Betreibungsrecht
ARREST FÜR ANWALTSHONORAR: RECHNUNG GENÜGT
Die Honorarrechnung genügt, um die Anwaltsleistungen zu belegen. In Zürich dürfen im Rahmen eines Arrestverfahrens auch englische Urkunden eingereicht werden.
Sachverhalt:
Ein Anwalt ersuchte den Einzelrichter im summarischen Verfahren um Arrestbewilligung für rund 6000 Franken Honorar gegen ein Ehepaar. Der Einzelrichter wies ab, während das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde gutheisst.
Aus den Erwägungen:
3. Der Kläger macht geltend, die Vorinstanz habe das Arrestbegehren hinsichtlich der Honorarforderung zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, er habe diese weder substanziiert noch glaubhaft gemacht. Die Rügen erweisen sich als begründet.
a) Die Auffassung der Vorinstanz, der Kläger habe seine Forderung nicht hinreichend substanziiert, muss – wie der Kläger zu Recht ausführt – als überspitzt formalistisch betrachtet werden. Aus seiner Eingabe an die Vorinstanz ergibt sich, dass sich seine Forderung auf einen Auftrag, den ihm die Beklagte zusammen mit ihrem Ehemann durch Vermittlung ihrer spanischen Anwältin erteilt habe, stützt. Ferner hat er auf zwei Rechnungen verwiesen, die seine Bemühungen auflisten. Damit hat er aber in tatsächlicher Hinsicht den Sachverhalt, aus welchem er seinen Anspruch ableitet, hinreichend behauptet. Da er ferner solidarische Haftbarkeit geltend gemacht hat, ist – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – auch nicht darzulegen, welche Leistungen er für die Beklagte und welche er für deren Ehemann erbracht hat.
Die anwaltlichen Bemühungen sind aus den beiden Rechnungen detailliert ersichtlich, weshalb sie nicht in seiner Eingabe nochmals einzeln aufgeführt werden müssen. Aufgrund dieser Vorbringen ist es nicht haltbar, wenn die Vorinstanz ausführt, es fehle an der genügenden Substanziierung.
b) Die Vorinstanz erachtet die Arrestforderung auch als nicht glaubhaft gemacht. Selbst wenn dem Richter bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung ein Ermessensspielraum zusteht, so erweist sich die Auffassung der Vorinstanz hier als willkürlich. Dabei ist vorab klarzustellen, dass entgegen dem allgemeinen Hinweis der Vorinstanz nicht jede von einer Partei eingereichte fremdsprachige Urkunde zu übersetzen ist; namentlich die in englischer Sprache abgefassten Urkunden, wie die vorliegenden, die weder umfangreich noch kompliziert sind und ohne grössere Schwierigkeiten verstanden werden können, sind zu akzeptieren. Dies gilt vor allem für die Audienz Zürich, welche für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Zürich zuständig ist.
Der Kläger hat mit seiner Offerte, worin der Auftrag umschrieben und die Konditionen genannt wurden, den je von der Beklagten und ihrem Ehemann unterzeichneten Vollmachten sowie des Eingangs des verlangten Vorschusses schlüssig dargelegt, dass zwischen ihm und der Beklagten und ihrem Ehemann ein Auftragsverhältnis entstanden ist. Damit ist eine solidarische Haftbarkeit glaubhaft gemacht (vgl. Art. 143 und Art. 403 OR).
Dazu hat die Vorinstanz zwar nicht Stellung genommen. Allein sie hat festgehalten, es würden objektive Anhaltspunkte für den Bestand der Forderung fehlen. Damit überspannt sie im vorliegenden Fall die Anforderungen, welche an eine Glaubhaftmachung zu stellen sind, in unvertretbarer Weise. Angesichts der Tatsache, dass es gerichtsnotorisch ist, was unter anwaltlicher Tätigkeit zu verstehen ist, sind die Bemühungen des Klägers aufgrund der bereits erwähnten zwei Rechnungen hinreichend glaubhaft gemacht.
Zwar kann grundsätzlich erwartet werden, dass ein Rechtsanwalt diejenigen Unterlagen, welche seine Bemühungen dokumentieren und welche Grundlage seiner Rechnung bilden, ebenfalls dem Gericht einreicht. Angesichts der beratenden Tätigkeit des Auftrages, welche neben dem Studium von Akten vor allem in der Kontaktnahme mit verschiedenen Personen besteht, genügt die Auflistung in den Rechnungen unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung vollauf. Dies gilt auch für die Stundenanzahl, welche sich im Rahmen einer beratenden Tätigkeit hält. Ferner ergibt sich der Stundenansatz von xx Franken aus der Offerte. Die Forderung des Klägers erscheint demnach als glaubhaft. Die Forderungen aufgrund der zwei Rechnungen sind fällig, da davon ausgegangen werden kann, dass gemäss Offerte Abrechnungen pro Quartal vereinbart wurden.
Die Mahnungen für den Verzugszins sind ebenfalls belegt. Die Arrestforderung von 5961 Franken nebst Zins zu 5 Prozent auf 1118.15 Franken seit 13. Juni 2002 und Zins zu 5 Prozent auf 4842.85 Franken seit 6. September 2002 ist deshalb gegenüber der Beklagten und ihrem Ehemann glaubhaft.
4. Der Kläger macht überdies geltend, die Vorinstanz habe klares materielles Recht verletzt, indem sie die auf dem Beschluss der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich vom 3. Juli 2003 beruhende Arrestforderung von 428 Franken abgewiesen habe. Die Rüge istbegründet; die Vorinstanz übersieht, dass beim Ausländerarrest gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG der genügende Bezug zur Schweiz hinreichend ist, weshalb es bei dieser Sachlage keines vollstreckbaren Titels bedarf. Es genügt daher, wenn die Forderung einen genügenden Bezug zur Schweiz hat, was aufgrund des vorgelegten Entscheides ohne weiteres zu bejahen ist.
5. Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und – da die Sache spruchreif ist – gemäss § 291 ZPO ein neuer Entscheid zu fällen.
a) Die Arrestforderung bezüglich des Honorars im Betrag von insgesamt 5961 Franken ist – wie oben dargelegt – glaubhaft gemacht. Ebenso ist die Forderung von 428 Franken, welche auf Dispositiv Ziff. 3 des Beschlusses der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich vom 3. Juli 2003 (act. 3/6) beruht, wonach die Kosten vom Gesuchsteller bezogen, diesem aber von den Gesuchsgegnern zu ersetzen sind, glaubhaft. Die Beklagte und ihr Ehemann haften dem Kläger daher für diese Kosten. Die Fälligkeit ist ebenfalls glaubhaft, da der Kläger selber die Gerichtskosten, die grundsätzlich analog zu Art. 75 OR sofort fällig werden (vgl. Hauser/Schweri, Kommentar zum GVG, N. 18 zu § 204 GVG), auch sofort zu bezahlen hat.
b) Der Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ist ohne weiteres gegeben, da die Beklagte und ihr Ehemann ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz, sondern im Ausland haben. Der Binnenbezug der Forderung zur Schweiz ist ebenfalls gegeben, steht die Forderung doch im Zusammenhang mit einem Mandatsverhältnis mit dem hier praktizierenden Kläger.
c) Das Vorhandensein eines Arrestsubstrates ist ebenfalls hinlänglich dargetan. Aus dem vorgelegten Kontoeröffnungsantrag (act. 317) ergibt sich, dass die Beklagte zusammen mit ihrem Ehemann bei der X-Bank ein Konto eröffnet hat, wobei gemäss Ziff. 4 die Vermögenswerte auf diesem Konto beiden solidarisch gehören. Damit ist eine Bankbeziehung nachgewiesen, was zur Annahme berechtigt, dass die Beklagte bei der genannten Bank über Vermögenswerte verfügt. Dieser Antrag ist allerdings in spanischer Sprache abgefasst; da es sich um ein übliches Formular einer Bank handelt, ist es mit Bezug auf die hier relevante Frage ohne weiteres verständlich.
(Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, Entscheid vom
2. Oktober 2003; PN030217/U/Wi)
Zivilprozessrecht
ENTSCHÄDIGUNG BEI UNGÜLTIGER KÜNDIGUNG
Bei ungültiger Kündigung ist die Prozessentschädigung nach dem Streitwert festzulegen und um einen Drittel zu kürzen.
Sachverhalt:
Vor Mietgericht Uster anerkannte die Vermieterschaft die Ungültigkeit ihrer Kündigung. Das Mietgericht sprach eine Prozessentschädigung von 4500 Franken zu, entsprechend etwa der halben Entschädigung, die sich aus dem Streitwert ergibt. Der Anwalt machte geltend, eine Kürzung auf die Hälfte sei nicht zulässig, da es sich nicht um periodische Leistungen handle. Das Kassationsgericht schützt diesen Standpunkt zwar nicht, reduziert die Entschädigung aber nur um einen Drittel.
Aus den Erwägungen:
II. 1. In der Beschwerdeschrift wird unter anderem vorgebracht, das Obergericht habe die Prozessentschädigung für das mietgerichtliche Verfahren gestützt auf § 2 Abs. 3 AnwGebVO reduziert und damit klares materielles Recht verletzt. Es sei bereits im Rekursverfahren auf die Kommentierung von Frank/Sträuli/Messmer zu § 21 ZPO hingewiesen worden, wonach unter dem Begriff der periodisch wiederkehrenden Leistungen Renten, Nutzungen, Alimente, Verwandtenunterstützungen etc. zu verstehen seien, nicht jedoch Mietzinse. Massgebendes Kriterium sei, ob eine Gegenleistung zu erbringen sei oder nicht. Bei Mietzinszahlungen handle es sich zwar unbestrittenermassen um periodisch wiederkehrende Leistungen, doch werde dafür eine Gegenleistung erbracht.
Mit ihrer Argumentation gelange die Vorinstanz gerade zum gegenteiligen Schluss dessen, was in § 21 ZPO gesetzlich festgeschrieben sei. Im Übrigen verweise die Vorinstanz beim Umfang der Kürzung auf die «erst etwas mehr als vierjährige Mietdauer, doch sei diese Begründung sachlich nicht nachvollziehbar, da überhaupt nicht einzusehen sei, weshalb sich die bisherige Mietdauer auf die Höhe der Prozessentschädigung, welche auf einem Begehren über eine künftige Mietdauer basiere, auswirken solle.
2. a) Die Beschwerdeführer machen geltend, eine Anwendung von § 2 Abs. 3 AnwGebVO komme grundsätzlich nicht in Frage, weil keine «periodische Leistung» im Sinne dieser Bestimmung im Streit stehe, doch nehmen sie dabei keinen rechtsgenügenden Bezug auf die (gegenteiligen) Ausführungen der Vorinstanz.
Aus der Natur des Beschwerdeverfahrens, das keine Fortsetzung des Verfahrens vor dem Sachrichter darstellt, folgt, dass sich der Nichtigkeitskläger konkret mit dem angefochtenen Entscheid auseinander setzen und den behaupteten Nichtigkeitsgrund in der Beschwerdeschrift selbst nachweisen muss (§ 288 Ziff. 3 ZPO), weshalb hinsichtlich der Frage des Anwendungsbereiches von § 2 Abs. 3 AnwGebVO auf die Rüge nicht einzutreten ist (vgl. dazu nachfolgend Erw. 3.b, 2. Abschnitt).
b) So weit die Beschwerdeführer die nach § 2 Abs. 3 AnwGebVO vorgenommene Kürzung nicht nur dem Grundsatze nach in Frage stellen, sondern sich auch gegen deren konkreten Umfang wenden, gilt Folgendes: § 2 Abs. 3 AnwGebVO ermöglicht eine Herabsetzung der Prozessentschädigung bis auf die Hälfte, ohne indessen festzulegen, nach welchen Kriterien sich die Reduktion innerhalb dieses Rahmens bemessen solle. Auch wenn die Gebührenverordnung dem Gericht somit einen weiten Ermessensspielraum lässt, kann eine Verletzung klaren materiellen Rechts gerügt werden, wenn sich das Gericht bei der Ausübung des Ermessens von Gesichtspunkten hat leiten lassen, die nach dem Sinn und Zweck der Verordnung nicht in Betracht gezogen werden dürfen (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, a. a. O., N 52a zu § 281 ZPO).
Die Vorinstanz kürzte den Grundbetrag um einen Drittel und verwies zur Begründung auf die erst etwas mehr als vierjährige Mietdauer. Da jedoch nicht einzusehen ist, weshalb die bisherige Dauer des Mietverhältnisses im Zusammenhang mit der Festsetzung der Prozessentschädigung von Bedeutung sein sollte, hat die Vorinstanz mit der Berücksichtigung dieses sachfremden und untauglichen Kriteriums gegenklares materielles Recht i. S. v. § 281 Ziff. 3 ZPO verstossen (die Vorschriften über die Kosten- und Entschädigungsfolgen stellen nach ständiger Praxis materielles Recht dar, siehe von Rechenberg, Die Nichtigkeitsbeschwerde in Zivil- und Strafsachen nach zürcherischem Recht, 2. A., Zürich 1986, S. 28).
Weil sich die Beschwerde in dieser Hinsicht als begründet erweist, ist der angefochtene Beschluss des Obergerichtes aufzuheben. Da die Sache im Weiteren spruchreif ist, ist in Anwendung von § 291 ZPO ein neuer Entscheid zu fällen (siehe Ziff. II.3. nachfolgend), so dass sich die Prüfung der weiteren, in der Beschwerdeschrift erhobenen Rügen erübrigt.
3. a) Gemäss § 69 ZPO wird die Prozessentschädigung vom Gericht nach Ermessen festgesetzt, doch wird dieses Ermessen insofern eingeschränkt, als die Entschädigung in Fällen, in denen die zu entschädigende Partei anwaltlich vertreten ist, nach der Anwaltsgebührenverordnung (AnwGebVO) zu bestimmen ist (Frank/Sträuli/Messmer, a. a. O., N 2 zu § 69 ZPO). Bei der Berechnung einer nach der AnwGebVO festzusetzenden Prozessentschädigung steht nicht etwa der effektiv geleistete Aufwand des Rechtsvertreters (so genanntes Spezifikationssystem) im Vordergrund, sondern es wird primär auf den Streitwert abgestellt (so genanntes Pauschalsystem).
