitenden der Stadtverwaltung sowie der technischen Betriebe als objektiv zu hoch eingestuft, hätten auch die Arbeitsbewertungen der zum Vergleich herangezogenen anderen Dienststellen und Funktionen offen gelegt werden müssen. Es ist widersprüchlich, wenn einerseits geltend gemacht wird, die Arbeitsbewertungen seien ohne Ansehen der jeweiligen Stelleninhaber erfolgt, im Rechtsmittelverfahren aber Quervergleiche mit anderen Stellen (nicht Stelleninhabern) verweigert werden und die Lohnreduktion dennoch mit Berufung auf ein kohärentes und einheitliches Besoldungssystem begründet wird.
Da die Beschwerde aus einem anderen Grund gutzuheissen ist (siehe unten Erw. 4 und 5), kann im vorliegenden Fall auf die Einholung der besagten Unterlagen verzichtet werden.
4. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kommt den finanziellen Ansprüchen der öffentlichen Angestellten in der Regel nicht der Charakter wohlerworbener Rechte zu. Das öffentlich- rechtliche Dienstverhältnis ist durch die jeweilige Gesetzgebung bestimmt; es macht daher, auch was die vermögensrechtliche Seite betrifft, die Entwicklung der Gesetzgebung mit. Besoldungsansprüche können nur dann als wohlerworbene Rechte eingestuft werden, wenn das Gesetz die entsprechenden Beziehungen ein für alle Mal festlegt und von den Einwirkungen der gesetzlichen Entwicklung ausnimmt oder wenn bestimmte, mit einem einzelnen Anstellungsverhältnis verbundene Zusicherungen abgegeben werden. Soweit die Ansprüche keine wohlerworbenen Rechte darstellen, ist der Betroffene nur nach Massgabe des Willkürverbots und des Gebots der Rechtsgleichheit geschützt. Der Betroffene kann sich dagegen zur Wehr setzen, dass seine Ansprüche willkürlich abgeändert, nachträglich entzogen oder im Wert herabgesetzt werden und dass Eingriffe ohne besondere Rechtfertigung einseitig zulasten einzelner Berechtigter oder bestimmter Gruppen erfolgen (siehe BGE 118 Ib 255 f.; M. Müller, Lineare Lohnkürzungen im öffentlichen Dienstrecht als Problem der Rechtsgleichheit, in: AJP 1997, S. 841 f.).
a) Die Rechtsprechung hatte sich bei Lohnkürzungen in öffentlichen Dienstverhältnissen verschiedentlich mit der Änderung gesetzlicher Bestimmungen zu befassen, mit denen die Leistungen für bestimmte Angestelltengruppen reduziert wurden.
b) Im Streitfall ist die neue Einstufung in die Klasse 10 Stufe 11 aufgrund der angefochtenen Verfügung wie auch aufgrund der in den Akten liegenden Arbeitsbewertungsunterlagen nicht nachvollziehbar. Die Vergabe der Arbeitswertpunkte ist nicht transparent und es ist nicht ersichtlich, weshalb die neue Funktion eine im Ergebnis derart gravierende Rückstufung um drei Lohnklassen beziehungsweise 17,5 Prozent zur Folge hat.
c) Bei der Einstufung hat das Gemeinwesen einen grossen Ermessensspielraum. Sie ist weitgehend eine Ermessensfrage und kann gerichtlich nicht überprüft werden. Wenn wie vorliegend eine Neueinstufung von der Kategorie 4 in die Kategorie 3 aufgrund einer Arbeitsbewertung allerdings zu einer Lohnreduktion um 3 Klas sen beziehungsweise um rund 17,5 Prozent führt, kann dies unter dem Aspekt des Willkürverbots und des Anspruchs auf Wahrung von Treu und Glauben dennoch geprüft werden.
d) Die Vorinstanz beurteilte die Lohnreduktion um 17,5 Prozent als verhältnismässig. Das Verwaltungsgericht kann sich dieser Auffassung nicht anschliessen. Bei der erheblichen Lohnreduktion von 17,5 Prozent ist im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben eine Übergangsfrist anzusetzen (ZBl 98/1997, S. 69 f. mit zahlreichen Hinweisen auf Judikatur und Literatur).
Das Bundesgericht hat eine ohne Übergangsfrist vorgenommene Reduktion eines Gehalts um rund 30 Prozent als willkürlich eingestuft und dafür eine mindestens halbjährige Anpassungsfrist als notwendig erachtet (BGE vom 15. Dezember 1976, in: ZBl 78/1977, S. 267 ff.). Im vorliegenden Fall betrug die Frist drei Monate und dauerte somit nicht länger als die minimale Kündigungsfrist (Art. 9 PR). Das Bundesgericht geht davon aus, dass es üblich ist, dass ein Lohnempfänger seine Lebenshaltung auf ein gewisses Lohnniveau ausrichtet und sie nicht kurzfristig wesentlich ändern kann (ZBl 98/1997, S. 70).
Wird einem Angestellten mit einem jährlichen Bruttogehalt von rund 100 000 Franken dieses dauernd um rund 17 500 Franken pro Jahr gekürzt, so liegt darin eine erhebliche, die Lebenshaltung gravierend beeinflussende Änderung, welche nur bei Ansetzung einer ausreichend lang bemessenen Übergangsfrist zulässig ist. Die Dauer dieser Frist hat zu gewährleisten, dass der Betroffene seine Lebenshaltung den veränderten Umständen anpassen kann. Eine Frist von drei Monaten ist viel zu kurz, um eine quantitativ derart beträchtliche Lohnreduktion als verhältnismässig erscheinen zu lassen.
e) Das Verwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass die Lohnreduktion aufgrund der nicht nachvollziehbaren Neubewertung der vom Beschwerdeführer ausgeübten Funktion und ihres Masses sowie des Fehlens einer genügend langen Übergangsfrist im Ergebnis als willkürlich einzustufen ist.
5. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, der Lohnreduktion stehe eine individuelle Zusicherung entgegen.
a) Der Grundsatz von Treu und Glauben gewährt dem Bürger einen Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden. Voraussetzung ist insbesondere, dass sich die Zusicherung auf eine konkrete, den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit bezieht, dass die Behörde zur Auskunft beziehungsweise Zusicherung zuständig war, dass der Betroffene aufgrund der Zusicherung konkrete Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und dass die gesetzliche Ordnung seit der Zusicherung keine Änderung erfahren hat (siehe statt vieler Rohner, St. Galler Kommentar zu Art. 9 BV, Rz 52 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; BGE 129 II 382, 125 I 267, 122 II 112).
b) Vorliegend ist unbestritten, dass dem Beschwerdeführer vor dem Wechsel zum Einwohneramt beziehungsweise Dienstleistungszentrum eine Zusicherung abgegeben wurde, die Funktionsänderung habe besoldungsmässig keine Nachteile.
c) Die Vorinstanz hielt fest, die Zusicherung habe sich lediglich auf den per 1. Januar 2002 vorgenommenen Wechsel vom Amt für Sicherheit in das Dienstleistungszentrum bezogen. Nur in diesem Umfang könne sie daher als Vertrauensgrundlage herangezogen werden. Es frage sich, was geschehen wäre, wenn der Beschwerdeführer dem Stellenwechsel nicht zugestimmt hätte.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass seine frühere Stelle als Sektionschef und Leiter der Zivilschutzstelle in der damaligen Form nicht mehr existiere. Wäre er im Amt für Sicherheit geblieben, hätte er die Änderungen und Neueinschätzungen mittragen müssen. Aus der anlässlich des Stellenwechsels gemachten Zusicherung habe er nicht den Schluss ziehen dürfen, dass sein Lohnniveau auf jeden Fall gewahrt werden würde. Wenn Nachteile aufgrund eines Stellenwechsels ausgeschlossen würden, bedeute dies nicht den Ausschluss jeglicher ungünstiger Veränderungen, sondern nur derjenigen, die sich wegen des Wechsels auf den Beschwerdeführer nun ungünstiger auswirkten, als wenn er seine Stelle behalten hätte. Massgebend sei allein, dass gemäss der von der Projektgruppe im Jahr 2003 durchgeführten Arbeitsbewertung die Funktion des Sektionschefs und Leiters der Zivilschutzstelle heute in der Besoldungsklasse 8 eingestuft sei. Damit stehe fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Wechsels nicht schlechter, sondern auf längere Sicht betrachtet sogar besser gestellt worden sei. Deshalb könne die Zusicherung, dem Beschwerdeführer würden aus seinem Stellenwechsel besoldungsmässig keine Nachteile erwachsen, im vorliegenden Zusammenhang nicht als Vertrauensgrundlage herangezogen werden. Das Verwaltungsgericht kann sich auch dieser Auffassung nicht anschliessen. Der Beschwerdeführer liess sich die Zusicherung für die Beibehaltung seines Lohnes wohl deshalb geben, weil er befürchtete, beim Wechsel in das Dienstleistungszentrum werde er aufgrund seiner neuen Funktion tiefer eingestuft. Grundlage des Vertrauensschutzes ist insbesondere, dass der Betroffene aufgrund der Zusicherung eine Disposition trifft, die sich nicht oder nicht ohne weiteres wieder rückgängig machen lässt.