Dieses Pauschalsystem bringt zwar eine gewisse Vereinfachung mit sich und ermöglicht es den Parteien, das Prozessrisiko oder die Höhe einer allfälligen Prozessentschädigung besser abschätzen zu können, weist anderereits jedoch den Nachteil auf, dass die Entschädigungen – gemessen am geleisteten oder notwendigen anwaltlichen Aufwand – bei grossen Streitwerten zu hoch (oder bei geringen Streitwerten zu tief) ausfallen können. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte zeigt, dass dieser Nachteil bei der Schaffung der heutigen Gebührenverordnung bewusst in Kauf genommen wurde. Den Umständen des Einzelfalles soll dennoch bis zu einem gewissen Grad Rechnung getragen werden können, indem die auf dem Streitwert beruhenden Grundbeträge in bestimmten Fällen reduziert werden können bzw. Zuschläge hinzugezählt werden können (siehe etwa § 2 Abs. 2 und 3 oder § 4 AnwGebVO; vgl. zum Ganzen Weber, Die Prozessentschädigung mit besonderem Bezug auf ihre Ausgestaltung im zürcherischen Zivilprozess, Dissertation, Zürich 1990, S. 92 ff.).
b) Da die vor Mietgericht obsiegenden Beschwerdeführer anwaltlich vertreten waren, bemisst sich deren Prozessentschädigung nach der AnwGebVO. Ausgehend von einem Streitwert von 110 250 Franken ergibt sich nach § 2 Abs. 1 AnwGebVO ein Grundbetrag von 9313 Franken. Sowohl die Erstinstanz als auch das Obergericht waren der Ansicht, der Grundbetrag sei in Anwendung § 2 Abs. 2 AnwGebVO um einen Drittel zu kürzen, weil bei der vorliegenden Mietstreitigkeit von einem einfachen Fall auszugehen sei, welchem sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht klare Verhältnisse zugrunde lägen. Auch wenn die Verhältnisse weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht als besonders kompliziert zu bezeichnen sind, so kann doch ohne Weiteres von einem Fall mit durchschnittlichem Schwierigkeits- und Verantwortungsgrad gesprochen werden.
Mit Blick auf die 13 Seiten umfassenden Plädoyernotizen des beschwerdeführerischen Anwalts im mietgerichtlichen Verfahren drängt sich auch hinsichtlich des Aufwandes keine Herabsetzung der Prozessentschädigung auf. Daran vermag auch der in der Stellungnahme des Präsidenten des Mietgerichtes Uster enthaltene Hinweis auf ein weiteres, zwischen den Parteien hängiges Verfahren (MDO 30004) nichts zu ändern, kann doch nicht beurteilt werden, inwiefern sich dieses auf den notwendigen Zeitaufwand in der vorliegenden Mietstreitigkeit ausgewirkt hat.
Da periodisch wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 3 AnwGebVO im Streite standen (in Anwendung von § 161 GVG kann hiezu auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden), bleibt zu prüfen, ob die Prozessentschädigung im Rahmen dieser Bestimmung zu reduzieren ist: Die voraussichtliche weitere Dauer des Mietverhältnisses (bis zum Ablauf des dreijährigen Kündigungsschutzes) führt zwar aufgrund der Addition der für diese Zeit geschuldeten Mietzinse zu einem relativ hohen Streitwert, doch wirkt sich diese Mietdauer nicht in gleichem Masse auf den Aufwand oder die Sorgfaltspflicht des Anwalts aus und schlägt sich auch nicht in gleichem Masse in grösseren Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur nieder.
Aufgrund dessen rechtfertigt es sich, den nach § 2 Abs. 1 AnwGebVO aufgrund des Streitwerts ermittelten Grundbetrag um rund einen Drittel zu kürzen, so dass die Beschwerdegegner zu verpflichten sind, den Beschwerdeführern für das mietgerichtliche Verfahren eine Prozessentschädigung von insgesamt 6200 Franken (inklusive MwSt.) zu bezahlen.
(Kassationsgericht des Kantons Zürich, Entscheid vom 2. Februar 2004; AA030150/U/mb)
Ausländerrecht
AUSREISE FÜR ALLEINERZIEHENDE UNZUMUTBAR
Das Verwaltungsgericht Luzern verlängert der Witwe eines Ausländers den Aufenthalt, weil eine Rückkehr in die kriegsgeschädigte Heimat unzumutbar ist.
Sachverhalt:
Eine damals 18-jährige Frau aus dem Kosovo heiratete 1999 einen Landsmann, wurde in seine Aufenthaltsbewilligung einbezogen und gebar 2001 eine Tochter. 2002 starb ihr Ehemann. Das Luzerner Amt für Migration lehnte eine Verlängerung der Bewilligung zu Unrecht ab.
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin leitet einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung und damit die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK; SR 0.101) ab (Beziehung zur Tochter, die ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz habe).
Es kann Art. 8 Ziff. 1 EMRK verletzen, wenn einem Ausländer, dessen Familienangehörige in der Schweiz weilen, die Anwesenheit in der Schweiz untersagt wird. Vorausgesetzt wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts, dass der hier weilende Familienangehörige selber ein gefestigtes Anwesenheitsrecht hat (BGE 126 II 382 Erw. 2b, 125 II 639 Erw. 2e mit Hinweisen). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn dieser über das Schweizer Bürgerrecht oder die Niederlassungsbewilligung verfügt, sondern auch dann, wenn er eine Aufenthaltsbewilligung hat, die ihrerseits auf einem festen Rechtsanspruch beruht (BGE 126 II 382 Erw. 2b).
Tochter Z. hat die Niederlassungsbewilligung, welche ihr gestützt auf Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG erteilt worden war (Einbezug in die Bewilligung des inzwischen verstorbenen, niedergelassenen Elternteils). Diese Bewilligung ist geeignet, auch nach dem Tod des für die Niederlassungsbewilligung massgeblichen Elternteils insbesondere dem andern Elternteil
gestützt auf Art. 8 EMRK einen – bedingten – Bewilligungsanspruch im Sinne von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG zu verschaffen und, sofern diesem eine Anwesenheitsbewilligung verweigert wird, den Weg zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu öffnen (vgl. ähnlich BGE 127 II 66 Erw. 1d/bb letzter Absatz).
Das der zuständigen Behörde durch Art. 4 ANAG grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen wird durch das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens nur eingeschränkt, wenn, als zusätzliche Voraussetzung, die angerufene familiäre Beziehung auch tatsächlich gelebt wird und intakt ist (BGE 126 II 382 Erw. 2b/aa, 124 II 364 Erw. 1b mit Hinweisen), was im vorliegenden Fall nicht bestritten ist. Deswegen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid, womit der Beschwerdeführerin die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verweigert wurde, in Berücksichtigung der Niederlassungsbewilligung ihrer Tochter gestützt auf Art. 8 EMRK zulässig (BGE 127 II 67 Erw. 1e). Auf die form- und fristgerechte Beschwerde ist daher einzutreten.
3. Ein Eingriff in das von Art. 8 EMRK Rechtsgut ist statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Ziff. 2 EMRK).