Vorliegend bestand ein solches Verhältnis zwischen Zusicherung und Disposition. Es geht daher nicht an, die Berufung auf den Vertrauensschutz mit dem Argument zu versagen, dem Beschwerdeführer wären beim Unterlassen der entsprechenden Vorkehrung dieselben oder gar noch grössere Nachteile widerfahren.
Nicht stichhaltig ist auch das Argument, dass die Projektgruppe Arbeitsbewertung die vor dem 1. Januar 2002 ausgeübte Tätigkeit des Beschwerdeführers als Sektionschef und Zivilschutzstellenleiter neu in die Klasse 8 einstufte. In Bezug auf die Beurteilung von verbindlichen Zusicherungen ist von demjenigen Sachverhalt auszugehen, der sich tatsächlich abspielte.
Unbehelflich ist auch das Argument, das Dienstverhältnis werde vom jeweiligen Dienstrecht beherrscht und mache daher, auch was die vermögensrechtliche Seite betreffe, die Entwicklung mit, die das Dienstrecht mache. Im Zeitpunkt der Zusicherung stand das neue Personalrecht bereits in Kraft, und es war offenkundig, dass eine Arbeitsbewertung eingeleitet würde.
Die Zusicherung enthielt auch keinen Vorbehalt bezüglich der Übernahme der früheren Funktionen im Amt für Sicherheit. Dieser Sachverhalt wurde im Rekursverfahren erstmals berücksichtigt. Die erneute Funktionsänderung vermag die Berufung auf die Beständigkeit der Zusicherung nicht zu entkräften. Es wäre widersprüchlich, bei einer Übernahme der früheren Funktionen dem Betroffenen die Berufung auf die beim ersten Wechsel abgegebene Zusicherung zu versagen, wenn er anschliessend genau diejenigen Aufgaben wieder übernimmt, die Grund für die frühere höhere Einstufung waren. Entscheidend ist einzig und allein, dass dem Beschwerdeführer nach dem Inkrafttreten des neuen Personalrechts eine vorbehaltlose Zusicherung abgegeben wurde, der Wechsel ins Einwohneramt wirke sich lohnmässig nicht nachteilig aus. Im übrigen ist es bei Neueinstufungen oder Reorganisationen im öffentlichen Dienstrecht nicht unüblich, dass Mitarbeitern, die in ihrer Funktion nach den neuen Massstäben als zu hoch eingestuft betrachtet werden, im Sinne einer Besitzstandwahrung das bisherige Gehalt auf unbestimmte Zeit oder zumindest während einer längeren Dauer zugesichert wird.
6. Aus dem Gesagten folgt, dass die Einstufung in die Klasse 10 Stufe 11 aufgrund der gravierenden Gehaltsreduktion und mangels hinreichender Übergangsfrist willkürlich ist und zudem aufgrund der konkreten Zusicherung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. Die Beschwerde ist folglich gutzuheissen.
(Urteil B 2004/171 des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. April 2005, rechtskräftig)
Strafprozessrecht
Auskunftsperson muss über Rechte aufgeklärt werden
Eine Auskunftsperson muss über ihre Rechte ins Bild gesetzt werden auch bei den Befragungen durch die Polizei. Unterbleibt dies, sind die Aussagen nicht verwertbar. Somit können dem Betroffenen auch die Kosten nicht auferlegt werden.