Dabei ist im Sinne ei-ner umfassenden Interessenabwägung darüber zu befinden, ob die anbegehrte Bewilligung erteilt werden kann. Dazu gehören zwei Gesichtspunkte: Zum einen die Frage, ob und wie leicht es zumutbar ist, die Beziehung in einem anderen Land zu leben, zum andern, welche Gründe sich gegen die Bewilligungserteilung aufgrund der Eingriffsvoraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK ergeben (Zünd, in: Ehrenzeller [Hrsg.], Das schweizerische Ausländerrecht, Band 17, St. Gallen 2003, S. 113 f. mit Hinweisen zur Interessenabwägung bei Ehegatten [BGE 110 Ib 201; 120 Ib 12 Erw. 4] sowie zur Eltern-Kind-Beziehung [BGE 120 Ib 1; 120 Ib 22]). In BGE 122 II Erw. 3b (von der Vorinstanz als 2 A.442/195/atm vom 31. Mai 1996 i. S. K. und C. K. zitiert) demgegenüber hatte das Bundesgericht erwogen, einem Kleinkind – besondere Verhältnisse vorbehalten – könne ohne weiteres zugemutet werden, seinem für ihn sorgenden Elternteils ins Ausland zu folgen, selbst wenn es die schweizerische Staatsbürgerschaft besitze.
In einem solchen Fall sei Art. 8 EMRK somit von vornherein nicht verletzt und eine
umfassende Interessenabwägung könne unterbleiben.
In BGE 127 II 67 Erw. 2a hält das Bundesgericht nun fest, dass bei der materiellen Prüfung, ob die Verweigerung der streitigen Bewilligung im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK verhältnismässig ist, die besondere Natur der Niederlassungsbewilligung des Kindes zu berücksichtigen ist, das seinerzeit in die Niederlassungsbewilligung des inzwischen ausgewiesenen Vaters miteinbezogen worden ist. Indes nimmt es – anders als in BGE 122 II 297 Erw. 3b – in Erw. 2b bis d wiederum eine Interessenabwägung vor, wie dies generell erforderlich ist, wenn das von Art. 8 EMRK geschützte Rechtsgut in Frage steht und die familiäre Beziehung auch gelebt wird, indem es die Interessen von Mutter und Kind am Verbleib in der Schweiz den öffentlichen Interessen an einer Ausreise der Beschwerdeführerin gegenüberstellt. In diesem Sinne ist nachfolgend zu erwägen.
4.- a) Die Tochter der Beschwerdeführerin, Z., wurde Anfang 2004 drei Jahre alt. In diesem
Alter sind die Beziehungen zur Mitwelt und mithin zu einem konkreten Aufenthaltsort im Wesentlichen noch durch das Zusammenleben mit den Eltern bestimmt; sofern diese ausreisen, kann es ihnen zwangslos ins Ausland folgen. Eine Rückkehr in die Heimat der Beschwerdeführerin erscheint daher für die Tochter unter Berücksichtigung bloss ihres Alters grundsätzlich als zumutbar (BGE 127 II 67 Erw. 2b).
Indes sind – anders als im zitierten Urteil zugrunde liegenden Fall – die speziellen Familienverhältnisse zu beachten. Der Ehemann der Beschwerdeführerin und Vater von Z. ist verstorben, sodass keine komplette Kernfamilie mehr besteht, in deren Umfeld die Tochter aufwachsen wird. Hingegen erscheinen die Beschwerdeführerin und ihre Tochter in die Familie ihrer Schwiegereltern integriert zu sein, sodass auch die Beziehung von Z. zu ihren Grosseltern, welche sie während der Arbeitsabwesenheit der Beschwerdeführerin betreuen, zu beachten ist (vgl. Uebersax, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold [Hrsg.], Ausländerrecht, Basel 2002, Rz 5.157 zu der Bedeutung der Beziehung zu Verwandten ausserhalb der Kernfamilie im Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK bei besonderen Verhältnissen).
Es ist somit davon auszugehen, dass für Z., trotz ihrer erst drei Jahre, neben der Mutter auch weitere Personen bereits eine gewisse Bedeutung erlangt haben. Eine Ausreise ins Ausland ist ihr unter Berücksichtigung dieser Umstände somit nicht ohne weiteres zumutbar. Indes sind die gegenwärtigen und absehbaren Verhältnisse ihrer Mutter zu untersuchen, deren konkrete Ausgestaltung letztlich für die Beurteilung in erster Linie massgeblich sind, ob es dem dreijährigen Kind zumutbar ist, mit seiner Mutter in deren Heimatland auszureisen.
b) Mit der Beschwerdeführerin wurde eine Parteieinvernahme durchgeführt. Diese bestätigt im Wesentlichen die Vorbringen in der Beschwerde, welche, so weit diese sich auf die Lebensumstände der Beschwerdeführerin beziehen, auch nicht grundsätzlich in Frage gestellt sind, wie überhaupt die Verhältnisse in deren Heimatort von der Vorinstanz nicht näher abgeklärt worden sind.
Im Einzelnen kann von Folgendem ausgegangen werden: Im Krieg sind die Eltern und ein Bruder der Beschwerdeführerin umgekommen, eine Schwester wird heute noch vermisst. Die Familie hat auch sämtliches Vermögen verloren. Deren Haus soll durch Granaten zerstört, das Dorf selber von Militärs zur Hälfte verbrannt worden sein, was unter Bezugnahme auf die Meldung des BFF-Attaché des Swiss Liaison Office in Prishtina vom 12. Januar 2004 sehr wohl als möglich erscheint. In Zürich lebt noch ein Bruder, der als einziger neben der Beschwerdeführerin den Krieg überlebt hat. In der Schweiz schliesslich hat die Beschwerdeführerin eine Familie gegründet. Jedoch verstarb ihr Ehemann nicht einmal drei Jahre später bei einem Verkehrsunfall.
Heute lebt die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter im selben Haus wie die Schwiegereltern in W. Der Schwiegervater hält sich seit über 20 Jahren in der Schweiz auf und verfügt über die Niederlassungsbewilligung. Seine Kinder leben ebenfalls alle in der Schweiz. Die
Beschwerdeführerin bezieht für sich und ihre Tochter monatliche Renten von der AHV und Suva im Betrag von zurzeit 3553 Franken. Sodann steht sie bei der Firma A. in einem festen
Arbeitsverhältnis.
c) Die Beschwerdeführerin ist erst im Alter von zirka 18 1/2 Jahren in die Schweiz gekommen und die bisherige Aufenthaltsdauer lässt kaum von einer ins Gewicht fallenden Integration in die hiesigen Verhältnisse sprechen, zumal sie die Zeit ausserhalb ihrer Arbeit bei der Firma A. vorwiegend im Kreise der Familie ihrer Schwiegereltern verbringt.
Dennoch ist eine Rückkehr in ihre Heimat aufgrund der sehr speziellen Verhältnisse kaum zumutbar. Die Beschwerdeführerin ist heute knapp 23 Jahre alt. Bereits im Alter von noch nicht einmal 18 Jahren hat sie im Krieg praktisch die ganze nähere Familie verloren. Nicht einmal vier Jahre später stirbt ihr Ehemann. Seitdem lebt die Beschwerdeführerin mit ihrer knapp dreijährigen Tochter im Haus, in welchem auch die Schwiegereltern wohnen. Mit einer Ausreise in ihre Heimat müsste sie die relative Geborgenheit aufgeben, die sie heute in der Familie ihrer Schwiegereltern und deren Kindern erfährt und auf welche sie, gerade aufgrund ihrer Lebensgeschichte, mutmasslich sehr angewiesen sein dürfte.