Sachverhalt:
Zusammen mit weiteren Personen wurde eine Frau in ein Strafverfahren verwickelt, in dem ihr die Beteiligung an einer kriminellen Organisation, Betäubungsmitteldelikte, Geldwäscherei und andere Delikte vorgeworfen wurden. Mit Urteil vom 14. Januar 2004 verurteilte sie das Bezirksgericht Zürich wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation. Auf Berufung hin sprach das Obergericht sie mit Urteil vom 30. November 2004 frei. Gleichzeitig auferlegte es ihr die Untersuchungskosten sowie einen Teil der Kosten der amtlichen Verteidigung und lehnte es ab, ihr eine Umtriebsentschädigung, Schadenersatz und eine Genugtuung zuzusprechen. Das Obergericht war der Auffassung, es sei der Frau anzulasten, dass sie jemanden in Missachtung der Meldepflicht nach ANAG beherbergt habe (wobei in diesem Punkt allerdings keine Anklage erhoben worden war). Weiter habe sie in der ersten Befragung die von der Polizei durchgeführt worden war krass gelogen. Die Missachtung der ANAG-Vorschriften und diese Lügen seien der massgebliche Grund für die Inhaftierung der Frau und die Fortsetzung der Untersuchung gewesen. Die Frau erhob gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde ans Kassationsgericht des Kantons Zürich.
Aus den Erwägungen:
4. Mit der Beschwerde von S. wird zu Recht geltend gemacht, dass der (siehe dazu Donatsch/ Schmid, Kommentar zur zürcherischen Strafprozessordnung, Zürich, 2000, N 22 ff. zu § 42 mit Verweisungen) Kausalzusammenhang zwischen einer Missachtung einer Meldepflicht durch S. und der Einleitung der Strafuntersuchung gegen sie nicht vorhanden ist. Allein auf eine Missachtung einer Meldepflicht darf eine Kostenauflage an S. nicht gestützt werden.
5. Das tat die Vorinstanz aber auch nicht. Sie erachtete die Missachtung der ANAG-Vorschriften nur zusammen mit den Aussagen von S. in ihrer ersten polizeilichen Befragung vom 25. Oktober 2000 als massgeblichen Grund für ihre Verhaftung und die Fortsetzung der Untersuchung. Als wesentlich bezeichnete die Vorinstanz, dass S. «mit ihrer krassen Falschaussage» (gemeint: in der Einvernahme vom 25. Oktober 2000) kausal Kosten verursacht habe. Wesentlich für die vorinstanzliche Kostenauflage waren somit die Aussagen von S. in der Einvernahme vom 25. Oktober 2000.
Diesbezüglich wird in der Beschwerde vorab geltend gemacht, diese Aussagen seien nicht verwertbar, weil S. dabei nicht über ihre Rechte belehrt worden sei. Diese Rüge ist berechtigt:
6. Am 25. Oktober 2000 wurde S. als Auskunftsperson befragt.
a) Der Untersuchungsbeamte hat die Auskunftsperson über das Recht zur Aussageverweigerung sowie die Bedeutung ihrer Aussage zu belehren und sie aufzufordern, die Wahrheit zu sagen. Ferner hat er die Auskunftsperson auf die Strafbarkeit von falscher Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und Begünstigung gemäss Art. 300 305 StGB aufmerksam zu machen (§ 149b Abs. 2 StPO). Diese Belehrung hat nicht nur in formellen Einvernahmen vor dem Untersuchungsrichter, sondern auch schon im polizeilichen Ermittlungsverfahren zu erfolgen (RB 1999 Nr. 12). Diese Belehrungen sind Gültigkeitserfordernis für die Aussagen der Auskunftsperson. Aussagen, die ohne diese vorgängigen Hinweise erfolgten, sind nichtig (Niklaus Schmid, zur Auskunftsperson, insbesondere nach zürcherischem Strafprozessrecht, in: ZStrR 112 [1994], S. 104 Ziff. 3) beziehungsweise unverwertbar (Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel Genf München 2005, § 63 Rz 2 S. 304 mit Hinweis auf ZR 100 [2001] Nr. 18; Rehberg/Hohl, Die Revision des Zürcher Strafprozessrechts von 1991, Zürich 1992, S. 56; Donatsch, in: Donatsch/Schmid, a. a. O. , N 35 zu § 149b).