Zwar trifft es zu, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Rentenbezüge in Kosovo kaum mit finanziellen Schwierigkeiten rechnen müsste. Indes müsste sie in ein Land zurückkehren, in dem wegen Kriegsereignissen offenbar keine nahen Familienangehörige mehr leben und mit welchem sie aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen vorwiegend leidvolle Erlebnisse in Verbindung bringt. Als allein erziehende Frau müsste sie dort wohl ohne engeres familiäres Umfeld mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen.
Gerade aufgrund dieses Umstandes, aber auch aufgrund der erlittenen Verluste im persönlichen Umfeld erscheint der Hinweis der Vorinstanz abwegig, es liege auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin als junge Frau irgendwann eine neue Partnerschaft eingehen werde, wodurch sie wieder neue Familienangehörige gewänne. Demgegenüber scheinen die Beschwerdeführerin und ihre Tochter bestens in der Familie des verstorbenen Ehemannes aufgehoben, deren sämtlichen Mitglieder in der Schweiz leben. Gerade auch für die Tochter der Beschwerdeführerin trifft dies zu und eine Wegweisung nach Kosovo käme einem Umzug in eine ungewisse Zukunft mit nicht gesicherten sozialen Beziehungen gleich. Insgesamt ist deshalb das private Interesse der Beschwerdeführerin, zusammen mit ihrer Tochter in der Schweiz leben zu können, als gewichtig zu werten.
d) Über die Beschwerdeführerin ist nichts Nachteiliges bekannt. Insbesondere wird nicht geltend gemacht, sie sei strafrechtlich verurteilt worden oder sie hätte zu irgendwelchen Klagen Anlass gegeben. Für sich und ihre Tochter bezieht sie eine Witwen- bzw. Waisenrente von zirka 3500 Franken. Sodann arbeitet die Beschwerdeführerin nach wie vor bei der Firma A. als Betriebsmitarbeiterin. Der öffentlichen Fürsorge fällt sie damit nicht zur Last. Somit bleibt als einziges öffentliches Interesse das allgemeine Interesse an der Regulierung der Einwanderung, welches aber im Verhältnis zu den spezifischen Verweigerungsgründen wie Straffälligkeit oder Fürsorgeabhängigkeit ohnehin weniger stark gewichtet wird (vgl. Zünd, a. a. O., S. 114).
Dieses aber vermag das Interesse der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter, bei der Familie des verstorbenen Ehemannes die Familiengemeinschaft in der Schweiz zu leben, nicht aufzuwiegen, zumal ihnen eine Ausreise unter den gegebenen sehr speziellen Umständen auch kaum zugemutet werden könnte.
Die vorinstanzliche Verweigerung der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für die Beschwerdeführerin verstösst daher gegen Art. 8 EMRK. Die Verfügung vom 21. Mai 2003 des Amtes für Migration ist somit aufzuheben und dieses anzuweisen, der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.
(Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Urteil vom 12. Februar 2004; V 03 171/brh)
Versicherungsrecht
KEINE INTEGRITÄTSENTSCHÄDIGUNG FÜR ASBESTOPFER
Weil die Lebenserwartung eines Asbestopfers von der Diagnose bis zum Tod sehr kurz war, spricht ihm das Eidgenössische Versicherungsgericht den Anspruch auf Integritätsentschädigung ab. Es fehle an der vorausgesetzten Dauerhaftigkeit.
Sachverhalt:
Der 1944 geborene D. arbeitete von 1961 bis 1987 bei der Eternit AG und war bei der Suva für Unfall und Berufskrankheiten versichert. Er kehrte nach Italien zurück und war selbstständig erwerbstätig. Am 22. Februar 1994 trat er nach Bauchkoliken ins Ospedale Civile von Gagliano del Campo ein. Dort wurde am 7. März 1994 eine diffuse Karzinose des Preritoneums diagnostiziert. Am 15. März wurde er aus dem Spital entlassen und trat anschliessend in ein Erholungsheim ein, wo er bis 16. April blieb. Am 20. Juni 1994 verstarb er zu Hause.
Erst fast drei Jahre später stellten Pathologen fest, dass der Verstorbene an einem Mesotheliom gelitten hatte, also ein Asbestopfer war. Die Erben verlangten Leistungen von der Suva, weil der Tod durch eine Berufskrankheit eingetreten sei.Die Suva sprach der Witwe eine Witwenrente ab 1. Juli 1994 zu und übernahm die Heilungskosten. Die Erben verlangten für den Verstorbenen eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung, ferner eine Abfindung und die Anerkennung einer schweren Hilflosigkeit.
Aus den Erwägungen:
Zu prüfen bleibt der Anspruch auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung.
5.1 Die Beschwerdeführerinnen rügen im Wesentlichen, die Vorinstanz habe zwar festgestellt, es sei unklar, ob und wann die eigentliche Heilbehandlung abgeschlossen und nur noch palliativ behandelt worden sei. Dennoch sei sie davon ausgegangen, von einer Fortsetzung der medizinischen Behandlung wäre noch eine namhafte Besserung zu erwarten gewesen. Der medizinische Sachverhalt sei diesbezüglich nicht genügend abgeklärt worden, weshalb die Sache an die Suva zurückzuweisen gewesen wäre.
5.2 Die Integritätsentschädigung wird gemäss Art. 24 Abs. 2 UVG mit der Invalidenrente festgesetzt oder, wenn kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Diese Bestimmung schreibt dem Unfallversicherer nicht nur vor, wann er über eine Integritätsentschädigung zu verfügen hat, sondern legt auch den massgeblichen Zeitpunkt fest, in dem die materiellen Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sind (RKUV 2002 Nr. U 460 S. 417 Erw. 7a mit Hinweis auf BGE 113 V 53 Erw. 4). Da der Zeitpunkt des materiellen Anspruchsbeginns hinsichtlich der Integritätsentschädigung vom Beginn eines allfälligen Rentenanspruchs abhängt, ist folgerichtig zuerst über den Anspruch auf eine Invalidenrente zu befinden.
5.2.1 Anspruch auf eine Invalidenrente haben Versicherte, die infolge eines Unfalls oder einer Berufskrankheit invalid sind (Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 UVG). Als invalid gilt, wer voraussichtlich bleibend oder für längere Zeit in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist (Art. 18 Abs. 2 UVG, in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung). Laut Art. 19 Abs. 1 UVG entsteht der Anspruch auf eine Invalidenrente, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (IV) abgeschlossen sind.
5.2.2 Der für den Rentenanspruch massgebende Invaliditätsbegriff in der obligatorischen Unfallversicherung stimmt grundsätzlich mit demjenigen in der Invalidenversicherung überein (BGE 126 V 291 Erw. 2a mit Hinweisen). Dies gilt jedoch nicht für den Rentenbeginn. Eine Wartezeit von einem Jahr, entsprechend Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG, wird in Art. 19 Abs. 1 UVG nicht vorausgesetzt, auch wenn in der Praxis zwischen dem Unfall und dem Rentenbeginn meist erheblich längere Zeit vergeht (Peter Omlin, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallversicherung mit besonderer Berücksichtigung der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Diss. Freiburg 1995, S. 97).
Massgebend zur Bestimmung des Anspruchsbeginns einer UV-Rente ist somit, ob der Versicherte voraussichtlich bleibend oder für längere Zeit in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist und ob von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der IV abgeschlossen sind. Art. 19 Abs. 1 UVG verlangt insoweit eine relative Stabilität des Gesundheitszustandes, als der Rentenanspruch nicht entsteht, solange eine Verbesserung den Invaliditätsgrad zu beeinflussen vermag (vgl. Urteil N. vom 21. Oktober 2002, U 90/01, Erw. 2.3).
5.2.3 Wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat, geht aus den Akten nicht klar hervor, ab wann der Versicherte nicht mehr kurativ behandelt wurde. Nicht zutreffend ist ihre Folgerung, wonach (erst) Mitte April 1994 feststand, dass keine namhafte Verbesserung des Gesundheitszustandes mehr zu erwarten war, weil bis zu diesem Zeitpunkt noch therapeutische Massnahmen im Sinne einer Heilbehandlung durchgeführt worden seien. Dies ist indessen nicht entscheidend, wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt.
Im Fall M., welcher Gegenstand des in RKUV 2002 Nr. U 460 S. 415 publizierten Urteils bildete, war der Versicherte zwei Jahre nach Ausbruch eines Pleuramesothelioms verstorben. Das Eidgenössische Versicherungsgericht wies die Sache an die Suva zurück zur Durchführung weiterer Abklärungen bezüglich der Frage, wann im konkreten Fall keine namhafte Verbesserung des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden konnte und die Behandlung nur noch palliativer Art gewesen war (RKUV 2002 Nr. U 460 S. 417 Erw. 7b).
Daraufhin hat die Suva bei Prof. Dr. med. K. ein Gutachten zu fallspezifischen und generellen Fragen zu Krankheitsverlauf, Behandlungsmöglichkeiten und Prognose bei Pleuramesotheliom eingeholt. Die grundsätzlichen Feststellungen zur Erkrankung gelten laut Abteilung Arbeitsmedizin der Suva auch für das wesentlich seltenere Peritonealmesotheliom (Ärztliche Beurteilung vom 27. Mai 2003). Wie aus dem Gutachten von Prof. Dr. med. K. vom 15. November 2002 hervorgeht, kann allein aus der Tatsache, dass der Versicherte von Mitte März bis Mitte April 1994 chemotherapeutisch behandelt wurde, nicht geschlossen werden, es sei damals noch eine Besserung des Gesundheitszustandes im Sinne von Art. 19 Abs. 1 UVG bezweckt worden, da auch eine Chemotherapie mit palliativem Zweck durchgeführt werden kann.
5.2.4 Die Frage, ob und gegebenenfalls wann der Rentenanspruch entstanden ist, kann indessen offen gelassen werden, sofern ein Anspruch auf Integritätsentschädigung aus anderen Gründen nicht besteht. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, fehlt es diesfalls für eine rückwirkende Ablösung des zugesprochenen Taggeldes durch eine Rente im konkreten Fall am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, da diese ohne betragsmässige Auswirkungen bliebe.
5.3.1 Die Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG) bezweckt – wie die Genugtuung – den Ausgleich immaterieller Unbill. Versicherte, die durch einen Unfall oder eine Berufskrankheit eine dauernde erhebliche Schädigung der Integrität erleiden, sollen den dadurch entgangenen Lebensgenuss mit Hilfe der Entschädigung wenigstens teilweise kompensieren können (Omlin, a. a. O., S. 79 f.). Die Voraussetzung der Dauerhaftigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers in einem restriktiven Sinn auszulegen (BGE 124 V 38, Erw. 4b/cc).
5.3.2 Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungenfür eine Integritätsentschädigung noch erfüllt sind, wenn die Beeinträchtigung zwar lebenslänglich dauern wird (vgl. Art. 36 Abs. 1 UVV), aber aufgrund der kurzen Lebenserwartung von entsprechend kurzer Dauer ist. Dem Zweck der Integritätsentschädigung würde es jedenfalls widersprechen, den Erben eine Entschädigung dafür zuzusprechen, dass ein Angehöriger für eine gewisse Zeit vor dem Tod einen Zustand erreichte, in dem jede Verbesserung ausgeschlossen werden musste (Urteil K. vom 27. Dezember 2001, U 372/99, Erw. 5). Der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung muss noch in der Person des Versicherten entstanden und mit seinem Tod durch Universalsukzession auf die Erben übergegangen sein.
5.3.3 Die Anerkennung eines Anspruchs auf eine Integritätsentschädigung ist bei Berufskrankheiten mit infauster Prognose nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Denn es ist auch hier möglich, dass der Gesundheitszustand zwar nicht stabil, aber vorübergehend stationär wird und der Versicherte vorerst über längere Zeit mit der Beeinträchtigung weiter lebt. Über eine Mindestdauer hat das Eidgenössische Versicherungsgericht bisher nicht entschieden. Abgelehnt wird die in der Lehre vertretene Meinung, dass bereits eine logische Sekunde genüge (vgl. Thomas Frei, Die Integritätsentschädigung nach Art. 24 und 25 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1997, S. 58), in der sich der Versicherte nach Abschluss der Behandlung damit konfrontiert sieht, mit einem nicht mehr verbesserungsfähigen Schaden leben zu müssen (RKUV 2002 Nr. U 460 S. 416 Erw. 6c).
Im Urteil K. vom 27. Dezember 2001, U 372/99, hat das Gericht erwogen, bei einer – gemäss ärztlicher Prognose – schon ex ante sehr kurzen Lebenserwartung von etwa drei Monaten könne der Zweck der Integritätsentschädigung nicht mehr erreicht werden (Erw. 5).
5.3.4 Entgegen der Meinung der Suva ist eine längerfristige Stabilisierung des Gesundheitszustandes aber nicht erforderlich. Einen Anspruch auf Integritätsentschädigung nur deswegen zu verweigern, weil sich der Gesundheitszustand des Versicherten nicht stabilisiert hat oder die Behandlung noch nicht abgeschlossen ist, würde der speziellen Situation der Berufskrankheit nicht gerecht (RKUV 2002 Nr. U 460 S. 417 Erw. 7a).
5.3.5 Der Versicherte wurde Mitte März 1994, nachdem die Diagnose des diffusen Karzinoms gestellt worden war, aus dem Spital in H. entlassen. Selbst wenn man bereits diesen Zeitpunkt als massgebend für die Rentenfestsetzung betrachten und den Anspruch auf eine Integritätsentschädigung aus dieser Sichtweise heraus prüfen wollte, hat der Versicherte nur noch während gut drei Monaten gelebt.
Im Leistungsrecht der Sozialversicherung ist der Grundsatz zu beachten, wonach die Anspruchsberechtigung prognostisch und nicht nach dem eingetretenen Erfolg zu beurteilen ist (BGE 124 V 111 Erw. 3b; 110 V 102 Erw. 2; Urteil W. vom 25. September 2000, K 85/99, Erw. 5b). Gemäss Aktenlage ist eine ärztliche Prognose zur Lebenserwartung nicht gestellt worden. Der Versicherte ist nur vier Monate nach Ausbruch der Krankheit verstorben, die konkrete Diagnose eines Peritonealmesothelioms wurde erst längere Zeit nach dem Tod gestellt und auch die Anmeldung bei der Versicherung erfolgte erst drei Jahre nach dem Tod des Versicherten.