b) Wie in der Beschwerde zutreffend geltend gemacht wird, war S. bei der Einvernahme vom 25. Oktober 2000 nicht im Sinne von § 149b Abs. 2 StPO belehrt worden. Weder wurde sie (formell) auf das Recht zur Aussageverweigerung hingewiesen noch über die Bedeutung ihrer Aussage belehrt noch aufgefordert, die Wahrheit zu sagen, noch auf die Strafbarkeit von falscher Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und Begünstigung aufmerksam gemacht. Die Aussagen von S. in der Einvernahme vom 25. Oktober 2000 sind deshalb nichtig und nicht zum Nachteil von S. verwertbar.
c) Die Vorinstanz ist indes der (nicht weiter begründeten) Auffassung, die fehlende Belehrung in dieser Einvernahme spiele keine Rolle, da es bei der Frage der Kostenauflage nicht um strafrechtliche Komponenten gehe und entsprechend auch die Beweis- und Formvorschriften keine Rolle spielten. Dies trifft nicht zu. Zur Kostenauflage können nur rechtsgenüglich nachgewiesene Sachverhalte führen (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, N 1207, S. 463). Es obliegt auch bei der Prüfung der Kostenfolgen dem Staat, dem Angeklagten ein Verhalten nachzuweisen, das trotz Freispruchs zu einer Kostenauflage führen soll (siehe Zindel, Kosten- und Entschädigungsfolgen im Strafverfahren des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1972, S. 136 mit Verweisung auf Kehl, Die materiellen Grundsätze und das Verfahren bezüglich der Kostenauflage und der Zusprechung von Entschädigungen im Strafverfahren nach der zürcherischen Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 mit den seitherigen Änderungen, in ZStrR 64 [1949], S. 406/407). Dabei sind Beweisund Formvorschriften durchaus wesentlich. So gelten beispielsweise die formellen Voraussetzungen für die Verwertbarkeit von Zeugenaussagen auch hinsichtlich der Regelung der Nebenfolgen (RB 1996 Nr. 14, 2004 Nr. 77).
d) Eine bezüglich des vorliegenden Falles relevante Einschränkung im Sinne der Vorinstanz kann allenfalls der Auffassung von Niklaus Schmid entnommen werden, dass die Hinweise gemäss § 149b Abs. 2 StPO Gültigkeitserfordernisse für die Verwendbarkeit der Einvernahme als Beweismittel, nicht aber Voraussetzung für eine allfällige Strafbarkeit nach Art. 303305 StGB seien (Schmid, Strafprozessrecht, a. a. O., N 659i, S. 228 f. sowie in ZStrR 112 a. a. O., S. 105). Daraus könnte bezogen auf die vorliegende Thematik und im Sinne der vorinstanzlichen Erwägung gefolgert werden, dass die Hinweise gemäss § 149b Abs. 2 StPO auch nicht Voraussetzungen für eine allfällige Kostenauflage nach § 189 Abs. 1 StPO (beziehungsweise für die Verwertbarkeit einer Einvernahme im Rahmen der Prüfung der Kostenfolgen) seien. Wie die Auffassung von Schmid genau zu verstehen ist, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Jedenfalls kann daraus nicht folgen, dass eine aufgrund unterlassener Hinweise gemäss § 149b Abs. 2 StPO unverwertbare Aussage einer Auskunftsperson als Grundlage der Erfüllung eines Sachverhalts im Sinne von § 189 Abs. 1 StPO gegen die Auskunftsperson selber verwertet werden darf. Es wäre nicht einzusehen, weshalb eine Aussage einer Auskunftsperson aufgrund unterlassener Hinweise gemäss § 149b Abs. 2 StPO im Strafverfahren gegen einen (anderen) Angeklagten nicht verwertbar sein sollte, in einem Verfahren gegen die Auskunftsperson selber aber schon. Zu beachten ist, dass die Hinweispflichten von § 149b Abs. 2 StPO nicht nur die Aussage als solche schützen beziehungsweise nicht allein eine möglichst wahrheitsgetreue Aussage bezwecken, sondern auch die Auskunftsperson selber schützen. Bei einer Zeugeneinvernahme bilden der Hinweis auf die Wahrheitspflicht und auf Art. 307 StGB sowie die Belehrung darüber, das Zeugnis verweigern zu dürfen, nicht nur Garantien für wahrheitsgetreue Aussagen, sondern bedeuten auch für den Zeugen einen wichtigen Individualschutz (Hauser/ Schweri/Hartmann, a. a. O., § 62 Rz 32, S. 301). In analoger Weise bilden auch