Der Unfallversicherer hatte somit beim Erlass der Verfügung gar nicht mehr die Möglichkeit, die Leistungsgewährung prognostisch zu beurteilen. Eine nachträgliche Prognostizierung ist nicht möglich. Deshalb bleibt nichts anderes übrig, als die Frage nach der Lebenserwartung retrospektiv zu prüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Medizin eine empirische Wissenschaft ist und dem Vergleich des zu beurteilenden medizinischen Sachverhaltes mit anderen Krankheitsfällen eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. BGE 126 V 189 Erw. 4c).
5.3.6 Gemäss dem Gutachten von Prof. Dr. med. K. liegt in der Regel bereits ein fortgeschrittenes Stadium des Mesothelioms vor, wenn die Beschwerden den Betroffenen veranlassen, medizinische Hilfe zu beanspruchen. Unbehandelt beträgt das mediane Überleben zwischen vier und zwölf Monaten. Die konkrete Prognose hängt unter anderem von der Ausdehnung des Tumors, der Histologie, dem Alter des Patienten, seinem Allgemeinzustand und allenfalls vorhandenen Zusatzerkrankungen ab. Einige Monate nach dem Einleiten einer Therapie kann der Verlauf besser abgeschätzt werden, da auch das individuelle Ansprechen auf die Behandlung zu berücksichtigen ist.
5.3.7 Beim Versicherten wurde nach dem 7. März 1994 die Diagnose der diffusen peritonealen Karzinose gestellt, worauf er am 15. März 1994 ohne eine spezielle Therapieanordnung entlassen wurde. Wie die Suva zutreffend folgert, ergaben die medizinischen Abklärungen ein sehr ungünstiges Untersuchungsergebnis, so dass eine kurative oder eine lebensverlängernde palliative Therapie gar nicht mehr erwogen wurde. Damit entfiel auch die Möglichkeit, nach einigen Behandlungsmonaten eine etwas präzisere Prognose zu stellen.
Unter Berücksichtigung der allgemeinen medizinischen Erkenntnisse zum Verlauf eines Mesothelioms sowie der konkreten Umstände muss davon ausgegangen werden, dass die Lebenserwartung des Versicherten nach ausgebrochener Krankheit so kurz gewesen war, dass es an der gemäss Art. 24 Abs. 1 UVG erforderlichen Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung fehlte. Deshalb konnte ein Anspruch auf eine Integritätsentschädigung nicht entstehen. Ergänzende medizinische Abklärungen vermöchten hieran nichts zu ändern. Für eine Rückweisung an die Suva zwecks Durchführung weiterer Abklärungen – wie
dies die Beschwerdeführerinnen eventualiter verlangen – besteht daher kein Anlass.
(Urteil U 105/03 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 23. Dezember 2003)
Kommentar:
Das Urteil des EVG klärt einmal mehr leider nicht alle im Zusammenhang mit der Auszahlung von Integritätsentschädigungen an Asbestopfer aufgeworfenen Fragen.
Im vorliegenden Fall erklärte es zwar, dass eine viermonatige Dauer zwischen Ausbruch der Krankheit und Tod zufolge mangelnder Dauerhaftigkeit offenbar nicht genügt, um ein Anrecht auf Auszahlung einer Integritätsentschädigung zu haben. Diese Argumentation hinterlässt indes einen bitteren Nachgeschmack: Es ist eine medizinisch unbestrittene Tatsache, dass nahezu alle Asbestopfer, bei welchen ein Pleuramesotheliom diagnostiziert worden ist, früher oder später sterben. Die zeitliche Spannweite nach Ausbruch der Krankheit reicht von drei Monaten bis etwa zwei Jahren.
Unter diesen Umständen ist es prima vista nicht verständlich, weshalb nicht alle unausweichlich mit dem Todesurteil konfrontierten Asbestopfer eine Integritätsentschädigung erhalten sollen.
Erfreulich ist indes die Feststellung des EVG im publizierten Urteil, wonach die Suva-interne Richtlinie, wonach eine dem Tod vorangehende mindestens zweijährige Stabilitätsphase des Erkrankten notwendig sei für die Ausrichtung einer Integritätsentschädigung, vom EVG als nicht haltbar erachtet worden ist. Die Suva hatte in zynischer Art und Weise und im Wissen um die normalerweise höchstens zwei Jahre dauernde Krankheitsphase bewusst die Latte so hoch angesetzt, dass praktisch kein Asbestopfer eine Integritätsentschädigung erhalten hätte.
Trotz dieses Urteils des EVG weigert sich die Suva zurzeit in rechtlich unhaltbarer Art und Weise indes, den Asbestopfern Integritätsentschädigungen auszuzahlen. Dies mit Verweis auf ein vor dem Verwaltungsgericht Glarus hängiges Gerichtsverfahren.
Damit nimmt die Suva jedoch bewusst in Kauf, dass bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem EVG Dutzende von Asbestopfern sterben werden, ohne bei der Suva noch zu Lebzeiten den Anspruch auf Auszahlung einer Integritätsentschädigung gestellt zu haben. Dies ist nämlich der neueste Trick der Suva: Integritätsentschädigungen sollen nur noch an Asbestopfer bezahlt werden, sofern das Gesuch auf Auszahlung einer Integritätsentschädigung vom Asbestopfer selber noch bei Lebzeiten bei der Suva gestellt worden ist.
Diese Argumentation wird nun offiziell von der Suva in einem weiteren, vor dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau hängigen Verfahren eingebracht. Wie wenn die Asbestopfer in ihrem Todeskampf nichts anderes zu tun hätten, als bei der Suva noch eine Integritätsentschädigung zu verlangen, bevor sie qualvoll sterben.
Pikantes Detail dabei: Die Suva hatte zunächst in diesem Fall eine Teil-Integritätsentschädigung zugesprochen und beantragt nun vom Gericht die Reformatio in Peius des eigenen Einsprache-Entscheides. Es ist doch zu hoffen, dass das EVG dereinst die Suva bezüglich ihres eklatanten asbestopferfeindlichen Verhaltens klar in die Schranken weisen wird.
- Massimo Aliotta, RA in Winterthur, Rechtsvertreter im obigen und in weiteren Asbest-Fällen
PENSIONSKASSE MUSS TEILZEITLERIN RENTE BEZAHLEN
Das Zürcher Sozialversicherungsgericht spricht einer Teilzeitlerin eine halbe Pensionskassenrente bei einer 50-prozentigen Arbeitsunfähigkeit zu.
Sachverhalt:
Eine Packerin reduzierte ihre Beschäftigung nach zehn Jahren auf 50 Prozent und war bei der Rentenanstalt BVG-versichert. 1991 erlitt sie einen Unfall und erhielt UVG-Leistungen. 1992 wurde das Arbeitsverhältnis wegen Geschäftsaufgabe der Firma aufgelöst. Die Frau arbeitete seit dem Unfall nicht mehr. Die Pensionskasse gewährte ihr eine halbe Rente ab Juni 1991.
Die IV lehnte 1994 Rentenleistungen ab, weil sie mit der gemischten Methode auf einen IV-Grad von 33 Prozent kam. Die Pensionskasse reduzierte ihre Leistungen darauf ab 1995 auf 33 Prozent. Später sprach die IV der Frau ab Dezember 1991 eine halbe Rente zu bei einem IV-Grad von 55 Prozent.
Die Pensionskasse teilte im August 2001 mit, sie stelle die Leistungen ein. Das Sozialversicherungsgericht hebt den Entscheid auf.
Aus den Erwägungen:
1.2 Aus der engen Verbindung zwischen dem Recht auf eine Rente der Invalidenversicherung und demjenigen auf eine Invalidenleistung nach BVG ergibt sich, dass der Invaliditätsbegriff im obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge und in der Invalidenversicherung grundsätzlich der gleiche ist (BGE 123 V 271 Erw. 2a, 120 V 108 Erw. 3c, je mit Hinweisen).
Praxisgemäss sind daher die Vorsorgeeinrichtungen im Bereich der gesetzlichen Mindestvorsorge (Art. 6 BVG) an die Feststellungen der IV-Organe (Eintritt der invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit, Eröffnung der Wartezeit, Festsetzung des Invaliditätsgrades) gebunden, so weit die IV-rechtliche Betrachtung aufgrund einer gesamthaften Prüfung der Akten nicht als offensichtlich unhaltbar erscheint (BGE 126 V 311 Erw. 1 in fine).
Die Bindung der Vorsorgeeinrichtung an den durch die Invalidenversicherung bei teilerwerbstätigen Personen aufgrund der gemischten Methode ermittelten Invaliditätsgrad beschränkt sich auf die Invalidität im erwerblichen Bereich (BGE 120 V 106 ff.). Auch im Bereich der weiter gehenden beruflichen Vorsorge besteht jene Bindung, wenn die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement vom gleichen Invaliditätsbegriff ausgeht wie die Invalidenversicherung (BGE 120 V 109 Erw. 3c, 126 V 311 Erw. 1).
Diese Bindungswirkung setzt voraus, dass die IV-Stelle allen in Betracht fallenden Vorsorgeeinrichtungen ihre Rentenverfügung von Amtes wegen eröffnet. Dem BVG-Versicherer steht ein selbstständiges Beschwerderecht im Verfahren nach IVG zu. Unterbleibt ein solches Einbeziehen der Vorsorgeeinrichtungen, ist die IV-rechtliche Festsetzung des Invaliditätsgrades (grundsätzlich, masslich und zeitlich) berufsvorsorgerechtlich nicht verbindlich (BGE 129 V 73 ff.).
3. Im Weiteren ist zu prüfen, ob die Beklagte die Rentenleistungen per 31. Juli 1999 zu Recht einstellte.
3.1 Mit Verfügung vom 14. September 2001 sprach die IV-Stelle der Klägerin eine halbe Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 55 Prozent mit Wirkung ab 1. August 1999 zu. Dabei ging sie davon aus, dass die Klägerin bei voller Gesundheit ab Einschulung des zweiten Kindes im August 1999 wieder einer Vollzeitbeschäftigung nachginge. Bei einer Arbeitsfähigkeit von 50 Prozent in einer behinderungsangepassten Tätigkeit errechnete sie einen Invaliditätsgrad von 55 Prozent. Daraufhin stellte die Beklagte ihre Rentenleistungen per 31. Juli 1999 ein, da die Klägerin ab 1. August 1999 als Packerin zu 50 Prozent arbeitsfähig sei und dies jenem Pensum entspreche, welches sie bei Beginn ihrer Erwerbsunfähigkeit als Teilzeitbeschäftigte innehatte.
3.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) erwog in SZS 2001 S. 85 ff. Folgendes: Eine Versicherte, welche von jeher zu 50 Prozent als Sekretärin tätig war, übte dieselbe Tätigkeit nach Eintritt einer Teilinvalidität von 50 Prozent weiterhin in gleichem Umfang aus. Weil die Versicherte im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit für ein den Beschäftigungsgrad von 50 Prozent übersteigendes Arbeitspensum nicht versichert war, da für diesen Teil der Erwerbsfähigkeit nie ein Arbeits- und Versicherungsverhältnis bestanden hat, verneinte das EVG einen Anspruch dieser Versicherten auf eine Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge.
Die Beklagte macht geltend, der dem Entscheid zugrunde liegende Sachverhalt sei mit dem vorliegenden vergleichbar, einzig mit dem Unterschied, dass die Klägerin, welche als Packerin zu 50 Prozent arbeitsfähig sei, die Restarbeitsfähigkeit nicht verwerte und so, versicherungsrechtlich gesprochen, ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachkomme, was nicht zulasten der Beklagten ausgelegt werden könne. Gegen die wirtschaftlichen Folgen der Arbeitslosigkeit sei die Klägerin im Rahmen der beruflichen Vorsorge nicht versichert.
3.3 Im Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität war die Klägerin ohne Gesundheitsschaden 50 Prozent erwerbstätig gewesen, die anderen 50 Prozent hat sie der Hausarbeit gewidmet. Aufgrund der 50-prozentigen Arbeitsunfähigkeit gab sie die Erwerbstätigkeit auf, worauf ihr aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50 Prozent eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge zugesprochen wurde. Erst nachdem ihr zweitgeborenes Kind im August 1997 eingeschult worden ist, hat sie gegenüber der IV- Stelle glaubhaft geltend gemacht, sie würde ohne Gesundheitsschaden wieder 100 Prozent erwerbstätig sein.
Ein mit dem oben zitierten Entscheid des EVG vergleichbarer Sachverhalt liegt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor, da der Klägerin aufgrund ihrer Teilinvalidität eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge zugesprochen wurde. Fraglich ist indessen, ob und wie sich die Erhöhung des Invaliditätsgrades auf die Rente der beruflichen Vorsorge auswirkt.
Nach Art. 23 BVG ist für einen allfälligen Anspruch einzig und allein der Eintritt der relevanten Arbeitsunfähigkeit massgebend, unabhängig davon, in welchem Zeitpunkt und in welchem Masse daraus ein Anspruch auf Invalidenleistungen entsteht.
Die Versicherteneigenschaft muss nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, dagegen nicht notwendigerweise auch im Zeitpunkt des Eintritts oder der Verschlimmerung der Invalidität. Für eine einmal aus – während der Versicherungsdauer aufgetretene – Arbeitsunfähigkeit geschuldete Invalidenleistung bleibt die Vorsorgeeinrichtung somit leistungspflichtig, selbst wenn sich nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses der Invaliditätsgrad ändert. Entsprechend bildet denn auch der Wegfall der Versicherteneigenschaft keinen Erlöschungsgrund (BGE 118 V 45 Erw. 5).
Es ist unbestritten, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit die Versicherteneigenschaft erfüllte, weshalb ihr eine Invalidenrente der Vorsorgeeinrichtung zustand. Die Beklagte ist daher auch nach dem 31. Juli 1999 weiterhin leistungspflichtig, unabhängig davon, dass die Klägerin die ihr verbliebene Restarbeitsfähigkeit von 50 Prozent nicht verwertet. Gestützt auf den von der IV-Stelle festgesetzten Invaliditätsgrad von 55 Prozent ist gemäss Art. 5 Abs. 2 des Reglements ab 1. August 1999 auch eine entsprechende Rente der Beklagten geschuldet.
(Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, IV. Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2003; BV.2003.00051)